:: 11/2007

Mehrwertsteuererhöhung 2007

Wie viel müssen Familien zusätzlich ausgeben?

Zum Jahresbeginn wurde der reguläre Mehrwertsteuersatz von 16 auf 19 % angehoben. Der ermäßigte Steuersatz von 7 % blieb konstant, auch bei den steuerbefreiten Gütern erfolgte keine Änderung. Die individuelle Belastung eines Haushalts durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer dürfte damit von der Struktur seiner Konsumausgaben abhängen.

Im Rahmen ihres Forschungsprogramms Familienwissenschaften hat die LANDESSTIFTUNG Baden-Württemberg die FamilienForschung (FaFo) Baden-Württemberg mit der Durchführung eines Projekts zur Einkommenssituation und Besteuerung von Familien beauftragt. In diesem Zusammenhang entstand die hier referierte Studie. Ausgewählte Ergebnisse zur Mehrwertsteuerbelastung von Familien werden hier vorgestellt.

Eine in der politischen Diskussion verbreitete These ist, dass eine Mehrwertsteuererhöhung unsozial und familienpolitisch kontraproduktiv sei, da sie insbesondere einkommensschwache und kinderreiche Familien belaste, die einen großen Anteil ihres Einkommens für den Konsum verwenden. Im Gegensatz zur Einkommensteuer werden keine Grund- oder Kinderfreibeträge wirksam, die einkommensarme oder kinderreiche Haushalte begünstigen und die Steuersatzdifferenzierung der Mehrwertsteuer setzt nur sehr unsystematisch an familienspezifischen Merkmalen an.

Nach den hier vorgelegten Ergebnissen, denen Auswertungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003 für Deutschland zugrunde liegen, sinkt mit zunehmendem Haushaltsnettoeinkommen die Belastungsrelation der Mehrwertsteuer bezogen auf das verfügbare Einkommen. Die Mehrwertsteuer wirkt regressiv, sowohl bei Familien als auch bei Kinderlosen. Nur geringe Einflüsse auf die Steuerbelastung haben unterschiedliche Haushalts- und Familientypen. Eine generelle Mehrbelastung von Familien in Deutschland ist nicht festzustellen. Auch sind kinderreiche Familien gegenüber Ein- und Zweikindfamilien nicht im Nachteil. Allerdings trifft die Mehrwertsteuererhöhung Alleinerziehende stärker als Paare mit Kindern.

Mehrwertsteuererhöhung zum Januar 2007

Die Mehrwertsteuer ist gemessen am Steueraufkommen neben der Einkommensteuer die zweite tragende Säule des deutschen Steuerstaates.1 Sie zählt als Konsumsteuer zu den allgemeinen Verbrauchssteuern, mit denen der gesamte private und öffentliche Verbrauch belastet wird. Die Mehrwertsteuer als »indirekte« Steuer wird bei den Unternehmen erhoben, soll aber wirtschaftlich die Endverbraucher belasten, indem sie über die Absatzpreise an diese weitergegeben wird. In der Vergangenheit wurden die beiden in Deutschland geltenden Mehrwertsteuersätze mehrfach erhöht. Bei Einführung der Mehrwertsteuer am 1. Januar 1968 betrug der Regelsteuersatz 10 % und wuchs bis heute in mehreren Schritten auf 19 % an. Die jüngste Erhöhung erfolgte mit dem Haushaltsbegleitgesetz 20062, mit dem die Anhebung des Regelsteuersatzes der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 % zum 1. Januar 2007 beschlossen wurde. Der ermäßigte Steuersatz wurde bislang von 5 % auf derzeit 7 % erhöht.

Die Konsumstruktur, also die durchschnittliche Aufteilung der privaten Konsumausgaben in regelbesteuerte, ermäßigte und steuerbefreite Güter, beeinflusst die Mehrwertsteuerbelastung eines Haushalts. Nach den Ergebnissen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003 (i-Punkt) hatten in Deutschland unter den steuerbefreiten Gütern die Wohnungsmieten (ohne Energie und Betriebskosten) den relativ größten Anteil. Rund ein Viertel der privaten Konsumausgaben entfiel auf Kaltmieten. Bei den steuerermäßigten Gütern stellten die Nahrungsmittel mit einem Anteil von durchschnittlich 11 % an den gesamten Konsumausgaben der privaten Haushalte die wichtigste Gütergruppe dar. Für Güter, die dem vollen Mehrwertsteuersatz unterliegen, gaben die privaten Haushalte in Deutschland etwas mehr als die Hälfte (56 %) ihrer Konsumausgaben aus.3 Die Aufteilung der Konsumgüter nach Mehrwertsteuersätzen setzt nicht systematisch an bestimmten sozialen Merkmalen an. Zwar unterliegen sogenannte »Güter des Grundbedarfs« keiner Mehrwertsteuer (zum Beispiel Miete) oder nur dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz (zum Beispiel Nahrungsmittel und Bücher). Aber auch Hunde- und Katzenfutter werden mit 7 % besteuert, Kinderbekleidung und Windeln als typische Konsumgüter von Familien hingegen mit 19 %.

Wie reagieren Unternehmen und Konsumenten auf die Erhöhung der Mehrwertsteuer?

Wer die Mehrwertsteuer(erhöhung) letztlich trägt, hängt von komplizierten Überwälzungsvorgängen ab. Der Gesetzgeber geht von der Vorstellung aus, dass die Mehrwertsteuer(erhöhung) von den Unternehmen sofort und in voller Höhe an die Endverbraucher weitergegeben wird. Inwieweit das tatsächlich gelingt, wird von den Nachfragebedingungen auf den einzelnen Produktmärkten bestimmt. Das Preissetzungsverhalten der Unternehmer, das heißt Preiserhöhungen bei betroffenen Produktions- und Konsumgütern, dürfte aber auch von der Durchsetzbarkeit gegenüber den weiterverarbeitenden Unternehmen und den Endverbrauchern sowie der Preissetzung anderer Anbieter abhängen. Außerdem muss ein Unternehmen die höheren Kosten, die ihnen durch eine Mehrwertsteuererhöhung entstehen, nicht zwangsläufig bei dem Produkt weitergeben, das von der Erhöhung betroffen ist.4 Für die Mehrwertsteuer gilt: Je unelastischer die Nachfrage ist, desto höher ist die von den Konsumenten zu tragende Steuerlast.5

Das Folgende will zeigen, wie sich die Konsumausgaben für Familien im Vergleich zu kinderlosen Haushalten aufgrund der Anhebung des Regelsatzes der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 % rein rechnerisch verteuert haben. Dabei wird angenommen, dass die reale Verbrauchsnachfrage in Höhe und Struktur von der Steuererhöhung unberührt bleibt. Eine Steuererhöhung bedeutet für die Nachfrager stets eine Reduzierung ihrer realen Einkommen. Außerdem verändern sich die Preisrelationen zwischen unterschiedlich stark besteuerten Gütern, sodass zumindest mittelfristig von einer Verschiebung der Verbrauchsstruktur auszugehen ist. Damit gelingt es den Unternehmen möglicherweise nicht vollständig, die Mehrwertsteuererhöhung an die Konsumenten zu überwälzen. Bei den hier unterstellten Annahmen sind die ermittelten Werte Belastungsobergrenzen und dürften in der Realität eher geringer ausfallen.

Individuelle Belastung abhängig vom verfügbaren Einkommen

In jeder Familie setzen Ausgaben stets Einnahmen voraus. Die Einkommenshöhe begrenzt den privaten Konsum entscheidend. Sie bestimmt, ob neben den Konsumausgaben genügend Spielraum für die Bildung von Ersparnissen bleibt. Das in einer Familie erwirtschaftete Einkommen legt also das Verhältnis zwischen Konsum- und Sparquote fest.67 Darüber hinaus hängt die Konsumstruktur von der Höhe des verfügbaren Einkommens ab. Dabei bestimmt die Mehrwertsteuer auf Konsumgüter, wie stark sich ein Gut steuerbedingt verteuert.

In den unteren Einkommensbereichen haben die Ausgaben für geringer besteuerte Güter (hauptsächlich Nahrungsmittel) und steuerfreie Güter (überwiegend Kaltmiete) ein größeres Gewicht. Hier treten Konsumquoten von mehr als 100 % auf. Betreffende Haushalte verschulden sich entweder durch Aufnahme eines Kredits oder sie lösen Ersparnisse auf, um ihren Konsum zu finanzieren.8 Mit steigendem Einkommen nimmt der Anteil der Ausgaben für Nahrungsmittel und (Kalt)Mieten ab und das Sparen gewinnt zunehmend an Gewicht, entsprechend sinkt die Konsumquote.

Regressive Wirkung der Mehrwertsteuer

Je höher (niedriger) also das Haushaltsnettoeinkommen ist, desto geringer (höher) ist die Konsumquote und umso größer (kleiner) ist der Anteil der Konsumausgaben für regelbesteuerte Güter. Hieraus ergibt sich das typische Muster für die Mehrwertsteuerbelastung von privaten Haushalten. Ausgehend von niedrigen Einkommen nimmt die Belastung zunächst ab, verharrt dann in den mittleren Einkommensbereichen auf einem weitgehend konstanten Niveau und nimmt in höheren Einkommensbereichen einen regressiven Verlauf. 910

Dabei bestimmen zwei grundsätzliche Mechanismen den Zusammenhang zwischen Mehrwertsteuerbelastung und Haushaltsnettoeinkommen: der regressive Effekt der fallenden Konsumquote und der progressive Effekt der Konsumstruktur. Sie verhalten sich gegenläufig zueinander und daher ist das Ergebnis davon abhängig, welcher Effekt dominiert. Mit steigendem Einkommen sinkt die Konsumquote. Es ergibt sich eine fallende relative Belastung und folglich ein regressiver Belastungsverlauf. Auf der anderen Seite verändert sich innerhalb der Konsumquote die Konsumstruktur, das heißt die Zusammensetzung des Warenkorbs. Mit steigendem Einkommen nimmt der Anteil der mit dem vollen Mehrwertsteuersatz belegten Güter zu. Der dadurch ansteigende Durchschnittssteuersatz wirkt in Richtung einer progressiven relativen Belastung durch die Mehrwertsteuer. Er schwächt den regressiven Effekt der Konsumquote ab, der insgesamt jedoch dominiert.

Steuern auf Konsumgüter stehen traditionell in dem Ruf, unsozial und familienpolitisch kontraproduktiv zu sein, da eine Erhöhung der Mehrwertsteuer insbesondere einkommensschwache und kinderreiche Familien belaste, die einen großen Anteil ihres Einkommens für den Konsum verwenden. Dahinter steht die Vorstellung, dass aufgrund der mit steigendem Einkommen rückläufigen Konsumquote die Bezieher geringer Einkommen relativ stärker durch eine Erhöhung der Konsumsteuer belastet werden als Bezieher hoher Einkommen.11

Daraus lässt sich allerdings nicht schlussfolgern, dass Familien mit Kindern generell einer höheren Belastung durch die Mehrwertsteuererhöhung ausgesetzt sind als Haushalte, in denen keine minderjährigen Kinder zu versorgen sind. Dieses trifft nur dann zu, wenn bei gegebenem Einkommen Familien mehr konsumieren als kinderlose Haushalte – und zwar vorwiegend von Konsumgütern, die mit dem vollen Mehrwertsteuersatz belegt sind. Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe Familien tatsächlich stärker belastet werden, lässt sich nur empirisch überprüfen.

Familien »unten« höher belastet als Familien »oben« …

Nach der Höhe des verfügbaren Einkommens liegen die zu erwartenden Mehrausgaben für Familien zwischen 11 und 63 Euro. Mit den höchsten Mehrausgaben in Höhe von 63 Euro monatlich haben Paare mit drei oder mehr Kindern in der Einkommensklasse 5 000 bis unter 18 000 Euro zu rechnen. Die mit 11 Euro niedrigste absolute Mehrbelastung haben bei den Familien die Alleinerziehenden mit einem Kind in der Einkommensklasse unter 900 Euro zu tragen. Die geringe absolute Mehrbelastung der Alleinerziehenden beruht im Wesentlichen darauf, dass die Einkommenssituation keine höheren Ausgaben für voll besteuerte Güter erlaubt, während sich das kinderreiche Paar in der höchsten Einkommensklasse die höheren Ausgaben für (voll besteuerte) »Luxusgüter« eher leisten kann. Die 3-prozentige Mehrwertsteuererhöhung bezieht sich demzufolge auf eine höhere Ausgabensumme. Familien mit mehreren Kindern haben aber auch einen höheren Konsumbedarf bei Ausgabenbereichen wie bspw. Kinderbekleidung als Alleinerziehende mit einem Kind. Auf der anderen Seite sinken die Ausgaben je Kind mit steigender Kinderzahl, da viele Anschaffungen, die für das erste Kind unvermeidlich sind, für das zweite oder dritte Kind nicht oder zumindest nicht in der gleichen finanziellen Größenordnung getätigt werden müssen.12

Ob nun 11 Euro oder 63 Euro »viel« sind, wird deutlich, wenn die ermittelten Zusatzausgaben auf das ausgabefähige Einkommen13 bezogen werden. Die Spanne der relativen Zusatzbelastung bei Paaren mit Kindern liegt zwischen 1,58 und 0,9 %, bei Alleinerziehenden sinkt die relative Belastung von 1,39 auf 0,76 %, das heißt, die Belastung durch die Mehrwertsteuererhöhung wirkt auch hier regressiv.

Um sich die gleichen Güter wie vor der Mehrwertsteuererhöhung kaufen zu können, müssen Familien mit höheren Einkommen mindestens das 3-Fache des Betrages ausgeben, der für Familien der unteren Einkommensklassen anfällt wenn sie sich ebenfalls das gleiche leisten wollen wie vor der Erhöhung der Mehrwertsteuer. In Relation zum ausgabefähigen Einkommen sinkt die relative Steuerlast sowohl bei Paaren mit Kindern als auch bei Alleinerziehenden. Familien mit niedrigen Einkommen werden damit relativ stärker durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer getroffen als Familien in höheren Einkommensschichten. Die insgesamt regressive Wirkung der Mehrwertsteuer ist also im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass Familien mit steigendem Einkommen einen zunehmenden Anteil sparen. Dieser Zusammenhang gilt für kinderlose Haushalte allerdings genauso. Aus dem regressiven Belastungsverlauf alleine lässt sich daher noch nicht schlussfolgern, ob Familien mit Kindern oder kinderlose Haushalte härter getroffen werden.

… aber Familien nicht systematisch stärker belastet als Kinderlose

Während sich die Einkommensteuer am Leistungsfähigkeitsprinzip orientiert und durch ihren progressiven Verlauf und verschiedene Freibeträge unmittelbare Umverteilungselemente besitzt, ist die Mehrwertsteuer nur mittelbar von Einkünften und Haushaltsgröße abhängig.14 Der Verbrauch und damit die Konsumstruktur bestimmen die Belastung, die aber auch bei gegebenem Einkommen und gegebener Haushaltsgröße von Haushalt zu Haushalt sehr verschieden sein kann.

Bezogen auf das ausgabefähige Einkommen werden die Haushaltstypen15 unterschiedlich belastet und zwar:

  • Alleinerziehende: + 1,15 %
  • Paare mit Kindern: + 1,05 %
  • kinderlose Paare: + 1,09 %
  • Alleinlebende: + 1,08 %

Die Mehrwertsteuererhöhung belastet Familien mit Kindern also nicht systematisch höher als Haushalte ohne Kinder. In den mittleren und höheren Einkommensklassen werden die Alleinlebenden durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer deutlich schwächer belastet als die Alleinerziehenden. Dieser Sachverhalt basiert sowohl auf der Entwicklung ihrer Konsumquoten, die mit steigendem Einkommen stärker abnehmen als bei Alleinerziehenden, als auch auf ihrer Konsumstruktur. Im unteren Einkommensbereich sind die Belastungsunterschiede geringer. Zwischen Paaren ohne und Paaren mit Kindern verändern sich die Unterschiede bezüglich ihrer prozentualen Zusatzbelastung im gleichen Einkommensintervall kaum. Insgesamt sind über alle Einkommensbereiche nur geringe Unterschiede zwischen den Lebensformen festzustellen.

Familienform entscheidet mehr über Zusatzbelastung als die Kinderzahl

Deutlich unterscheidet sich die Zusatzbelastung der Paare mit Kindern und der Alleinerziehenden. Sie geben zwar insgesamt den geringsten Anteil ihrer Konsumausgaben für regelbesteuerte Güter aus (51 %), haben aber mit 87 % im Durchschnitt die höchste Konsumquotel. Das heißt, sie geben 45 % ihres ausgabefähigen Einkommens für voll besteuerte Güter aus, was zur höchsten relativen Zusatzbelastung führt. Während Alleinerziehende bei voller Überwälzung der Mehrwertsteuererhöhung durchschnittlich rund 22 Euro im Monat zusätzlich aufwenden müssen, um ihr Konsumniveau zu halten, liegt die durchschnittliche Zusatzbelastung für Paare mit Kindern bei rund 41 Euro. Ins Verhältnis zu den ausgabefähigen Einkommen gesetzt, ergibt sich für Paare mit Kindern die geringste relative Belastung. Da Paare mit Kindern mit einer Konsumquote von 72 % und einem Anteil an regelbesteuerten Gütern von 56 % insgesamt also nur 40 % ihres verfügbaren Einkommens für voll besteuerte Güter verwenden, ergibt sich für sie die geringste Zusatzbelastung. Die Familienform scheint damit eine größere Bedeutung für das Ausmaß der relativen Zusatzbelastung zu haben als die Existenz von Kindern.

Auch die Kinderzahl verändert die Konsumquote wie auch die Konsumstruktur nur unwesentlich. Beim Einzelkind sind in der Regel höhere Ausgaben für Erstanschaffungen notwendig, die in Mehrkindfamilien häufig für das zweite und dritte Kind erneut genutzt werden. Entsprechend gering sind die Unterschiede in der Belastung durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer entlang der Kinderzahl. Paare mit ein und zwei Kindern bis zu einem Haushaltsnettoeinkommen von 3 600 Euro sind einer höheren Mehrwertsteuerbelastung unterworfen als Familien mit drei oder mehr Kindern. Danach verläuft die Belastung für Paare mit Kindern weitgehend identisch. Insgesamt sinkt bei Paaren mit Kindern mit steigender Kinderzahl die relative Belastung. Dies gilt auch für Alleinerziehende, zumindest was den Vergleich von Ein- und Zweikindfamilien angeht. Dies widerspricht der Annahme, Haushalte mit vielen Kindern hätten eine höhere Konsumquote als die kleineren Haushalte und würden damit auch stärker belastet. Vielmehr nehmen die Konsumquote und damit die Steuerlast mit zunehmender Familiengröße leicht ab.

Das Ergebnis einer weitgehenden Unabhängigkeit der relativen Belastung durch die Mehrwertsteuer von der Größe des Haushalts bzw. der Familie lässt den Schluss zu, dass zwar die Entscheidung für eine Familie für die Eltern einen Verzicht auf Möglichkeiten des materiellen Konsums nach sich zieht, aber Familien insgesamt durch die Mehrwertsteuererhöhung nicht größere Nachteile tragen als kinderlose Haushalte.

1 Aufkommensstärkste Steuern im Jahr 2006 sind die Steuern vom Einkommen (Lohnsteuer, veranlagte Einkommen-steuer, Zinsabschlag und nicht veranlagte Steuern vom Ertrag) mit 39,7 % und die Steuern vom Umsatz mit einem Anteil von 30 % am Gesamtsteueraufkommen. Quelle: Bundesministerium der Finanzen, Stand Mai 2007.

2 Das Haushaltsbegleit-gesetz umfasst noch eine Reihe weiterer Maßnahmen: Parallel zur Mehrwertsteuererhöhung wird der Regelsteuersatz der Versicherungssteuer von derzeit 16 auf 19 % angehoben. Die Sozialversiche-rungsfreiheit von Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschlägen wird begrenzt und der pauschale Beitragssatz im gewerblichen Bereich angehoben. Der Beitragssatz in der Arbeits-losenversicherung wurde um 2 Prozentpunkte auf 4,5 % gesenkt.

3 Linz, Stephan u.a.: Belastung der Haushalte durch die Mehrwertsteuererhöhung 2007, in: Wirtschaft und Statistik 11/2006, S. 1124-1129.

4 Ebenda.

5 Eine schwache Reaktion der Nachfrage auf Preis-änderungen zeigt sich besonders bei lebensnotwendigen Gütern wie Nahrungsmittel, die schlecht substituiert werden können.

6 Die Konsumquote ist de-finiert als das Verhältnis zwischen den gesamten privaten Konsumausgaben und dem ausgabefähigen Einkommen der Haushalte.

7 Die ausgabefähigen Einkommen und Einnahmen unterscheiden sich vom Haushaltsnettoeinkommen darin, dass Vermögens-übertragungen und Einnahmen aus dem Verkauf von Waren zum Haushaltsnettoeinkommen hinzugezählt werden.

8 Kredite ebenso wie die Auflösung von Geld- und Sachvermögen werden im ausgabefähigen Einkommen nicht berücksich-tigt. So können Konsumquoten von über 100 % zustande kommen.

9 Von einem »regressiven« Effekt sprechen Ökonomen, wenn einkommensschwache Haushalte relativ stärker belastet werden als Haushalte mit höheren Einkommen.

10 Da in der EVS Haushalte mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 18 000 Euro und mehr nicht repräsentiert sind, wird die regressive Wirkung tendenziell unterschätzt.

11 Fritzsche, Bernd u. a.: Empirische Analyse der effektiven Inzidenz des deutschen Steuersystems, Essen 2003, S. 84 ff.

12 Münnich, Margot: Einkommensverhältnisse von Familienhaushalten und ihre Ausgaben für Kinder, in: Wirtschaft und Statistik 6/2006, S. 644-670.

13 Siehe Fußnote 6.

14 Jacobebbinghaus, Peter: Welche Haushalte zahlen wie viel Mehrwertsteuer? Eine empirische Analyse auf der Basis der EVS 1998, Mannheim 2003.

15 Der Haupteinkommensbezieher ist mit Ausnahme der Alleinerziehenden bei allen Haushaltstypen jünger als 50 Jahre. Durch die Altersbegrenzung werden kinderlose Haushalte und Familien mit Kindern in ihren Lebensphasen und ihren Konsumausgaben vergleichbar gemacht.