:: 7/2007

Bedeutung von Überstunden für den Arbeitsmarkt in Baden-Württemberg

Ergebnisse des Mikrozensus 2006

Die in Baden-Württemberg lebenden abhängig Erwerbstätigen leisteten 2006 jede Woche durchschnittlich rund 3,9 Mill. Überstunden. Der Anteil der Überstunden am gesamten Arbeitsvolumen der abhängig Erwerbstätigen im Jahr 2006 liegt somit bei knapp 3 %. Der volkswirtschaftliche Effekt für den Arbeitsmarkt darf jedoch nicht überschätzt werden: Neben flexiblen Arbeitszeitregelungen stellen Überstunden eine betriebswirtschaftliche Möglichkeit dar, um über das Jahr verteilt Arbeitsspitzen bzw. -täler flexibel ausgleichen zu können. Inwieweit durch den Abbau von Überstunden tatsächlich auch neue Arbeitsplätze entstehen könnten, ist in der öffentlichen Diskussion und unter Experten stark umstritten.

2006: Abhängig Erwerbstätige leisteten jede Woche durchschnittlich 3,9 Mill. Überstunden

Nach den Ergebnissen des Mikrozensus1, der größten amtlichen Haushaltsbefragung in Deutschland, wurden im Jahr 2006 rund 3,9 Mill. Überstunden pro Woche erbracht. Knapp 1,7 Mill. Überstunden waren bezahlte, annähernd 2,3 Mill. waren unbezahlte Überstunden. Jeder neunte in Baden-Württemberg lebende abhängig Erwerbstätige – also Beamte, Angestellte, Arbeiter und Auszubildende ohne Selbstständige und mithelfende Familienangehörige – leistete im Jahr 2006 Überstunden. Von diesen insgesamt 495 000 abhängig Erwerbstätigen mit Überstunden gaben knapp 45 % an, bezahlte Überstunden erbracht zu haben und 55 % unbezahlte Überstunden. Männer und Frauen leisten im Übrigen in unterschiedlichem Maße Überstunden: So hatten rund 14 % der männlichen abhängig Erwerbstätigen, aber nur 7 % der weiblichen, Mehrarbeit geleistet. Zur geringeren Quote der Frauen dürfte möglicherweise die unterschiedliche zeitliche Beanspruchung der beiden Geschlechter durch Tätigkeiten für die Familie und die Kinderbetreuung beigetragen haben.

Je nach Wirtschaftszweig variieren die Anteile von abhängig Erwerbstätigen mit Überstunden an allen abhängig Erwerbstätigen:

Land-, Forstwirtschaft und Fischerei 8 %
Dienstleistungsbereich2 10 %
Produzierendes Gewerbe 12 %
Landesdurchschnitt 11 %

Von allen abhängig Erwerbstätigen mit Überstunden entfiel nur knapp 1 % auf den Bereich der Land-, Forstwirtschaft und Fischerei, annähernd 45 % waren im Produzierenden Gewerbe tätig und 55 % im Dienstleistungsbereich. Hierbei fällt auf, dass der Anteil der abhängig Erwerbstätigen mit Überstunden im Produzierenden Gewerbe deutlich höher ausfällt als der Anteil der abhängig Erwerbstätigen insgesamt im Produzierenden Gewerbe (40 %), während sich im Dienstleistungsbereich eine gegenläufige Entwicklung zeigt: Hier liegt der Anteil der abhängig Erwerbstätigen insgesamt bei 59 % und der Anteil derer mit Überstunden nur bei 55 %. Das heißt, Überstunden fallen überproportional häufig im Produzierenden Gewerbe an, während das Dienstleistungsgewerbe in Sachen Überstunden unterrepräsentiert ist.

Die rund 495 000 abhängig Erwerbstätigen mit Überstunden leisteten im Durchschnitt 8 Überstunden pro Woche. Von diesem Personenkreis erbrachten

50 %bis einschließlich 5 Überstunden,
29 % 6 bis einschließlich 10 Überstunden,
21 % 11 oder mehr Überstunden.3

Vor allem qualifizierte Arbeitnehmer erbringen Überstunden

Abhängig von verschiedenen Faktoren werden von den Arbeitnehmern in unterschiedlichem Umfang Überstunden geleistet: Bei der Gliederung nach Altersgruppen wird deutlich, dass die abhängig Erwerbstätigen mit Überstunden mit ungefähr einem Drittel schwerpunktmäßig der Altersgruppe der 35- bis unter 45-Jährigen zuzuordnen sind. Zudem zeigt sich, dass die qualifizierten Arbeitnehmer überrepräsentiert waren: So verfügten von den Personen, die Überstunden gemacht haben rund 89 % über einen qualifizierten Berufsabschluss, während von allen abhängig Erwerbstätigen insgesamt nur rund 78 % einen beruflichen Abschluss vorzuweisen haben. Weiter wurde für das Jahr 2006 festgestellt, dass sich mit steigender Betriebsgröße auch tendenziell der Anteil der Erwerbstätigen mit Überstunden erhöht.

3,9 Mill. Überstunden pro Woche scheinen viel zu sein. Der Anteil der Überstunden (52 Wochen à 3,9 Mill.) am gesamten Arbeitsvolumen der abhängig Erwerbstätigen im Jahr 2006 (52 Wochen à 144,8 Mill. Stunden4) liegt bei knapp 3 %. Inwieweit durch den Abbau von Überstunden neue Arbeitsplätze entstehen könnten, ist in der öffentlichen Diskussion und unter Experten stark umstritten: So muss berücksichtigt werden, dass ein gewisser Sockel an Überstunden für Unternehmen unverzichtbar ist: Neben flexiblen Arbeitszeitregelungen stellen Überstunden eine betriebswirtschaftliche Möglichkeit dar, um saisonal oder auftragsbedingte Arbeitsspitzen ausgleichen zu können, zumal wenn für Unternehmen nicht absehbar ist, dass eine gute Auftragslage anhält. Außerdem erfordert die Umsetzung von Überstunden in potenzielle Arbeitsplätze eine Übereinstimmung der Qualifikation der Arbeitssuchenden mit dem Anforderungsprofil der Nachfrageseite. Hierbei darf man nicht aus dem Auge verlieren, dass – wie obige Ausführungen dargestellt haben – die geleisteten Überstunden schwerpunktmäßig in bestimmten Wirtschaftsbereichen, bestimmten Betriebsgrößen und von bestimmten Personengruppen – den Personen mit einem qualifizierten Berufsabschluss – geleistet werden. Der volkswirtschaftliche Effekt für den baden-württembergischen Arbeitsmarkt darf vor diesem Hintergrund daher nicht überschätzt werden.

1 Zur Definition der Angaben zu den Erwerbstätigen im Mikrozensus vgl. Beitrag von Hin, Monika: Geringfügig und befristet Beschäftigte in Baden-Württemberg, im vorliegenden Heft S. 43 (i-Punkt).

2 Dienstleistungen im weiteren Sinne: Handel, Gastgewerbe, Verkehr und sonstige Dienstleistungen.

3 Jeweils bezogen auf die der Befragung zugrunde liegenden Berichtswoche.

4 Bezogen auf die tatsächlich geleisteten Wochenarbeitsstunden.