:: 1/2007

Der öffentliche Personennahverkehr in Baden‑Württemberg

Der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) hat sich in den letzten 10 Jahren positiv entwickelt, das heißt sowohl der Schienennahverkehr als auch der Straßenpersonenverkehr konnten ihre Fahrgastzahlen deutlich erhöhen. In den vergangenen Monaten stand der ÖPNV jedoch vorrangig wegen Kürzungen der Regionalisierungsmittel im Blickfeld der Öffentlichkeit. Einsparungen im Schienennahverkehr und eine Kürzung der Förderung des Busverkehrs sind die Folge. Mit den Änderungen des Europäischen Rechtsrahmens ist weiterhin mit mehr Wettbewerb im ÖPNV zu rechnen. Nach der Modifikation des bisherigen verkehrsstatistischen Berichtssystems können nach Abschluss umfangreicher Länderkonsolidierungen erstmals Ergebnisse der Erhebung von 2004 und insbesondere erstmals eine kreisscharfe Abbildung des ÖPNV veröffentlicht werden.

Im Personenverkehr – vor allem im Eisenbahn- und Omnibusverkehr – fallen zunehmend Unternehmenssitz und Ort der Leistungserbringung auseinander. In der bis zum Berichtsjahr 2003 durchgeführten Statistik führte die regionale Zuordnung von Verkehrsleistungen zunehmend zu Verzerrungen der Regionaldaten. Mit der Neukonzeption (vgl. i‑Punkt) können erstmals Ergebnisse nach der Region der Leistungserbringung nachgewiesen werden. Hierzu melden die Unternehmen die Personenkilometer nach dem Bundesland in dem sie tatsächlich erbracht wurden. Um den Bedarf an Regionaldaten zu erfüllen, wurde die Fahrleistung als Merkmal, das mit dem geringsten Aufwand in der Tiefe regional abzugrenzen ist, kreisweise ermittelt. Anschließend wird mittels der Länderkonsolidierung die Verkehrsleistung dem Bundesland zugeordnet, in dem sie erbracht wurde. Dadurch wird erkennbar, inwieweit einheimische Unternehmen auch in anderen Bundesländern – und umgekehrt – in welchem Umfang aktiv sind. Um die Diskrepanz zwischen Unternehmenssitz und regionaler Geschäftstätigkeit deutlich hervorzuheben, erfolgt eine zweigeteilte Betrachtung. Zunächst werden nur Baden‑Württembergische Unternehmen und ihre Leistungen im ÖPNV1 betrachtet. Im Anschluss wird die tatsächlich im Jahr 2004 in Baden‑Württemberg erbrachte Verkehrsleistung – unabhängig vom Unternehmenssitz – dargestellt.

Im Liniennahverkehr leisteten Baden‑Württembergische Unternehmen 8 Mrd. Personenkilometer

Im Liniennahverkehr – in der Regel gilt hier eine Reiseweite bis 50 Kilometer oder eine Reisezeit bis zu einer Stunde (vgl. i‑Punkt) – waren in Baden‑Württemberg 367 Unternehmen im Jahr 2004 aktiv. Sie beförderten zusammen 1,06 Mrd. Fahrgäste, die im Durchschnitt je Fahrt 7,5 km weit fuhren (im Bundesdurchschnitt waren es 9,1 km). Die Beförderungsleistung betrug 7,9 Mrd. Personenkilometer (vgl. i‑Punkt) und die Fahrzeuge der Unternehmen legten zur Erbringung dieser Verkehrsleistung im Liniennahverkehr 370 Mill. Fahrzeugkilometer zurück. Da Fahrgäste im Verlauf der Fahrt zwischen den verschiedenen Verkehrsmitteln eines Unternehmens umsteigen können, wird in der Erhebung auch die Zahl der Fahrgäste in den einzelnen Verkehrsmitteln (Eisenbahn, Straßenbahn, Bus) erfragt. Setzt ein Unternehmen verschiedene Verkehrsmittel in der Personenbeförderung ein, ist die Gesamtzahl der Fahrgäste nach den zwei Fahrtkonzepten unterschiedlich (vgl. i‑Punkt). Nach Verkehrsmitteln wurden im Liniennahverkehr im Jahr 2004 in Omnibussen 648 Mill., in Straßenbahnen 371 Mill., in Eisenbahnen 123 Mill., zusammen also über 1,1 Mrd. Fahrgäste registriert. Die durchschnittlich zurückgelegten Strecken je Fahrt waren 4,4 km mit Straßenbahnen, 7,3 km mit Bussen, 12,7 km mit Eisenbahnen.

Straßenbahnen werden vor allem im Stadt- und Vorortverkehr eingesetzt, während Busse und zum Teil die Eisenbahnen hauptsächlich im Regionalverkehr mit entsprechend hoher Reiseweite genutzt werden. Für die im Liniennahverkehr erbrachte Beförderungsleistung erzielten die Unternehmen direkte Beförderungseinnahmen in Höhe von 917 Mill. Euro. Je Beförderungsfall wurden durchschnittlich 0,85 Euro und je Personenkilometer 0,12 Euro eingenommen. Die entsprechenden Werte lagen im Bundesdurchschnitt bei 0,90 und 0,10 Euro.

Mit fast 90 % ist die Mehrzahl der im Liniennahverkehr tätigen Unternehmen in privater Hand. Dennoch konzentrieren sich über zwei Drittel der Beförderungseinnahmen auf die rund 30 öffentlichen Unternehmen. Ebenso entfallen sowohl über zwei Drittel der Fahrgastzahlen als auch der Beförderungsleistungen auf Unternehmen in öffentlicher Hand.

Der Ausbildungsverkehr hat insgesamt eine hohe Bedeutung im Rahmen des Personennahverkehrs mit Bussen und Bahnen. Fast die Hälfte aller Fahrten im Nahverkehr unternahmen Schüler, Studierende und Auszubildende. Im Einzelnen entfielen unter Berücksichtigung mehrfach gezählter Umsteiger im Ausbildungsverkehr von 100 Fahrten 65 auf den Busverkehr, 27 auf den Straßenbahnverkehr und 8 auf den Eisenbahnnahverkehr.

Die Ausbildungsbeförderung stellt für die Nahverkehrsunternehmen eine erhebliche Umsatzquelle dar. Immerhin wurden 37 % der direkten Beförderungseinnahmen im Ausbildungsverkehr erwirtschaftet, das war deutlich mehr als im Bundesdurchschnitt (27 %).

2004 wurden in Baden‑Württemberg 11,7 Mrd. Personenkilometer gefahren

Die bisherige Zuordnung der Verkehrsleistungen zum Unternehmenssitz führte bislang zu erheblichen Verzerrungen der Regionaldaten. Deshalb werden mit der Neukonzeption erstmals Ergebnisse in der Region der tatsächlichen Leistungserbringung nachgewiesen. Zur genaueren regionalen Zuordnung von Verkehrsleistungen melden die Unternehmen die Beförderungsleistung im Liniennahverkehr nach dem Land der Leistungserbringung. Für Baden‑Württemberg bedeutete dies, dass im Jahr 2004 rund 40 % der knapp 11,7 Mrd. erbrachten Personenkilometer2 von Unternehmen anderer Bundesländer – insbesondere Hessen, bedingt durch den Unternehmenssitz der DB-Regio – erbracht wurden. Umgekehrt waren Baden‑Württembergische Unternehmen mit etwa 0,3 Mrd. Personenkilometern nur in geringem Umfang in den angrenzenden Bundesländern aktiv. Von den 11,7 Mrd. Personenkilometern entfielen dabei 5,2 Mrd. auf Eisenbahnen, 1,6 Mrd. auf Straßenbahnen und 4,8 Mrd. auf Busse (Schaubild 1).

Modal-Split Baden‑Württembergs entspricht nahezu den Bundeswerten

Bei der Zusammensetzung der Beförderungsleistung im ÖPNV, dem sogenannten Modal-Split3, zeigt sich für Baden‑Württemberg ein nahezu mit Deutschland identisches Bild: Busse und Eisenbahnen haben mit Anteilen von über 40 % eine ungefähr gleich hohe Bedeutung im Liniennahverkehr, während mit Straßenbahnen nur knapp 14 % in Baden‑Württemberg und bundesweit 16 % der Personenkilometer zurückgelegt wurden. Dabei gibt es große Unterschiede im Modal-Split zwischen den einzelnen Bundesländern.4 Die Eisenbahn ist in den Ländern Brandenburg und Hessen mit über 50 % der Personenkilometer führend, im Saarland, in Bremen und Sachsen hat sie hingegen mit Anteilen zwischen 25 und 30 % ein deutlich geringeres Gewicht. Busverkehre sind überwiegend im Saarland, in Rheinland-Pfalz und in Schleswig-Holstein (zwischen 55 und 68 %) stark vertreten, haben aber in den Stadtstaaten Berlin und Hamburg nur eine untergeordnete Bedeutung. Hier sind vor allem Zubringerdienste der Busse mit geringen Entfernungen zu den gut ausgebauten S-Bahn- und U-Bahn-Netzen zu leisten. Sehr verschieden sind die Anteile der Straßenbahnen am Modal-Split in den einzelnen Bundesländern. Sie reichen von 38 % der Personenkilometer in Bremen bis zu deutlich unter einem Prozent in Schleswig-Holstein. Baden‑Württemberg nimmt hier mit knapp 14 % eine mittlere Position ein (Schaubild 1).

Im Durchschnitt legte 2004 jeder Einwohner Baden‑Württembergs 1 088 Kilometer im Nahverkehr zurück

Immerhin 50 % der 94 Mrd. im Jahr 2004 in Deutschland geleisteten Personenkilometer entfielen auf die 3 bevölkerungsreichsten Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden‑Württemberg. Bezogen auf die Bevölkerungszahl legte in Baden‑Württemberg jeder Einwohner im Durchschnitt 1 088 km im Nahverkehr zurück, das war bundesweit der 7. Platz. Besonders intensiv wurde das Nahverkehrsangebot in Berlin und Hamburg mit 2 168 und 2 159 km je Einwohner genutzt, die geringsten Beförderungsleistungen ergaben sich für das Saarland mit 827 und Thüringen mit 830 km.

Die 417 Mill. unabhängig vom Unternehmenssitz in Baden‑Württemberg geleisteten Fahrzeugkilometer (vgl. i‑Punkt Seite 37) verteilten sich mit 31 Mill. km auf den Verkehr mit Straßenbahnen, mit 306 Mill. auf den Busverkehr und mit 81 Mill. auf den Verkehr mit Eisenbahnen (Schaubild 2). Im Vergleich zur Beförderungsleistung ist der Anteil der Busse an der Fahrleistung also wesentlich höher, während der Anteil der Eisenbahnen und vor allem der der Straßenbahnen deutlich niedriger ausfällt. Dies liegt insbesondere daran, dass im Vergleich zu Straßenbahnen und in verstärktem Maß gegenüber Zügen, Busse über weniger Plätze verfügen. Auch die unterschiedliche Auslastung spielt hier eine Rolle. So wurden je Bus durchschnittlich 16 Personen befördert, in Straßenbahnen und Eisenbahnen waren es dagegen 53 bzw. 65 Personen.

Während im Straßenbahnverkehr die Fahrleistung vollständig von Unternehmen mit Sitz in Baden‑Württemberg erbracht wurde, lag deren Anteil im Busverkehr immerhin bei fast 97 %. Im Eisenbahnverkehr hingegen wurden nur 42 % der Fahrleistung von Baden‑Württembergischen Unternehmen erzielt.

Innerhalb Baden‑Württembergs zeigen sich große regionale Unterschiede in der Konzeption des Nahverkehrs (Schaubild 3). Nur in 10 von 44 Kreisen wurden 2004 Straßenbahnverkehre durchgeführt. In den Kreisen Calw, Rastatt, Zollernalbkreis, Reutlingen sowie in den Städten Heilbronn und Baden-Baden erbrachten Omnibusse über 90 % der Fahrleistung im Nahverkehr. Der Eisenbahnverkehr hat mit einem Anteil von 50 % die höchste Bedeutung im Landkreis Karlsruhe. In den letzten 10 Jahren entstanden unter anderem begünstigt durch die Regionalisierung des Schienenpersonenverkehrs und durch Landeszuschüsse zahlreiche neue Verkehrsverbünde. Die großen, häufig mehrere Kreise umfassenden Verbünde wie beispielsweise der Verkehrsverbund Rhein-Neckar oder der Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart kombinieren oftmals die verschiedenen Verkehrsmittel. Kleinere Verbünde in weniger dicht besiedelten Gebieten wie beispielsweise der Heidenheimer Tarifverbund oder die Verkehrsgesellschaft Bäderkreis Calw sind typische Busverbünde.

1 1 In der Statistik des gewerblichen Personenverkehrs und des Omnibusfernverkehrs werden neben dem Liniennahverkehr auch Daten zum Gelegenheitsverkehr und Omnibusfernverkehr erfasst. Die Veröffentlichung beschränkt sich jedoch auf die Betrachtung des Liniennahverkehrs.

2 2 Das entspräche über 250 000 Erdumrundungen.

3 3 Der Modal-Split betrachtet die Anteile der einzelnen Verkehrsträger am Gesamtverkehr und wird in der Regel anhand der Beförderungs- oder Fahrleistungen berechnet.

4 Vgl. hierzu: Reim,Uwe/ Reichel,Bernd: Öffentlicher Personenverkehr mit Bussen und Bahnen 2004, in: Wirtschaft und Statistik, Heft 4/2006, S. 360–369.