:: 2/2006

Aktuelle Entwicklungen in der Sonderabfallwirtschaft

Die Abgrenzung der Sonderabfälle als potenziell für Mensch und Umwelt gefährliche Abfälle ist festgelegt im Europäischen Abfallverzeichnis. Ihre Entsorgung unterliegt besonderen Überwachungsregelungen. Insgesamt belief sich das Aufkommen der Sonderabfälle im Jahr 2004 in Baden-Württemberg auf gut 1,4 Mill. Tonnen. Außer den verunreinigten Böden und ähnlichen Massenabfällen, deren Gesamtmenge in den letzten Jahren zurückging, ist bei den übrigen, sowohl produktionsbedingten als auch durch Entsorgungsaktivitäten verursachten Sonderabfällen eine anhaltend steigende Tendenz zu verzeichnen. Gegenüber 2002, als erstmals die Abgrenzung in der jetzt gültigen Fassung anzuwenden war, beträgt der Zuwachs fast 19 %. Das Aufkommen der Sonderabfälle ohne verunreinigte Böden stieg deutlich stärker als die Wirtschaftsleistung im Land. Die Sonderabfallintensität der Wirtschaft, die aktuell bei 3 Tonnen je Million Euro Bruttowertschöpfung liegt, ist seit 2002 um immerhin 16,7 % angestiegen. Im folgenden Beitrag wird die Entwicklung differenziert nach Abfallarten und Branchen betrachtet.

4 % des Abfallaufkommens sind Sonderabfälle

Das Aufkommen an Sonderabfällen in Baden-Württemberg summierte sich im Jahr 2004 auf gut 1,4 Mill. Tonnen. Damit machen diese für Mensch und Natur als potenziell gefährlich eingestuften Abfälle knapp 4 % des derzeitigen jährlichen Gesamtaufkommens an Abfällen (36,5 Mill. Tonnen) aus. Insgesamt lag die Sonderabfallmenge 2004 geringfügig niedriger als im Vorjahr (- 2,7 %) und um 7,2 % unter der Menge von 2002. Damals war infolge der Ausweitung der im europäischen Abfallverzeichnis (EAV) als gefährlich gekennzeichneten Abfallarten die bisherige Höchstmenge an Sonderabfällen registriert worden. Im Gesamtaufkommen der Sonderabfälle 2004 mit enthalten sind auch gut 80 000 Tonnen, die ohne Begleitschein1 in eigenen Anlagen der Abfallerzeuger entsorgt werden konnten. Die folgenden Ausführungen beziehen sich, soweit nichts Gegenteiliges gesagt, allein auf die im Begleitscheinwesen erfassten insgesamt 1,33 Mill. Tonnen besonders überwachungsbedürftiger Abfälle.

Der aktuelle Rückgang der gesamten Sonderabfallmenge ist das Resultat durchaus gegenläufiger Entwicklungen bei den entsprechend ihrer stofflichen Eigenschaften zu verschiedenen Kategorien zusammengefassten, sehr vielfältigen Sonderabfallarten. Grundsätzlich gesondert betrachtet werden die verunreinigten Böden und ähnliche Massenabfälle, deren jährliches Aufkommen sehr stark von großen Sanierungs- bzw. Bauprojekten abhängig ist. Daneben steht eine Vielzahl sehr unterschiedlicher, durch Produktions- und Entsorgungsaktivitäten verursachter Abfallarten, die im Folgenden als »übrige Sonderabfälle2« bezeichnet werden.

Während wegen der weiterhin lahmenden Baukonjunktur die Menge verunreinigter Böden mit 454 000 Tonnen im Jahr 2004 deutlich geringer ausfiel als im Vorjahr, ist bei den übrigen Sonderabfällen eine anhaltende Zunahme festzustellen. Mit 879 000 Tonnen lag die Gesamtmenge der übrigen Sonderabfälle aus Produktion und Entsorgung um 70 000 Tonnen (7 %) höher als im Vorjahr. Gegenüber 2002 beträgt der Anstieg immerhin fast 19 %.

Sonderabfallintensität der Wirtschaft steigt um 17 %

Die Menge der hauptsächlich produktionsbedingten übrigen Sonderabfälle ist in den zurückliegenden Jahren deutlich stärker angewachsen als die im Land insgesamt erbrachte Wirtschaftsleistung. Die durchschnittliche Sonderabfallintensität der Wirtschaft im Land, errechnet als Quotient aus dem Aufkommen der übrigen Sonderabfälle und der Bruttowertschöpfung (BWS) desselben Zeitraums, lag im Jahr 2004 bei etwas über 3 Tonnen je Million Euro BWS. Gegenüber 2002 ist die Intensität um immerhin 16,7 % angestiegen. Die Zunahme der Sonderabfallintensität erstreckt sich über fast alle Branchen. Im Verarbeitenden Gewerbe beträgt der Anstieg 14 %. Dabei weist das Verarbeitende Gewerbe mit 6,4 Tonnen je Million Euro BWS im Durchschnitt eine mehr als doppelt so hohe Sonderabfallintensität auf wie die Wirtschaft insgesamt. Nur die Werte der Energieerzeugung und der Entsorgungswirtschaft liegen höher, da diese Bereiche weniger Sondermüll produzieren. Innerhalb des Verarbeitenden Gewerbes mit Abstand am höchsten ist die Intensität in der Metallerzeugung (50 Tonnen je Million Euro BWS). Herausragend hohe Sonderabfallintensitäten errechnen sich auch für die Chemische Industrie und die Mineralölverarbeitung (15 bzw. 16 Tonnen je Million Euro BWS). Intensitätswerte über bzw. knapp unter dem Durchschnitt des Verarbeitenden Gewerbes weisen die Herstellung von Metallerzeugnissen, das Holzgewerbe, die Rundfunk- , Fernseh- und Nachrichtentechnik sowie der Fahrzeugbau auf. Alle anderen Branchen liegen deutlich unter dem Durchschnitt von 6,4 Tonnen je Million Euro Bruttowertschöpfung. Die fast durchgängige Zunahme der Sonderabfallintensität geht einher mit dem ebenfalls sehr breit gefächerten Anstieg der Mengen beim Großteil der sehr vielfältigen Abfälle aus Produktion und Entsorgungsaktivitäten.

Deutlich mehr produktionsbedingte Sonderabfälle

Bei allen Kategorien, sowohl den überwiegend anorganischen als auch den überwiegend organischen Abfällen sowie den Abfällen aus der Entsorgung von Altfahrzeugen und Elektro- /Elektonikaltgeräten ist eine steigende Tendenz zu verzeichnen. Allein beim für die Aufbereitung gesondert erfassten Altöl ist eine gegenüber dem Vorjahr geringere Menge registriert worden.

Bei den überwiegend anorganischen Abfällen, deren Aufkommen um 13 % auf knapp 171 000 Tonnen angestiegen ist, haben die Abfälle aus thermischen Prozessen der Metallerzeugung sowie aus Feuerungsanlagen besonders großes Gewicht. Ihr Aufkommen ist um 10 % auf immerhin 82 000 Tonnen angestiegen. Zugenommen haben auch die mineralischen Abfälle aus der Oberflächenbehandlung von Metallen und anderen Werkstoffen (+ 10 % auf 27 300 Tonnen) sowie die Rückstände aus der Abfallverbrennung und anderen Entsorgungsanlagen (+ 15 % auf 50 000 Tonnen).

Bei den überwiegend organisch belasteten Abfällen ist die Verursacherstruktur von flüssigen und überwiegend festen Abfällen recht unterschiedlich. Die flüssigen organisch belasteten Abfälle mit einer Gesamtmenge von rund 210 000 Tonnen im Jahr 2004 bestehen zu fast 50 % aus Emulsionen oder ähnlichen Abfällen der Metallbearbeitung, deren Aufkommen weiter deutlich zugenommen hat (+ 10 % auf 103 000 Tonnen). Ein zweiter großer Teil (57 000 Tonnen mit + 10 % gegenüber dem Vorjahr) besteht aus flüssigen Abfällen organisch- chemischer Prozesse wie Lösemittel, Waschflüssigkeiten, Mutterlaugen etc. Und auch die Abfälle aus der Anwendung organischer Lösemittel anderer Branchen haben weiter zugenommen.

Bei den festen bzw. pastösen organischen Sonderabfällen ist die Zunahme auf 286 000 Tonnen (+ 15 %) in erster Linie auf die sehr starken Aufkommenszuwächse der mit gefährlichen Stoffen belasteten Holz- und Kunststoffabfälle zurückzuführen. Diese Abfallart schlägt allein mit 150 000 Tonnen (+ 10 %) zu Buche. Zugenommen haben außerdem die produktionsbedingten Abfälle aus organisch-chemischen Prozessen sowie die Aufsaug- und Filtermassen, während die Schlämme aus Ölabscheidern und Sandfanganlagen etc. zumindest nicht weiter angestiegen sind.

Mit deutlicher Tendenz steigen die Abfälle aus der Entsorgung von Altfahrzeugen, Elektro- und Elektronikaltgeräten auf. Die insgesamt registrierte Menge dieser Abfallkategorie ist auf mehr als 82 000 Tonnen (+ 7 % gegenüber dem Vorjahr) angestiegen. Gegenüber 2002, dem Startjahr für die besondere Überwachungspflicht dieser Abfälle, ist sogar ein Anstieg um rund ein Drittel zu verzeichnen.

Insgesamt weist das Aufkommen besonders überwachungsbedüftiger Abfälle zum Beispiel im Land fast durchgängig eine steigende Tendenz auf. Die Gründe dafür liegen vor allem in einem erhöhten Aufkommen der direkt produktionsbedingten Sonderabfälle. Deutlich zugenommen haben auch die Sonderabfälle aus Entsorgungsanlagen, nicht zuletzt durch die verstärkte thermische Behandlung von Siedlungsabfällen sowie die Entsorgung ausrangierter Güter und Produkte aus Haushalten und Gewerbe. Insbesondere bei den letztgenannten Sonderabfällen ist im Zuge der zum 1. Juni 2005 vollzogenen Beendigung der Rohmülldeponierung (seither dürfen Siedlungsabfälle nur nach thermischer oder hinreichender mechanisch-biologischer Behandlung abgelagert werden3) und infolge der Umsetzung der Altfahrzeug- und der Elektro- /Elektronikaltgeräteverordnung mit weiter steigenden Mengen zu rechnen.

Schwerpunkt der Sonderabfallentstehung im Verarbeitenden Gewerbe

Die primären Sonderabfälle aus Produktion und Entsorgung4 konzentrieren sich mit einer Gesamtmenge von 879 000 Tonnen im Jahr 2004 sehr stark beim Verarbeitenden Gewerbe.5 Mit 560 000 Tonnen wurden fast zwei Drittel (63 %) aller primären Sonderabfälle von Betrieben des Verarbeitenden Gewerbes abgegeben. Mit großem Abstand folgt der Bereich der Entsorgungswirtschaft (11 %). In den Bereichen Energieversorgung, Baugewerbe und Kfz- Reparaturen einschließlich verwandter Bereiche (Tankstellen) sowie im Verkehrssektor entstanden jeweils rund 40 000 Tonnen (je 5- 6 % des Gesamtaufkommens). In den Dienstleistungsbereichen der Vermietung beweglicher Sachen, der Erbringung von Dienstleistungen überwiegend für Unternehmen (Reinigungsarbeiten, Fotolaborarbeiten etc.) und der Verteidigung, fielen jeweils knapp 25 000 Tonnen an Sonderabfällen an (je 3 %). In allen übrigen Wirtschaftsbereichen sind die Mengen von vergleichsweise untergeordneter Bedeutung.

Auch innerhalb des Verarbeitenden Gewerbes gibt es deutliche Schwerpunkte. Am höchsten sind die Aufkommensmengen im Fahrzeugbau und in der Chemischen Industrie (88 000 Tonnen). Dicht gefolgt von der Metallerzeugung, der Herstellung von Metallerzeugnissen sowie dem Maschinenbau mit bis zu 70 000 Tonnen. Mit gewissem Abstand folgt die Elektrotechnik, Feinmechanik und Optik mit rund 50 000 Tonnen. Die übrigen Branchen des Verarbeitenden Gewerbes haben deutlich geringere Aufkommensmengen an besonders überwachungsbedürftigen Abfällen.

Die Entwicklung des Aufkommens der übrigen Sonderabfälle wird ebenfalls maßgeblich bestimmt vom Verarbeitenden Gewerbe, auch wenn die Zuwachsrate mit gut 18 % seit 2002 geringfügig unter der Gesamtveränderungsrate über alle Wirtschaftsbereiche (knapp 19 %) liegt. Außer der Energieversorgung und der Kfz- Reparatur einschließlich verwandter Tätigkeiten weisen die Wirtschaftsbereiche mit spürbarem Beitrag zum Gesamtaufkommen einen deutlichen, teils weit überdurchschnittlichen Zuwachs der abgegebenen Sonderabfallmenge auf. Innerhalb des Verarbeitenden Gewerbes ist bei fast durchgängigem Anstieg der Mengen die Streuung der Zuwachsraten seit 2002 eher gering. Nur in der Metallerzeugung und der Elektrotechnik etc. sind deutlich unterdurchschnittliche Veränderungsraten festzustellen. Getragen wird die Ausweitung aufgrund der jeweils hohen Aufkommensanteile von der Entwicklung in der Chemischen Industrie (+ 17,6 %), der Herstellung von Metallerzeugnissen (+ 24,7 %), dem Maschinenbau (+ 22 %) sowie dem Fahrzeugbau (+ 19,3 %). Die starke Zunahme der Sonderabfälle aus der Entsorgung gebrauchter Güter spiegelt sich auch wider im Anstieg der Menge in der Recyclingwirtschaft (+ 64,4 %).

Sonderabfallentsorgung überregional organisiert

Die Entsorgung der in Baden-Württemberg primär erzeugten Sonderabfälle erfolgt auf der ersten Entsorgungsstufe überwiegend im Land. Von den rund 1,4 Mill. Tonnen primärer Sonderabfälle, also einschließlich verunreinigter Böden, wurden etwa zwei Drittel zunächst an Anlagen im Land zur Entsorgung abgegeben. Ein Drittel ging direkt an Anlagen in anderen Bundesländern oder an Anlagen im Ausland. Bei den verunreinigten Böden liegt der Anteil der Entsorgung im Land mit gut 70 % etwas über dem Durchschnitt. Große Unterschiede bestehen bei der Entsorgungsstruktur der übrigen Sonderabfälle zwischen den anorganischen bzw. organischen Sonderabfällen. Von den festen, überwiegend anorganischen Abfällen verblieben auf der ersten Entsorgungsstufe lediglich 46 % im Land, 54 % gingen direkt an Entsorgungsanlagen in anderen Bundesländern. Bei den flüssigen anorganischen Abfällen blieben auf der ersten Entsorgungsstufe 57 % im Land, wobei es sich jedoch überwiegend um Sickerwässer aus Deponien handelt, die vollständig im Land behandelt wurden, während die übrigen flüssigen anorganischen Abfälle zum weitaus überwiegenden Teil direkt an Anlagen außerhalb des Landes gingen. Bei den Sonderabfällen aus der Altfahrzeuge- und Elektro- /Elektronikaltgeräte- Entsorgung ging fast die Hälfte der Abfälle direkt an Anlagen außerhalb Baden-Württembergs. Hingegen wurden von den organischen flüssigen Abfällen immerhin 70 % zunächst an Anlagen im Land angeliefert. Bei den festen organischen Abfällen waren es sogar 72 %. Von den sekundär, also auf nachgelagerter Entsorgungsstufe abgegebenen Sonderabfällen, wurden 54 % im Land und 46 % außerhalb entsorgt.

Die Summe der primär und sekundär im Land zur Entsorgung abgegebenen Sonderabfälle lag 2004 bei gut 1,8 Mill. Tonnen. Davon gingen 620 000 Tonnen, gut ein Drittel, an Anlagen außerhalb des Landes. Dennoch belief sich die in Entsorgungsanlagen des Landes insgesamt behandelte oder abschließend entsorgte Menge auf nahezu 1,8 Mill. Tonnen, also eine dem Gesamtaufkommen primärer und sekundärer Sonderabfälle vergleichbar große Menge an Sonderabfällen. Der Grund dafür ist, dass von Erzeugern außerhalb des Landes fast 620 000 Tonnen an Anlagen im Land zur Entsorgung abgegeben wurden. Trotz der starken überregionalen Verflechtungen in der Sonderabfallentsorgung bestand dadurch 2004 in Baden-Württemberg in der Summe etwa ein Gleichgewicht zwischen Gesamtaufkommen und entsorgter Menge an Sonderabfällen im Land.

1 Die Regelungen zur besonderen Überwachung der Sonderabfallentsorgung schreiben im Grundsatz für jeden Transport entsprechender Abfallarten die Führung eines Formulars (Begleitscheins) vor, mit dem Herkunft, Art und Menge sowie Verbleib des Abfalls dokumentiert werden.

2 Verunreinigte Böden zählen nicht zu den übrigen Sonderabfällen.

3 Vgl. Goeken, Silvia: Ende der Deponierung von Siedlungsabfällen, in: Statistisches Monatsheft 7/2005, S. 40 ff.

4 Ohne verunreinigte Böden und Bauschutt.

5 Die im Rahmen der Sammelentsorgung abgegebenen Abfälle, für die keine direkte WZ- Zuordnung der primären Abfallerzeuger vorliegt, wurden anhand der Zahl sozialversicherungspflichtig Beschäftigter auf die relevanten Branchen aufgeteilt.