:: 6/2006

Haupt- und Nebenerwerb in der Landwirtschaft – Unterschiede in den Betriebsstrukturen

Nach den Ergebnissen der repräsentativen Agrarstrukturerhebung 2005 wurden 55 300 landwirtschaftliche Betriebe in Baden-Württemberg in der Rechtsform Einzelunternehmen – dem klassischen Familienbetrieb – bewirtschaftet und gut 6 von 10 dieser Betriebe im Nebenerwerb. Damit prägt die Nebenerwerbslandwirtschaft auch heute noch die eher klein-betriebliche Struktur der hiesigen Landwirtschaft. Andererseits machen die annähernd 20 000 oder 34 % im Haupterwerb bewirtschafteten Betriebe den Großteil der Produktionsanteile aus: Mit 44 ha landwirtschaftlich genutzter Fläche (LF) bewirtschaftet ein Haupterwerbsbetrieb fast viermal so viel Fläche wie ein Nebenerwerbsbetrieb, in ihren Ställen stehen 68 % des Rinder-, 70 % des Schweine- und 59 % des Hühnerbestandes. Die Tendenz einen Haupterwerbsbetrieb im Nebenerwerb zu bewirtschaften nahm in den letzten Jahren ab, was zu einer steigenden Anteilsquote der Haupterwerbsbetriebe führte.

Von den insgesamt 55 300 landwirtschaftlichen Betrieben in der Rechtsform Einzelunternehmen, die im Jahr 2005 im Südwesten tätig waren, wurden 19 900 Betriebe im Haupterwerb und 35 400 Betriebe im Nebenerwerb geführt1. Das sind 2 100 Haupterwerbs- und 4 200 Nebenerwerbsbetriebe weniger als noch vor 2 Jahren. Seit 1979 sind damit insgesamt 64,4 % der Haupterwerbs- und 52,7 % der Nebenerwerbsbetriebe ausgeschieden; im Durchschnitt waren dies 1 400 Haupterwerbs- und 1 500 Nebenerwerbsbetriebe jährlich2.

Haupterwerb oder Nebenerwerb – wer trotzt dem Strukturwandel besser?

Bis Ende der 1990er-Jahre waren die Haupterwerbsbetriebe stärker vom Rückgang der Betriebszahlen betroffen als die Nebenerwerbsbetriebe, seitdem scheint sich das Verhältnis umgekehrt zu haben. So ist seit der Landwirtschaftszählung (LZ) 1999 die Zahl der im Haupterwerb bewirtschafteten Betriebe um 5 300 und die der Nebenerwerbsbetriebe um 12 400 zurückgegangen. Verglichen mit dem allgemeinen Rückgang der Betriebszahlen in diesem Zeitraum (− 21,8 %) fiel der Rückgang bei den Haupterwerbsbetrieben leicht unterdurchschnittlich (− 21 %), bei den Nebenerwerbsbetrieben dagegen deutlich überdurchschnittlich (− 26 %) aus.

Die Anteilsquote der Haupterwerbsbetriebe spiegelt ebenfalls die oben beschriebene Entwicklung wider: während diese vor 1999 im Zuge des Strukturwandels kontinuierlich sank, steigt sie seitdem wieder langsam an (ein Plus von 1,5 Prozentpunkten seit 1999). Im Jahr 2005 lag die Quote der Haupterwerbsbetriebe bei 36 %. Das könnte bedeuten, dass der Strukturwandel einen Punkt erreicht hat, an dem die noch existierenden Haupterwerbsbetriebe sich betriebswirtschaftlich besser auf die Zukunft ausgerichtet haben und somit weniger anfällig sind gegenüber wirtschaftlichem und strukturellem Anpassungsdruck.

Ein Haupterwerbsbetrieb bewirtschaftet viermal so viel Fläche wie ein Betrieb im Nebenerwerb

Unterschiedliche Erbrechte in Teilen Baden-Württembergs haben zu extrem kleinparzellierten und zersplitterten Betrieben geführt, die die Ernährung der Familie allein nicht sichern konnten. Daneben sind auf Standorten in den klimatischen Gunstlagen, die den Anbau von Sonderkulturen wie Wein oder Baumobst fördern, auch auf kleinen Flächen entsprechende Erlöse zu erzielen; anders als in den benachteiligten Gebieten der Höhenlagen, wo für wirtschaftlich erfolgreiche Grünland- oder Ackerwirtschaft große Flächen vonnöten sind. Nicht zuletzt ist auch die Nähe zu möglichen Absatzmärkten und das Angebot an alternativen Einkommensquellen mit entscheidend dafür, welchen Stellenwert die Arbeit im landwirtschaftlichen Betrieb einnimmt. Im Ergebnis zeigen sich deutliche Unterschiede in den betrieblichen Strukturen: So bewirtschaftet ein landwirtschaftlicher Haupterwerbsbetrieb heute durchschnittlich 43,6 ha landwirtschaftlich genutzte Fläche und damit fast viermal so viel wie ein im Nebenerwerb geführter Betrieb (11,1 ha LF) und knapp doppelt so viel Fläche wie der durchschnittliche Betrieb im Südwesten. Das sind je Haupterwerbsbetrieb 3 ha LF mehr als noch vor zwei Jahren (Nebenerwerb: + 1,2 ha) und sogar ein Plus von 7,4 ha gegenüber 1999 (Nebenerwerb: + 2 ha). Insgesamt werden 60 % der insgesamt 1,45 Mill. ha LF des Landes von den 33,6 % im Haupterwerb geführten Betrieben bewirtschaftet, während auf die 69,6 % im Nebenerwerb geführten Betriebe lediglich 27,1 % entfallen3. Je mehr der Produktionsfaktor Boden ausgeweitet wird, desto seltener reicht die im eigenen Besitz befindliche LF aus. Fast 9 von 10 Haupterwerbslandwirten, und 6 von 10 Nebenerwerbsbetrieben haben landwirtschaftliche Flächen dazugepachtet. Insgesamt befindet sich fast zwei Drittel der von den Haupterwerbsbetrieben, und immerhin die Hälfte der von Nebenerwerbslandwirten bewirtschaftete LF nicht im Eigentum des Bewirtschafters, sondern sind hinzugepachtet

Wo liegen die betrieblichen Produktionsschwerpunkte?

Im Zuge der Rationalisierung und Optimierung der Produktionsprozesse spezialisieren sich die landwirtschaftlichen Betriebe immer mehr. Zur Darstellung der betriebswirtschaftlichen Ausrichtung werden die landwirtschaftlichen Betriebe nach Aufteilung ihres Betriebseinkommens auf die einzelnen Produktionsbereiche klassifiziert4. So liegt zum Beispiel allein der durchschnittliche Standarddeckungsbeitrag5 eines Haupterwerbsbetriebes mit 71 400 Euro nahezu siebenmal höher als im Nebenerwerb. Weideviehbetriebe, zu denen auch die Betriebe mit Milchwirtschaft zählen, sind in der Haupterwerbs- (42,7 %) sowie der Nebenerwerbslandwirtschaft (35,2 %) am stärksten vertreten. Der Anteil der im Nebenerwerb geführten Dauerkulturbetriebe ist mit 25,4 % deutlich höher als im Haupterwerb (14,4 %). Zu den hoch spezialisierten Gartenbaubetrieben zählen 5,8 % der Haupterwerbsbetriebe, während diese Ausrichtung im Nebenerwerb so gut wie keine Rolle spielt6

Jeder vierte Haupterwerbsbetrieb setzt auf mehrere Produktionszweige

Neben den »Spezialbetrieben« gibt es die so genannten »Verbundbetriebe«, bei denen kein Produktionsschwerpunkt zwei Drittel des gesamten Standarddeckungsbeitrages des Betriebs erreicht. Im Haupterwerb ist es immerhin jeder vierte Betrieb, bei dem die Spezialisierung in der betriebswirtschaftlichen Ausrichtung weniger deutlich ausfällt (Nebenerwerb: 15,9 %). Ob dies daraus resultiert, dass die Spezialisierung im Rahmen des Strukturwandels in der Landwirtschaft in diesen Betrieben noch nicht vollständig abgeschlossen ist oder ob diese Betriebe ganz aktiv ihr landwirtschaftliches Einkommen auf mehrere Standbeine zu verteilen versuchen, kann mit den vorliegenden Daten nicht beurteilt werden. Eine weitere Alternative der betrieblichen Produktionsausrichtung bietet der ökologische Landbau, der für Haupt- und Nebenerwerbslandwirte gleichermaßen Anreize zu setzen scheint. Insgesamt wirtschafteten 1 100 Haupterwerbs- und 1 600 Nebenerwerbsbetriebe zumindest in Teilen ihres Betriebes nach den Richtlinien des ökologischen Landbaus, das sind 5,5 % der Haupt- und 4,5 % der Nebenerwerbsbetriebe im Südwesten. Damit liegt das Niveau der Teilnahme am ökologischen Landbau nahe dem Durchschnitt aller landwirtschaftlichen Betriebe in Baden-Württemberg (5 %).

Die Nutzung der Flächen unterscheidet sich kaum …

Obwohl die Flächen, die von einem Haupterwerbs- bzw. Nebenerwerbsbetrieb bewirtschaftet werden, hinsichtlich ihrer Größe deutlich voneinander abweichen, sind in der Nutzung der Flächen keine größeren Unterschiede zu erkennen. Haupterwerbslandwirte bewirtschaften 59,4 % ihrer LF als Ackerland und 37,1 % als Grünland. In den Nebenerwerbsbetrieben werden 53,3 % der LF ackerbaulich und 43,6 % für Grünlandwirtschaft genutzt. Rebland und Obstanlagen machen jeweils weniger als 2 % der LF aus. Abweichungen zeigen sich in der betrieblichen Verteilung der Hauptnutzungsarten: Ackerbau bzw. Grünlandwirtschaft sind in jeweils 8 von 10 Haupterwerbsbetrieben vertreten, während im Nebenerwerb 3 von 4 Betrieben Grünland, aber nur gut jeder zweite Landwirt Ackerland bewirtschaftet. Jeder fünfte Nebenerwerbslandwirt und jeder sechste Haupterwerbslandwirt beschäftigt sich mit Anbau von Reben.

… aber Viehwirtschaft ist eine Domäne der Haupterwerbsbetriebe

Viehhaltung spielt im Nebenerwerb nur eine untergeordnete Rolle. Mitverantwortlich dürften hier der täglich geforderte Arbeitseinsatz und die Arbeitsbelastung sein. Zudem bedarf wirtschaftlich erfolgreiche Viehwirtschaft in der Regel entsprechend großer Tierbestände. So stehen 68,1 % aller Rinder, 69,7 % der Schweine und 58,5 % der Hühner in den Ställen der Haupterwerbsbetriebe. Die durchschnittlichen Tierzahlen pro Betrieb liegen im Haupterwerb bei den Rindern mit 64 Tieren dreimal, bei den Schweinen mit 274 Tieren sechsmal und bei den Hühnern mit 443 Tieren gut achtmal so hoch wie in den Nebenerwerbsbetrieben. Trotz dieser deutlichen Konzentrationsunterschiede hält noch gut jeder zweite Nebenerwerbslandwirt Vieh, wenn auch in deutlich geringerem Umfang. Vor allem sind dies Tierarten, die vornehmlich mit extensiver Bewirtschaftung einhergehen. So wirtschaften 67,3 % der Ammenkuhhalter und 73,2 % der Schafhalter im Nebenerwerb.

In Nebenerwerbsbetrieben sind die Familienarbeitskräfte gefragt …

Das unterschiedliche Ausmaß, in dem den landwirtschaftlichen Arbeiten nachgegangen wird, beeinflusst auch den Bedarf an Arbeitskräften. Im Nebenerwerb mit eher kleinen Beständen an Fläche oder Tieren zählt man dabei zum Großteil auf Familienarbeitskräfte. Wenn auf familienfremde Arbeitskräfte zurückgegriffen wird, dann überwiegend in Form von Saisonarbeitskräften, Erntehelfern und anderen Personen, die nur befristet für höchstens 3 Monate auf dem Betrieb beschäftigt sind. So waren im Jahr 2005 neben den 75 000 Familienarbeitskräften (inklusive Betriebsinhaber) 10 200 familienfremde Personen in den Nebenerwerbsbetrieben beschäftigt, von denen 9 000 nur zeitweise tätig waren. Die anfallenden Arbeiten bewirken nur selten eine Vollbeschäftigung im Betrieb: So geben von den 35 400 Betriebsinhabern lediglich 2 % an, mit betrieblichen Arbeiten vollbeschäftigt zu sein. In allen anderen Kategorien liegt der Anteil noch niedriger. Demgegenüber sind 82 % der Betriebsinhaber eines Nebenerwerbsbetriebes auch in außerbetrieblicher Erwerbstätigkeit beschäftigt, sechs von zehn Betriebsinhabern sogar in Vollbeschäftigung.

… während im Haupterwerbsbetrieb auch auf familienfremde Arbeitskräfte gesetzt wird

In den Haupterwerbsbetrieben bildet die Landwirtschaft den Schwerpunkt der Beschäftigung. Entsprechend mehr Arbeitseinsatz ist auch gefordert, um ein bestmögliches betriebswirtschaftliches Ergebnis zu erzielen. So sind gut 8 von 10 Betriebsinhabern eines Haupterwerbsbetriebes mit betrieblichen Arbeiten vollbeschäftigt, und nur 2 von 10 Betriebsinhabern gehen überhaupt einer zusätzlichen außerbetrieblichen Beschäftigung nach. Immerhin 20,1 % der 33 100 im Betrieb arbeitenden Familienangehörigen sind mit betrieblichen Arbeiten vollbeschäftigt. Dass die Arbeit in den Haupterwerbsbetrieben dennoch nicht mehr allein von den Familienangehörigen bewältigt werden kann, zeigt die Tatsache, dass mittlerweile 45 % der Arbeitskräfte hier in keinem Verwandtschaftsverhältnis zum Betriebsinhaber mehr stehen. Von den 5 500 ständig familienfremden Beschäftigten in den Haupterwerbsbetrieben ist gut jeder Zweite vollbeschäftigt im Betrieb tätig. Den Großteil der familienfremden Beschäftigten machen aber auch hier die knapp 38 000 Saisonarbeitskräfte und andere nur befristet Beschäftigte aus.

1 Die Einteilung in Haupt- und Nebenerwerbsbetriebe wird nur bei Betrieben der Rechtsform Einzelunternehmen vorgenommen. Sie repräsentieren 93,2 % der insgesamt 59 300 landwirtschaftlichen Betriebe Baden-Württembergs.

2 Aufgrund methodischer Änderungen sind die Angaben nur eingeschränkt vergleichbar. Der generelle Entwicklungstrend wird dadurch jedoch nur unwesentlich beeinflusst.

3 Die restlichen 186 700 ha LF (12,9 %) entfallen auf die Betriebe der übrigen Rechtsformen (Personengesellschaften und -gemeinschaften sowie juristische Personen).

4 Es sollte jedoch beachtet werden, dass hierbei kein Unterschied gemacht wird zwischen einem Betrieb, der sich im Zuge der Betriebsverkleinerung noch »Restflächen« oder »Resttierbestände« zurückhält, und einem Betrieb, der sich im Laufe der Zeit durch Ausweitung seiner Produktionsfaktoren deutlich auf einen Produktionsbereich ausgerichtet hat. Die dargestellte »Spezialisierung« eines Betriebes kann also verschiedene Ursachen haben.

5 Der Standarddeckungsbeitrag (SDB) ist eine standardisierte, kalkulatorische Rechengröße, die je Flächeneinheit einer Fruchtart oder je Tiereinheit einer Viehart ermittelt wird. Der SDB eines Betriebes entspricht der Summe der einzelnen SDBs des Betriebes.

6 Zur Betriebswirtschaftlichen Ausrichtung siehe auch: Arndt, Julia: Ackerbau oder Weideviehbetrieb? – Klassifikation der landwirtschaftlichen Betriebe, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 9/2005, S. 29 ff.