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EU-weite Volkszählung 2010/11: Stand der Vorbereitungsarbeiten in Deutschland und auf europäischer Ebene

Die Europäische Union plant für das Jahr 2010/11 eine gemeinschaftsweite Volkszählung. Aller Voraussicht nach wird diese kommende EU-weite Zählungsrunde auf der Basis einer EU-Verordnung stattfinden, sodass ein Zensus auch für Deutschland verbindlich angeordnet werden wird. Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD vom 11. November 2005 enthält bereits die Ankündigung, dass Deutschland sich an der auf EU-Ebene anstehenden Zensusrunde 2010/11 beteiligen wird. Darüber hinaus haben sich – vor dem Hintergrund der für die nächsten Jahre und Jahrzehnte anstehenden politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen – Politiker fast aller Parteien für eine neue Volkszählung in Deutschland ausgesprochen.

Der folgende Beitrag informiert darüber, wozu Volkszählungen überhaupt gebraucht werden und weshalb eine neue Volkszählung – gerade auch in Deutschland – notwendig ist. Hinsichtlich der Volkszählungsmethode steht in Deutschland aller Voraussicht nach ein Paradigmenwechsel an: Bei der letzten Volkszählung in Deutschland wurde noch jeder Haushalt befragt. Seither wird an Verfahren gearbeitet, mit denen Volkszählungsdaten so weit als möglich aus vorhandenen Registern gewonnen werden können. Was sind die Hintergründe für den Methodenwechsel, wie könnte der künftige Zensus aussehen und wie ist der derzeitige Stand der Vorbereitungsarbeiten in Deutschland und auf EU-Ebene?

Wozu dienen Volkszählungen?

Volkszählungen liefern Informationen über die Zahl und die demografische und sozioökonomische Struktur der Bevölkerung, der Erwerbstätigen, der Haushalte und der Familien. Die im Rahmen von Volkszählungen üblicherweise gleichzeitig erhobenen Wohnungs- und Gebäudedaten liefern Informationen über die Wohnsituation der Bevölkerung, Haushalte und Familien, aber auch Bestandsdaten zu Gebäuden und Wohnungen. Volkszählungsdaten dienen somit als Grundlage für Entscheidungen und Planungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Nutzer von Volkszählungsdaten sind die politischen Entscheidungsträger in Bund, Ländern und Gemeinden, zunehmend aber auch die Europäische Union. Auch für die Wirtschaft, die Verwaltung, die Wissenschaft und die interessierte Öffentlichkeit sind Zensusergebnisse eine unverzichtbare Datengrundlage. Um zu veranschaulichen, wozu die Informationen aus Volkszählungen gebraucht werden, hier einige Beispiele:

  • Herausragendes Ziel eines Zensus ist die Feststellung der amtlichen Einwohnerzahl in Bund, Ländern und Gemeinden. Die amtliche Einwohnerzahl dient unter anderem als Bemessungsgrundlage für den horizontalen und vertikalen Finanzausgleich. Die letzte Volkszählung, die 1987 durchgeführt wurde, führte zu nachhaltigen Korrekturen im Länderfinanzausgleich und im kommunalen Finanzausgleich.
  • Die amtliche Einwohnerzahl wird ferner als Richtgröße für die Einteilung der Bundestagswahlkreise, für die Berechnung der Zahl der Stimmen der Länder im Bundesrat und für die Berechnung der Zahl der Sitze in den Gemeinderäten genutzt.
  • Volkszählungsdaten werden als Auswahlgrundlage und Hochrechnungsrahmen für amtliche und nichtamtliche Stichprobenerhebungen sowie als Basis für Fortschreibungen verwendet. So dienen Volkszählungsergebnisse beispielsweise mit als Auswahlgrundlage für den Mikrozensus, die größte amtliche Haushaltsbefragung in Deutschland.

Warum ist eine neue Volkszählung notwendig?

Die Ergebnisse von Volkszählungen werden bis zur nächsten Zählung mit Ergebnissen von laufenden Statistiken fortgeschrieben und durch Stichprobenerhebungen ergänzt. So wird beispielsweise die amtliche Bevölkerungszahl, die bei Volkszählungen erhoben wird, im Rahmen der laufenden Bevölkerungsfortschreibung durch die Zahl der Geburten, der Sterbefälle, der Zu- und Fortzüge fortgeschrieben. Sowohl die Fortschreibungsergebnisse als auch die auf Volkszählungsergebnissen basierenden Stichproben werden jedoch mit zunehmender zeitlicher Distanz zum Volkszählungsstichtag zwangsläufig immer ungenauer, da Fehler in der Fortschreibung und in der Aktualisierung der Stichproben im Laufe der Jahre kumulieren. Aus diesem Grund ist in der Regel etwa alle 10 Jahre ein neuer Zensus notwendig. So fordert auch die Europäische Union ihre Mitgliedstaaten auf, im Turnus von etwa 10 Jahren Volkszählungen durchzuführen.

Im früheren Bundesgebiet fand die letzte Volkszählung 1987, in der damaligen DDR im Jahr 1981 statt. Seither gab es einschneidende Veränderungen in Deutschland: Im Jahr 1990 war die deutsche Wiedervereinigung, in deren Folge eine erhebliche Binnenwanderung zu beobachten war. Ferner hat Deutschland im Laufe der 90er-Jahre eine starke Zuwanderung von außen erlebt; auch ist die europäische Integration weiter vorangeschritten. Darüber hinaus hat sich der demografische Wandel durch weiter sinkende Geburtenraten und steigende Lebenserwartung dramatisch beschleunigt. Neue und zuverlässige Informationen über die Bevölkerung, die Erwerbsbeteiligung und den Wohnungsmarkt sind somit unentbehrlich.

Methodenwechsel: Von der klassischen »Vollerhebung« zum registergestützten Zensus

Die bisherigen Volkszählungen in Deutschland wurden als so genannte »Vollerhebungen« durchgeführt. Das heißt, die benötigten Daten wurden im Rahmen einer persönlichen oder schriftlichen Befragung aller Haushalte direkt bei den Bürgern erfragt. Diese methodische Vorgehensweise führt zu hoher Ergebnisgenauigkeit, produziert Ergebnisse in tiefer fachlicher und räumlicher Gliederung und ermöglicht eine Auswertung der Daten für unterschiedlichste Fragestellungen.

Klassische Volkszählungen mit Befragung aller Bürgerinnen und Bürger sind allerdings teuer und aufwändig. So kostete die Volkszählung des Jahres 1987 im früheren Bundesgebiet nahezu 1 Mrd. DM. Allein für die Durchführung der Erhebung waren bundesweit rund 500 000 Erhebungsbeauftragte im Einsatz. Die Kosten einer neuen Zählung in dieser Form werden auf rund 1 Mrd. Euro geschätzt. Die letzte Volkszählung der herkömmlichen Art 1987 führte außerdem in der Bevölkerung zu erheblichen Akzeptanzproblemen. Es wurden datenschutzrechtliche Bedenken geäußert und darauf hingewiesen, dass bevölkerungs- und erwerbsstatistische Daten zumindest teilweise bereits in Verwaltungsregistern vorlägen.

Vor dem Hintergrund der Planungen der Europäischen Union, im Jahr 2001 eine gemeinschaftsweite Volks- und Wohnungszählung durchzuführen, sprachen sich in den 1990er-Jahren sowohl die Bundesregierung unter Helmut Kohl als auch die unter Gerhard Schröder aus Kosten- und Akzeptanzgründen gegen eine herkömmliche Volkszählung nach dem Vorbild der Volkszählung von 1987 aus. Stattdessen sollte – mit dem Ziel, Kosten zu sparen und die Belastung der Bevölkerung durch primärstatistische Erhebungen möglichst gering zu halten – ein Methodenwechsel von einer Volkszählung mit Befragung aller Bürgerinnen und Bürger zu einer hauptsächlich registergestützten Datengewinnung vorbereitet werden.

Welche Register können für einen registergestützten Zensus genutzt werden?

Zu den üblicherweise bei Volkszählungen erhobenen Daten gehören im Wesentlichen demografische Grunddaten (Alter, Geschlecht, Familienstand, Staatsangehörigkeit etc.), Daten zur Erwerbsbeteiligung der Bevölkerung, zum Bildungsstand, zur Pendlerstruktur sowie Gebäude- und Wohnungsdaten.

Als Datenquelle für demografische Grunddaten könnten im Rahmen eines registergestützten Zensus die Einwohnermelderegister dienen. Für erwerbsstatistische Grunddaten wären die Dateien der Bundesagentur für Arbeit, also die Datei der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und die Arbeitslosendatei eine mögliche Quelle. Informationen über Beamte, Richter und Soldaten ließen sich dezentral geführten Registern bei den Besoldungs- und Versorgungsstellen der öffentlichen Arbeitgeber entnehmen.

Allerdings liegen in Deutschland nicht alle so genannten »zensustypischen Merkmale« in Registern vor: So müssten zum Beispiel Informationen über Selbstständige, die Bildungsabschlüsse der Bevölkerung oder das Pendlerverhalten auch bei einem registergestützten Zensus primärstatistisch, das heißt mittels Befragung der Bevölkerung, ermittelt werden, weil zu diesen Informationen keine Register vorhanden sind.

Auch für Gebäude- und Wohnungsdaten gibt es in Deutschland keine flächendeckenden Register. Diese Daten müssen auch bei einem registergestützten Zensus durch primärstatistische Erhebungen gewonnen werden. Traditionell wurden bei früheren Volkszählungen in Deutschland Gebäudedaten beim Eigentümer und Wohnungsdaten bei den Haushalten erfragt. Vor dem Hintergrund, dass bei einer zukünftigen Volkszählung auf eine flächendeckende Befragung von Haushalten verzichtet werden soll, könnten auch die Wohnungsdaten (zum Beispiel Daten zur Miete, Wohnfläche oder Ausstattung der Wohnung) bei den Eigentümern erfragt werden.

Informationen über Zahl, Größe und Struktur der Haushalte und Familien sind wichtige Informationen für die Beschreibung und Analyse der sozialen und wirtschaftlichen Situation unserer Gesellschaft. Während diese Informationen bei einer herkömmlichen Volkszählung durch die flächendeckende Befragung aller Haushalte ermittelt werden, muss bei einem registergestützten Zensus die Zusammenfassung von Einzelpersonen zu Haushalten durch Zusammenführung der Informationen aus den Melderegistern und den Ergebnissen einer Gebäude- und Wohnungszählung (Haushaltegenerierung) gewonnen werden.

Einleitung des Methodenwechsels: Zensustest 2001 bis 2003

Eingeleitet wurde der Methodenwechsel von einer traditionellen Volkszählung zu einem registergestützten Zensus mit dem Gesetz zur Vorbereitung eines registergestützten Zensus vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S.1882). Mit dem Zensusvorbereitungsgesetz wurden die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder vom Gesetzgeber beauftragt einen »Zensustest« durchzuführen, in dem der angestrebte Methodenwechsel durch eingehende Prüfungen der Qualität der relevanten Register und der Verfahren zur statistischen Korrektur von Dateien und der Haushaltegenerierung vorbereitet werden sollte. Mit dem Zensustest sollten im Wesentlichen über folgende Sachverhalte zuverlässige Erkenntnisse erlangt werden:

  • Die Qualität der Melderegister im Hinblick auf Über- und Untererfassungen,
  • den Wirkungsgrad von Verfahren zur statistischen Bereinigung der Melderegister um Übererfassungen, Fehlbestände und so genannte Mehrfachfälle (das heißt Personen, die fälschlicherweise mehr als einmal mit Haupt- bzw. alleinigem Wohnsitz gemeldet sind),
  • die Unterschiede in den Ergebnissen zwischen einer postalischen Erhebung von Wohnungsdaten bei den Gebäudeeigentümern und deren Erhebung durch eine direkte Befragung der Haushalte,
  • die Möglichkeit einer maschinellen Generierung von Haushaltszusammenhängen,
  • die Nutzungsmöglichkeiten und die Qualität der Dateien der Bundesagentur für Arbeit.1

Ergebnisse des Zensustests

Zentrales Ergebnis des Zensustests war, dass ein registergestützter Zensus in Deutschland grundsätzlich machbar ist und sich die im Zensusvorbereitungsgesetz vorgesehenen statistischen Methoden und Verfahren als geeignet erwiesen haben. Allerdings hat sich gezeigt, dass die im Zensustest angewandten Methoden zur statistischen Bereinigung der Melderegisterergebnisse nicht ausreichend waren.

Im Bundesdurchschnitt enthielten die Melderegister durchschnittlich 4,1 % Karteileichen (das heißt Personen, die im Melderegister verzeichnet sind, jedoch nicht mehr in der Gemeinde wohnhaft sind) und 1,7 % Fehlbestände (das heißt Personen, die in der Gemeinde wohnen, aber nicht in der Gemeinde gemeldet sind). Mit zunehmender Gemeindegrößenklasse wachsen sowohl die Karteileichenanteile als auch die Fehlbestandsraten. Nach allen Bereinigungsschritten enthielten die Melderegisterdaten noch immer 1,8 % Karteileichen. Die Melderegister als Grundlage belastbarer amtlicher Einwohnerzahlen müssen noch stärker korrigiert werden.

Die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder haben daraufhin Modelle eines zukünftigen Zensus entwickelt, die auf den im Zensustest erprobten Methoden aufbauen und – zur weiteren statistischen Korrektur der Einwohnerzahlen und zur Bereitstellung nicht in den Registern vorhandener Daten – um Stichprobenerhebungen ergänzt werden könnten.

Vorgehensweise bei einem künftigen Zensus

Ein registergestützter Zensus könnte aus folgenden Basisbausteinen bestehen:

  • Abfrage und Verarbeitung der Daten der Melderegister aller 13 811 Gemeinden bundesweit zu zwei Stichtagen. Die Lieferung der Melderegisterdaten zu zwei Stichtagen ist notwendig, um diese um fluktuationsbedingte Registerüberhänge bereinigen zu können. Zugleich werden die Melderegisterergebnisse auf Mehrfacheintragungen überprüft. Beide Maßnahmen dienen einer stichtagsgenauen Ermittlung der Bevölkerungszahlen.
  • Befragung von Personen, die bei der oben genannten Mehrfachfallprüfung als Dubletten erkannt wurden und bei denen der Hauptwohnsitz maschinell nicht feststellbar ist. Der Zensustest ergab hier eine Größenordnung von ca. 500 000 Personen bundesweit.
  • Abfrage und Verarbeitung von Daten der erwerbsstatistischen Register (Dateien der Bundesagentur für Arbeit, Register der Öffentlichen Verwaltung) für rund 36,5 Mill. Erwerbspersonen, um Informationen zur Struktur der Beschäftigten und der Arbeitslosen sowie zur Erwerbsbeteiligung bereitstellen zu können.
  • Postalische Gebäude- und Wohnungszählung bei rund 17 Mill. Gebäude- und Wohnungseigentümern zur Erhebung von Informationen über Gebäude und Wohnungen. Da es in Deutschland keine flächendeckenden Register zu kleinräumigen Bestands- und Strukturdaten für Gebäude und Wohnungen gibt, führt eine postalische Befragung bei den Gebäude- und Wohnungseigentümern zu einer erheblichen Verminderung des Befragungsaufwands gegenüber einer ansonsten erforderlichen Befragung aller Haushalte in Deutschland.
  • Primärstatistische Erhebung von rund 2 Mill. Personen in Anstalten und Sondergebäuden wie zum Beispiel Studentenwohnheime, da es für diese Gebäude erfahrungsgemäß eine sehr hohe Fehlerrate in den Melderegistern gibt, die sich durch direkte Befragung reduzieren lässt.
  • Durchführung einer maschinellen Haushaltegenerierung für 38,5 Mill. Haushalte auf der Grundlage der Daten der Melderegister und der wohnungsstatistischen Merkmale.

Zur Verbesserung der Qualität der amtlichen Einwohnerzahlen könnte die Einbindung einer ergänzenden Stichprobenerhebung beitragen. Der Grundgedanke ist, in den Gemeinden – zusätzlich zur Auswertung der Melderegister – auf Stichprobenbasis eine Befragung von Personen durchzuführen, um Karteileichen- und Fehlbestandsraten für die einzelne Gemeinde zu ermitteln und die mit den Basisbausteinen festgestellte Einwohnerzahl der Gemeinde zu korrigieren. Das Instrument der Stichprobenerhebung eröffnet zudem prinzipiell die Möglichkeit, Daten über weitere zensustypische Merkmalsbereiche zu erheben, die nicht in Registern vorliegen wie zum Beispiel Selbstständige, Quellen des Lebensunterhalts, Bildungsstand und Pendlerstruktur.

Die ergänzende Stichprobe könnte in allen Gemeinden oder erst ab einer bestimmten Gemeindegröße durchgeführt werden. Bei der Auswahl eines Verfahrens muss das Gebot der Gleichbehandlung hinsichtlich des Verfahrens der Ermittlung der amtlichen Einwohnerzahlen gegenüber den Kosten und der Verhältnismäßigkeit der Mittel abgewogen werden. Die Einbeziehung aller Gemeinden würde dazu führen, dass die Belastung der Bevölkerung durch primärstatistische Erhebungen und damit auch die Kosten deutlich steigen würden.

Da die Fehlerquoten in den Melderegistern der kleinen Gemeinden relativ gering sind und mit zunehmender Gemeindegröße ansteigen, könnte die ergänzende Stichprobenerhebung zur statistischen Bereinigung der Melderegisterergebnisse auf Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnern beschränkt werden. In den kleineren Gemeinden wird die statistische Bereinigung der Registerergebnisse über die Korrekturverfahren der Basisbausteine als ausreichend erachtet.

Die Erhebung zusätzlicher Merkmale ist ebenfalls möglich; diese könnten dann allerdings nur für Gemeinden ab 10 000 Einwohnern auf Gemeindeebene nachgewiesen werden. Mit dem in Deutschland im Rahmen der amtlichen Statistik noch nicht erprobten Verfahren der »Small-Area-Estimation« soll versucht werden, Daten auch für Gemeinden mit weniger als 10 000 Einwohnern bzw. unterhalb der Gemeindeebene zu produzieren. Die Einsatzmöglichkeiten dieses Verfahrens werden – unter Einbeziehung der Wissenschaft – im Rahmen der Vorbereitungsarbeiten zum nächsten Zensus untersucht.

Ein registergestützter Zensus auf der Basis der vorgenannten Bausteine kann kleinräumig demografische Grunddaten, erwerbsstatistische Daten über sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, Beamte und Arbeitslose sowie Gebäude- und Wohnungsdaten bereitstellen. Daten, die nicht in Registern vorliegen, müssen primärstatistisch erhoben werden. Die Kosten dieses Modells werden aus heutiger Sicht auf bundesweit rund 340 Mill. Euro geschätzt.

Stand der Vorbereitungsarbeiten für einen registergestützten Zensus 2010/11 in Deutschland …

Die Ergebnisse des Zensustests wurden in einem Bericht der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder zusammengefasst2 und Ende 2003 den Dienstaufsichtsbehörden der Statistischen Ämter zugeleitet. Die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) hat sich in ihren Sitzungen im Juli 2004 und November 2004 eingehend mit dem Bericht der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder über die Ergebnisse des Zensustests beschäftigt und folgende Beschlüsse gefasst:

  • Der nächste Zensus in Deutschland soll nicht mehr in Form einer traditionellen Volkszählung, sondern registergestützt durchgeführt werden.
  • Die Statistischen Ämter in Bund und Ländern wurden beauftragt, die methodischen Vorarbeiten für einen registergestützten Zensus mit Priorität fortzuführen.

Die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder haben aufgrund dieses Auftrags im März 2005 ein Projekt zur Vorbereitung eines registergestützten Zensus gestartet. In den Jahren 2005 bis 2007 sollen die methodischen, organisatorischen und rechtlichen Grundlagen für die Durchführung eines registergestützten Zensus in Deutschland im Jahre 2010/11 geschaffen werden. Ausgangspunkt ist die im Abschlussbericht des Zensustests empfohlene Modellvariante »Registergestützter Zensus« in allen Gemeinden und Stichprobe (zur statistischen Bereinigung und zur Erhebung zusätzlicher Merkmale) nur in Gemeinden mit 10 000 und mehr Einwohnern. Aufgabenschwerpunkte sind vor allem die Verbesserung der Ergebnisermittlung in tiefer regionaler Gliederung und die Verbesserung der statistischen Verfahren zur Qualitätsverbesserung der Melderegister.

Für einen erfolgreichen Methodenwechsel vom traditionellen Volkszählungskonzept zu einem registergestützten Zensus ist allerdings auch eine physische und damit nachhaltige Verbesserung der Qualität der Melderegister von zentraler Bedeutung. Seitens der Innenministerkonferenz wurden deshalb die zuständigen Stellen in Bund und Ländern, insbesondere im Bereich des Meldewesens aufgerufen, an einer nachhaltigen Verbesserung der Melderegister mitzuarbeiten. Als Möglichkeiten für eine physische Verbesserung der Melderegister wurden unter anderem folgende Maßnahmen genannt:

  • Die Optimierung der Arbeitsabläufe im Meldewesen,
  • konsequente Anwendung des Instrumentariums des § 4a Melderechtsrahmengesetzes,
  • Realisierung der »Vernetzung« der Melderegister,
  • Realisierung der ID-Nummer für Besteuerungsverfahren.

… und auf europäischer Ebene

Das Statistische Amt der Europäischen Union (Eurostat) hat im Herbst 2005 den Entwurf einer Rahmenverordnung des Europäischen Parlaments und des Rates für Volks- und Wohnungszählungen vorgelegt. Damit wird voraussichtlich im Jahr 2007 eine Rechtsgrundlage vorliegen, die alle Mitgliedstaaten der EU verpflichtet, im Jahr 2010/11 eine Volkszählung durchzuführen.

Die Rahmenverordnung sieht so genannte »Freiheiten« und verbindliche Vorgaben vor. Zu den »Freiheiten« gehören unter anderem die Wahl der Datenquellen und der Methoden. Den Mitgliedstaaten wird damit freigestellt, ob sie eine traditionelle Vollerhebung, einen Registerzensus auf der Basis vorhandener Verwaltungsregister oder andere Volkszählungsvarianten wählen. Verbindlich vorgegeben sind in der Rahmenverordnung bisher unter anderem die Periodizität (alle 10 Jahre zu Beginn einer Dekade sollen Volkszählungen stattfinden), ein einheitliches Bezugsjahr für alle Datenquellen und der Liefertermin. Die Volkszählungsergebnisse sollen 24 Monate nach dem Erhebungsstichtag an Eurostat geliefert werden. Die Liste der zu liefernden Merkmale sowie verbindliche Vorgaben hinsichtlich der fachlichen und räumlichen Tiefe werden derzeit noch erarbeitet, sollen aber in die EU-Verordnung mit aufgenommen werden.

Ausblick

Lange Zeit fanden die Befürworter einer neuen Volkszählung kein Gehör im politischen Raum. Vor dem Hintergrund der für die Zukunft zu erwartenden Herausforderungen wie zum Beispiel dem demografischen Wandel, ist mittlerweile die Erkenntnis gewachsen, dass genaues Datenmaterial eine wesentliche Grundlage für sinnvolles politisches Handeln darstellt. Selbst frühere Volkszählungsgegner sind mittlerweile unter den Befürwortern einer neuen Zählung. Die Beschlüsse der Innenministerkonferenz und die Ankündigung im Koalitionsvertrag der schwarz-roten Bundesregierung, wonach die EU-weite Zensusrunde mit möglichst geringen Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger durchgeführt werden soll, weisen darauf hin, dass in Deutschland ein Paradigmenwechsel von einer klassischen Volkszählung zu einem registerbasierten und mit Stichproben ergänzten Zensus sehr wahrscheinlich ist. Nichtsdestotrotz steht eine politische Entscheidung für ein künftiges Zensusmodell noch aus. Der methodische Wechsel hätte durchaus Vorteile: Ein Registerzensus ist wesentlich kostengünstiger und die Belastung der Bürgerinnen und Bürger ist deutlich geringer. Aber auch die Grenzen des Modells dürfen nicht unberücksichtigt bleiben. Ein registergestützter Zensus nach dem beschriebenen Modell bietet wesentlich weniger Informationen als eine klassische Volkszählung.

1 Für eine detaillierte Darstellung der Konzeption des Zensustests siehe: Lauer, Thomas/Werner, Joachim: Der Zensustest 2001 – Prüfung neuer Methoden als Alternative für eine Volkszählung, in: Baden-Württemberg in Wort und Zahl 11/2001, S. 545 - 561.

2 Statistische Ämter des Bundes und der Länder: Ergebnisse des Zensustests, in: Wirtschaft und Statistik 8/2004, S. 813 - 833.