:: 8/2006

Verringerter Rohstoffeinsatz trotz Wirtschaftswachstum in Baden-Württemberg

Die Verringerung des Verbrauchs nicht erneuerbarer Ressourcen durch Produktion und Konsum, die effiziente Verwendung von Rohstoffen und Materialien insgesamt, sind zentrale Voraussetzungen für eine nachhaltige Entwicklung der Volkswirtschaften. Der direkte Materialeinsatz konnte in Baden-Württemberg seit 1994 um gut 15 % auf zuletzt 160 Mill. Tonnen verringert werden. Vermindert wurde dabei vor allem die Entnahme nicht erneuerbarer Rohstoffe im Land. Obwohl im Gegenzug der Import von Energieträgern und Erzen sowie von Erzeugnissen daraus spürbar zugenommen hat, ist der Einsatz nicht erneuerbarer Rohstoffe und Materialen zusammen beträchtlich zurückgegangen. Die Effizienz des Rohstoffverbrauches, gemessen am Quotienten aus Bruttoinlandsprodukt und Einsatzmenge nicht erneuerbarer Rohstoffe, ist seit 1994 sogar um über 40 % angestiegen.

Rohstoffeinsatz im Land jährlich 160 Mill. Tonnen

Der Rohstoff- und Materialeinsatz in Produktion und Konsum, im Folgenden als direkter Materialeinsatz bezeichnet, summierte sich in Baden-Württemberg im Jahr 2003 auf insgesamt 160 Mill. Tonnen. Dieser direkte Materialeinsatz der Volkswirtschaft eines Bundeslandes setzt sich zusammen aus der verwerteten Entnahme von erneuerbaren und nicht erneuerbaren Rohstoffen aus der Natur des jeweiligen Landes sowie aus der Einfuhr von Rohstoffen und Gütern aus dem Ausland zuzüglich dem Saldo aus Empfang und Versand von Gütern und anderen Stoffen aus anderen beziehungsweise in andere Bundesländer

Neben diesen für Produktion und Konsum verwerteten Entnahmen und Einfuhren von Rohstoffen und Erzeugnissen daraus, wird die Natur zusätzlich durch nicht verwertete Entnahmen von Materialien in Anspruch genommen. Bei diesen nicht verwerteten Entnahmen handelt es sich insbesondere um Abraummengen bei der Gewinnung von Bodenschätzen, die in Baden-Württemberg zwar geringer, in anderen Bundesländern und im Ausland jedoch in beträchtlichem Umfang anfallen. Außerdem handelt es sich um Bodenaushub (und Ähnliches), der im Zusammenhang mit Baumaßnahmen anfällt und direkt ohne Nutzung für die volkswirtschaftliche Produktion wieder abgelagert wird. Die folgenden Betrachtungen beschränken sich auf die verwerteten Mengen, also den direkten Materialeinsatz in der Volkswirtschaft des Landes.

Unter Umweltaspekten ist darüber hinaus auch das mit dem Materialeinsatz verbundene gewaltige Transportaufkommen von erheblicher Relevanz. Bei einem angenommenen durchschnittlichen Ladegewicht von 1,5 Tonnen je Meter Lkw-Länge entspricht der jährliche direkte Materialeinsatz im Land einer mehr als 100 000 km langen Schlange von Lkw-Fahrzeugen.

Deutliche Verringerung des Verbrauchs nicht erneuerbarer Rohstoffe

Gegenüber 1994 wurde der direkte Materialeinsatz in Baden-Württemberg um rund 28 Mill. Tonnen oder gut 15 % verringert. Im gleichen Zeitraum hat das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Land um rund 17 % zugenommen. Daraus folgt, dass die volkswirtschaftliche Produktivität des Materialeinsatzes in Baden-Württemberg in den betrachteten 10 Jahren um mehr als ein Drittel (35,6 %) zugenommen hat. Je Einwohner im Land beträgt der Materialeinsatz jährlich rund 15 Tonnen. Im Bundesdurchschnitt errechnet sich ein deutlich höherer direkter Materialeinsatz von über 20 Tonnen je Einwohner.

Unter dem Gesichtspunkt der Ressourcenschonung für eine möglichst nachhaltige Volkswirtschaft liegt das Hauptaugenmerk auf der Reduzierung des Verbrauchs nicht erneuerbarer Rohstoffe. Die Landesregierung hat deshalb in ihrem Umweltplan das Ziel formuliert, dass der Verbrauch nicht erneuerbarer Ressourcen zunehmend von der wirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt und schrittweise zurückgeführt werden soll. Dazu sollen die Ressourceneffizienz bis zum Jahr 2010 deutlich gesteigert und nicht erneuerbare verstärkt durch erneuerbare Ressourcen ersetzt werden. Als zentraler Indikator im Hinblick auf dieses Ziel wird die Rohstoffproduktivität, das heißt der Quotient aus Bruttoinlandsprodukt und Verbrauch nicht erneuerbarer Rohstoffe herangezogen. Entsprechend der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung soll die so definierte Rohstoffproduktivität – gemessen am Wert von 1994 – bis 2020 verdoppelt werden. In der wissenschaftlichen Diskussion wird unter dem Schlagwort »Faktor Vier«, auf die gesamte Weltwirtschaft bezogen, sogar der Anspruch erhoben, bei verdoppeltem Wohlstand (BIP) den Rohstoffeinsatz zu halbieren.

Sowohl im Land als auch auf Bundesebene wurden seit 1994 deutliche Fortschritte im Hinblick auf dieses Ziel einer höheren Ressourceneffizienz erreicht. In Baden-Württemberg konnte die Rohstoffproduktivität von 1994 bis 2004 um immerhin 46 % gesteigert werden. Dies ist das Resultat einer Erhöhung des Bruttoinlandsprodukts um 17 % bei einer Verringerung des Verbrauchs nicht erneuerbarer Rohstoffe um fast 20 %. Der Einsatz nicht erneuerbarer Rohstoffe und Materialien ist demnach im Land spürbar stärker zurückgegangen als der direkte Materialeinsatz insgesamt.

Rohstoffproduktivität im Land deutlich höher als im Bundesdurchschnitt

Die Rohstoffproduktivität im Land stieg von 1994 bis 2003 mit 42 % deutlich stärker als im Bundesdurchschnitt (29 %). Auch im Ländervergleich rangiert Baden-Württemberg bei der Rohstoffproduktivität im Vorderfeld. Der Wert des Landes liegt etwa auf demselben Niveau wie in den Flächenländern Bayern und Schleswig-Holstein, nur in Hessen und in den Stadtstaaten sind aktuell höhere Rohstoffproduktivitäten zu verzeichnen. Dabei lag die Steigerungsrate seit Mitte der 90er-Jahre vor allem in den ostdeutschen Ländern mit Ausnahme Brandenburgs (hauptsächlich wegen der großen Bedeutung der Braunkohle) sehr hoch. Baden-Württemberg folgt hier nach Bayern und liegt damit auf dem zweiten Rang unter den westdeutschen Ländern.

Auch bezogen auf die Bevölkerung entwickelte sich der Einsatz nicht erneuerbarer Rohstoffe in Baden-Württemberg von 1994 bis 2003 günstiger (von 12 auf 8 Tonnen je Einwohner) als im Bundesdurchschnitt (von 14 auf 11 Tonnen je Einwohner).

Weniger Entnahme im Land – höherer Import

Der Rückgang beim Einsatz nicht erneuerbarer Materialien geht fast allein auf die starke Minderung beim Bedarf mineralischer Rohstoffe, insbesondere von Kies, Sand und gebrochenen Natursteinen zurück. Diese Materialien machen mit über 80 Mill. Tonnen immerhin rund zwei Drittel des gesamten Einsatzes nicht erneuerbarer Materialien aus. Die eingesetzte Menge dieser in erster Linie in der Bauindustrie verwendeten Materialien ging im Betrachtungszeitraum zu einem erheblichen Teil auch konjunkturbedingt um fast ein Drittel zurück. Im Gegensatz dazu hat der Einsatz von Energieträgern um rund 6 % auf 21,9 Mill. Tonnen pro Jahr zugenommen. Auch der Einsatz von Erzen sowie Erzeugnissen daraus ist seit Mitte der 90er-Jahre um rund 30 % auf knapp 5 Mill. Tonnen angestiegen.

Die Einsatzmenge anderer Produkte, die voll-ständig aus dem Ausland eingeführt werden, hat sich in den 10 Jahren seit 1994 nahezu verdoppelt. Während die stark im Einsatz verringerten nicht metallischen mineralischen Rohstoffe nahezu allein aus der Entnahme im Land stammen, werden Energieträger und Erze sowie daraus erstellte Erzeugnisse fast vollständig aus dem Ausland eingeführt. Insgesamt ist die Entnahme nicht erneuerbarer (abiotischer) Rohstoffe im Land um 31 % auf 83 Mill. Tonnen zurückgegangen, während die Einfuhr abiotischer Materialien aus dem Ausland um 11 % auf rund 42 Mill. Tonnen ausgeweitet wurde. Der Saldo des Austausches mit anderen Bundesländern, der hier dem Materialimport zugerechnet ist, blieb über den gesamten Betrachtungszeitraum nahezu unverändert in der Größenordnung von 1 bis 2 Mill. Tonnen.

Einsatz erneuerbarer Materialien

Der Einsatz erneuerbarer (biotischer) Stoffe in Baden-Württemberg belief sich im Jahr 2003 auf rund 33 Mill. Tonnen. Bezogen auf die Einwohnerzahl liegt der Einsatz biotischer Materialien in Baden-Württemberg mit rund 3 Tonnen je Einwohner um rund 28 % niedriger als im Bundesdurchschnitt (3,9 t/E).

Der überwiegende Teil der insgesamt eingesetzten biotischen Materialien entfällt auf die Entnahme aus der Natur im Land (21 Mill. Tonnen). Ernteprodukte aus der Landwirtschaft (Getreide, Hackfrüchte, Gemüse, Obst, etc.) machen davon rund 6 Mill. Tonnen davon aus. Rund 7,5 Mill. Tonnen bestehen aus Biomasse für Futterzwecke und ebenfalls rund 7,5 Mill. Tonnen entfallen auf Holz aus der Forstwirtschaft.

Die Einfuhr von Biomasse einschließlich Austausch mit anderen Bundesländern belief sich 2003 auf insgesamt 11,3 Mill. Tonnen. Davon waren gut die Hälfte biotische Rohstoffe, die kleinere Hälfte bestand aus biotischen Halb- und Fertigprodukten. Die Einfuhr biotischer Materialien hat in den 10 Jahren seit 1994 ebenfalls stark zugenommen und liegt um mehr als 4 Mill. Tonnen (+ 60 %) über der Menge von 1994. Dagegen hat die inländische Entnahme tendenziell abgenommen. Auffällig sind bei der Entnahme vor allem die deutlichen jährlichen Schwankungen beim Holz aus der Forstwirtschaft, mit einem absoluten Ausreißer im Jahr 2000, bedingt durch die Orkanschäden des Vorjahres. Auch die Ernteprodukte aus der Landwirtschaft weisen vor allem aufgrund der jährlichen Ertragsschwankungen deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Jahren auf, allerdings ohne eindeutig erkennbare Tendenz in der Entwicklung. Bei der Entnahme von Biomasse für Futterzwecke sind die Unterschiede zwischen den Jahren eher gering.

Im Hinblick auf das Ziel einer ressourcenschonenden, möglichst nachhaltigen Entwicklung der Volkswirtschaft, ist hervorzuheben, dass der direkte Verbrauch nicht erneuerbarer Rohstoffe und Erzeugnisse in den letzten Jahren im Land deutlich zurückgegangen ist. Beim Einsatz erneuerbarer Materialien und Erzeugnisse ist im gleichen Zeitraum seit 1994 eine Zunahme festzustellen. Inwieweit hierbei eine Substitution nicht erneuerbarer Materialien durch erneuerbare stattgefunden hat, kann aus dieser Betrachtung nicht abgeleitet werden. Festzustellen ist aber bei den biotischen und besonders bei den abiotischen Rohstoffen und Erzeugnissen, dass die importierten Mengen sehr deutlich zugenommen haben, während die Entnahme von Rohstoffen und Erzeugnissen aus der Natur im Inland, vor allem die der sonstigen mineralischen Stoffe für Baumaßnahmen, sehr stark abgenommen hat.