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Deutscher Städte-Vergleich

Eine koordinierte Bürgerbefragung zur Lebensqualität in deutschen und europäischen Städten

Die amtliche Landesstatistik untersucht Sachverhalte und deren Veränderungen – auch für Kommunen. Sie untersucht grundsätzlich aber nicht die subjektiven Meinungen der Bürgerinnen und Bürger zu den festgestellten Sachverhalten und den Veränderungen. Das überlässt sie Demoskopen und in zunehmendem Maße der Kommunalstatistik. Gerade die kommunalstatistischen Ämter und Dienststellen haben auf diesem Untersuchungsfeld einen eindeutigen Vorsprung gegenüber der Landesstatistik. Kommunalstatistiker haben das Ohr näher am Puls der Zeit und des Ortes.

Da in demokratisch orientierten Gesellschaften die kollektiven Meinungen der Bürgerinnen und Bürger1 für Entscheider und Parlamente von großer Bedeutung sein können, haben sich etwa 300 europäische Städte, darunter 40 deutsche, für ein Urban Audit entschieden. Dieses entwickelt sich zu einer europaweiten Datensammlung zur städtischen Lebensqualität. Dazu werden 340 statistische Merkmale aus allen Lebensbereichen auf Gesamtstadtebene erhoben. Teilweise wird die Datensammlung durch Angaben für städtische Regionen und für Stadtteile ergänzt. Einbezogen werden demografische, wirtschaftliche, soziale, kulturelle und umweltspezifische Aspekte. Aufgrund der wachsenden Bedeutung städtebezogener EU-Politik wurde Urban Audit zu einer ständigen Aufgabe im Europäischen Statistischen System erhoben. Die Datenerhebung findet alle 3 Jahre statt2.

Die Städtegemeinschaft Urban Audit und der Verband Deutscher Städtestatistiker haben aufgrund des großen Interesses an vergleichbaren Bürgerumfragen die »Arbeitsgemeinschaft Koordinierte Umfragen zur Lebensqualität« gegründet. Ziel der Arbeitsgemeinschaft ist es, eine städteweit koordinierte Bürgerumfrage mit dem Fragenkatalog der EU durchzuführen. 15 Städte der Arbeitsgemeinschaft beauftragten Ende November 2006 – parallel zur EU-Befragung – das Markt- und Sozialforschungsinstitut IFAK aus Taunusstein mit der Durchführung dieser Telefonumfrage. Deren Ergebnisse liegen nun vor und erste Ergebnisse wurden auf der Statistischen Frühjahrstagung in Gera im März 2007 dem Fachpublikum vorgestellt.

Erstmals ist es nun möglich, die Umfrageergebnisse der deutschen Städte miteinander zu vergleichen. Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit, aus der EU-Befragung Ergebnisse der anderen europäischen Städte gegenüberzustellen.

Insgesamt wurden 23 Fragen zu drei Themenkomplexen gestellt.

  • Im ersten Komplex wurde die Zufriedenheit mit der städtischen Infrastruktur und den kommunalen Dienstleistungen abgefragt. Hierzu zählen zentrale Bereiche wie Verkehr, Schule, Gesundheitswesen oder auch der Freizeitbereich mit Grünflächenangebot, Sportmöglichkeiten, kulturellen Einrichtungen und Internetangeboten.
  • Im zweiten Komplex steht die persönliche Einschätzung der Befragten bezüglich des Arbeitsmarktangebotes, der Wohnungsversorgung und der Umweltproblematik im Vordergrund. Es folgen wichtige Fragen zur Integration von Ausländern, zur bürgernahen Verwaltung und dem verantwortungsvollen Umgang mit öffentlichen Mitteln. Abschließend wird nach der Zufriedenheit in der entsprechenden Stadt und den Zukunftsaussichten gefragt.
  • Im dritten Frageteil stehen Fragen zur eigenen finanziellen Situation und zum Sicherheitsempfinden im Mittelpunkt der persönlichen Bewertung.Eine gemeinsame Auswertung mit den Gesamtergebnissen aller beteiligten Städte der »Arbeitsgemeinschaft Koordinierte Bürgerumfrage zur Lebensqualität« wird zurzeit vorbereitet. Im Folgenden sollen auszugsweise aus jedem Themenkomplex ein oder zwei Beispiele vorgestellt werden.

Insgesamt wurden in den 15 Städten die Meinungen von 10 700 Bürgern erfragt. Schaubild 1 zeigt einen Überblick aller beteiligten Städte über die Zufriedenheit der Befragten in der jeweiligen Stadt zu wohnen. Hier zeigen sich kaum Unterschiede in der Bewertung – durchschnittlich 9 von 10 Befragten leben gern in Ihrer Stadt. Die höchste Zufriedenheit verspüren die Bürger von Freiburg im Breisgau und Konstanz – allerdings nur mit einem sehr geringen Vorsprung.

Bei der Frage allerdings, was die Bürger in den nächsten 5 Jahren erwarten, ergeben sich deutliche Unterschiede für die zukünftige Einschätzung: Ein Drittel der Bewohner geht davon aus, dass es keine positiven Veränderungen geben wird. Knapp die Hälfte glauben eher, dass es angenehmer werden wird und fast 16 % wagen keine Prognose für die nächsten 5 Jahre. Bei den Großstädten über 450 000 Einwohnern beurteilen die Dresdener die zukünftige Entwicklung ihrer Stadt deutlich positiver als die anderen Großstädte. Bei den Städten zwischen 150 000 und 450 000 Einwohnern sind die Erwartungen der Braunschweiger deutlicher optimistischer was die Entwicklung ihrer Stadt anbelangt. In der Größenklasse der Städte unter 150 000 Einwohner sehen die Befragten aus Koblenz mehrheitlich positive Anzeichen für die Entwicklung ihrer Stadt.

Zu den eher als kritisch beurteilten Lebensbedingungen gehört die Beurteilung der Luftverschmutzung in der Stadt. Knapp die Hälfte aller Befragten stimmen zu, dass Luftverschmutzung ein großes Problem in der Stadt ist. Dieses Ergebnis verwundert nicht, verfolgt man die Diskussionen in den Städten über Maßnahmen zur Verringerung der CO2 -Emissionen. Als besonders stark von diesem Problem betroffen fühlen sich die Bewohner in Köln, Frankfurt am Main und insbesondere in Stuttgart. In der Schwabenmetropole sind 3 von 4 Einwohnern mit der Luftsituation unzufrieden . Am günstigsten sehen es die Bremer, Koblenzer und die Bürger der baden-württembergischen Universitätsstädte Heidelberg, Konstanz und Freiburg im Breisgau, dort stellt der Schmutz in der Luft »nur« für ein gutes Drittel eine Beeinträchtigung dar. Letzteres überrascht, da gerade in Universitätsstädten das ökologisch geprägte Klientel stark präsent sein soll.

Als ein Indikator für die Beurteilung des Arbeitsmarktes kann die Frage, ob es leicht ist in der jeweiligen Stadt eine Arbeitsstelle zu finden, herangezogen werden. Dieser Lebensbereich gehört insgesamt zu den als sehr kritisch eingeschätzten Bereichen, denn nur ein knappes Viertel aller Befragten stimmt dieser Aussage zu. Zu einer anderen subjektiven Einschätzung der Arbeitsmarktsituation kommen die Bürger der beiden Großstädte Frankfurt am Main und Stuttgart. Hier gehen knapp die Hälfte der Befragten davon aus, dass es leicht ist in diesen Städten einen Arbeitsplatz zu finden. Wie das Schaubild 4 unschwer erkennen lässt, sind die Probleme am Arbeitsmarkt weniger ein Problem der Größe der Städte als vielmehr Folge der besonderen Wirtschaftstruktur, die man in der jeweiligen Stadt vorfindet. Ein Beispiel für eine sehr vom Strukturwandel betroffene Stadt ist Oberhausen. Mit dem Niedergang der Montanindustrie hat die Stadt insgesamt 45 000 Arbeitsplätze verloren. Ein Phänomen ist Konstanz, obwohl dort die Bürger am liebsten leben und wohl auch bleiben wollen, finden es 4 von 10 Konstanzern schwer, dort einen Arbeitsplatz zu bekommen.

Etwa 2 von 3 Bürgern fühlen sich in den 15 genannten Städten immer oder meistens sicher. Am sichersten fühlen sich die Konstanzer und Freiburger. Auch das könnte einer der Gründe sein, warum sie in ihrer Stadt so gerne leben. Weniger günstig wird die Situation im Rhein-Maingebiet und vor allem in Köln eingeschätzt. Ob die »gefühlte« Sicherheit mit der »tatsächlichen« korrespondiert, lässt sich aus der Befragung selbst nicht beantworten, aber eines dürfte in jedem Fall stimmen, wer sich sicherer fühlt, der ist mit seinem Umfeld auch zufriedener.

Der kurze Einblick in die Befragungsergebnisse macht schon deutlich, dass subjektives Empfinden und objektive Sachverhalte nicht übereinstimmen müssen. So ist zum Beispiel die Arbeitslosenquote in Frankfurt am Main höher als in Freiburg im Breisgau, gleichwohl meint nur jeder zehnte Frankfurter, dass es in seiner Stadt sehr schwer ist einen Arbeitsplatz zu finden und in Freiburg im Breisgau dagegen jeder Fünfte.

1 Im Folgenden wird für alle Gesamtheiten die maskuline Form verwendet.

2 Diese Datenerhebung wird seit 2004 um eine Bürgerbefragung in ausgewählten Städten, darunter 7 deutsche (München, Berlin, Hamburg, Essen, Dortmund, Frankfurt (Oder), Leipzig), ergänzt. Dadurch wird es möglich die quantitativen Daten den subjektiven Angaben der Bürgerinnen und Bürger gegenüberzustellen. Aufgrund begrenzter finanzieller Mittel sind nicht alle Urban Audit Städte in die Befragung einbezogen.