:: 11/2006

Forschungsdatenzentrum (FDZ) der Statistischen Landesämter

Erweiterte Analysemöglichkeiten für die Wissenschaft: Mikrodaten zur Wasserwirtschaft

Durch die Einrichtung der Forschungsdatenzentren (FDZ) der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder wird Wissenschaftlern der Zugang zu den faktisch anonymisierten Mikrodaten der amtlichen Statistik mehr und mehr erleichtert. Insgesamt stehen mittlerweile Mikrodaten aus über 50 Statistiken nahezu aller Themenbereiche (Sozial-, Wirtschafts-, Steuerdaten und viele mehr) für wissenschaftliche Analysen zur Verfügung. Im regionalen FDZ-Standort Stuttgart im Statistischen Landesamt Baden-Württemberg werden die Mikrodaten aus dem Bereich »Umweltstatistiken« gesammelt und aufbereitet. Aus dem Bereich »Umwelt« können derzeit Forschungsfragen rund um die Inanspruchnahme der Ressource Wasser mittels der Einzeldaten aus insgesamt 7 Statistiken bearbeitet werden. Der folgende Beitrag beschreibt Entstehung, Inhalte und Analysepotenzial der Mikrodaten der amtlichen Statistiken zur Wasserwirtschaft.

Mikrodaten zur Wasserwirtschaft für 2004 aktuell verfügbar

Mikrodaten, also die erfassten Einzelangaben, aus insgesamt 7 Statistiken der öffentlichen und gewerblichen Wasserwirtschaft tragen dazu bei, dass wichtige Parameter, die die Gewinnung und die Verwendung der Ressource Wasser sowie den Anfall und die Einleitung an Abwasser betreffen, vollständig und umfassend abgebildet werden können. Auf der Grundlage des Umweltstatistikgesetzes (UStatG) vom 21. September 1994 werden seit dem Erhebungsjahr 1998 in 3-jährlichem Turnus alle Anstalten, Körperschaften, Unternehmen und andere Einrichtungen befragt, die Anlagen der öffentlichen Wasserversorgung bzw. der öffentlichen Abwasserbeseitigung betreiben sowie die für die öffentliche Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung zuständigen Gemeinden.

Auskunftspflichtig sind außerdem Industriebetriebe und öffentliche Wärmekraftwerke, die Wasser gewinnen oder Abwasser direkt einleiten. Zusätzlich werden alle 4 Jahre auch land-wirtschaftliche Betriebe zur Gewinnung und Nutzung vor allem von Bewässerungswasser befragt. Zu den Statistiken im Einzelnen vgl. Übersicht 1. Die Angaben liefern wichtige Planungsgrößen für eine zukunftsfähige Gewässerschutzpolitik sowie zur Entwicklung einer nachhaltigen Wasserwirtschaft. Wegen der seit 1998 unveränderten Erhebungskonzepte sind die Erhebungsergebnisse auch im Zeitablauf durchgängig vergleichbar. Aktuell stehen die Mikrodaten aus allen Bundesländern für 1998, 2001 und ab sofort auch für das jüngste Erhebungsjahr 2004 für wissenschaftliche Analysen zur Verfügung.

Wie werden die Daten erfasst?

Den berichtspflichtigen Stellen werden vom jeweiligen Statistischen Landesamt des Bundeslandes, in dem sich der Unternehmenssitz befindet, einheitliche Fragebögen zugesandt. Die ausgefüllten Bögen gehen wieder im Statistischen Landesamt ein und werden im Rahmen der Datenaufbereitung auf Plausibilität der gemachten Angaben geprüft. Außerdem findet ein sogenannter »Länderaustausch« mit anderen Statistischen Landesämtern statt. Das ist notwendig, um Ergebnisse für Gebiete, die sich über die Landesgrenzen hinaus erstrecken, richtig darstellen und plausibilisieren zu können. So sind beispielsweise eine ganze Reihe von Einwohnern aus baden-württembergischen Gemeinden an Kläranlagen in Bayern angeschlossen und Wasserversorgungsunternehmen mit Sitz in Hessen oder in Bayern versorgen auch Einwohner in Baden-Württemberg mit Trinkwasser.

Durchgängige Vergleichbarkeit zwischen den Bundesländern

Die Mikrodaten der Wasserwirtschaftserhebungen enthalten Angaben von rund 36 000 Betreibern von Wassergewinnungs- und Abwasserbehandlungsanlagen zu Wassergewinnung, -verwendung, Abwasserbehandlung, -verbleib, Klärschlamm und Kanalisation. Bei den Statistiken zur Wasserwirtschaft handelt es sich mit Ausnahme der Wassergewinnung/Abwasserbeseitigung in der Landwirtschaft um Vollerhebungen, das heißt, es sind alle Wasser fördernden und nutzenden sowie Abwasser einleitenden und beseitigenden Stellen auskunftspflichtig. Für alle Statistiken der Wasserwirtschaft gilt bundesweit eine einheitliche Rechtsgrundlage, die Inhalt und Umfang der zu erfassenden Merkmale festlegt. Die Aufbereitung und Plausibilisierung erfolgt in allen Statistischen Landesämtern nach dem gleichen Verfahren. Diese Maßnahmen garantieren eine hohe Datenqualität und die bundesweite Vergleichbarkeit der Einzeldatensätze aller 16 Bundesländer.

Die Daten zur öffentlichen Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung stehen für alle Bundesländer in der Regionalisierung nach der Gemeinde des Sitzes der auskunftspflichtigen Stelle zur Verfügung (Bundesversion). Darüber hinaus existieren, wie in Übersicht 2 dargestellt, weitere Datensätze, die die Zuordnung ausgewählter Merkmale zu anderen Merkmalsträgern beinhalten (Länderversion), für die allerdings kein Anspruch auf flächendeckende Verfügbarkeit erhoben wird.

Bodenseewasserversorgung am Neckar?

Die regionale Zuordnung der Angaben aus den Wasserstatistiken spielt bei fast allen Auswertungen eine entscheidende Rolle. So werden die Daten zunächst auf Gemeinde- bzw. Gemeindeteilebene erhoben. Die Zuordnung zu Gemeindeteilen erfolgt in einer Reihe von Bundesländern vor allem in denjenigen Gemeinden, in deren Gebiet sich Wasserscheiden befinden. Damit wird eine korrekte Zuteilung zum Wassereinzugsgebiet (WEG) erreicht.

Das Wassereinzugsgebiet beschreibt das ober-irdische Abflussgebiet eines Fließgewässers oder eines seiner Abschnitte. Das Gebiet wird durch die natürlichen Standortgegebenheiten (Topografie, Geologie) bestimmt. Die Wassereinzugsgebiete werden durch den Verlauf der Wasserscheiden begrenzt.

Zunächst kann für alle erhobenen Daten die Regionalisierung (Gemeinde und Wassereinzugsgebiet) nach dem Sitz des befragten Betriebs (des Wasserversorgungsunternehmens oder der Kläranlage) erfolgen. Im Bereich der Abwasserbehandlung wird darüber hinaus immer die Einleitstelle angegeben. Während im gewerblichen Bereich die Wasserversorgung und -nutzung sowie die Abwasserbeseitigung nahezu ohne Ausnahme in der Gemeinde des Betriebssitzes stattfindet, gibt es im Bereich der öffentlichen Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung hier nicht zu vernachlässigende Unterschiede. So entspricht der Sitz des auskunftspflichtigen Unternehmens (zum Beispiel bei Zweckverbänden) oftmals nicht dem tatsächlichen Ort der Wassergewinnung oder der Schmutzwasserentstehung und -einleitung. Ausgewählte Merkmale werden daher nahezu flächendeckend, auch differenziert nach den an die Kläranlagen angeschlossenen bzw. nach den von Wasserversorgungsunternehmen versorgten Gemeinden, abgefragt.

Dies kann am Beispiel der Bodensee-Wasserversorgung beschrieben werden: Die Bodensee-Wasserversorgung hat ihren Sitz in Stuttgart, die Wassergewinnung findet jedoch am Bodensee statt. Die Entnahme- und Wasserabgabedaten in den Datensätzen der »Bundesversion« beziehen sich auf das Wasserversorgungsunternehmen und dessen Sitz in Stuttgart sowie das entsprechende Wassereinzugsgebiet (Neckar). Die Merkmale der Datensätze nach »Länderversion« beziehen sich dagegen auf den tatsächlichen Ort der Wassergewinnung: den Bodensee und das zugehörige Wassereinzugsgebiet (Rhein); bzw. den Ort der Wasserabgabe: die jeweilige versorgte Gemeinde und deren Wassereinzugsgebiet.

Aktuelle Forschungsfragen

Wissenschaftliche Analysen befassen sich aktuell mit zahlreichen Fragestellungen, die die Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie mit sich bringt. Diese beziehen sich häufig auf das öffentliche und gewerbliche Wasseraufkommen auf der Ebene von Bearbeitungsgebieten der Wasserrahmenrichtlinie oder auf die Abschätzung des Eintrags von Schad- und Nährstoffen sowie Schwermetallen in Fliesgewässer. Kombiniert mit anderen Statistiken, zum Beispiel der Klärgaserhebung, liefern die Wasserwirtschaftsdaten darüber hinaus Auskünfte zu energiepolitischen Fragestellungen wie dem Potenzial zur Wärme- bzw. Stromgewinnung von Klärgas in Deutschland.

In der Vergangenheit mussten die für derartige Analysen benötigten Daten von den wissenschaftlichen Einrichtungen durch eigene Umfragen zusammengestellt werden, was zum einen mit erheblichem Aufwand verbunden ist, zum anderen weisen die amtlich erhobenen Daten nicht zuletzt aufgrund der Auskunftspflicht der meldenden Stellen eine höhere Qualität in Bezug auf Vollständigkeit und Einheitlichkeit auf.

Zwei einfache Auswertungsbeispiele

Hochwasserschutz

Lautet die Fragestellung, ob aufgrund der steigenden Anzahl an Hochwasserereignissen innerhalb der letzten Jahre Maßnahmen des Hochwasserschutzes ergriffen worden sind, so kann beispielsweise das Speichervolumen von Regenentlastungsanlagen (Regenrückhalte- und Regenüberlaufbecken) für verschiedene Gebiete im Zeitvergleich untersucht werden. Für Baden-Württemberg insgesamt ist erkennbar, dass seit 1998 das Speichervolumen von Regenentlastungsanlagen deutlich (um rund ein Viertel) zugenommen hat.

Verfügbarkeit der Ressource Wasser

Die regionalen Unterschiede bei der Verfügbarkeit der Ressource Wasser werden zum Beispiel bei der Art des durch die öffentlichen Wasserversorgungsunternehmen gewonnen Wassers deutlich. So liegt im Jahr 2004 auf dem baden-württembergischen Gebiet der Donau der Anteil der Gewinnung an Grund- und Quellwasser (mit praktisch 100 %) deutlich höher als auf dem baden-württembergischen Gebiet des Rheins. Hier macht der Anteil des See- und Talsperrenwassers an der gesamten Wassergewinnung 2004 immerhin 30 % aus (Auswertung nach dem Sitz des Unternehmens).

Ausblick

Die Forschungsdatenzentren der amtlichen Statistik (FDZ) ermöglichen Wissenschaftlern auf der Grundlage von § 16 Abs. 6 des Bundesstatistikgesetzes (BStatG) den Zugang zu faktisch anonymen Einzeldaten aus verschiedenen Bereichen der amtlichen Statistik. Die Nutzung von faktisch anonymen Mikrodaten aus den Statistiken zur Wasserwirtschaft kann von un-abhängigen Forschungsinstituten und Hochschulen für wissenschaftliche Analysen für alle Bundesländer beim regionalen FDZ-Standort Stuttgart genauso wie bei allen anderen Standorten der Forschungsdatenzentren des Bundes und der Länder beantragt werden. Der Zugang zu diesen Einzeldaten kann sowohl über Gastwissenschaftlerarbeitsplätze in den Statistischen Ämtern als auch im Rahmen einer kontrollierten Datenfernverarbeitung erfolgen.1

Das Datenangebot der FDZ befindet sich im Aufbau und wird ständig erweitert. Derzeit stehen faktisch anonyme Mikrodaten aus über 50 Statistiken für wissenschaftliche Analysen zur Verfügung. Im Bereich der Umweltdaten ist zukünftig die Aufbereitung der Erhebung der Investitionen für den Umweltschutz geplant.

1 Näheres zu Zugangswegen zu den Mikrodaten des Forschungsdatenzentrums, das Antragsformular zur Datennutzung sowie ein kompletter Überblick über das aktuell verfügbare Datenangebot findet sich im Internet unter
Forschungsdatenzentrum.