:: 3/2007

Lebens- und Einkommensverhältnisse in Baden-Württemberg

Wie hoch sind die Einkommen privater Haushalte? Wie sind sie verteilt? Wer ist von Armut gefährdet? Wie wohnt die Bevölkerung? Wie gesund fühlen sich die Menschen? Diesen Fragen geht die Erhebung »Leben in Europa« in der gesamten Europäischen Union nach. Erste Ergebnisse aus »Leben in Europa« 2005 in Baden-Württemberg zeigen, dass Armut nicht nur eine Frage des Einkommens ist, sondern sich in vielen anderen Lebensbereichen manifestiert. Armutsgefährdete Menschen müssen vielfach bereits bei der Ernährung oder dem Urlaub Einschränkungen hinnehmen. Auch bei der Wohnqualität lassen sich Unterschiede ausmachen: armutsgefährdete Menschen leben eher in größeren Wohnkomplexen und sind in verstärktem Maße von Kriminalität und Umweltbelastungen betroffen. Schließlich schätzen armutsgefährdete Personen ihren Gesundheitszustand deutlich schlechter ein und haben einen schlechteren Zugang zur gesundheitlichen Versorgung.

Welches Einkommen steht den Haushalten in Baden-Württemberg zur Verfügung?

Der Ausgangspunkt für die Beurteilung der finanziellen Situation der privaten Haushalte stellt in der Erhebung »Leben in Europa« (i-Punkt) das (international vergleichbare) verfügbare Haushaltseinkommen dar. Es wird ermittelt, indem alle Einkunftsarten aller Haushaltsmitglieder addiert werden, danach werden sämtliche Steuern und Sozialversicherungsbeiträge auf diese Einkünfte sowie Unterhaltszahlungen an andere Haushalte abgezogen (i-Punkt). Erste Ergebnisse1 der Erhebung »Leben in Europa« zeigen, dass im Jahr 2004 10 % der Haushalte in Baden-Württemberg mit weniger als 10 000 Euro im Jahr auskommen mussten. Mehr als 50 % der Haushalte hatten ein jährliches verfügbares Einkommen zwischen 10 000 Euro und 30 000 Euro. Auch die oberen Einkommensklassen (über 50 000 Euro) sind mit 10 % relativ stark besetzt.

Da in der Erhebung »Leben in Europa« Haushalte unterschiedlicher Größe befragt werden, kann das verfügbare Haushaltseinkommen nur als erster Anhaltspunkt für den Wohlstand dienen. Für einen 5-Personen-Haushalt bedeutet ein Haushaltseinkommen von 2 000 Euro im Monat etwas anderes als für einen 1-Personen-Haushalt. Um hier vergleichen zu können, wird das äquivalisierte Haushaltseinkommen betrachtet. Dabei geht man einerseits von einer gewissen Kostenersparnis bei zunehmender Haushaltsgröße aus (ein 2-Personen-Haushalt braucht nicht 2 Kühlschränke), andererseits wird das Alter der Haushaltsmitglieder berücksichtigt: die erste Person erhält ein Gewicht von 1, jede weitere (erwachsene) Person 0,5 und Kinder unter 14 Jahren 0,3. Jeder Person im Haushalt wird nun ein Äquivalenzeinkommen zugeordnet, das sich aus dem verfügbaren Haushaltseinkommen geteilt durch die Summe der Gewichte der Personen im Haushalt errechnet. Damit wird das verfügbare Haushaltseinkommen dem Einkommen einer alleinstehenden Person vergleichbar gemacht.

Beispiel: Vater, Mutter und zwei Kinder unter 14 Jahren

Gesamtes verfügbares Haushalts-Einkommen (jährlich)33 600 Euro
Gewichtung (1 + 0,5 + 0,3 + 0,3 = 2,1)2,1
Äquivalenzeinkommen16 000 Euro

Zur Beschreibung der Einkommensverteilung gliedert man die gesamte Bevölkerung Baden-Württembergs nach der Höhe der Äquivalenzeinkommen in Quartile2: Demnach hat ein Viertel der Bevölkerung in Baden-Württemberg weniger als 13 290 Euro im Jahr zur Verfügung. Das durchschnittliche Einkommen in diesem untersten Einkommensviertel beträgt sogar nur 9 690 Euro und macht weniger als ein Drittel des durchschnittlichen Einkommens im obersten Einkommensviertel aus. Oder anders ausgedrückt: Die untersten 25 % der Einkommenspyramide beziehen nur 12,2 %, das am besten verdienende Viertel aber 42,6 % des gesamten Äquivalenzeinkommens.

Welche Haushalte in Baden-Württemberg sind armutsgefährdet?

Anhand der Gliederung der Bevölkerung nach der Höhe der Äquivalenzeinkommen lässt sich auch das Medianeinkommen ermitteln. Es trennt die besser verdienende von der schlechter verdienenden Hälfte der Bevölkerung. In Baden-Württemberg lag dieser Median des Äquivalenzeinkommens im Jahr 2004 bei 17 920 Euro. Für das gesamte Bundesgebiet wird ein etwas niedrigerer Median der Äquivalenzeinkommen in Höhe von 17 123 Euro ausgewiesen3.

Wichtiges Ziel der Erhebung »Leben in Europa« ist die Armutsmessung. Dabei wird von einem relativen Armutsbegriff ausgegangen. Relative Armut bestimmt sich in Abhängigkeit von den Lebensverhältnissen in einer bestimmten Region. Um relative Armut messen zu können, wird auf das Äquivalenzeinkommen zurückgegriffen: als armutsgefährdet gelten Personen, die in einer definierten Region weniger als 60 % des Medianeinkommens zur Verfügung haben. Die Armutsgefährdungsschwelle lag in Baden-Württemberg im Jahr 2004 bei einem Jahreseinkommen von 10 750 Euro. Das bedeutet, dass eine alleinstehende Person, die monatlich weniger als 895 Euro zur Verfügung hat, von Armut bedroht ist. Bei einer Familie mit zwei Kindern wäre dies entsprechend bei einem verfügbaren Haushaltseinkommen von weniger als 1 880 Euro im Monat und bei einer Alleinerziehenden mit 2 Kindern bei weniger als 1 432 Euro der Fall. Insgesamt gesehen sind 15 % der Personen in Baden-Württemberg landesweit von Armut betroffen.

Da (relative) Armut immer in Abhängigkeit von den Lebensverhältnissen in einem bestimmten Land definiert wird, unterscheidet sich die für Baden-Württemberg ermittelte Armutsgefährdungsgrenze von der für das gesamte Bundesgebiet. Diese liegt mit 856 Euro im Monat niedriger als in Baden-Württemberg. Deshalb sind es lediglich 12 % (also etwas weniger als die oben genannten 15 %) der Personen in Baden-Württemberg, deren Einkommen unter dieser bundesweiten Armutsschwelle liegt.

Bezogen auf die Lebensverhältnisse zeigt sich, dass das Risiko der Armut bei Personen im Alter zwischen 35 und 44 Jahren mit 10 % am geringsten ist. Mit zunehmendem Alter steigt die Risikoquote stetig an. Sie erreicht bei Personen, die 65 Jahre oder älter sind, mit 19 % ihren höchsten Wert. Umgekehrt ist aber auch das Armutsrisiko von jungen Menschen zwischen 16 und 24 Jahren mit 17 % und bei Kindern unter 16 Jahren von 16 % vergleichsweise hoch.

Die Haushalte bzw. Personen, die unter dieser Armutsschwelle liegen, sind auch in vielen anderen Bereichen benachteiligt, wie Schaubild 2 zeigt. Schon bei der Erfüllung von Grundbedürfnissen haben armutsgefährdete Haushalte Schwierigkeiten: jeder siebente armutsgefährdete Haushalt gibt an, seine Wohnung bzw. sein Haus nicht angemessen heizen zu können. 30 % der armutsgefährdeten Haushalte können es sich nach eigenen Angaben nicht leisten, jeden zweiten Tag eine Mahlzeit mit Fleisch, Geflügel oder Fisch oder eine hochwertige vegetarische Mahlzeit auf den Tisch zu bringen.

Fast die Hälfte der armutsgefährdeten Haushalte hat darüber hinaus Schwierigkeiten, unerwartet anfallende Ausgaben – zum Beispiel wenn die Waschmaschine kaputtgeht – kurzfristig aus eigenen finanziellen Mitteln zu bestreiten. Für mehr als die Hälfte dieser Haushalte ist nach ihrer eigenen Einschätzung eine Woche Urlaub woanders als zu Hause nicht erschwinglich.

Um das Bild der finanziellen Lage abzurunden, wird noch ein Blick auf die Verschuldung der privaten Haushalte geworfen: 22 % der Haushalte in Baden-Württemberg zahlen Kredite zurück, die nicht der Finanzierung von selbst genutztem Wohnraum dienen. Dies sind häufig Kredite, die der Finanzierung des Kaufs langlebiger Konsumgüter dient. Für über 80 % der Haushalte, die solche Kredite aufgenommen haben, stellen die Rückzahlungsverpflichtungen dieser Kredite eine spürbare finanzielle Belastung dar. Für ein Drittel der betroffenen Haushalte ist die finanzielle Belastung durch diese Kredite sogar schwer. Von den Haushalten unter der Armutsgefährdungsschwelle haben nur 16 % Kredite, die nicht der Finanzierung von selbst genutztem Wohnraum dienen, aufgenommen. Dies ist wohl daraus zu erklären, dass ein Teil dieser Haushalte die für Bankkredite notwendigen Sicherheiten von vorneherein nicht wird erbringen können. Fast alle armutsgefährdeten Haushalte, die trotzdem einen entsprechenden Kredit erhalten haben, haben mit den Rückzahlungsverpflichtungen Probleme.

Wie wohnen die Menschen in Baden-Württemberg?

Neben den Einkommensverhältnissen beeinflusst auch die Wohnsituation die Lebensqualität der Menschen in privaten Haushalten. Sie ist im Südwesten vom Charakter eines Flächenstaates geprägt: 45 % der Haushalte in Baden-Württemberg leben (nach eigenen Angaben gemäß ihrer Nutzung) in einem freistehenden Einfamilienhaus, einem Reihenhaus oder einer Doppelhaushälfte. In Gebäuden mit 10 und mehr Wohneinheiten leben dagegen nur 15 % der Haushalte insgesamt. Bei den von Armut betroffenen Haushalten ist dieser Anteil aber deutlich höher: mehr als jeder fünfte Haushalt unter der Armutsschwelle lebt in solch großen Gebäudekomplexen.

Die meisten Haushalte in Baden-Württemberg (84 %) empfinden die Wohnkosten als eine spürbare finanzielle Belastung. Fast ein Viertel aller Haushalte empfinden diese als schwer. Bei den von Armut betroffenen Haushalten fühlen sich sogar 40 % der Haushalte schwer durch Wohnkosten belastet. Dennoch fällt auf, dass jeder Zehnte der von Armut betroffenen Haushalte angibt, durch die Wohnkosten nicht finanziell belastet zu sein. Hier spiegelt sich vermutlich die Tatsache wider, dass ein Teil dieser Haus-halte Eigentümer schon abbezahlter oder ererbter Wohnungen bzw. Häuser sind. Außerdem scheinen hier staatliche Unterstützungsleistungen wie zum Beispiel Wohngeld zum Tragen zu kommen.

Ein Blick auf das Wohnumfeld zeigt, dass insgesamt nur wenige Menschen in Baden-Württemberg unter Kriminalität, Gewalt oder mutwilligen Beschädigungen an Gebäuden leiden. Auch armutsgefährdete Personen fühlen sich in Baden-Württemberg mit einem Anteil von 7 % deutlich schwächer durch Kriminalität betroffen als auf Bundesebene (14 %). Knapp ein Fünftel der Menschen in Baden-Württemberg beklagt aber Verschmutzung, Ruß oder andere Umweltbelastungen durch Industrie, Straßen- oder Flugverkehr. Armutsgefährdete Personen in Baden-Württemberg leben zu einem etwas höheren Anteil, nämlich zu 22 %, in Gegenden, die Umweltbelastungen aufweisen. Unter Lärmbelästigungen durch Nachbarn, Verkehrslärm, Geschäfte oder Industrie leiden knapp ein Viertel aller Menschen in Baden-Württemberg. Armutsgefährdete Personen fühlen sich von diesem Problem mit einem Anteil von 29 % etwas stärker betroffen.

Wie schätzt die Bevölkerung ihren Gesundheitszustand ein?

Auch die gesundheitliche Situation ist für die gesamte Lebenssituation prägend. Zwei Drittel der Landesbevölkerung ab 16 Jahren schätzen ihren Gesundheitszustand gut oder sehr gut ein, jeder zehnte Baden-Württemberger aber als schlecht bzw. sehr schlecht. Armutsgefährdete Menschen schätzen ihren Gesundheitszustand schlechter ein. Weniger als die Hälfte von ihnen schätzt den eigenen Gesundheitszustand als gut oder sehr gut ein, 18 % halten ihn für schlecht oder sehr schlecht.

Ein ähnliches Bild ergibt sich bei chronischen Erkrankungen: Während 32 % aller Personen ab 16 Jahren angeben unter chronischen Erkrankungen zu leiden, sind dies bei den armutsgefährdeten Personen sogar 45 %. Hierbei kommt natürlich ein wechselseitiger Zusammenhang zum Ausdruck. Zum einen sind die gesundheitlichen Probleme oft auch die Ursache für eine Armutsgefährdung, wenn sie zum Beispiel eine Erwerbstätigkeit verhindern. Zum anderen haben armutsgefährdete Personen einen schlechteren Zugang zur medizinischen Versorgung: 7 % aller Personen, aber 16 % der Armutsgefährdeten gaben an, dass sie aus finanziellen Gründen nicht zum Arzt gegangen sind, obwohl dies aus medizinischen Gründen notwendig gewesen wäre.

1 Ergebnisse der Erhebung EU-SILC 2005 des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg auf Basis der Landeshochrechnungsfaktoren.

2 Jeweils 25 % der Bevölkerung.

3 Vgl. »Armut und Lebensbedingungen, Ergebnisse aus LEBEN IN EUROPA für Deutschland 2005«, Statistisches Bundesamt, 2006.