:: 5/2006

Neue Kaufkraftdaten für die Gemeinden in Baden-Württemberg

Daten zur Kaufkraft sind nach wie vor, besonders auf kleinräumiger Ebene, gefragt. Das Kaufkraftpotenzial vor Ort gilt als wichtiges Kriterium für Unternehmen und ihre Standortwahl und als bedeutender Indikator für die Regionalplanung und -politik. Im Ergebnis für die Berechnungen 2004 standen jedem Einwohner in Baden-Württemberg im Durchschnitt 14 600 Euro für Konsumzwecke frei zur Verfügung. Über diesem Niveau liegt insbesondere die Region Stuttgart. Weitere Gebiete mit hoher Kaufkraft erstrecken sich in Richtung Karlsruhe sowie südlich über Balingen und Tuttlingen zum Bodensee. Weite Teile des Nordostens Baden-Württembergs und Teilgebiete des Schwarzwaldes sowie Oberschwabens verfügen dagegen eher über eine unterdurchschnittliche Kaufkraft.

Kaufkraft des Geldes versus Kaufkraft des Einkommens

Unter dem Begriff »Kaufkraft« wird häufig der Tauschwert einer Geldeinheit auf den Gütermärkten verstanden. Diese Kaufkraft des Geldes entspricht – formal gesehen – dem Reziproken des Preisniveaus1. Der Indikator ermöglicht einen Preisvergleich zwischen verschiedenen Regionen innerhalb einer Volkswirtschaft. Als so genannte Kaufkraftparität wird die einheimische Währung einer ausländischen gegenübergestellt. Weiterhin können anhand der Veränderungen im Zeitablauf Werteverluste und -gewinne dargestellt werden. Diese Betrachtung ist aber nicht Gegenstand der hier durchgeführten Berechnungen.

Im Folgenden wird die Kaufkraft vielmehr als einkommenstheoretischer Begriff verstanden. Ziel war es, die ungebundene Kaufkraft für die Gemeinden Baden-Württembergs zu ermitteln, das heißt diejenigen Geldmittel, die tatsächlich dem freien Konsum zur Verfügung stehen. Die Vorgehensweise bei den Berechnungen entsprach weitgehend denen der Vergangenheit. Maßgebend für die Landeseckwerte sind wiederum die kaufkraftrelevanten Daten aus der Umverteilungsrechnung der privaten Haushalte der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR). Für die Regionalisierung kommt den Daten aus der Lohn- und Einkommensteuerstatistik die größte Bedeutung zu. Die Berechnungen sind auf den Wohnort bezogen, das heißt es ist zunächst unerheblich, wo das Geld erwirtschaftet oder ausgegeben wurde (i-Punkt).

Wer benötigt Kaufkraftdaten?

Die Daten der regionalisierten Kaufkraft dienen insbesondere den Unternehmen als Entscheidungshilfe bei ihrer Standortwahl. Das Ausmaß der Hilfestellung hängt natürlich von der Branche ab. So haben die Daten für ein Einzelhandelsunternehmen eine deutlich größere Relevanz als für ein Maschinenbauunternehmen, dessen Standort nicht zwangsläufig in unmittelbarer Nähe zum potenziellen Absatzgebiet angesiedelt sein muss2. Für weitere Bereiche – wie der Absatzplanung, Preispolitik und der Marktforschung – spielen die Daten ebenfalls eine wichtige Rolle. Aber nicht nur die unternehmerische Sicht sei hier angeführt, auch Regionalplaner und -forscher sowie Politiker benötigen diesen Indikator, um die Standortqualität und den Wohlstand ihrer Region zu beschreiben oder Planungen für den Raum zu entwickeln. Dabei geht es in erster Linie nicht darum zu zeigen, wie viel Geld der Einzelne zur freien Verwendung hat, sondern um eine räumliche Aussage zum Kaufkraftpotenzial.

Region Stuttgart mit höchster Kaufkraft

Die Kaufkraft im Land betrug im Jahr 2004 durchschnittlich 14 600 Euro je Einwohner. Unter den Stadt- und Landkreisen hat – wie in der Vergangenheit auch – Baden-Baden die höchste Kaufkraft je Einwohner. Der Landkreis Ludwigsburg steht an zweiter Stelle, gefolgt von Stuttgart (Tabelle 1). Die gesamte Region Stuttgart und Teile der angrenzenden Kreise liegen nahezu flächendeckend über dem Landesniveau (Schaubild). Überdurchschnittliche Kaufkraftkennziffern lassen sich einerseits für einige altindustrialisierte Gebiete um Reutlingen, Albstadt und Kirchheim unter Teck erkennen, andererseits um High-Tech-Gebiete wie Tuttlingen. Auffällig sind weiterhin Teilräume, die sich in den letzten Jahrzehnten durch eine besondere Dynamik auszeichneten wie um Künzelsau, Biberach oder in der nördlichen Rheinebene. Unter den großen Kreisstädten in Baden-Württemberg liegen Remseck am Neckar, Leonberg und Ehingen (Donau) am deutlichsten über dem Landesniveau.

Bei dieser Darstellung der Ergebnisse für die 99 Städte mit mindestens 20 000 Einwohnern, liegt die Stadt Baden-Baden an vierter und Stuttgart an 13. Stelle.

Vergleichsweise schwache Kennziffern haben topografisch schwierige oder verkehrstechnisch weniger gut erschlossene Räume wie im Hochschwarzwald, im Odenwald und im oberschwäbischen Hügelland. Dass oberzentrale oder mittelzentrale Funktionen zu einer höheren Kaufkraft führen, kann jedenfalls für Baden-Württemberg nur teilweise bestätigt werden; in Mannheim, Freiburg im Breisgau, Rastatt, Lahr oder Kehl verfügt die Bevölkerung über deutlich unterdurchschnittliche Kaufkraftressourcen. Auffallend ist die Kaufkraftstärke der Verwaltungsräume entlang der Bundesstraße B30 von Ulm in Richtung Bodensee. Einige Ballungszentren, wie zum Beispiel Freiburg im Breisgau, sind von einem »Wohlstandsgürtel« umgeben, dass heißt von Gemeinden mit höherer Kaufkraft je Einwohner. Die Ursache ist darin zu sehen, dass relativ wohlhabende Haushalte vielfach vom Ballungszentrum in das Umland ziehen. Dies belegen ebenfalls die Pendlerbewegungen in diesen Räumen. Im Ergebnis fallen somit der Ort der Einkommensbildung und der »Sitz der Kaufkraft« auseinander.

Höchste Kaufkraft der Städte mit mehr als 20 000 Einwohnern:

StadtKaufkraft je Einwohner in EURKaufkraftkennziffer (Land = 100)
Remseck am Neckar20 177138
Leonberg18 508127
Ehingen (Donau)18 329126
Baden-Baden17 861122
Leinfelden-Echterdingen17 854122
Ettlingen17 076117
Waiblingen17 036117
Balingen16 910116
Überlingen16 474113
Bietigheim-Bissingen16 412112

Auswertungen, die sich an den Raumkategorien des Landesentwicklungsplanes von 2002 (LEP) orientieren, bestätigen dieses Bild aus einer anderen Sichtweise: Wie zu erwarten, können die Verdichtungsräume zwar insgesamt die höchste Kaufkraft je Einwohner vorweisen. Bei der Betrachtung von einzelnen Gebieten, hat jedoch teilweise die jeweils angrenzende Randzone ein höheres Kaufkraftniveau, sodass wiederum »Wohlstandsgürtel« deutlich werden. Der ländliche Raum insgesamt liegt dagegen 5 % unter dem Landesschnitt – Ausnahmen sind die Verdichtungsbereiche im ländlichen Raum Albstadt/Balingen Hechingen und Villingen-Schwenningen/Tuttlingen/Rottweil. Die zeitliche Entwicklung der einzelnen Raumkategorien zeigt relativ betrachtet nur geringe Veränderungen (Tabelle 2). Einzig die Pro-Kopf-Werte der Verdichtungsbereiche im ländlichen Raum sind im Verhältnis gesunken.

Hohe Einkommen korrelieren mit hohen Ausgaben

Die regionalen Unterschiede im Kaufkraftniveau haben verschiedene Ursachen, die sich gegenseitig beeinflussen. Dazu zählt insbesondere die Höhe der Erwerbsbeteiligung, die Branchenstruktur – die sich teilweise auch durch die Historie unterschiedlich entwickelt hat – und das damit verbundene Lohnniveau vor Ort. Die Altersstruktur der jeweiligen Bevölkerung und das Vermögenseinkommen der privaten Haushalte spielen ebenso eine Rolle. Weiter steigt mit höherer Siedlungsdichte zumeist der Anteil der Mietwohnungen und damit die angesetzten Mietausgaben, was zu einer Senkung der letztlich frei verfügbaren Geldmittel führt. Häufig zeigt sich nämlich, dass hohe Einnahmen mit hohen Ausgaben einhergehen. So liegt zum Beispiel die Stadt Stuttgart bei den kauf-kraftrelevanten Einnahmen noch um 16 % über dem Landeswert, nach Abzug der relativ hohen Ausgaben liegt die Kaufkraft pro Kopf »nur noch« um 11 % über dem Landesniveau. Für diesen Nivellierungseffekt, der ebenfalls bei vergangenen Berechnungen beobachtet wurde, gibt es mehrere Gründe: Ein wichtiger ist der progressive Ansatz des Einkommensteuertarifs, ein weiterer die höhere Sparneigung bei zunehmenden Einkommen. Außerdem liegt das Mietpreisniveau häufig höher in Gegenden mit überdurchschnittlichem Einkommen3.

Kaufkraft bezogen auf die Haushalte

Für einen Regionalvergleich wird üblicherweise die Kaufkraft auf die Einwohnerzahl bezogen. Sinnvoll wäre ebenso der Bezug des jeweiligen Kaufkraftvolumens auf die Haushalte als Bedarfsträger. Den regional stark unterschiedlichen Haushaltsgrößen würde dadurch Rechnung getragen. Beispielrechnungen, die für die Kaufkraftdaten 2004 mit Hilfe der Daten aus der Modellrechnung der kleinräumigen Haushaltsberechnung4 durchgeführt wurden, ergeben bei Bezug auf die Haushalte häufig Verschiebungen zu Lasten der stark besiedelten Räume in denen die durchschnittliche Haushaltsgröße in der Regel niedriger ist. Am Beispiel der Stadt Baden-Baden kann dies gut verdeutlicht werden: die Kaufkraft je Einwohner in Baden-Baden liegt um 22 % über dem Landeswert. Mit Bezug der Kaufkraft auf die Haushalte fällt der Abstand auf lediglich 6 %, da die Haushaltsgröße in Baden-Baden mit durchschnittlich 1,9 Personen deutlich unter dem Landesschnitt liegt. Städte wie Stuttgart und Heidelberg würden bei dieser Betrachtung gar unter dem Landeswert von rund 32 300 Euro je Haushalt bleiben.

Zur Interpretation der Ergebnisse

Es bleibt festzuhalten, dass die errechneten Ergebnisse die Kaufkraft am Wohnort darstellen. Für den Einzelhandel sowie Dienstleistungsunternehmen wäre darüber hinaus von Interesse, ob das ermittelte Kaufkraftvolumen im Ort verbleibt und was an Kaufkraft zu- bzw. in das Umland abfließt. Untersuchungen zu den Kaufkraftströmen wurden letztmalig für die Ergebnisse 1995 durchgeführt5. Da zum jetzigen Zeitpunkt keine aktuellen Umsatzzahlen vorliegen, sind Berechnungen der Kaufkraftzu- und -abflüsse nicht möglich.

Auch das Preisniveau vor Ort müsste in die Bewertung der Ergebnisse miteinbezogen werden, um die tatsächliche »reale« Kaufkraft abzubilden. Diese Überlegung bedeutet, dass erst die Verbindung der beiden Konzepte »Kaufkraft des Geldes« und »Kaufkraft des Einkommens« eine abschließende Interpretation zulässt. Daten für den zwischenörtlichen Verbraucherpreisindex wurden letztmalig 1993 für fünf ausgewählte Städte Baden-Württembergs erhoben6.

Regionale Kaufkraftdaten im Internet

Die Ergebnisse der aktuellen regionalisierten Kaufkraftberechnungen stehen über das Landesinformationssystem (LIS) und im Internetangebot des Statistischen Landesamtes in der Regionaldatenbank kostenfrei zur Verfügung (www.statistik-bw.de). Die Bildschirmtabelle wurde aufgrund entsprechender Wünsche um die Kaufkraftkennziffer ergänzt. Der Index bezieht sich jeweils auf den Pro-Kopf-Wert des Landes (Land = 100). Es werden wiederum nur Gemeinden bzw. Teilräume ab 3 000 Einwohner veröffentlicht, da unterhalb dieser Grenze »Ausreißerwerte« das Ergebnis so stark beeinflussen, dass sie ohne eine nähere Analyse ein verzerrtes Bild ergeben könnten (zum Beispiel einzelne sehr reiche Haushalte in sehr kleinen Gemeinden).

1 Vgl. hierzu Stein, Ulrich: Regionalisierte Kaufkraftberechnungen für Baden-Württemberg, in: Baden-Württemberg in Wort und Zahl 10/2000, S. 459-465. (Zitierweise: Kaufkraftberechnungen).

2 Vgl. Hartmann, Verena: Ein kleinräumiges Kaufkraftmodell für Baden-Württemberg, in: Jahrbuch für Statistik und Landeskunde Baden-Württemberg 1992, S. 157-179.

3 Vgl. Stein, U.: Kaufkraftberechnungen, S. 459-465.

4 Vgl. Brachat-Schwarz, Werner: Neues Datenangebot zur Anzahl und Größe der Privathaushalte in den Gemeinden Baden Württembergs 2004, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 8/2005, S. 13-15.

5 Vgl. Brachat-Schwarz, Werner: Regionalisierte Kaufkraftberechnungen für Baden-Württemberg, in: Baden-Württemberg in Wort und Zahl 12/1997, S. 558-565.

6 Vgl. Burger, Franz: Zwischenörtlicher Verbraucherpreisvergleich in Baden-Württemberg, in: Baden-Württemberg in Wort und Zahl 8/1994, S. 389-394.