:: 12/2006

Beitrag der Abfallwirtschaft zur Verringerung der Treibhausgasemissionen in Baden-Württemberg

Die Abfallwirtschaft leistet durch die schrittweise Einstellung der Deponierung und die stark ausgeweitete energetische und stoffliche Verwertung von Siedlungsabfällen einen erheblichen Beitrag zur Minderung der Treibhausgasemissionen. Insgesamt summierten sich die Emissionen an Treibhausgasen in Baden-Württemberg im Jahr 2004 auf 84 Mill. Tonnen (t) CO2-Äquivalente. Das waren gut 6 Mill. t (knapp 7 %) weniger als 1990. Fast die Hälfte (43 %) dieser Minderung geht auf die Abnahme der Methanemissionen aus Deponien im Land zurück.

Neben diesem direkten Beitrag der Abfallwirtschaft zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen um immerhin 2,6 Mill. t wurden im Jahr 2005 zusätzlich durch die thermische Verwertung von Abfällen in Müllverbrennungs- und Feuerungsanlagen rund 1,1 Mill. t CO2 und durch die stoffliche Verwertung von Siedlungsabfällen fast 0,4 Mill. t CO2 indirekt vermieden.

Weniger Treibhausgase infolge energetischer und stofflicher Abfallverwertung

Leitziele der Umweltschutzpolitik in Land sind die Ressourcenschonung durch die Erhöhung der volkswirtschaftlichen Rohstoff- und Energieeffizienz sowie der Klimaschutz durch eine deutliche Verringerung der Treibhausgasemissionen. In beiden Bereichen leistet die schon seit Anfang der 90er-Jahre begonnene Entwicklung der Abfallwirtschaft hin zu einer Kreislaufwirtschaft wesentliche Beiträge.

Im Folgenden werden die Auswirkungen der seither grundlegend veränderten Entsorgungsstrukturen für Siedlungsabfälle auf die Treibhausgasbilanz des Landes behandelt. Durch den Ausbau der stofflichen und energetischen Verwertung von Siedlungsabfällen sowie durch die Verringerung der in Deponien abgelagerten unbehandelten organischen Abfallmengen wurden im beachtlichen Umfang Emissionen von Treibhausgasen direkt verringert bzw. indirekt in den betroffenen Produktionssektoren vermieden.

Rückgang der Treibhausgasemissionen um 7 %

Die in Baden-Württemberg verursachten Treibhausgasemissionen summierten sich im Jahr 2004 auf 84 Mill. t CO2-Äquivalente. Das waren rund 8,2 % der bundesweit verursachten Menge an Treibhausgasen. Damit lag der Ausstoß an Treibhausgasen im Land 2004 um knapp 7 % niedriger als im Jahr 1990. Der Rückgang auf Bundesebene bezogen auf denselben Zeitraum beträgt rund 17 %. Dieser im Bundesdurchschnitt deutlich stärkere Rückgang ist vor allem auf die in den neuen Bundesländern infolge der Produktionsveränderungen erzielten starken Abnahme der CO2-Emissionen bis Mitte der 90er-Jahre zurückzuführen.

Bestimmt werden die jährlichen Treibhausgasemissionen in Deutschland wie auch in Baden-Württemberg hauptsächlich durch die CO2-Emissionen. Ihr Anteil liegt in Baden-Württemberg aktuell bei 90,5 %, bundesweit betrug der CO2-Anteil zuletzt 87 %. Auf Methan entfallen in Baden-Württemberg 6,1 %, auf Lachgas 3,4 % der Treibhausgasemissionen. Im Bundesdurchschnitt liegen die Anteile von Methan und N2O bei 8 bzw. 6 %. Auf Fluorkohlenwasserstoffe (FKW) und SF6 (Schwefelhexafluorid), die ebenfalls zu den »Kyotogasen« gerechnet werden, entfallen bundesweit weniger als 2 %; deren Anteil in Baden-Württemberg dürfte eher noch darunter liegen.1

Die Bedeutung der drei wichtigsten Treibhausgase CO2, Methan und N2O für die seit 1990 beobachtete Gesamtentwicklung der Emissionen im Land ist sehr unterschiedlich. Ausgedrückt in CO2-Äquivalenten ist der Rückgang am stärksten bei den Methan-Emissionen (4,1 Mill. t oder −44 %). Bei den Lachgas N2O-Emissionen (−0,5 Mill. t CO2-Äquivalente) liegt die Minderungsrate mit −14 % fast doppelt so hoch wie für die Treibhausgasemissionen insgesamt. Die CO2-Emissionen, die sich nach vorläufigen Berechnungen im Jahr 2004 auf knapp 76 Mill. t beliefen, lagen 2004 um 2 % niedriger als 1990. Dies ist zwar auch absolut betrachtet ein vergleichsweise schwacher Rückgang (−1,5 Mill. t), jedoch sank die CO2-Fracht damit im Jahr 2004 erstmals erkennbar unter das Niveau von 1990.

Anteil der Abfallwirtschaft an Treibhausgasemissionen sinkt auf 1,4 %

Der Beitrag der verschiedenen Emittentensektoren zum Gesamtausstoß an Treibhausgasen und dessen Entwicklung ist sehr unterschiedlich. Den mit Abstand größten Teil machen die Feuerungen zur Strom und Wärmegewinnung in der Energiewirtschaft, Industrie, im Dienstleistungsbereich und in Haushalten aus. Mit 50,8 Mill. t CO2-Äquivalenten im Jahr 2004 sind die Emissionen dieses Sektors gegenüber 1990 zwar absolut um 2,7 Mill. t zurückgegangen, der Anteil der Feuerungen an den Treibhausgasemissionen im Land ist aber sogar leicht auf 60,6 % angestiegen. Besonderes Augenmerk verlangen die verkehrsbedingten Treibhausgasemissionen, wobei auch hier wie bei den Feuerungen vor allem die CO2-Emissionen zu Buche schlagen. Die Menge der Treibhausgasemissionen durch den Verkehrssektor belief sich 2004 auf knapp 23,6 Mill. t und hat damit fast 2 Mill. t (+9 %) gegenüber dem Basisjahr 1990 zugenommen. Dadurch ist der Anteil des Verkehrs an den gesamten Treibhausgasemissionen um immerhin 4 Prozentpunkte auf 28,1 % angestiegen.

Die Treibhausgasemissionen durch industrielle Prozesse, Gasverteilung und Energiegewinnung sind gegenüber 1990 um 20 % auf 2,8 Mill. t CO2-Äquivalente zurückgegangen und hatten 2004 einen Strukturanteil von noch 3,4 %. Auch die Emissionen des Sektors Landwirtschaft, vorwiegend bestehend aus Methanemissionen durch die Viehhaltung sowie N2O-Emissionen aus der Düngung mit Wirtschafts- und Mineraldünger, sind um fast 2 Mill. t CO2-Äquivalente (−26 %) seit 1990 deutlich zurückgegangen, sodass der Strukturanteil der Landwirtschaft auf 6,5 % schrumpfte. Der Strukturanteil der Abfallwirtschaft an den jährlichen Treibhausgasemissionen in Baden-Württemberg ging auf 1,4 % zurück. Trotz ihres sehr geringen Strukturanteils hat die Abfallwirtschaft in derselben Größenordnung zur Minderung der Treibhausgasemissionen im Land beigetragen wie die Feuerungsanlagen mit einem aktuellen Strukturanteil von über 60 %.

Weniger Treibhausgase infolge eingeschränkter Abfalldeponierung

Der direkte Beitrag der Abfallwirtschaft zur Minderung der Treibhausgasemissionen in Baden-Württemberg seit 1990 beträgt über 2,6 Mill. t CO2-Äquivalente, einen Rückgang um immerhin 70 %. Dieser Beitrag des Sektors Abfallwirtschaft resultiert praktisch vollständig aus der Verringerung der Methanemissionen aus Deponien. Die bis 2004 im Vergleich zu 1990 insgesamt erreichte Minderung an Treibhausgasemissionen um 6,1 Mill. t CO2-Äquivalente geht demnach zu immerhin 43 % allein auf die durch abfallwirtschaftliche Maßnahmen erreichte Verringerung der Methanemissionen aus Deponien im Land zurück.

Die Veränderung der Entsorgungsstrukturen für gemischte Siedlungsabfälle, weg von der Deponierung hin zur thermischen Behandlung und stofflichen Verwertung von Abfällen und der Ausbau der Deponiegaserfassung, haben dazu geführt, dass die Methanemissionen aus Deponien gegenüber 1990 sehr stark zurückgegangen sind . Mit rund 33 000 t betrugen sie zuletzt nur noch gut ein Fünftel der entsprechenden Emissionen im Jahr 1990. Gewichtet mit dem Treibhauspotenzialfaktor für Methan (21 t CO2 je Tonne Methan) entspricht dies einem Rückgang um 2,7 Mill. t auf nur noch rund 0,7 Mill. t CO2-Äquivalente im Jahr 2005. In dieser Größenordnung von 0,7 Mill. t liegt das noch verbliebene Minderungspotenzial im Bereich der Abfalldeponierung, das in den nächsten rund 10 Jahren weitestgehend ausgeschöpft werden kann, weil seit dem 1. Juni 2005 organische Abfälle nicht mehr auf Deponien abgelagert werden dürfen.

Vermeidung von CO2-Emissionen durch thermische Abfallverwertung

Der Beitrag der Abfallwirtschaft zur Verringerung der Treibhausgasemissionen beschränkt sich nicht allein auf die im Emissionsinventar direkt ausgewiesene Verringerung der Methanemission aus Deponien. Durch die seit 1990 kontinuierlich ausgeweitete stoffliche und energetische Verwertung von Siedlungsabfällen werden in erheblichem Umfang auch indirekt CO2-Emissionen dadurch vermieden, dass überwiegend in den verschiedenen davon betroffenen Produktionsbereichen fossile Energieträger eingespart bzw. substituiert werden. Diese Vermeidung von CO2-Emissionen wird in der Treibhausgasbilanz im Wesentlichen nicht der Abfallwirtschaft, sondern den anderen Sektoren gutgeschrieben.

Durch die Verbrennung von Siedlungsabfällen in Müllverbrennungsanlagen und die daraus gewonnenen Mengen an Strom und Fernwärme wurden im Jahr 2005 in Baden-Württemberg gemäß entsprechenden Berechnungen CO2-Emissionen in Höhe von rund 420 000 t vermieden. In dieser Größenordnung wären in der Energiewirtschaft ohne die Abfallverbrennung zusätzliche CO2-Emissionen entstanden. Dabei sind die durch die Verbrennung von Abfällen, das heißt des fossilen Anteils der Abfälle, entstandenen CO2-Emissionen bereits berücksichtigt. CO2-Emissionen, die durch die Verbrennung der nicht fossilen, regenerativen Bestandteile des Abfalls freigesetzt werden, gehen nicht in die Treibhausgasbilanz ein, da die entsprechende Biomasse bei ihrem Wachstum die gleiche Menge CO2 aufgenommen hat, die bei ihrer Verbrennung freigesetzt wird.

Die rechnerisch abgebildeten Zusammenhänge bezüglich der Vermeidung von CO2-Emissionen infolge der Verbrennung von Siedlungsabfällen stellen sich wie folgt dar: Bei den Abfallverbrennungsanlagen (MVA) wird der Wärmegehalt der verfeuerten Abfälle in der Regel zur Gewinnung von Strom und/oder Fernwärme genutzt. Dadurch wird der notwendige Einsatz konventioneller Energieträger (Kohle, Öl, Gas etc.) verringert und zwar in dem Umfang, wie er für die in MVA erzeugte Strom- und Fernwärmemenge erforderlich wäre. Der so ermittelte Minderverbrauch herkömmlicher Brennstoffe ist seinerseits mit einer Vermeidung von CO2-Emissionen verbunden, deren Umfang davon abhängig ist, welche Brennstoffe eingespart werden. Je CO2-intensiver der substituierte Brennstoff ist, umso höher ist die indirekt erreichte CO2-Minderung. Für die hier zugrunde liegenden Berechnungen wurde der durchschnittliche CO2-Ausstoß bezogen auf die aktuelle bundesdeutsche Strom- bzw. Fernwärmeerzeugung in Ansatz gebracht. Ersetzt die Strom- und Fernwärmeerzeugung der MVA den Einsatz von ausschließlich Kohle, liegt die rechnerische CO2-Minderung deutlich höher bei rund 700 000 t CO2 jährlich. Bei Substitution von ausschließlich Erdgas läge die Minderung noch bei rund 120 000 t.

Ähnlich wie bei den Müllverbrennungsanlagen sind die Zusammenhänge bei der Mitverbrennung von Abfällen in Feuerungsanlagen, deren Gewicht für die Entsorgung organischer Abfälle in den letzten Jahren sehr stark zugenommen hat. Durch die Mitverbrennung von Abfällen in Feuerungsanlagen von Industriebetrieben und Energieversorgungsunternehmen, einschließlich der Mitverbrennung von Klärschlämmen, zur Wärmegewinnung wurden 2005 rund 700 000 t CO2 vermieden. Dabei wurde ausgehend vom Wärmegehalt der verbrannten Abfälle die eingesparte Menge konventioneller fossiler Brennstoffe berechnet und diese mit dem derzeit in konventionellen Feuerungen in Baden-Württemberg im Durchschnitt realisierten CO2-Faktor gewichtet. Je nach tatsächlich eingespartem Energieträger liegt die erreichte CO2-Minderung auch hier wie bei den MVA niedriger oder deutlich höher.

Insgesamt wurden im Jahr 2005 durch die thermische Entsorgung und Verwertung von Abfällen rund 1,1 Mill. t CO2 vermieden. Diese indirekte CO2-Vermeidung entspricht etwa 1,5 % der zurzeit im Land insgesamt verursachten CO2-Emissionsfracht.

Stoffliche Verwertung von Altpapier, Altglas und Metallen reduziert CO2‑Emissionen

Ein weiterer Bereich der Abfallwirtschaft, der indirekt zu einer Vermeidung von CO2-Emissionen führt, ist die stoffliche Verwertung getrennt erfasster Fraktionen der Siedlungsabfälle. Nach ersten Berechnungen wurden 2005 durch die stoffliche Verwertung von Altpapier, -glas, -kunststoffen und -metallen indirekt nahezu 400 000 t CO2 in den entsprechenden Produktions- bzw. Wirtschaftszweigen vermieden.

Die Altpapierverwertung führt durch den Ersatz von Neufasern aus Industrieholz zur Energieeinsparungen. Dasselbe gilt für sortiertes und aufbereitetes Altglas, mit dem Rohstoffe für die Primärglasherstellung und die entsprechenden Energiemengen ersetzt werden. Die unter den LVP-Mengen zusammengefassten Verkaufsverpackungen bestehen aus sehr unterschiedlichen Materialien. Die nach Sortierung gewonnenen Mengen an Kunststoffen, Verbundstoffen, Aluminium und Weißblech werden auf sehr unterschiedlichen Wegen stofflich verwertet, und dadurch wird ebenfalls, wenn auch in vergleichsweise geringem Umfang, der Einsatz von äquivalenten Primärrohstoffen und damit der Verbrauch fossiler Energieträger verringert. Auch die Rückführung von Metallen aus Müllverbrennungs- und mechanisch-biologischen Behandlungsanlagen führt zur Verringerung des Einsatzes von Primärrohstoffen und zu Energieeinsparungen.

Die aus der stofflichen Verwertung vom Altpapier, Altglas, LVP und Altmetallen indirekt resultierende Energieeinsparung und damit verbundene CO2-Minderung wurden in einer gemeinsamen Studie von Öko-Institut und IFEU-GmbH berechnet. Danach betragen, bezogen auf die bundesweit verwerteten Mengen, die entsprechenden Treibhausgas-Einsparungen insgesamt rund 3,64 Mill. t CO2. Bei vergleichbarer Entsorgungs- und Verwertungssituation für die in Baden-Württemberg getrennt erfassten Mengen an Altpapier, Altglas, LVP und Metallen aus Müllverbrennung und mechanisch-biologischer Behandlung errechnet sich für Baden-Württemberg eine indirekte Einsparung von rund 400 000 t CO2, die der Abfallwirtschaft gutzuschreiben sind.

Insgesamt beläuft sich die im Jahr 2005 durch stoffliche und energetische Verwertung von Siedlungsabfällen in Baden-Württemberg indirekt erzielte Minderung von Treibhausgasemissionen auf die Größenordnung von1,5 Mill. t CO2-Äquivalenten, fast 2 % der derzeit im Land verursachten Treibhausgasemissionen.

1 Berechnungen der Emissionen an FKW, H-FKW und SF6 für Baden-Württemberg liegen nicht vor.