:: 3/2007

Belastung der Umwelt durch unachtsamen Umgang mit Gefahrstoffen

Zu den Wasser gefährdenden Stoffen gehören nach dem Wasserhaushaltsgesetz feste, flüssige oder gasförmige Stoffe, die geeignet sind, nachhaltig die Beschaffenheit des Wassers nachteilig zu verändern. Der Eintrag solcher Stoffe in die Gewässer birgt einerseits erhöhte Gefahren für die Gewässer selbst und andererseits indirekt für die Umwelt in regionaler und globaler Hinsicht. Sie finden in vielen Bereichen des täglichen Lebens Anwendung, zum Beispiel in Reinigungs-, Dünge- und Insektenbekämpfungsmitteln, Batterien, Arzneimitteln, Kraftstoffen und Ähnlichem. Gelangen diese Stoffe in Oberflächengewässer, kann dies nicht nur deren ökologischen Zustand beeinträchtigen, was zum Beispiel das Artensterben in und um die Gewässer verursachen kann, sondern auch die Nutzbarkeit der Gewässer für den Menschen längerfristig einschränken.

Verschmutzungen des Grundwassers, das bevorzugt für die Trinkwasserversorgung genutzt wird, sind aus dieser Sicht besonders schwerwiegend, zumal sie oft kaum umkehrbar sind. Der sachgemäße Umgang mit Wasser gefährdenden Stoffen ist deshalb für den Gewässerschutz von großer Bedeutung. Pro Jahr werden im Land durchschnittlich mehr als 500 Unfälle registriert, bei denen zusammen im Durchschnitt knapp 540 000 Liter Schadstoffe pro Jahr freigesetzt werden. Die Tendenz geht in den letzten Jahren zwar hin zu weniger Unfällen, es werden jedoch vermehrt deutlich höhere Mengen an Schadstoffen freigesetzt, sodass keineswegs von einem Rückgang der Gefährdung gesprochen werden kann.

Der Umgang mit Wasser gefährdenden Stoffen birgt eine Vielzahl an Umweltrisiken. Die Folgen des Eintrags von Verunreinigungen in die Umwelt, in erster Linie die Beeinträchtigung der Gewässerfunktionen, werden oft erst mittel- bis langfristig erkannt. Die Kenntnis des Eintrags der Stoffe ist für die nachhaltige Sicherung der Wasservorkommen als Bestandteil des Naturhaushaltes von großer Bedeutung. Zur erfolgreichen Schadensbekämpfung und vor allem um Schadensfälle von vorneherein verhindern zu können, ist die Kenntnis der Unfallursache die grundlegende Voraussetzung.

Wassergefährdung durch die Freisetzung von Gülle nimmt tendenziell zu

In den Jahren 1996 bis 2005 gelangten in Baden-Württemberg insgesamt rund 5,4 Mill. Liter verschiedenartige Wasser gefährdende Stoffe in die Umwelt – das entspricht in etwa dem Volumen von 2 Sportbädern mit 50-Meter-Bahnen. Diese Stoffe wurden im Zusammenhang mit 5 065 registrierten Unfällen freigesetzt. Im Jahr 2005 lag die ausgelaufene Schadstoffmenge bei 1,2 Mill. Litern und damit deutlich über dem 10-Jahres-Durchschnitt von 0,54 Mill. Litern.

Ursache für den Anstieg in den letzten Jahren ist die Zunahme von Unfällen, bei denen große Mengen an Gülle, Jauche oder Silagesickersaft freigesetzt wurden. Bei knapp 90 % aller ausgelaufenen Schadstoffe handelte es sich 2005 um diese Stoffgruppe, die zwar keiner Wassergefährdungsklasse (WGK) zugeordnet werden kann (i-Punkt), die aber in erheblichem Ausmaß für die Überdüngung von Böden und Gewässern und damit direkt für das Artensterben und indirekt für weitere Umweltbelastungen wie zum Beispiel Emissionen von Luftschadstoffen verantwortlich ist. Gülleunfälle passieren im Vergleich zu anderen Unfällen mit Wasser gefährdenden Stoffen (zum Beispiel mit Mineralölen) relativ selten; die große Menge von knapp über einer Million Liter lief 2005 bei nur 17 Schadensfällen aus. Darunter wurden vier Ereignisse gemeldet, bei denen jeweils deutlich mehr als 100 000 Liter in die Umwelt gelangten, mehr als die insgesamt im Jahr bei Unfällen verlorene Menge an Mineralölen. Lediglich gut ein Drittel dieser Menge konnte durch Maßnahmen wie Ausheben des verunreinigten Bodenmaterials wiedergewonnen1 werden. Bei 11 der 17 Schadensfälle wurden Oberflächengewässer verunreinigt, in drei Fällen ging damit Fischsterben einher. Bei weiteren zwei Unfällen war sogar die Verunreinigung des Grundwassers und bei zwei weiteren auch die Verunreinigung der Wasserversorgung die Folge.

Straßenverkehr nach wie vor Haupt-Risikoquelle für das Auslaufen von Kraftstoffen

Bei 93 400 Liter der 2005 freigesetzten Schadstoffe handelte es sich um Mineralölprodukte wie leichtes Heizöl, Kraftstoffe sowie Motor-, Getriebe- und Hydrauliköl, die bereits in kleineren Mengen spürbare Wirkungen auf Natur und Mensch haben können. Die meisten (358) der 390 Unfälle passierten in diesem Bereich mit Stoffen der WGK 2 (Wasser gefährdend). Zwar machen die ausgelaufenen Mineralölprodukte nur 8 % der gesamten ausgelaufenen Substanzen aus, die Anzahl der Unfälle mit Mineralölprodukten ist aber nach wie vor beachtlich.

Rund zwei Drittel der Unfälle mit Mineralölprodukten passierten im Straßenverkehr, wobei hier dem Fernverkehr eine nur untergeordnete Bedeutung zukommt. In den meisten Fällen handelt es sich um Unfälle von PKW oder LKW, bei denen Betriebsstofftanks beschädigt und dadurch nur kleinere Kraftstoffmengen freigesetzt wurden. Innerhalb der letzten 10 Jahre gingen die Unfälle mit Mineralölprodukten in Anlagen zum Umgang mit Wasser gefährdenden Stoffen zurück. Im Straßenverkehr ist bislang keine Tendenz zu einer Abnahme solcher Unfälle erkennbar. Insgesamt wurden seit 1996 knapp 1,8 Mill. Liter Mineralöle bei Unfällen in die Natur freigesetzt, davon konnten knapp 1,4 Mill. Liter wiedergewonnen werden, vorwiegend durch Ausheben des verunreinigten Bodens. Trotz der großen Anstrengungen zur Wiedergewinnung der ausgelaufenen Mengen, wurden 2005 in über 60 % der Unfälle mit Mineralölen die Böden verunreinigt, in rund 20 % der Fälle kam es zur Verschmutzung von Oberflächengewässern und vereinzelt auch zur Verschmutzung des Grundwassers und der Wasserversorgung.

Bei den restlichen 27 der insgesamt 434 Schadensfälle im Jahr 2005 wurden zusammen 40 700 Liter an sonstigen Wasser gefährdenden Stoffen – zum Beispiel Lösungs- und Reinigungsmittel, Farben sowie verschiedenste Chemikalien – in die Umwelt abgegeben. Die Unfallhäufigkeit mit diesen Stoffen und die dabei ausgelaufenen Stoffmengen liegen deutlich unter denen der Vorjahre. In den meisten Fällen ist die Wassergefährdungsklasse unbekannt, immerhin bei drei Unfällen wurde eine Verunreinigung eines Oberflächengewässers mit Fischsterben registriert.

Jährlich über 100 ungeklärte Umweltschadensfälle

Zusätzlich zu den 5 065 Unfällen bei Umgang und Beförderung wurden seit 1996 von den unteren Verwaltungsbehörden zwischen 79 und 200 Schadensereignisse unbekannten Hergangs pro Jahr gemeldet. Dabei handelt es sich um Verunreinigungen von Gewässern und des Bodens, bei denen weder der Verursacher noch die Schadstoffquelle, die Unfallursache oder die Menge des freigesetzten Schadstoffes festgestellt werden konnten. Nicht selten sind diese Gewässergefährdungen die Folge von Straftaten wie beispielsweise der illegalen Entsorgung durch vorsätzliches Ablassen von Substanzen. Da solche Verschmutzungen meist erst recht spät entdeckt werden, sind oft bereits Schäden entstanden, die durch Gegenmaßnahmen bestenfalls begrenzt werden können.

Die ungeklärten Schadensereignisse gehen nur in ihrer Anzahl in die jährliche Statistik ein, 2005 wurden 129 Fälle gemeldet (fast ein Drittel der Anzahl der registrierten Unfälle), welchen Schaden diese Unfälle anrichteten bleibt unbekannt. Darüber hinaus ist anzunehmen, dass nur bedeutende Schadensfälle ungeklärter Ursache entdeckt werden. Die Menge der in solchen Fällen freigesetzten Schadstoffe ist daher hoch einzuschätzen. 2005 wurden nach 2004 zum zweiten Mal nicht näher identifizierbare Gülleunfälle entdeckt. Dies geht einher mit einer wachsenden Problematik um die Entsorgung von Abfallprodukten aus der Massentierhaltung.

2005 häufigere Belastung von Wasserschutzgebieten

Im Jahr 2005 wurden in Baden-Württemberg insgesamt knapp 1,8 Mill. Euro für Sofort2- und Folgemaßnahmen3 ausgegeben, mit dem Ziel, weitergehende Schädigungen der Umwelt zu verhindern. Knapp 70 % der Gesamtausgaben wurden für Folgemaßnahmen bereitgestellt, die vor allem beim Auslaufen von Mineralölen in Form von Ausheben und Ausfuhr des verunreinigten Materials notwendig wurden. Mineralöle konnten mit dem Gesamtaufwand von 1,56 Mill. Euro zu knapp 90 % wiedergewonnen werden.

Die Ausgaben für Sofort- und Folgemaßnahmen zur Vermeidung und Behebung von Umweltschäden sind sowohl regional als auch im Vergleich einzelner Jahre sehr unterschiedlich (zwischen 1,4 und 2,7 Mill. Euro pro Jahr). Ein direkter Zusammenhang zwischen ausgelaufener Menge und Folgekosten besteht nicht. So war beispielsweise im Jahr 2005 in Stuttgart die Menge der bei Unfällen ausgelaufenen Mineralöle mit 11 000 Litern (12 % der Mineralöle insgesamt) zwar am höchsten, dort wurden aber lediglich 4 % der Ausgaben für Sofort- und Folgemaßnahmen investiert. Anders im Landkreis Reutlingen, dort wurden 40 % der Gesamtaufwendungen für nur 3 % der ausgelaufenen Mineralöle eingesetzt, da die Unfälle größtenteils im Wasserschutzgebiet passierten.

Wasserschutzgebiete dienen – gemäß Wasserhaushaltsgesetz – dem Schutz von Grundwasservorkommen oder der Sicherung von Gewässern zur Trinkwasserversorgung. Unfälle mit Wasser gefährdenden Stoffen in Wasserschutzgebieten können sich nicht nur nachteilig auf die Natur und Umwelt im umliegenden Gebiet auswirken, sie gefährden auch in hohem Maße die Trinkwasserversorgung. Im Allgemeinen wird deshalb bei Unfällen in Wasserschutzgebieten ein erhöhter Aufwand betrieben, um bereits ausgelaufene Flüssigkeiten zurückzugewinnen oder ein weiteres Auslaufen zu verhindern. Im Jahr 2005 haben sich 105 Unfälle in Wasserschutzgebieten ereignet, bei denen insgesamt knapp 650 000 Liter Schadstoffe in die Umwelt gelangten – das sind mehr als die Hälfte der insgesamt im Land freigesetzten Schadstoffe und mehr als dreimal so viel wie im jährlichen Durchschnitt der vergangenen 10 Jahre. Darunter befanden sich 185 Liter stark Wasser gefährdende Stoffe. Zwar war in der Mehrzahl der Fälle (92 von 105) lediglich die weitere Schutzzone (i-Punkt) betroffen, drei dieser Fälle hatten allerdings auch die Verschmutzung einer Wasserversorgung zur Folge. Bei zwölf überwiegend durch Verkehrsunfälle verursachten Schadensfällen wurde die unbesiedelte engere Schutzzone verschmutzt, wo keine Lagerung von Ölen und Düngemitteln stattfinden darf. Ein Schadensfall betraf sogar die Schutzzone 1, direkt um die Wassergewinnungsstelle, in der eigentlich jegliche Nutzung selbst durch Fußgänger untersagt ist. Das Auslaufen von Motorenöl war in diesem Fall bedingt durch einen Defekt an der Wasserpumpe der Wassergewinnungsanlage.

Der Zusammenhang zwischen Unfallgebiet und wiedergewonnener Stoffmenge ist in der Tabelle dargestellt. Vor allem bei erhöhtem Gefährdungspotenzial des ausgelaufenen Stoffes wird darauf geachtet, die ausgelaufene Stoffmenge möglichst vollständig wiederzugewinnen. So gelangten 2005 insgesamt knapp 2 370 Liter an Substanzen der WGK 3 (stark Wasser gefährdend) in die Umwelt. Diese konnten zu gut 85 % wiedergewonnen werden. Von allen stark Wasser gefährdenden Stoffen, die in Wasserschutzgebieten unfallbedingt freigesetzt wurden, konnten ganze 99,5 % wiedergewonnen werden. Insgesamt sind damit aktuell deutlich weniger Stoffe der WGK 3 in die Umwelt gelangt als in der Vergangenheit. Diese aus Sicht der Umwelt positive Entwicklung ist vor allem durch weniger häufiges Materialversagen, zum Beispiel bei Schutzeinrichtungen in Anlagen zum Umgang mit den betroffenen Substanzen erreicht worden.

Die Frage nach der Unfallursache

Untersuchungen der Unfallursachen zeigen, dass in den meisten Fällen menschliches Fehlverhalten für die entstandene Gefährdung der Umwelt verantwortlich ist. Bei Beförderungsunfällen liegt der Anteil menschlicher Fehler bei den Unfallursachen besonders hoch. Bei 64 % der Unfälle in den letzten 10 Jahren handelte es sich um Verkehrsunfälle, die durch menschliches Versagen verursacht wurden.

Verantwortlich für Unfälle in Anlagen zum Umgang mit Wasser gefährdenden Stoffen waren im Mittel der letzten 10 Jahre zwar ebenfalls hauptsächlich menschliche Fehler (in knapp 40 % der Fälle), in den Jahren 2004 und 2005 waren die hauptsächlichen Unfallursachen jedoch materialbedingt (2005 knapp 37 %), darunter auch die vier größeren Gülleunfälle, bei denen durch die Alterung der Anlagen, das Versagen von Schutzeinrichtungen oder andere Materialmängel immerhin knapp ein Drittel der insgesamt durch Unfälle beim Umgang mit und bei der Beförderung von Wasser gefährdenden Stoffen freigesetzten Schadstoffmenge abgegeben worden ist. Die aktuelle Entwicklung muss in den nächsten Jahren genau beobachtet werden, um an den richtigen Stellen zur Unfallvermeidung anzusetzen und unnötige Belastungen unserer wichtigsten Lebensgrundlage, dem Wasser, zu verhindern.

1 Der Begriff »wiedergewonnen« meint in diesem Zusammenhang, dass der Schadstoff aus der Umwelt wieder entnommen werden konnte und deshalb kein Risiko für das angrenzende Gebiet darstellt. Das heißt nicht, dass die ausgelaufene Substanz dem Verwendungsprozess wieder zugeführt werden kann.

2 Sofortmaßnahmen können sein: das Abdichten schadhafter Behälter oder Anlagenteile, die Verhinderung weiteren Auslaufens oder weiteren Ausbreitens, das Umpumpen/-laden in andere Behälter, das Aufbringen von Bindemitteln, das Einbringen von Sperren in Gewässer, das Beseitigen von Brand-/Explosionsgefahren, das Löschen etwaiger Brände sowie die Analyse des verunreinigten Materials.

3 Folgemaßnahmen sind Maßnahmen, die zu einem späteren Zeitpunkt zur Wiedergewinnung der ausgelaufenen Stoffe aus der Natur vorgenommen werden, wie zum Beispiel das Ausheben, die Abfuhr oder die Aufbereitung des verunreinigten Materials vor Ort, das Niederbringen von Grundwasserbeobachtungsrohren, das Anlegen von Schürfgruben oder das Errichten von Brunnen zum Abpumpen des Schadstoffes.