:: 2/2006

Bettenauslastung in den meisten Fachabteilungen der Krankenhäuser trotz Bettenabbau rückläufig

Im Jahr 2004 ging erstmals die Zahl der Krankenhauspatienten gegenüber dem Vorjahr leicht zurück. Gleichzeitig bewegt sich die Verweildauer der Patienten auf einem historisch niedrigem Niveau. Trotz massiven Bettenabbaus in den vergangenen Jahren ist der Aus-lastungsgrad der Krankenhausbetten weiter zurückgegangen. Die Ergebnisse der amtlichen Krankenhausstatistik des Erhebungsjahres 2004 deuten auf tief greifende Veränderungen in der Krankenhauslandschaft Baden-Württembergs hin. Im Vergleich zu dem Startjahr dieser Statistik im Jahre 1990 zeichnet sich – was die Fachbereiche insgesamt angeht – ein Konzentrationsprozess im Bereich der Fachabteilungen ab. Hauptursache ist die Einführung der Fallpauschalen, an deren Vorgaben sich die Krankenhäuser unter Einnahmegesichtspunkten halten müssen, wenn sie betriebswirtschaftlich keine Verluste machen wollen.

In den 316 Krankenhäusern Baden-Württembergs wurden im Jahr 2004 etwas mehr als 1,91 Mill. Patienten vollstationär versorgt. Gegenüber 2003 bedeutet dies einen Rückgang um gut 60 600 Behandlungsfälle. Damit wurden erstmals seit 1990 – dem Einführungsjahr der bundeseinheitlichen Krankenhausstatistik – weniger Patienten als im Vorjahr behandelt.

Die Zahl der in den Krankenhäusern Baden-Württembergs aufgestellten Betten sank im Jahr 2004 auf 62 387. Gegenüber 1990 bedeutet dies einen Rückgang um fast 7 000 Einheiten. Im gleichen Zeitraum nahm die Zahl der vollstationären Behandlungsfälle um nahezu 310 000 zu. Allerdings blieben die Patienten im Durchschnitt statt der 13,5 Tage 1990 im Jahre 2004 nur noch 8,7 Tage in vollstationärer Behandlung. Trotz der insgesamt doch erheblich gestiegenen Patientenzahl führte dieser Umstand dazu, dass die Anzahl der Pflegetage von 21,6 auf 16,7 Mill. und der durchschnittliche Auslastungsgrad1 der Krankenhausbetten insgesamt von 85 auf 73 % zurückging. Im Allgemeinen gilt eine 85%ige Bettenauslastung als wirtschaftlich wünschenswert.2 Dieser Auslastungsgrad wurde 1990 noch vom ganz überwiegenden Teil der Fachbereiche der Kliniken zumindest näherungsweise erreicht und von einigen sogar übertroffen.

Fachbereiche unterschiedlich stark betroffen

Diese Entwicklung wirkte sich unterschiedlich stark auf die einzelnen Fachbereiche aus. Die einschneidensten Folgen zeigten sich vor allem in Abteilungen mit eher kleiner Bettenzahl. So besonders in der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie, wo die Auslastung der Betten 1990 mit 79 % bereits nicht optimal war. Dort sank sie 2004 auf nur noch 53 %. Die Augenheilkunde als ebenfalls kleinerer Bereich ging von 79 auf 56 %, und die Frauenheilkunde und Geburtshilfe als betten- und behandlungsfallstarker Bereich von 83 auf 60 % zurück, obwohl in den genannten Abteilungen seit 1990 zwischen 22 und gut 36 % der Betten abgebaut wurden. Diese Maßnahmen reichten indes nicht aus, die durch den Rückgang der Verweildauern um 2 bis 4 Tage entstehenden Defizite auszugleichen. Dies umso weniger, als in der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie die Patientenzahl um 29 % und in der Frauenheilkunde und Geburtshilfe die Zahl der Patientinnen um 19 % zurückging.

Auch die großen Fachbereiche Chirurgie und Innere Medizin kommen im Jahr 2004 trotz des Abbaus von 2 814 bzw. 1 682 Betten nicht auf den wünschenswerten Auslastungsgrad, den sie 1990 mit 86 bzw. 87 % erreichten oder sogar übertrafen. Besonders deutlich sank die Auslastung in der Chirurgie, wo auch gut 9 000 Patienten weniger behandelt wurden. Hier lag die Bettenauslastung im Jahre 2004 bei nur noch 70 %. Der Rückgang der Bettenauslastung in der Inneren Medizin auf gut 75 % fällt geringer aus. Das ist dort allerdings im Zusammenhang damit zu sehen, dass die Patientenzahl bei ebenfalls abnehmender Verweildauer kräftig, um nahezu 220 000 auf 680 500 Fälle, angewachsen ist, eine Entwicklung, die den Folgen der gesunkenen Verweildauer entgegenwirkte.

Lediglich zwei Fachbereiche warten mit einer weit über dem Wunschauslastungsgrad liegenden Belegung ihrer Betten auf: die Psychiatrie mit 92 % und vor allem die Jugendpsychiatrie mit 94 %. Beide Bereiche, insbesondere aber die Kinder- und Jugendpsychiatrie, bewegen sich damit sogar merklich über ihren 1990 festgestellten Werten. Zwar ist auch in diesem Bereich die durchschnittliche Verweildauer gegenüber 1990 deutlich gesunken, doch nahmen die Patientenzahlen ganz erheblich zu. In der Kinder- und Jugendpsychiatrie ist ein, zumindest prozentual gesehen, enormer Anstieg zu verzeichnen. Hier übertrifft die Patientenzahl die von 1990 um nicht weniger als 179 % (Psychiatrie + 60 %). Das führte auch dazu, dass in diesem Bereich über 100 Betten mehr aufgestellt wurden (Psychiatrie + 30 Betten).

Der mit Abstand höchste prozentuale Bettenzuwachs ist in der Neurochirurgie zu beobachten. Um knapp über 59 % nahm die Bettenzahl und um gut 94 % die Fallzahl zu. Bei gleichzeitig rückläufiger Verweildauer war der durchschnittliche Auslastungsgrad von 1990 (88,1 %) zwar nicht zu halten, aber im Jahre 2004 konnte die Neurochirurgie mit einer Auslastung von 79 % hinter den beiden psychiatrischen Bereichen und der Inneren Medizin immerhin mit der vierthöchsten Bettenauslastung überhaupt aufwarten.

Dagegen führte die Aufstockung des Fachbereiches Orthopädie um landesweit 100 zusätzliche Betten im Jahr 2004 zu einem wesentlich schlechteren Auslastungsgrad als noch 1990. Trotz 16 000 zusätzlicher Patienten trug eine um fast 39 % auf 10,3 Tage gesunkene durchschnittliche Verweildauer dazu bei, dass von einem Auslastungsgrad von ehemals 91 nur noch 69 % übrig blieben.

Parallel zu dieser Entwicklung sind, was die Zahl der im Lande vorhandenen Fachabteilungen angeht, sowohl Prozesse der Konzentration wie auch solche der Ausweitung zu beobachten. So standen für die vollstationäre Versorgung im Jahre 2004 insgesamt 1 052 Fachabteilungen zur Verfügung, 21 weniger als 1990. Allerdings fällt die Zu- bzw. Abnahme der Anzahl einzelner Fachbereiche sehr unterschiedlich aus. So ging das Angebot in der Inneren Medizin um 28 Abteilungen auf 176 zurück. Um die gleiche Größenordnung reduzierte sich die Zahl der Fachbereiche in der Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Erweitert hat sich dagegen unter anderem das Angebot an Abteilungen in der Psychiatrie (+ 14), der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie und Orthopädie (jeweils + 10) sowie der Neurologie (+ 9).

Die Zahl der hauptamtlichen Krankenhausärzte stieg seit 1991 um 4 356 auf insgesamt 16 161 (+ 37 %) an. Bei den Ärztezahlen war 2004 auch gegenüber dem Vorjahr ein mit 11 % deutlicher Anstieg zu verzeichnen. Dieser ist allerdings vor allem darauf zurückzuführen, dass erstmals die Ärzte im Praktikum zu den hauptamtlichen Ärzten hinzugezählt wurden. Gegenüber 2003 ging die Anzahl der Beschäftigten im nichtärztlichen Bereich der Krankenhäuser um über 3 000 Kräfte zurück. Dennoch sind in diesem Bereich mit 117 413 Personen knapp 6 % mehr beschäftigt als zu Beginn der 90er-Jahre. Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der Pflegekräfte in den Krankenhäusern des Landes auf 50 640 (+ 8 %). Im Vergleich zum Vorjahr ist allerdings auch in dieser Berufsgruppe ein Rückgang um fast 3 % zu verzeichnen.

Ursachen und betriebswirtschaftliche Folgen

Der Konzentrationsprozess im Bereich der Fachabteilungen hat seine Ursachen zunehmend in den immer kürzer werdenden Verweildauern der Patienten und Patientinnen in den Krankenhäusern und – nachdem bereits 2003 nur noch ein geringer Zuwachs an vollstationären Behandlungsfällen zu verzeichnen war – erstmals eine gegenüber dem Vorjahr gesunkene Patientenzahl. Diese wiederum resultieren aus einem ganzen Bündel von Maßnahmen: Im Zuge der Einführung des neuen Abrechnungssystems auf DRG-Basis (Diagnosis Related Groups) (i-Punkt), das inzwischen in 212 der 316 Krankenhäuser des Landes Einzug gehalten hat, werden nach einem speziellen Katalog so genannte Grenzverweildauern festgeschrieben, an die sich jede nach diesen Fallpauschalen abrechnende Einrichtung aus wirtschaftlichen Gründen versuchen wird zu halten. Gleichzeitig werden früher eher vollstationär versorgte Fälle ambulant bzw. vor- oder nachstationär behandelt. Darüber hinaus ist die Zahl der ambulanten Operationen (siehe i-Punkt) in den Kliniken sprunghaft angestiegen. Wurden im Jahre 2002 rund 62 400 dieser Eingriffe durchgeführt, waren es 2004 bereits knapp 139 300. Es ist auch nicht zu übersehen, dass die Verlegungen aus Krankenhäusern in Rehabilitationseinrichtungen 2004 allein gegenüber dem Vorjahr um fast 11 000 Fälle auf nun 95 500 zugenommen haben.

In Anbetracht dieser Entwicklung bedeutet die erstmals gesunkene Zahl der vollstationär behandelten Patienten auch nicht, dass die Bevölkerung gesünder geworden ist, sondern nur, dass sich die zur Auswahl stehenden Behandlungsformen geändert haben. Dies mit dem alleinigen Ziel, die Kosten des Gesundheitssystems zu bremsen. Und dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn in den Krankenhäusern durch weitere Konzentrationsprozesse, Schließungen einzelner Abteilungen oder auch ganzer Einrichtungen nicht nur Betten abgebaut, sondern auch weniger Personal vorgehalten wird. Personalausgaben beliefen sich im Jahr 2004 in den Krankenhäusern Baden-Württembergs auf 5,2 Mrd. Euro und machten über 66 % der Gesamtausgaben (einschließlich Abzüge) der Kliniken aus.

Allerdings ist davon auszugehen, dass sich hier die Kostensituation der Kliniken in den kommenden Jahren spätestens dann verschärfen wird, wenn die immer wieder aufgeschobene Regelung der Arbeitszeiten und Bereitschaftsdienste bei den Krankenhausärzten umgesetzt wird. Dies wird zwangsläufig zu einem Anstieg der Ärztezahl führen und damit auch zu höheren Personalkosten.

1 Der Grad der Bettenauslastung, auch Nutzungsgrad genannt, errechnet sich aus Pflegetagen: (aufgestellte Betten x Tage im Jahr) x 100.

2 Vgl. hierzu: Sozialministerium Baden-Württemberg: Krankenhausplan 2000 Baden-Württemberg, Teil 1, Stuttgart 2000, S. 29.