:: 6/2007

Tourismus 2006: Leichte Zuwächse dank Boom bei Auslandsgästen

Der baden-württembergische Tourismus verzeichnete 2006 im dritten Jahr in Folge insgesamt einen leichten Übernachtungszuwachs, allerdings bei weiterhin uneinheitlicher Entwicklung. Zwar stieg die Gästezahl um 2,9 % auf den historischen Rekordwert von 15,3 Mill. relativ kräftig. Wegen der anhaltenden Tendenz zu kürzeren Aufenthalten fiel der Zuwachs bei den Übernachtungen mit 0,9 % auf 40,9 Mill. aber erneut deutlich schwächer aus. Getragen wurde dieser Anstieg ausschließlich von der weiterhin boomenden Nachfrage der ausländischen Gäste, bei denen mit 10,5 % sogar erstmals ein Übernachtungszuwachs im zweistelligen Prozentbereich ermittelt wurde.

In deutlichem Kontrast dazu stand die Entwicklung bei den Gästen aus Deutschland. Obwohl mit 12 Mill. so viele inländische Touristen wie nie zuvor ein baden-württembergisches Quartier wählten, sank die Zahl ihrer Übernachtungen um 1 % auf 34 Mill. Die starken Entwicklungsunterschiede zwischen Inlands- und Auslandsgästen entsprachen zwar dem Bundestrend, da bundesweit aber die Übernachtungen deutscher Gäste noch leicht um 0,9 % zunahmen, blieb der Übernachtungszuwachs insgesamt in Baden-Württemberg mit 0,9 % deutlich hinter dem entsprechenden Bundeswert von 2,1 % zurück.

Auch langfristig starke Unterschiede zwischen In- und Auslandsgästen

Angesichts der stark abweichenden Entwicklungen zwischen den Gästen aus dem In- und Ausland in jüngster Zeit lohnt sich eine differenzierte Analyse beider Gästegruppen. Bei einem Blick in die weitere Vergangenheit kommt eine durchaus wechselvolle Geschichte zum Vorschein.1 Deutliche Unterschiede zwischen den beiden Gruppen zeigen sich insbesondere beim Verhältnis zwischen Gästezahl und Übernachtungen. Bei den Inlandsgästen öffnet sich zwischen den beiden Größen immer mehr eine Schere.

Bis auf wenige Ausnahmen in einzelnen Jahren entwickelte sich die Gästezahl durchgehend positiver als die Übernachtungszahl. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer deutscher Gäste sank also nahezu kontinuierlich, und zwar um ein Drittel von 4,1 Tagen Mitte der 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts auf zuletzt noch 2,8 Tage. Bei den internationalen Gästen entwickelten sich Ankünfte und Übernachtungen dagegen weitgehend parallel. Zwar verweilt ein Auslandsgast mit durchschnittlich 2,2 Tagen deutlich kürzer als ein Inlandsgast, dieser Wert hielt sich aber seit über 20 Jahren nahezu konstant.

Betrachtet man nur die Übernachtungen, so zeigen sich zwischen In- und Auslandsgästen phasenweise Parallelen, insbesondere in der zweiten Hälfte der 90er- sowie – mit Abstrichen – der 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts. Zeitweise wichen die Entwicklungen aber auch deutlich voneinander ab. So gingen die Ausländerübernachtungen 1991/92 deutlich zurück, während die Übernachtungen deutscher Gäste gleichzeitig ihren bisherigen Höhepunkt erlebten. Auf der anderen Seite nahmen die Übernachtungen der internationalen Gäste seit Mitte der 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts und – mit einer kurzen Unterbrechung 2001 – seit Beginn des neuen Jahrtausends deutlich zu, während insbesondere in der letztgenannten Phase bei den deutschen Gästen die negativen Vorzeichen überwogen. Insgesamt lag das Übernachtungsniveau 2006 im Vergleich zum Ausgangsjahr 1984 bei den Inlandsgästen lediglich um 9 % höher, während es bei den Auslandsgästen um 53 % übertroffen wurde. Der Übernachtungsanteil der internationalen Gäste hat sich dadurch im genannten Zeitraum von 13,3 auf 17,8 % erhöht, einen Wert über dem Bundesdurchschnitt von 15,1 %.

Schweizer und Niederländer wichtigste Auslandsgäste

Angesichts der insgesamt wachsenden Bedeutung der ausländischen Quellmärkte für den heimischen Tourismus ist die Herkunft der Gäste von besonderem Interesse. Schaubild 2 enthält die – gemessen an der Übernachtungszahl – wichtigsten Herkunftsländer für Baden-Württemberg und das Bundesgebiet.2 Während in Deutschland insgesamt unter den Auslandsgästen traditionellerweise die Niederländer die meisten Übernachtungen buchen, werden sie in Baden-Württemberg seit 2004 von den Schweizern übertroffen, die im Bundesgebiet lediglich auf Platz 4 rangieren. Mit 1,2 Mill. (Schweiz) bzw. 1 Mill. (Niederlande) entfielen 2006 bereits 30 % der gesamten Ausländerübernachtungen im Südweststaat auf diese beiden Nationalitäten. Hinter den USA und dem Vereinigten Königreich folgt mit Frankreich ein weiterer direkter Nachbar mit überdurchschnittlicher Platzierung im Land. Bemerkenswert ist eine starke Affinität der Luxemburger zu Baden-Württemberg, die hierzulande unter weit bevölkerungsreicheren Herkunftsländern immerhin Rang 11 einnehmen. Auf der anderen Seite sind Touristen aus den skandinavischen Ländern in Baden-Württemberg unterrepräsentiert, denn sie bevorzugen Ziele vor allem im norddeutschen Raum. Auffallend ist auch, dass neben Japan inzwischen mit China ein zweites asiatisches Land den Sprung unter die 15 wichtigsten Herkunftsländer im Land und im Bund geschafft hat. 2006 nahmen die Übernachtungen aller im Schaubild 2 aufgeführten Länder sowohl auf Landesebene als auch im Bundesgebiet mehr oder weniger deutlich zu. Insgesamt lag ihr Anstieg in Baden-Württemberg mit 10 % aber knapp und in Deutschland mit 7,7 % sogar klar unter dem Zuwachs bei den Auslandsgästen insgesamt. Dies lässt sich zumindest teilweise mit den Auswirkungen der Fußball-WM erklären, denn sie führte bei einigen »exotischen« Teilnehmerländern zu außerordentlich starken Zuwachsraten.

Ausländer zieht es vor allem in die größeren Städte

Die Auslandsgäste zeigen gegenüber deutschen Touristen deutlich abweichende Präferenzen hinsichtlich der Reiseziele und der gewählten Quartiere. So buchten 2006 die Auslandsgäste 30 % ihrer Übernachtungen in einer der neun baden-württembergischen Großstädte mit über 100 000 Einwohnern, ein mehr als doppelt so hoher Anteil wie bei den deutschen Touristen. Überdurchschnittlich häufig übernachten internationale Touristen zudem in den größeren Mittelstädten mit 50 000 bis 100 000 Einwohnern. Nicht zuletzt wegen des vergleichsweise hohen Anteils von Auslandsgästen erzielten die Gemeinden der beiden obersten Größenklassen 2006 mit 5,3 bzw. 4,4 % deutliche Übernachtungszuwächse.

Korrespondierend zur Präferenz für größere Städte steigen ausländische Gäste besonders häufig in den dort stark vertretenen Hotels und Hotels garnis ab, jenen Betriebsarten, die 2006 bei den Übernachtungen um 3,9 bzw. 2,5 % wiederum deutlich zulegen konnten. Überdurchschnittlich ist der ausländische Übernachtungsanteil daneben nur noch bei den Campingplätzen, die vor allem von den Niederländern gerne aufgesucht werden. Allerdings gingen bei dieser Betriebsart die Übernachtungen 2006 trotz kräftiger Zuwächse bei den Ausländern wegen deutlicher Einbußen bei den Inlandsgästen um insgesamt 2,3 % zurück. In den Vorsorge- und Reha-Kliniken, deren Übernachtungen auch 2006 um 5,5 % – und damit unter allen Betriebsarten am stärksten – zurückgingen3, ist der Übernachtungsanteil ausländischer Gäste dagegen trotz beachtlicher Zuwachsraten in den Jahren seit 2004 mit 1,4 % weiterhin sehr gering.

Über 4 von 10 Ausländerübernachtungen im Südschwarzwald und am Mittleren Neckar

In der Gliederung nach Reisegebieten zeigt sich eine deutlich stärkere Konzentration der ausländischen Gäste auf wenige Reiseziele als bei den Inländern (Schaubild 4). Auf die beiden mit Abstand wichtigsten Reisegebiete der Ausländer, den Südlichen Schwarzwald und den Mittleren Neckar entfielen 2006 bereits über 41 % ihrer Übernachtungen. Nimmt man das drittwichtigste Ziel, das Weinland zwischen Rhein und Neckar hinzu, so lag der Anteil bereits bei 55 %. Zum Vergleich: bei den Gästen aus Deutschland kamen deren drei wichtigsten Ziele, nämlich die drei Teilbereiche des Schwarzwalds, auf zusammen gerade 45 %, also 10 Prozentpunkte weniger. Da mit dem Mittleren und dem Nördlichen Schwarzwald noch zwei weitere Reisegebiete bei den Ausländern auf jeweils knapp 12 % der Übernachtungen kamen, verblieb für den Rest des Landes gerade jede fünfte Ausländerübernachtung.

Die Übernachtungsentwicklung 2006 korrespondierte bei den Reisegebieten allerdings nur teilweise mit der speziellen Präferenz der Auslandsgäste. Zwar gehörten die beiden Reisegebiete mit dem höchsten Ausländeranteil an ihren Übernachtungen, der Mittlere Neckar und das Weinland zwischen Rhein und Neckar mit Übernachtungszuwächsen von 8,3 % bzw. 1,8 % zu den Gewinnern des letzten Jahres. Dies traf jedoch mit Zuwächsen von 4,0 % bzw. 2,8 % auch für die Reisegebiete Neckar-Hohenlohe-Schwäbischer Wald und Schwäbische Alb mit unterdurchschnittlichen Ausländeranteilen zu. Auf der anderen Seite gingen in allen drei Teilbereichen des Schwarzwalds die Übernachtungen zwischen 0,4 und 0,9 % zurück, obwohl der Schwarzwald zu dem bevorzugten Reiseziel der Auslandsgäste zählt.

1 Nach einer Reform der Beherbergungsstatistik ist ein vollständiger Nachweis in vergleichbarer Form ab 1984 möglich. Ab 2004 werden die zuvor separat dargestellten Ergebnisse für Beherbergungsstätten und das Reiseverkehrscamping unter der Bezeichnung »Beherbergungsbetriebe« zusammengefasst. Der Nachweis erfolgt hier durchgehend in dieser Abgrenzung und kann sich von früheren Darstellungen unterscheiden.

2 Aufgeführt sind die Herkunftsländer, die in Baden-Württemberg und/oder in Deutschland auf den Plätzen 1 bis 15 rangieren.

3 In der Beherbergungsstatistik werden nur die Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen erfasst, deren Patienten hinreichend mobil sind, um die örtliche Infrastruktur in Anspruch zu nehmen. Diese Voraussetzung ist bei einigen Reha-Kliniken in letzter Zeit entfallen, die insbesondere Patienten in unmittelbarem Anschluss an Operationen aus Akut-Kliniken übernehmen. Einzelne Betriebe haben sich auch zu Wellness-Einrichtungen verändert, die nunmehr zum Beispiel als Hotel geführt werden. Insgesamt hat sich die Zahl der zur Jahresmitte geöffneten Betriebe seit 2001 von 220 auf 172 im Jahr 2006 vermindert.