:: 11/2007

Straßenverkehrsunfälle in Baden-Württemberg

Die Europäische Kommission hat sich zum Ziel gesetzt, die Zahl der Todesopfer im Straßenverkehr in der Europäischen Union vom Jahr 2001 bis zum Jahr 2010 zu halbieren. Auch wenn die Zahl der Todesopfer von 842 Personen im Jahr 2001 auf den bisher niedrigsten Stand von 633 im Jahr 2005 gesunken ist, lassen die Unfallbilanz 2006 mit 681 Verkehrstoten sowie die aktuelle Entwicklung ein Nichterreichen dieses Ziels in Baden-Württemberg vermuten. Im ersten Halbjahr 2007 kamen bisher 311 Personen bei Verkehrsunfällen ums Leben, im Vorjahreszeitraum waren es 310.

2006 verloren täglich zwei Menschen ihr Leben im Straßenverkehr

Im vergangenen Jahr ereignete sich etwa jede zweite Minute ein Verkehrsunfall auf baden-württembergischen Straßen. Pro Stunde wurden sechs Personen bei Verkehrsunfällen verletzt. Täglich verloren fast zwei Menschen ihr Leben im Straßenverkehr.

Mit etwa 234 000 hat sich die Zahl der von der Polizei insgesamt in Baden-Württemberg aufgenommenen Verkehrsunfälle im Jahr 2006 gegenüber 2005 nur geringfügig um 0,4 % erhöht. Da aber die Zahl der zugelassenen Kraftfahrzeuge um 0,9 % zugenommen hat, ist die Unfallgefahr gemessen am Fahrzeugbestand zurückgegangen. Sowohl die Zahl der schwerwiegenden Unfälle mit Sachschaden (17 200) als auch die Zahl der Verkehrsunfälle mit Personenschaden (40 100) ist mit 5,6 % beziehungsweise 0,3 % rückläufig gewesen. Ausschlaggebend für den geringfügigen Anstieg der Gesamtunfallzahl ist demnach die Entwicklung der »Bagatellunfälle«, deren Zahl mit 177 100 im Vergleich zum Vorjahr um 1,1 % angestiegen ist. Erfreulicherweise sind mit 53 700 verunglückten Personen 0,6 % weniger Verkehrsteilnehmer zu Schaden gekommen als im Vorjahr (54 000). Mit einer Zunahme der Zahl der Verkehrstoten auf 681 Tote hat sich der rückläufige Trend tödlicher Unfälle der vergangenen Jahre nicht fortgesetzt.

Rückgang der Verkehrstoten auf ein Viertel des Höchststandes

Dennoch war das Fahren auf Baden-Württembergs Straßen noch nie so sicher wie heute. Seit Einführung der Straßenverkehrsunfallstatistik im Jahr 1953 nahm die Zahl der Verkehrstoten in Baden-Württemberg von 1 819 zunächst bis auf 2 919 Personen – den Höchststand im Jahr 1972 – zu. Danach sank sie fast kontinuierlich ab und erreichte 2005 den bisher niedrigsten Stand mit 633. Der Rückgang der Verkehrstoten auf ein Viertel des Höchststandes ist vor allem deshalb bemerkenswert, da in der gleichen Zeit die Zahl der in Baden-Württemberg zugelassenen Pkw von 2,5 Mill. auf 6,3 Mill. und damit um fast 160 % gestiegen ist. Die Gründe für diese positive Entwicklung sind vielfältig: Verkehrsrechtliche und straßenbauliche Maßnahmen haben ebenso wie eine ständige Verbesserung der Sicherheit und technischen Ausstattung der Fahrzeuge dazu beigetragen. Nicht zuletzt haben eine optimierte Notfallmedizin, mehr Verkehrserziehung und -aufklärung viele Todesopfer im Straßenverkehr verhindert. Allerdings gab es im Jahr 2006 mit 681 tödlich Verunglückten 48 Todesfälle mehr als im Jahr zuvor.

Zahl der verunglückten Kinder ist zurückgegangen

Kinder sind die schwächsten Verkehrsteilnehmer. Mangelnde Erfahrung und geringeres Reaktionsvermögen führen zu einer besonderen Gefährdung. Im Jahr 2006 verunglückten 4 370 Kinder im Alter unter 15 Jahren auf Baden-Württembergs Straßen. Das waren 7 % weniger als im Vorjahr. 19 der Kinder wurden im Straßenverkehr getötet, das war ein Kind mehr als 2005. Insgesamt betrug 2006 der Anteil der Kinder an allen Verunglückten im Straßenverkehr 8 %, während ihr Bevölkerungsanteil bei 15 % liegt. Von den 4 370 Kindern verunglückten

  • 1 568 oder 36 % als Fahrradfahrer,
  • 1 431 oder 33 % als Mitfahrer eines Pkws,
  • 1 096 oder 25 % als Fußgänger.

Junge Erwachsene überdurchschnittlich im Straßenverkehr gefährdet

Junge Erwachsene zählen zur Gruppe der besonders gefährdeten Verkehrsteilnehmer. Das Erreichen der Volljährigkeit und die neu erworbene Fahrerlaubnis bedeuten mehr Mobilität im Leben vieler junger Menschen. Hinzu kommt die mangelnde Fahrpraxis. Im Jahr 2006 verunglückten in Baden-Württemberg insgesamt 10 584 junge Erwachsene im Alter von 18 bis 24 Jahren. Das waren 4 % weniger als im Vorjahr. Damit gehört jeder 5. Verunglückte und jeder 5. im Straßenverkehr Getötete zu dieser Altersgruppe. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung betrug dagegen nur 8 %. Damit ist das Risiko dieser Altersgruppe tödlich zu verunglücken 2,5-mal so hoch wie ihr Anteil an der Bevölkerung. 75 % der jungen Erwachsenen verunglückten als Pkw-Insassen.

2006 verunglückten mehr Senioren im Verkehr

Ältere Menschen sind weniger häufig an Unfällen beteiligt als jüngere. Im Jahr 2006 verunglückten in Baden-Württemberg 5 109 Personen über 65 Jahre im Straßenverkehr, 9 % mehr als im Vorjahr. Senioren haben damit einen Anteil an der Gesamtzahl der Verunglückten von knapp 10 %, ihr Bevölkerungsanteil beträgt jedoch 17 %. Ältere Menschen sind zwar in weniger Unfälle verwickelt bzw. seltener Unfallverursacher als andere Altersgruppen , erleiden aber deutlich schlimmere Unfallfolgen. So waren im vergangenen Jahr ein Viertel der Getöteten 65 Jahre und älter. Nach wie vor verunglückt die Hälfte der Senioren als Pkw-Insassen.

Nicht angepasste Geschwindigkeit häufigste Unfallursache

Die Polizei kann nach Beurteilung des Unfallhergangs beim Hauptverursacher und einem weiteren Beteiligten jeweils bis zu drei Unfallursachen benennen, sowie zwei Ursachen, die auf äußere Umstände wie zum Beispiel Straßenverhältnisse und Witterungseinflüsse zurückzuführen sind, erfassen. In Baden-Württemberg wurden 2006 bei den 40 100 Unfällen mit Personenschaden 48 902 Fehlverhalten der Fahrzeugführer festgestellt. Die häufigsten Unfallursachen der Fahrzeugführer in Baden-Württemberg waren:

  • nicht angepasste Geschwindigkeit 21 %,
  • Nichtbeachten der Vorfahrt 16 %,
  • Abstandsfehler 12 %,
  • Alkoholeinfluss 5 %.

Darüber hinaus wurden 3 490 unfallbezogene Ursachen, wie zum Beispiel Straßenverhältnisse (2 353), Witterungseinflüsse (459), Hindernisse und sonstige Einflüsse (678) registriert. Bei Betrachtung des Fehlverhaltens der Fahrzeugführer differenziert nach Alter, entfällt auf die Gruppe der Fahrer zwischen 18 und 25 Jahren der höchste Anteil auf nicht angepasste Geschwindigkeit, während Verkehrsteilnehmern über 65 Jahren vorrangig Fehler beim Beachten der Vorfahrt unterlaufen.

Außerorts geschehen weniger Unfälle, aber die Unfallfolgen sind schwerwiegender

Von den etwa 40 000 Unfällen mit Personenschaden im Jahr 2006 ereigneten sich

  • 61 % innerhalb geschlossener Ortschaften,
  • 33 % außerhalb auf Landstraßen und
  • 6 % auf Autobahnen.

Bei den im Straßenverkehr Getöteten in Baden-Württemberg sieht diese Verteilung anders aus: Es starben

  • 64 % außerhalb geschlossener Ortschaften,
  • 24 % auf Innerortsstraßen und
  • 11 % auf Autobahnen.

Obwohl sich die meisten Unfälle mit Personenschäden innerorts ereigneten, ist das Todesrisiko bei Unfällen außerorts wegen der höheren Geschwindigkeit fast dreimal so hoch wie innerhalb geschlossener Ortschaften.

Baden-Württemberg mit 63 Getöteten je 1 Million Einwohner im Mittelfeld der Bundesländer

Das bevölkerungsbezogene Unfallrisiko ist in den 16 Bundesländern sehr unterschiedlich. In Nordrhein-Westfalen war die Zahl der Verunglückten gemessen an der Einwohnerzahl mit 4 560 je 1 Mill. Einwohner am geringsten, im Saarland mit 6 080 am höchsten. Baden-Württemberg nahm hier mit 5 010 Verunglückten je 1 Mill. Einwohner den Rang 6 ein, bei einem Bundesdurchschnitt von 5 190.

Bei einem Vergleich der Unfallgefahr mit Todesfolge lag Hamburg mit 16 Verkehrstoten je 1 Mill. Einwohner am niedrigsten. Baden-Württemberg nahm mit 63 Getöteten je 1 Mill. Einwohner Rang 8 ein und belegte damit einen Platz im Mittelfeld der Länder. Das Schlusslicht bildete Mecklenburg-Vorpommern mit 109 Verkehrstoten. Der Bundesdurchschnitt lag bei 62.

Die vergleichweise niedrigeren Werte der tödlichen Unfälle in den Stadtstaaten erklären sich unter anderem durch die unterschiedlichen Siedlungsstrukturen. So passieren in den Stadtstaaten, die nur das Stadtgebiet und gegebenenfalls ein engeres Umland umfassen, hauptsächlich »Innerortsunfälle«. Diese sind wegen der niedrigeren Geschwindigkeiten weniger folgenschwer.

Gemessen an der Einwohnerzahl hohe Verunglücktenzahlen in vier von neun Stadtkreisen

Die 44 Stadt- und Landkreise Baden-Württembergs sind durch ein sehr unterschiedliches Unfallgeschehen gekennzeichnet. Die Zahl der bei Verkehrsunfällen Verunglückten je 100 000 Einwohner gibt das bevölkerungsbezogene Ge-fährdungsrisiko1, dem man als Teilnehmer im Straßenverkehr ausgesetzt ist, wieder. Um den Einfluss von Einzelereignissen wie zum Beispiel Massenkarambolagen zu nivellieren, wurden jeweils die Ergebnisse der Jahre 2004 bis 2006 zu einem Durchschnitt zusammengefasst.

Gemessen an der Zahl der Einwohner registrierte die Polizei hohe Verunglücktenzahlen in einigen Stadtkreisen. Hier schlägt sich zum einen nieder, dass sich die meisten Unfälle mit Personenschaden innerorts – Stadtkreise haben in der Regel einen hohen Siedlungsflächenanteil – ereignen. Gleichzeitig beeinflusst die – im Vergleich zu Autobahnen mit ihren getrennten Fahrstreifen und einer kreuzungsfreien Verkehrsführung – komplexere Verkehrssituation in den Stadtkreisen, mit vielen Ampeln und Kreuzungen im Innerortsbereich, das Unfallgeschehen. Allerdings sind die Unfallfolgen hier im Vergleich zu Autobahnen weniger schwerwiegend, das heißt, die Zahl der getöteten Verkehrsteilnehmer bezogen auf die Einwohner fällt innerorts niedriger aus.

Bei Fahrradfahrern und Fußgängern große Unterschiede der regionalen Verunglücktenkennziffern

Wird die Regionalbetrachtung noch nach Beteiligungsarten differenziert, zeigt sich vor allem bei den verunglückten Fahrradfahrern eine große Bandbreite der Risikokennziffern. Geht man davon aus, dass die Zahl der Verunglückten eng mit dem Verkehrsaufkommen zusammenhängt, ist zu vermuten, dass in den Kreisen mit einer hohen Verunglücktenzahl sehr viel Fahrrad gefahren wird. Ein relativ ebenes Landschaftsprofil, viele Studenten sowie ein reger Fahrradtourismus in einigen der aufgeführten Kreise sind Gründe, die für diese Vermutung sprechen. Bei den Stadtkreisen kommt noch hinzu, dass die Wege aufgrund der Konzentration von Infrastruktureinrichtungen, Wohnungen, Arbeitsplätzen und Versorgungseinrichtungen relativ kurz sind und sich deshalb das Fahrrad oftmals besser eignet als das Auto.2

Bei den Fußgängern sind die Unterschiede der regionalen Verunglücktenkennziffern nicht ganz so stark ausgeprägt wie bei den Radfahrern, aber dennoch deutlicher als bei den Pkw-Insassen. Wie schon bei den Fahrradfahrern dürften auch hier kurze Wege ausschlaggebend dafür sein, dass mehr zu Fuß gegangen wird und folglich auch mehr Fußgänger verunglücken.

Bisherige Untersuchungen haben gezeigt, dass eine Vielzahl von Faktoren Einfluss auf die Unfallhäufigkeit haben. An erster Stelle steht hier das Verkehrsaufkommen, was wiederum durch zahlreiche Einflussgrößen gesteuert wird. Hier sind beispielsweise die Verkehrsnachfrage mit der Relation Individualverkehr und öffentlicher Nahverkehr, die Kraftfahrzeugdichte und die Siedlungsstruktur zu nennen. Ebenso spielt der Tourismus bzw. der Ausflugsverkehr eine große Rolle, das Pendleraufkommen und nicht zuletzt der Transitverkehr sowohl im Güterverkehrsbereich als auch im Urlaubsverkehr. Auch die unterschiedliche Topografie der Kreise beeinflusst das Unfallgeschehen.

1 Diese Kennziffer erlaubt zum Beispiel auch einen Vergleich mit anderen Krankheits- oder Todesursachen. Sie hat aber den Nachteil, dass nur die orts-ansässige Bevölkerung berücksichtigt wird, das heißt, starker Durchgangs-verkehr oder ein hohes Pendlerauf-kommen verfälschen das Ergebnis. Das Verkehrsaufkommen, das sich maßgeblich auf die Unfallhäufigkeit auswirkt, kann mittels der Verunglücktenrate berücksichtigt werden. Diese bezieht die Zahl der Verunglückten auf die Kraftfahrzeugleistung. Die regionale Analyse der Verunglücktenrate erfolgt in einer späteren Veröffentlichung.

2 Vgl. hierzu: Walker, Michael: Zum Unfallrisiko im Straßenverkehr in Baden-Württemberg – eine regionale Analyse, in: Baden-Württemberg in Wort und Zahl, Heft 3/1999, S. 152-163.