:: 3/2008

In Baden-Württemberg nur jedes 11. Kind auf »Sozialgeld« nach SGB II angewiesen, bundesweit jedes 6. Kind

Im Juni 2007 lebten bundesweit 1,9 Mill. Kinder unter 15 Jahren in Haushalten von »Hartz-IV-Empfängern«. Das entspricht einer Quote von gut 16 %. Dabei lassen sich zwei grundlegende Regionalstrukturen feststellen: Die Kinderarmut ist im Osten Deutschlands deutlich stärker ausgeprägt als im Süden und Südwesten. Die kreisfreien Städte bzw. Stadtkreise weisen höhere Kinderarmutsquoten auf als die Landkreise.

In Baden-Württemberg gab es nach Informationen der Bundesagentur für Arbeit im Juni 2007 insgesamt 147 073 Kinder unter 15 Jahren, die als »nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige« im Haushalt von Empfängern von Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende lebten. Dieser Personenkreis – Kinder im Haushalt von »Hartz-IV-Empfängern« – bezieht das sogenannte »Sozialgeld« nach SGB II. Er ist deutlich größer als der entsprechende Personenkreis, der Sozialhilfe bezieht, denn Ende 2006 gab es in Baden-Württemberg nur 868 Sozialhilfebezieher (HLU-Leistungen) im Alter von unter 15 Jahren.1 Damit sind infolge der Arbeitsmarktreformen, deren wichtigster Bestandteil sicherlich die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für erwerbsfähige Hilfebedürftige war, die Daten der Bundesagentur für Arbeit der derzeit bestgeeignete Indikator für die Abbildung der regionalen Struktur der Kinderarmut.

In Deutschland waren im Juni 2007 1 900 180 Kinder unter 15 Jahren »Hilfebedürftige« im Sinne von SGB II. Das bedeutete bundesweit – trotz der verbesserten Arbeitsmarktdaten – eine leichte Zunahme um 0,54 % und entsprach einem Anteil von 16,3 % an der gleichaltrigen Gesamtbevölkerung.2 In Baden-Württemberg nahm die Zahl der hilfebedürftigen Kinder vom Juni 2006 bis Juni 2007 um 1,9 % ab. Damit lag die »Armutsquote« der Kinder unter 15 Jahren in Baden-Württemberg bei 8,9 %. Jedes 11. Kind ist damit auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen; im Bundesdurchschnitt war es jedes 6. Kind.

Der Begriff »Armutsquote« und »Kinderarmut« wird hier bewusst in einem etwas plakativen Sinn gebraucht, weil er kürzer, knapper und weniger bürokratisch ist als »Empfängerquote von Leistungen von SGB II«. Man muss aber deutlich darauf hinweisen, dass es sich hier um Kinder handelt, die – aufgrund der Lebensumstände ihrer Eltern – in Armut leben würden, gäbe es die SGB-II-Leistungen nicht. Es handelt sich hier also um Informationen über die öffentlich-behördlich wahrgenommene und bekämpfte Armut.

Ost-West- und Nord-Süd-Gefälle der Kinderarmut in Deutschland

Das thematische Schaubild zeigt die regionalen Grundstrukturen der so definierten Kinderarmut für alle kreisfreien Städte und Landkreise in Deutschland. Die regionalen Quoten reichen von einem Minimum von 2,7 (Landkreis Eichstätt, Bayern) bis zu einem Maximum von 43,7 % (Stadt Görlitz, Sachsen). Der Landkreis (LK) Eichstätt liegt weit im Süden der Republik etwas nördlich von Ingolstadt und Görlitz ist die östlichste Stadt Deutschlands an der polnischen Grenze. Zwei regionale Grundstrukturen zeigen sich schon an diesen beiden Extremwerten exemplarisch: Ganz allgemein sind die Quoten der Kinderarmut im Süden Deutschlands eher niedrig (Bayern 8,0 %, Baden-Württemberg 8,9 %) und im Osten sowie in Großstädten eher hoch: Berlin – »arm, aber sexy« – weist eine Quote von 37,5 % auf, Sachsen-Anhalt eine von 32,4 % und Hamburg eine von 32,5 %. Im prosperierenden Hamburg ist damit fast jedes 3. Kind auf SGB-II-Leistungen angewiesen – es gibt also breite Bevölkerungsschichten, die am derzeitigen Konjunkturaufschwung noch nicht wirklich partizipieren.

Das Schaubild teilt die 439 Landkreise und kreisfreien Städte Deutschlands – im folgenden »Kreise« – in 7 Kategorien ein. Die günstigste Kategorie, in der sich 92 Kreise mit Quoten unter 8,0 % befinden, ist dunkelblau eingefärbt, die ungünstigste Kategorie mit 39 Kreisen über 33,0 % ist dunkelrot eingefärbt. 92 Kreise weisen vergleichsweise günstige Quoten zwischen 8,0 und 13,0 % auf (hellblau) und 82 Kreise haben Quoten zwischen 13,0 und 18,0 % und liegen damit im Bundesdurchschnitt von 16,3 % (hellgelb). Alle anderen Kreise liegen mehr oder weniger deutlich über dem Bundesdurchschnitt, wobei die 55 gelb kartierten Kreise mit Quoten zwischen 18,0 und 23,0 % nur relativ leicht über dem Bundesdurchschnitt liegen. Alle in drei verschiedenen Rot-Schattierungen dargestellten Kreise weisen im Bundesvergleich hohe bis sehr hohe Werte auf.

Die Kreise mit sehr niedrigen Quoten der Kinderarmut liegen überwiegend im Süden der Republik, vor allem in Bayern und Baden-Württemberg; die Kreise, in denen jedes 3. Kind auf SGB-II-Leistungen angewiesen ist, liegen ganz überwiegend im Osten Deutschlands. Auffällig sind vor allem großflächige Gebiete zwischen Magdeburg und Gera sowie im Nordosten vom LK Güstrow bis zur Uckermark. Nur zwei Städte aus den westlichen Ländern, nämlich Offenbach am Main (34,8 %) und vor allem Niedersachsens Nachbarstadt Bremerhaven (40,1 %) liegen in dieser Kategorie. Dieses Nord-Süd- und Ost-West-Gefälle stellt die dominierende Regionalstruktur der Kinderarmut dar. Es gibt nur 3 Landkreise aus dem Osten Deutschlands, die unter dem bundesdeutschen Mittelwert von 16,3 % liegen. Die sind die thüringischen LK Hildburghausen (15,1 %) und das Eichsfeld (14,5 %) und vor allem der LK Potsdam-Mittelmark mit 14,0 %.

Im Westen Deutschlands liegen umgekehrt nur kreisfreie Städte und kein einziger »normaler« Landkreis3 in einer der drei höchsten Kategorien mit Kinderarmutsquoten von 23 % und mehr. Dies zeigt die zweite Regionalstruktur: die Kinderarmut ist besonders stark in den Städten und deutlich weniger auf dem Lande ausgeprägt. Das liegt daran, dass vielfach die Städte immer noch an den Folgen des wirtschaftlichen Strukturwandels mit seinem Abbau von Industriearbeitsplätzen laborieren und, dass hier außerdem aus verschiedenen Gründen benachteiligte Bevölkerungsgruppen, vor allem Migranten und Alleinerziehende, stark vertreten sind.

Baden-Württemberg: Kinderarmut streut von 4,3 bis 22,6 %

Innerhalb Baden-Württembergs reicht die Spannweite der Kinderarmutsquoten von 4,3 % im Enzkreis und im Kreis Biberach bis zu einem Maximum von 22,6 % im Stadtkreis Mannheim. Auch wenn das Land bundesweit eine erfreulich niedrige Quote aufweist, lässt sich doch auch hier die oben erwähnte Stadt-Land-Struktur feststellen: Außer Mannheim liegen auch die Stadtkreise Pforzheim (17,8 %) und Freiburg im Breisgau (17,3 %) über dem Bundesdurchschnitt von 16,3 %. Alle übrigen Kreise und Stadtkreise des Landes liegen unter dem Bundesdurchschnitt, wobei die Stadtkreise wie zum Beispiel die Landeshauptstadt Stuttgart (15,4 %), Karlsruhe (15,7 %) und Heilbronn (15,9 %) meist deutlich über dem Landesdurchschnitt von 8,9 % liegen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass sogar in Baden-Baden eine Kinderarmutsquote von 13,8 % auftritt. Die soziale Spaltung der Gesellschaft macht also auch vor schon traditionell reichen Städten nicht halt.

1 Datenquelle: Sozialhilfestatistik Baden-Württemberg.

2 Alle absoluten Zahlen basieren auf Daten der Bundesagentur für Arbeit, die diese in ihrem ausführlichen Internetprogramm publiziert hat. Die Bundesagentur merkt dazu unter anderem methodisch an: »Die aus dem Verfahren A2LL gewonnen Detail-/Strukturdaten beziehen sich auf die bis zum 8. September 2007 im DV-Verfahren erfassten Leistungsfälle (Bedarfsgemeinschaften mit bewilligten Ansprüchen). Berücksichtigt wurden dabei ausschließlich Leistungsfälle, die zum Stichtag 14. Juni 2007 bewilligt (angeordnet) waren und am Stichtag keinen Ausschlussgrund/Beendigungsgrund hatten.« Die Berechnung auf die entsprechende Bevölkerungsgruppe der unter 15-jährigen Kinder basiert demgegenüber auf Daten der amtlichen Statistik zum Stichtag 31. Dezember 2005; aktuellere Daten liegen derzeit zwar für Niedersachsen, aber noch nicht bundesweit vor.

3 Ausnahme: der Stadtverband Saarbrücken mit 24,5 %, der aber sehr deutlich von der Landeshauptstadt Saarbrücken geprägt ist.