:: 4/2007

Deutliche Investitionszurückhaltung bei der Südwestindustrie im Jahr 2005

Ungeachtet der konjunkturellen Erholung hat die Südwestindustrie 2005 ihre Investitionstätigkeit deutlich reduziert. Mit nominal 8 Mrd. Euro sank das Investitionsvolumen auf das Niveau von 1998. Die Entwicklung betraf allerdings die verschiedenen Industriebranchen in unterschiedlichem Maße. Im Brennpunkt stand dabei der »Fahrzeugbau«, hier war ein Rückgang um mehr als ein Viertel zu verzeichnen. Im Gegensatz zu den Kaufinvestitionen haben die Leasinginvestitionen insgesamt zugelegt.

Für das Verarbeitende Gewerbe in Baden-Württemberg erwies sich 2005 als ein Jahr des Übergangs von der wirtschaftlichen Konsolidierung hin zu einer beginnenden konjunkturellen Erholung. Nachdem sich im 1. Halbjahr die wirtschaftliche Entwicklung noch verhalten präsentierte, gewann die Industriekonjunktur im 2. Halbjahr deutlich an Fahrt, begünstigt durch ein glänzendes Auslandsgeschäft. Allerdings war die Südwestindustrie in der zunächst unsicheren konjunkturellen Situation für das Gesamtjahr von einer spürbaren Investitionszurückhaltung geprägt.

Mit nominal knapp 8 Mrd. Euro investierten 2005 die Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes 1 Mrd. weniger als noch im Jahr zuvor. Dies entsprach einem Rückgang um 11,3 % und bedeutete zugleich den stärksten Rückgang bei den Kaufinvestitionen in den letzten 12 Jahren. Lediglich das Rezessionsjahr 1993 markierte mit einem Rückgang von fast einem Viertel einen noch größeren Einbruch. Die aktuelle Schwäche kennzeichnet damit das vorläufige Ende einer 6-jährigen Phase, in der sich die Investitionstätigkeit der Südwestindustrie auf einem nur mäßig schwankenden Niveau von etwa 9 Mrd. Euro bewegte, unterbrochen durch das Spitzenjahr 2001, in dem das Investitionsvolumen auf fast 10 Mrd. Euro kletterte, um im darauffolgenden Jahr wieder um 10 % zu sinken (Schaubild 1).

Die Tendenz der letzten Jahre, nach der die Investitionsaufwendungen verstärkt in Ausrüstungsgüter1 fließen, hat sich 2005 nicht weiter verstärkt. Mit einem Volumen von 7,3 Mrd. Euro (−12 % gegenüber dem Vorjahr) flossen 91,2 % der Gesamtinvestitionen in die Anschaffung von beweglichen Sachgütern (Tabelle). Gegenüber dem Vorjahr reduzierte sich damit deren Anteil geringfügig um 0,7 Prozentpunkte. Die Investitionen in Gebäude und Grundstücke beliefen sich auf 0,7 Mrd. Euro und reduzierten sich gegenüber dem Vorjahr um 3,4 %. Damit lag deren Anteil am Gesamtvolumen bei noch 8,8 %. In der langfristigen Betrachtung hat sich das Gewicht der Immobilieninvestitionen bei der Südwestindustrie dagegen deutlich reduziert: Anfang der 80er-Jahre bewegte sich deren Anteil an den Gesamtinvestitionen noch bei etwa 20 %. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass alternative Finanzierungsmodelle, die Auslagerungen des Immobilienvermögens in rechtlich eigenständige Gesellschaften sowie auch die verstärkte Einbindung externer Produktionskapazitäten diese langfristige Entwicklung mit beeinflussen.

Ein weiterer langfristig zu beobachtender Trend ist die abnehmende Investitionsquote.2 Mit 3,1 % hat sie 2005 einen neuen Tiefpunkt erreicht, nachdem sie schon im Vorjahr nur noch 3,6 % betragen hatte (Tabelle). Der Rückgang setzte im Grunde genommen bereits im Jahr 1991 ein, als die Investitionsquote 5,6 % erreichte. Während diese Kennziffer im darauffolgenden Jahr noch bei 5,1 % lag, bewegte sie sich seitdem in einem Korridor von 3,6 % bis 4,2 %, um 2005 auf ihren vorläufigen Tiefstand zu kommen. Auch diese Entwicklung könnte ein Indiz dafür sein, dass die Südwestindustrie dazu neigt, den räumlichen Schwerpunkt für Re-Investitionen verstärkt außerhalb des Landes zu verlegen und die Fertigungstiefe insbesondere im Inland zu reduzieren. Auch spielt bei Betrachtung der Industrieumsätze der sogenannte Converterumsatz vermehrt eine Rolle (vgl. i-Punkt).

Stark zurückgegangen ist 2005 darüber hinaus auch die Investitionsintensität3, ein Maß für den Kapitaleinsatz der Südwestindustrie. Mit 6 655 Euro je Beschäftigten lag sie um 10,4 % niedriger als im Vorjahr und damit unter dem langjährigen Schnitt der vorangegangenen 10 Jahre von etwa 6 900 Euro. Zugleich fiel diese Kennziffer auf den Stand von 1998 zurück. Seit 1995 folgte die Investitionsintensität in etwa der Entwicklung der Kaufinvestitionen insgesamt, wies allerdings im Vorjahresvergleich in manchen Jahren spürbar stärkere Ausschläge auf (Schaubild 2).

Starker Investitionseinbruch beim »Fahrzeugbau«

Die Abnahme der Investitionsausgaben bei der Südwestindustrie lässt sich in erster Linie auf die starke Rücknahme der Investitionen beim »Fahrzeugbau« zurückführen. Hier sanken die Aufwendungen in Sachanlagen (2,5 Mrd. Euro) massiv um mehr als 840 Mill. Euro (−25,4 %) gegenüber dem Vorjahreswert (Tabelle). Damit entfällt rechnerisch mehr als 80 % des Gesamtrückgangs bei den Investitionen auf den »Fahrzeugbau«. Schon 2004 waren in dieser Branche die Ausgaben mit einem Minus von 231 Mill. Euro rückläufig, nachdem die Jahre zuvor von deutlichen Investitionsaufstockungen gekennzeichnet waren, die sich ebenfalls spürbar auf die Gesamtentwicklung der Südwestindustrie ausgewirkt hatten. Der Rückgang im Jahr 2005 ist daher einerseits als Reaktion auf diese vorangegangenen Steigerungsraten zu sehen. Er fällt andererseits allerdings auch in eine Zeit, in der bei den Betrieben des Bereichs »Fahrzeugbau« eine spürbare Personalreduktion eingeleitet wurde.

Zulegen konnte hingegen die beschäftigtenstärkste Industriebranche, der »Maschinenbau«, und zwar um 26 Mill. Euro auf 1,2 Mrd. Euro (2,2 %). Damit erreichte diese Branche nach 3 Jahren mit zum Teil starken Einbußen erstmals wieder einen Investitionszuwachs. Der »Maschinenbau« ist aber von der Investitionsfreude der vergangenen Jahre noch weit entfernt. Das Investitionsvolumen liegt deutlich unter dem langjährigen Mittel der vorangegangenen 10 Jahre. Darüber hinaus steigerten einige weitere Branchen in diesem Jahr ihre Investitionstätigkeit. Am stärksten war der Zuwachs beim Bereich »Gummi- und Kunststoffwaren« mit einem Plus von 36,8 Mill. Euro (10,3 %) auf 393 Mill. Euro. Die höchste Steigerungsrate, wenn auch von niedrigem Ausgangsniveau, erreichte hingegen der Bereich »Möbel, Schmuck, Musikinstrumente, Sportgeräte und Spielwaren« mit 21 %. Und auch bei der Industriebranche mit den meisten Betrieben im Südwesten, dem Bereich »Metallerzeugung, -bearbeitung, Herstellung von Metallerzeugnissen«, zog die Investitionstätigkeit leicht an (2,2 %).

Einen bedeutenden Rückgang verzeichnete 2005 hingegen das »Papier-, Verlags- und Druckgewerbe«. Mit einer Investitionssumme von 452 Mill. Euro sanken hier die Investitionen ebenfalls um mehr als ein Viertel gegenüber dem Vorjahr und beeinflussten mit einem absoluten Rückgang von 154 Mill. Euro das Gesamtergebnis der Südwestindustrie. Dies ist das mit Abstand niedrigste Investitionsvolumen dieser Branche seit 1995. Beim »Textil- und Bekleidungsgewerbe« kam es zu einem Einbruch in ähnlicher Größenordnung (−24,2 %). Rückläufig war die Investitionsentwicklung unter anderem auch in dem Bereich »Datenverarbeitung, Elektrotechnik, Feinmechanik und Optik« (−4,2 %) und der »Chemischen Industrie« (−4,0 %).

Branchendiversifikation der Investitionen nimmt 2005 gegenüber dem Vorjahr leicht zu

Aufgrund des starken Rückgangs der Investitionen im »Fahrzeugbau« ging auch der Strukturanteil dieser Branche an den Gesamtinvestitionen zurück (−5,8 Prozentpunkte). Dennoch konzentrierten sich 2005 im »Fahrzeugbau« nach wie vor fast 31 % der gesamten Investitionen der Südwestindustrie. Dagegen erreichte der »Maschinenbau« mit 15,1 % wieder einen etwas höheren Anteil, wie auch die drittstärkste Branche, der Bereich »Datenverarbeitung, Elektrotechnik, Feinmechanik und Optik« mit 13,3 %. Der Bereich »Metallerzeugung, -bearbeitung, Herstellung von Metallerzeugnissen« lag mit 11,2 % nach 3 Jahren erstmals wieder im zweistelligen Bereich. Es zeigt sich damit, dass 2005 die Investitionen etwas an Breite gewonnen haben, während in den Vorjahren der »Fahrzeugbau« eine noch dominierendere Rolle eingenommen hatte.

Zusammen entfallen auf die vier oben genannten Branchen mehr als 70 % der Industrieinvestitionen im Südwesten. Im Vergleich dazu betrug dieser Anteil 1995 erst 61 %. Die Zunahme resultiert aus dem starken Investitionsanstieg im »Fahrzeugbau«, dessen Anteil 1995 noch bei 21,7 % lag. Die anderen oben genannten Branchen konnten über diesen Zeitraum ihre Strukturanteile in etwa halten oder ebenfalls leicht ausbauen. Dagegen haben andere Branchen seit 1995 merklich an Gewicht verloren. In erster Linie betrifft dies das »Papier-, Verlags- und Druckgewerbe«. Hier lag 1995 der Anteil bei 8,1 %, während er sich 2005 nur noch auf 5,7 % belief (Schaubild 3).

Leasinginvestitionen legen leicht zu

Im Unterschied zu den Kaufinvestitionen hat der Wert der 2005 neu geleasten4 Sachanlagen gegenüber dem Vorjahr etwas zugelegt. Insgesamt wurden in diesem Jahr Sachanlagen im Wert von 1,5 Mrd. Euro auf diese Weise neu beschafft. Gegenüber dem Vorjahr stellt dies einen Anstieg von 62 Mill. Euro dar (+4,3 %) (Tabelle). Dabei verzeichneten die Leasinginvestitionen in Immobilien mit 300 Mill. Euro einen Rückgang von 42 Mill. Euro (−12,3 %). Das Leasing von Ausrüstungsgütern erreichte dagegen mit 1,2 Mrd. Euro eine merkliche Zunahme von 104 Mill. Euro (+9,6 %). Generell werden den Leasinginvestitionen eine stärkere Reagibilität auf Änderungen in der Konjunkturentwicklung unterstellt, während bei Kaufinvestitionen im Regelfall strategische Überlegungen vorausgehen, die sich ein Stück weit von kurzfristigen konjunkturellen Entwicklungen abkoppeln. Die Entwicklung der Leasinginvestitionen 2005 wäre damit in engem Zusammenhang mit dem Anziehen der Industriekonjunktur in der zweiten Jahreshälfte 2005 zu sehen. Das kurzfristige »Leasen« von maschinellen Anlagen diente damit in erster Linie dazu, die gestiegene Nachfrage nach industriellen Produkten zu bedienen.

Das Leasing selbst hat in den einzelnen Branchen einen unterschiedlichen Stellenwert erreicht. Der Anteil der Leasinginvestitionen an den Gesamtinvestitionen (Leasing + Kaufinvestitionen) streut erheblich:

Fahrzeugbau7,6 %
Datenverarbeitung, Elektrotechnik, Feinmechanik und Optik20,2 %
Maschinenbau21,3 %
Metallerzeugung, -bearbeitung sowie Herstellung von Metallerzeugnissen21,7 %
Textil- und Bekleidungsgewerbe21,8 %

In einer Gesamtbetrachtung der Kauf- und Leasinginvestitionen bietet sich damit ein etwas differenzierteres Bild der Investitionstätigkeit der Südwestindustrie im Jahr 2005. Insgesamt sanken die Gesamtinvestitionen um 961 Mill. Euro auf 9,5 Mrd. Euro (−9,2 %). Damit unterschritt das Gesamtvolumen der Investitionen erstmals seit 1998 die Marke von 10 Mrd. Euro.

Während sich beim »Fahrzeugbau« die Einbeziehung des Leasings kaum auf die Gesamtentwicklung auswirkt, beeinflussen die Leasinginvestitionen in anderen Branchen die Investitionsentwicklung erheblich. So stiegen im »Maschinenbau« die Gesamtinvestitionen mit 5,6 % spürbar stärker als die reinen Kaufinvestitionen. Auch beim Bereich »Gummi- und Kunststoffwaren« (12,2 %) und dem Bereich »Möbel, Schmuck, Musikinstrumente, Sportgeräte und Spielwaren« (27,8 %) legte die Gesamtentwicklung deutlicher zu als die reinen Kaufinvestitionen. Zu einem Vorzeichenwechsel kam es sogar beim Bereich »Datenverarbeitung, Elektrotechnik, Feinmechanik und Optik«. Während hier die Kaufinvestitionen rückläufig waren, stiegen dank dem Leasing die Gesamtinvestitionen deutlich an (+3,1 %). In anderen Branchen ist dagegen bei der Gesamtbetrachtung die positive Entwicklung abgemildert oder die rückläufige Entwicklung verstärkt worden. Am stärksten betrifft dies das »Textil- und Bekleidungsgewerbe« mit einem Gesamtrückgang von 28,7 %. Für diese Branche scheint der Produktionsstandort Baden-Württemberg weiter an Bedeutung einzubüßen.

1 Ausrüstungsinvestitionen umfassen insbesondere Investitionen in Maschinen, maschinelle Anlagen, Betriebs- und Geschäftsausstattungen, Fahrzeuge.

2 Investitionsquote: Investitionen im Verhältnis zum Umsatz.

3 Investitionsintensität: Investitionen je Beschäftigten.

4 Die Begriffe »Leasinginvestitionen« bzw. »Mietinvestitionen« werden in diesem Artikel auf alle im Rahmen von Miet-, Pacht- oder Leasingverträgen genutzten Sachanlagen verwendet. Erhoben wird dabei der Wert der auf diesem Wege neu angeschafften neuen Sachanlagen.