:: 9/2006

Qualifizierte Ausbildung in der Landwirtschaft wird immer wichtiger

Mit dem Strukturwandel in der Landwirtschaft gewinnt eine qualifizierte Ausbildung in diesem Bereich immer mehr an Bedeutung. Da die Absolventenzahlen im Ausbildungsberuf Landwirt in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zurückgingen, stellt sich nun die Frage, ob die Zahl der baden-württembergischen Auszubildenden in der Landwirtschaft in den kommenden Jahren ausreichen wird, um den Ersatzbedarf für die altersbedingt ausscheidenden Betriebsinhaber zu decken. Die Zahl der Studienanfänger im Bereich Agrarwissenschaften hat sich innerhalb eines Jahrzehnts nahezu verdoppelt, nachdem jahrelang ein Rückgang zu verzeichnen war. Für eine Hofübernahme spielen die Absolventen der agrarwissenschaftlichen Studiengänge jedoch kaum eine Rolle.

Die Landwirtschaft stellt für Baden-Württemberg einen kleinen aber traditionsreichen Ausbildungsbereich dar. Hoher wirtschaftlicher Anpassungsdruck, eine europäisch geprägte Agrarpolitik und veränderte Rahmenbedingungen haben hier in den vergangenen Jahrzehnten wesentliche strukturelle Änderungen bewirkt.1 Durch diesen Strukturwandel nahm die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe immer weiter ab. Gleichzeitig wurden die wirtschaftenden Betriebe größer und ihre Produktivität stieg. Ferner war eine zunehmende Spezialisierung der landwirtschaftlichen Betriebe auf einzelne Produktionsbereiche festzustellen.

Mit dem Strukturwandel in der Landwirtschaft ist ein wachsender Bedarf an landwirtschaftlichen Fachkräften verbunden. Hatte traditionell ein erheblicher Teil der Landwirte die für die Berufsausübung notwendigen Kenntnisse ausschließlich mit Hilfe praktischer Erfahrung gewonnen, ist nun auch in diesem Berufszweig ein anhaltender Trend zur Höherqualifizierung festzustellen. Nach den Ergebnissen der Agrarstrukturerhebung 2005 hatten von den rund 55 300 Inhabern eines Agrarbetriebes2 rund 31 800 (57,5 %) eine landwirtschaftliche Ausbildung im weiteren Sinne. Im Jahr 1999 waren es lediglich 51 % der landwirtschaftlichen Betriebsinhaber, die eine fachspezifische Ausbildung vorweisen konnten.

Vor allem bei den Haupterwerbslandwirten zeigt sich der Trend zur Höherqualifizierung deutlich: rund 88 % der Inhaber haben eine Ausbildung im landwirtschaftlichen Bereich. Unter den Nebenerwerbslandwirten hingegen üben noch fast 60 % ihre Feierabend-Tätigkeit ohne einschlägigen Ausbildungsabschluss aus.

Auch in der Altersstruktur der selbstständigen Landwirte lassen sich deutliche Unterschiede in ihrer Ausbildung erkennen. Unter den jüngeren Betriebsinhabern ist der Anteil derjenigen, die eine dreijährige Ausbildung im dualen System oder eine darüber hinausgehende Ausbildung zum Landwirtschaftsmeister, Techniker oder Fachagrarwirt an einer Meisterschule oder Fachschule abgelegt oder gar eine Hochschule besucht haben, deutlich höher als unter der älteren Generation.

Die Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte sowie die strukturellen Änderungen der Betriebe erfordern, dass vor allem die Nachfolger der derzeit 19 900 Inhaber der Haupterwerbsbetriebe in Baden-Württemberg künftig eine qualifizierte Ausbildung haben, um als Unternehmer erfolgreich wirtschaften zu können.

In den vergangenen 20 Jahren haben sich jedoch tendenziell immer weniger junge Menschen für eine agrarisch orientierte Ausbildung entschieden. Dies gilt vor allem für den nach den Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes geregelten Ausbildungsberuf »Landwirt/in«, der zu den rund 350 anerkannten Ausbildungsberufen zählt. Im Jahr 2005 sind 259 neue Ausbildungsverträge in diesem Beruf abgeschlossen worden. Im Jahr 1985 waren es noch 864 – dies entspricht einem Rückgang von 70 % binnen zwei Jahrzehnten. Dabei wurde 2002 mit 204 abgeschlossenen Ausbildungsverträgen ein absoluter Tiefstand erreicht.

Droht der Landwirtschaft ein Mangel an qualifiziertem Nachwuchs?

Die aktuelle Frage, die sich nun stellt: Wird die Zahl der Auszubildenden Baden-Württembergs ausreichen, um der Landwirtschaft ausreichend qualifizierten Nachwuchs zu sichern?

Rund 5 000 der Betriebsinhaber mit landwirtschaftlicher Berufsbildung waren im Jahr 2005 bereits 60 Jahre alt und älter, die Hälfte davon sind Haupterwerbslandwirte. Unter der Voraussetzung, dass die Anzahl der Betriebe konstant bleibt, ist aufgrund der Altersstruktur der Betriebsinhaber damit zu rechnen, dass innerhalb des nächsten Jahrzehnts jährlich im Durchschnitt rund 500 Personen eine qualifizierte Ausbildung zum Landwirt/ zur Landwirtin abschließen müssten, um die ausscheidenden Betriebsinhaber zu ersetzen.

Ausgehend vom Durchschnitt des letzten Jahrzehnts werden zukünftig mittelfristig 300 Ausbildungsabsolventen pro Jahr erwartet. Verglichen mit den errechneten 500 jährlich ausscheidenden Betriebsinhabern würden diese Absolventen gegenwärtig nicht ausreichen, um der Landwirtschaft einen hinreichenden Nachwuchs zu sichern. Die Zahl der Absolventen im Land würde im Durchschnitt niedriger bleiben als die Zahl derjenigen, die altersbedingt ihre Tätigkeit als Landwirt/in aufgeben werden.

Wenn man in den Berechnungen den Strukturwandel der landwirtschaftlichen Betriebe der vergangenen Jahre berücksichtigt, zeigen sich andere Ergebnisse. Denn allein im Zeitraum von 1999 bis 2005 ging die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebsinhaber von rund 73 000 um knapp ein Viertel auf 55 300 zurück. Bei einer Fortsetzung des Strukturwandels in diesem Tempo würde ein beträchtlicher Teil der ausscheidenden Landwirte nicht durch junge Nachfolger ersetzt werden, da mit dem Ausscheiden des Inhabers zugleich die Betriebsaufgabe erfolgen würde. Trotz der drastisch gesunkenen Ausbildungszahlen könnten dann die Absolventenzahlen doch zur Sicherung des notwendigen Nachwuchses ausreichen. Um die Frage nach der Zahl der notwendigen Ausbildungsabsolventen eindeutig beantworten zu können, müsste man demzufolge das Tempo des weiterhin zu erwartenden Strukturwandels kennen.

Rückgang der Schülerzahlen auch an Fachschulen

Nahezu jeder zweite Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes hat die für die Berufsausübung notwendigen Kenntnisse ausschließlich mit Hilfe praktischer Erfahrung gewonnen; knapp zwei Fünftel haben eine Ausbildung zum Landwirt/ zur Landwirtin abgeschlossen. Für eine langfristige Perspektive im landwirtschaftlichen Berufsfeld ist es jedoch vielfach nicht mehr ausreichend, lediglich die Berufsausbildung zum Landwirt/ zur Landwirtin zu absolvieren. Um erfolgreich wirtschaften zu können, werden in den landwirtschaftlichen Betrieben vermehrt Fach- und Führungskräfte gebraucht, die sich in Meisterkursen oder an Fachschulen weitergebildet haben. Auch hier ist eine Tendenz zur Anhebung des formalen Bildungsniveaus zu erkennen: Jeder Sechste der Betriebsinhaber hatte im Jahr 2005 einen Abschluss zum Meister, Fachagrarwirt und dergleichen; im Jahr 1999 war es lediglich jeder Achte.

In der Regel werden Fortbildungen an den Fachschulen im Bereich des Ministeriums Ländlicher Raum (MLR) erworben. Hier können, neben dem Kernbereich Landwirt/Landbau, auch Fortbildungen und Spezialisierungen in den Bereichen Weinbau, Gartenbau, Forsten und Ähnlichem absolviert werden, welche dem Bereich Landwirtschaft im weiteren Sinne zugeordnet sind.

An den landwirtschaftlichen Fachschulen im Bereich des Ministeriums Ländlicher Raum ist seit 1990 die Zahl der Schüler – trotz des Trends zur Höherqualifikation – um rund 22 % zurückgegangen. Vor allem im Bereich Landbau betrug die Abnahme in diesem Zeitraum über 40 %. Heute sind es lediglich noch 512 Schülerinnen und Schüler, die sich an den landwirtschaftlichen Fachschulen Baden-Württembergs zum Fachagrarwirt Landbau ausbilden lassen.

Da die Ausbildung an den Fachschulen und Meisterschulen als Fort- bzw. Weiterbildung zu sehen ist und somit keine Alternative zur landwirtschaftlichen Ausbildung darstellt, haben deren Absolventenzahlen einen sehr geringen Einfluss auf die Berechnungen zum Ersatzbedarf.

Hochschulabsolventen kommen für eine Hofübernahme kaum in Frage

Unter den Betriebsinhabern stellen die akademisch ausgebildeten Landwirte mit 2,5 % die mit weitem Abstand kleinste Gruppe dar. Ihr Anteil hat sich innerhalb der vergangenen sechs Jahre deutlich erhöht: 1999 konnten nur 1,4 % der Betriebsinhaber ein Studium an einer Fachhochschule oder an einer Universität vorweisen.

An den Hochschulen in Baden-Württemberg haben sich im Wintersemester 2005/06 rund 1 095 Studierende in den Fächergruppen Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften erstmalig eingeschrieben. Von diesen belegten zwei Drittel den Studienbereich Agrarwissenschaften, Lebensmittel- und Getränketechnologie. Seit dem Wintersemester 1995/96 hat sich die Zahl der Studienanfänger in diesem Bereich von 357 auf 671 nahezu verdoppelt, nachdem jahrelang ein Rückgang zu verzeichnen war.

Da die Studierenden in der Regel eher eine Tätigkeit in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie oder in der Forschung zum Ziel haben, hat der Zuwachs der Studierendenzahlen so gut wie keinen Einfluss auf den Ersatzbedarf der Betriebsinhaber. Auch der geringe Anteil der akademisch Gebildeten unter den selbstständigen Landwirten sowie der hohe Ausländeranteil unter den Studierenden von knapp 40 % deuten darauf hin, dass die Absolventen der agrarwissenschaftlichen Studiengänge überwiegend nicht für eine Hofübernahme infrage kommen werden.

1 Vgl. Arndt, Julia: Strukturen der baden-württembergischen Landwirtschaft 2005, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 3/2006, S. 23-27.

2 Die Zahl der Betriebe bezieht sich auf diejenigen mit der Rechtsform Einzelunternehmen.