:: 2/2006

Die Entwicklung der Südwestindustrie in den Stadt- und Landkreisen 2004

Seit 1973 hat sich die Industrietopografie des Landes stark gewandelt

Im Jahr 2004 setzte die Südwestindustrie unterschiedliche Akzente. Auf der einen Seite legten die Gesamtumsätze eine Steigerung um 4,0 % gegenüber dem Vorjahr hin und überschritten erstmals die Schwelle von einer Viertel Billion Euro. Andererseits ging die Zahl der Beschäftigten auch in diesem Jahr kontinuierlich zurück. Durch das Minus von 18 600 Industriebeschäftigten (- 1,5 %) steuerte die Südwestindustrie mit 1 212 000 Personen einen historischen Tiefpunkt an. Bezogen auf die einzelnen Stadt- und Landkreise in Baden-Württemberg fiel die Entwicklung jedoch sehr unterschiedlich aus.

Von der positiven Entwicklung der Gesamtumsätze1 im Verarbeitenden Gewerbe profitierten nahezu alle Stadt- und Landkreise im Südwesten. Landesweit stiegen im Jahr 2004 die Erlöse um 4,0 % auf 251 Milliarden Euro2. Einen noch stärkeren Anstieg verzeichneten insgesamt 27 Kreise. Am deutlichsten nahmen die Umsätze in Stuttgart zu (+ 17,7 %), gefolgt vom Landkreis Lörrach mit 16,8 %. In weiteren vier Kreisen lag das Umsatzwachstum ebenfalls bei mehr als 10 %. Dagegen sanken in vier Kreisen die Umsätze unter den Vorjahreswert. Im Landkreis Waldshut ergab sich sogar ein erheblicher Rückgang von mehr als 21 %, wobei dort die Einbußen primär auf die Umstellung eines Herstellers auf Lohnarbeit beruhen. Auch im Landkreis Böblingen gab es eine rückläufige Umsatzentwicklung (‑ 7,2 %). Insgesamt erreichten die Stadt- und Landkreise in den großen Industrieregionen gemessen am Landesschnitt häufig eine nur unterdurchschnittliche Umsatzentwicklung. So blieben in der Region Stuttgart mit Ausnahme von Stuttgart selbst alle Kreise unterhalb des landesweiten Umsatzwachstums.

Bei Betrachtung der tatsächlich erwirtschafteten Umsätze zeigt sich dagegen nach wie vor die Bedeutung der traditionellen Industriestandorte. Der Landkreis Böblingen lag 2004 mit einem fakturierten Industrieumsatz von 30,1 Mrd. Euro an der Spitze aller Stadt- und Landkreise und steuerte zusammen mit dem benachbarten Stuttgart (19,2 Mrd. Euro) und dem Landkreis Esslingen (11 Mrd. Euro) 24 % der Gesamterlöse der Südwestindustrie bei. Weitere umsatzstarke Industriestandorte waren der Landkreis Heilbronn mit einem Anteil von 4,7 %, Mannheim (4,4 %) und der Ortenaukreis (4,2 %).

Der Landkreis Böblingen besetzte auch bei den Exportquoten die Spitzenposition im Land. Während landesweit 45 % der Industrieumsätze aus den Auslandsumsätzen resultierten, lag die Exportquote in diesem Kreis bei fast 64 %. Eine sehr hohe Exportorientierung zeigte des Weiteren die Industrie in Mannheim (53,9 %) und Stuttgart (53,6 %). In weiteren zehn Kreisen bewegte sich die Exportquote ebenfalls über oder etwa auf Landesniveau. Dagegen lag in sechs Kreisen der Anteil des Auslandsumsatzes bei weniger als einem Drittel.

Hohes Niveau der durchschnittlichen Industrieentgelte in den Stadtkreisen

Die ausgezahlten Löhne und Gehälter stiegen im Jahr 2004 landesweit gegenüber dem Vorjahr um 0,6 % auf insgesamt 48,7 Mrd. Euro. Hohe Spannbreiten ergaben sich zwischen den Kreisen des Landes bei den Verdiensten je Beschäftigten. Deutlich höher als im Landesschnitt von 40 200 Euro lagen die Mehrzahl der Stadtkreise sowie einige Landkreise in den industriellen Schwerpunktregionen. Die Konzentration von Unternehmensverwaltungen und betrieblicher Forschung sowie die Dominanz der Bereiche »Maschinenbau«, »Fahrzeugbau« sowie der Elektrotechnik dürften hier eine Rolle spielen. Spitzenreiter ist Stuttgart mit einer durchschnittlichen Entgeltsumme von knapp 55 000 Euro je Beschäftigten. Auch der Landkreis Böblingen sowie Mannheim und Heidelberg übertrafen mit etwa 47 500 Euro den landesweiten Schnitt. Drei Viertel der Kreise lagen dagegen unter dem Landesniveau. Am Ende der Skala standen mit dem Main-Tauber-Kreis, dem Landkreis Sigmaringen und dem Neckar-Odenwald-Kreis drei Kreise, in denen die durchschnittliche Entgeltsumme mit 34 000 Euro etwa 60 % des Stuttgarter Spitzenwertes erreichten.

In einzelnen Kreisen legt die Industriebeschäftigung zu

Die Beschäftigtenentwicklung hat in den Stadt- und Landkreisen in unterschiedlicher Intensität ihren Niederschlag gefunden. Generell lässt sich feststellen, dass zumeist die Kreise in den großen Industrieregionen des Landes starke Beschäftigtenrückgänge hinzunehmen hatten. So ging in den sechs Kreisen der Region Stuttgart der Beschäftigtenstand zusammen um 8 400 tätige Personen zurück. Mit einem Rückgang von 2 700 Beschäftigten hatte dabei der Landkreis Ludwigsburg auch landesweit die stärksten Verluste zu verkraften. Insbesondere im »Fahrzeugbau«, der sonst zumeist stabilisierend wirkte, wurden hier in deutlichem Umfang Beschäftigte abgebaut. Sehr starke Verluste entstanden zudem in Mannheim (‑ 2 000), in Stuttgart (‑ 1 800) und im Landkreis Böblingen (‑ 1 500). Den prozentual höchsten Rückgang gab es im Landkreis Heidenheim mit fast 5 %. Allerdings konnten im Südwesten auch acht Landkreise entgegen dem allgemeinen Trend Zugewinne von zusammen 3 250 Industriebeschäftigten verzeichnen. Angeführt werden diese durch die Landkreise Rastatt (+ 1 160) und Heilbronn (+ 960), wobei in beiden Kreisen eine spürbare Zunahme beim »Fahrzeugbau« zum Zugewinn bei der Industriebeschäftigung führte (siehe i-Punkt).

Verarbeitendes Gewerbe konzentriert sich auf wenige Kreise

Nimmt man den Anteil der Industriebeschäftigten eines Kreises als Maßstab für dessen Gewicht innerhalb der Südwestindustrie, so zeigt sich eine sehr starke Dominanz weniger Kreise. In nur sieben Kreisen waren über ein Drittel der 1,2 Mill. Beschäftigten tätig. Die Spitzenplätze nahmen wiederum Stuttgart und der Landkreis Böblingen ein. In beiden Kreisen lag die Beschäftigtenzahl bei weit über 70 000 tätigen Personen, womit ein Landesanteil von 6,5 % bzw. 6,1 % erreicht wurde. Auch auf den weiteren Plätzen folgten mit den Landkreisen Esslingen (66 600 Beschäftigte) und Ludwigsburg (53 200 Beschäftigte) zwei Kreise aus der Region Stuttgart, gefolgt vom Ortenaukreis, Mannheim und dem Landkreis Heilbronn. Nur verschwindend gering war demgegenüber der Landesanteil von Baden-Baden. Mit knapp 5 000 tätigen Personen betrug dessen Landesanteil gerade 0,4 %. Auch im Landkreis Calw (0,8 %) und in Heidelberg (0,9 %) lag der Anteil an der Landessumme bei unter 1 %. Die räumliche Konzentration der Südwestindustrie wird auch darin deutlich, dass 16 Kreise jeweils weniger als 20 000 Industriebeschäftigte hatten und diese Kreise in der Summe weniger als 18 % auf sich vereinigten.

In den Kreisen mit dem höchsten Industriebeschäftigtenanteil hatte zumeist der »Fahrzeugbau« das größte Gewicht. Landesweit dominierte dagegen der »Maschinenbau« in 24 Stadt- und Landkreisen die Beschäftigtenstruktur, gefolgt vom Bereich »Datenverarbeitung, Elektrotechnik, Feinmechanik und Optik«, der in zehn Kreisen an der Spitze stand. Neben dem »Fahrzeugbau« mit sechs Kreisen wies der Bereich »Metallerzeugung, ‑bearbeitung, Herstellung von Metallerzeugnissen« in vier Kreisen den Spitzenplatz auf.

Deutliche Veränderung der Lage in der Südwestindustrie seit 1973

Vergleicht man die langfristige Entwicklung der Südwestindustrie, sind teilweise gravierende Veränderungen zwischen den einzelnen Kreisen festzustellen.3 Als Vergleich bietet sich das Jahr 1973 an, da in diesem Jahr mit der Verwaltungsreform der Zuschnitt der Stadt- und Landkreise auf den bis heute gültigen Stand umgesetzt wurde. Generell lässt sich feststellen, dass die industrielle Prägung zu diesem Zeitpunkt noch sehr viel stärker war als heute.

Eine gewichtige Kenngröße zur Beurteilung liefert dabei der jeweilige Beschäftigtenbesatz in den Kreisen (Tätige Personen im Verarbeitenden Gewerbe im Verhältnis zu 1 000 der Wohnbevölkerung). Zwischen 1973 und 2004 ging der Wert dieser Kennziffer landesweit von 172 auf 113 zurück. Die hohe industrielle Dichte in einzelnen Kreisen im Jahr 1973 zeigt sich auch an einem außerordentlich hohen Beschäftigtenbesatz. Er lag in Ulm bei 340, gefolgt von Pforzheim mit 310. Weitere neun Stadt- und Landkreise kamen ebenfalls auf einen Wert von über 200, darunter einige Kreise der Region Stuttgart sowie Mannheim und der Zollernalbkreis. Die festzustellende Abnahme des Beschäftigtenbesatzes war in einigen Kreisen erheblich. So fiel dieser Wert in Pforzheim um 202, gefolgt von Ulm mit einem Rückgang von 170. In weiteren fünf Kreisen lag die Abnahme bei 100 und mehr. Nur in vier Kreisen konnte der Beschäftigtenbesatz geringfügig zulegen. Trotz des hohen Rückgangs weist Ulm auch 2004 eine relativ hohe industrielle Prägung auf, mit einem Wert von 170 liegt er nach den Landkreisen Böblingen (197) und Tuttlingen (189) auf dem dritten Platz (i-Punkt).

Stadtkreise verlieren seit 1973 Beschäftigtenanteile

Veränderungen ergaben sich zwischen 1973 bis 2004 auch bei den Beschäftigtenanteilen der Stadt- und Landkreise am Landeswert. Mit mehr als 148 000 Beschäftigten hatte die Industrie in Stuttgart 1973 landesweit mit 9,3 % noch eine weitaus stärkere Stellung inne als 2004. Gegenüber 1973 ist deren Landesanteil um 2,8 Prozentpunkte zurückgegangen. Rückläufig war ebenfalls der Beschäftigtenanteil Mannheims, der von 5,1 % auf 3,5 % abnahm. Auch im Rhein-Neckar-Kreis und in Pforzheim schmolzen die Beschäftigtenanteile mit jeweils 0,8 Prozentpunkten vergleichsweise stark ab. Umgekehrt legten in den Landkreisen Heilbronn und Böblingen die Landesanteile um jeweils 1,5 Prozentpunkte zu. Auch die Landkreise Biberach (+ 1,0 Prozentpunkte) und Rastatt (+ 0,9 Prozentpunkte) konnten deutlich zulegen. Bei den Landkreisen Böblingen und Rastatt trug insbesondere eine Stärkung der Position im »Fahrzeugbau« zu dem gestiegenen Landesanteil bei. Der Landkreis Böblingen kletterte damit auf den zweiten Platz bei den Industriebeschäftigtenanteilen. Dieser Rang wurde 1973 noch vom Landkreis Esslingen eingenommen. Dessen Anteil lag 1973 bei 5,6 % und hat sich seitdem kaum verändert. Auch in allen anderen Kreisen lagen die Veränderungen zwischen + 0,7 und ‑ 0,7 Prozentpunkten.

1973 waren im Verarbeitenden Gewerbe Baden-Württembergs noch etwa 1,6 Mill. Personen beschäftigt. Bis 2004 ging ihre Zahl um 375 000 Personen zurück, was einem Rückgang von fast einem Viertel gleichkommt. Teilweise schlugen in einigen Kreisen strukturelle Veränderungen einzelner Branchen zu Buche. So verlor Pforzheim aufgrund starker Beschäftigtenverluste in der Schmuckindustrie mehr als die Hälfte seines Personalbestands. Dagegen stieg in 13 Kreisen der Beschäftigtenstand seit 1973 um zusammen 44 000 tätige Personen. Eine starke Zunahme um mehr als 10 000 Personen erlebte dabei der Landkreis Heilbronn. Deutlich zulegen konnte auch der Landkreis Biberach mit einem Plus von knapp 8 000 Beschäftigten.

Bemerkenswert ist, dass 1973 in den Stadt- und Landkreisen die Spanne der beschäftigungsstärksten Branchen ausgeprägter war als 2004. Immerhin in acht Kreisen war damals das Textilgewerbe die bestimmende Branche. Die Industriegruppe »Feinmechanik, Optik, Uhrenherstellung« war in den drei Kreisen der Region »Schwarzwald-Baar-Heuberg« dominierend. Die meisten Beschäftigten im Main-Tauber-Kreis waren in der »Holzverarbeitenden Industrie« tätig. Im Hohenlohekreis stand die »Kunststoffverarbeitende Industrie« an erster Stelle, im Rhein-Neckar-Kreis war es die »Gummiverarbeitende Industrie«, während in Pforzheim die »Schmuckwarenindustrie« die Branchenstruktur anführte. Die regionale Bedeutung dieser Branchen ist seitdem, auch durch den Wechsel mancher Gewerbetätigkeit in andere Branchenzuordnungen, zurückgegangen. Eine Parallele zum Jahr 2004 besteht aber dennoch: Mit 13 Kreisen war schon 1973 der »Maschinenbau« in den meisten Stadt- und Landkreisen die beschäftigungsstärkste Branche.

1 Es ist anzumerken, dass das Merkmal »Umsatz« aufgrund der Fakturierungsmodalitäten insbesondere von Mehrbetriebsunternehmen im Allgemeinen nicht völlig frei von regionalen Überschneidungen ist.

2 Zur detailierten Darstellung der konjunkturellen Entwicklung der Südwestindustrie im Jahr 2004 vgl. Steiger, Hans-Hermann: »Industrie im Jahr 2004: Zwei Schritte vor und einen zurück«, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 2/2004, S. 25 - 29.

3 Allerdings ist anzumerken, dass die Zusammensetzung der damals verwendeten Wirtschaftsklassifikation SYPRO und damit die Festlegung über die Zugehörigkeit eines Gewerbes zum »Verarbeitenden Gewerbe« sich erheblich von der heutigen WZ2003 unterscheidet (vgl. i-Punkt).