:: 3/2008

Frühe Preisstatistiken in Wertheim

Topografisch liegt Wertheim zentral als nördlichste Stadt im Dreiländereck Bayern, Hessen und Baden-Württemberg mit Anbindung an die Ost-West-Verkehrsachse. Die ehemalige Residenzstadt der Grafen von Wertheim bietet nicht nur touristische Highlights mit mittelalterlichen Gassen, Fachwerkhäusern und der Burgruine Wertheim, sondern hat auch den Charakter einer altfränkischen Kleinstadt. In Wertheim gibt es ein Grafschaftsmuseum sowie ein Glasmuseum. Die spätgotische Kilianskapelle gilt als eine der schönsten gotischen Kapellen Deutschlands. Beeindruckend ist auch der Ausblick von der alten Burg Wertheim auf die Ausläufer von Spessart und Odenwald und den Zusammenlauf von Main und Tauber. In Wertheim finden sich aber auch besonders viele Zeugnisse früher Preisstatistiken in Form von Hausinschriften, die in ihrer Einzigartigkeit etwas näher dargestellt werden.

Das Aufblühen der Städte, welches den Anlass zur Entstehung von Märkten gab, erfolgte in Deutschland im 12. und 13. Jahrhundert. In dieser Epoche fing die engere und weitere Umgebung der Städte an, landwirtschaftlich produzierte Überschüsse an das Zentrum abzugeben. Just in diese Zeit fiel auch die Verleihung der Stadtrechte an Wertheim und somit der wirtschaftliche Aufschwung der Stadt.

Wertheim blickt heute bereits auf eine 1 400-jährige Geschichte zurück, vor genau 700 Jahren, nämlich 1306 wurde Wertheim zur Stadt erhoben.

Epigrafen (Inschriften) kann man in Wertheim an vielen alten Bauwerken wie auch an den Gesimsen der Fachwerkhäuser und an Torbögen als Zeichen aus den vergangenen Jahrhunderten finden. Sie sind ein Ausdruck des erstarkten Bürgerstolzes der städteständischen Gesellschaft, die gegenüber den alten Feudalherren zunehmend an Selbstbewusstsein gewann. An Wertheimer Inschriften lässt sich dieser Wandel auch durch die Tatsache nachvollziehen, dass ein Sprachwechsel stattfand. Sehr frühe Inschriften sind durchweg in lateinischer Sprache verfasst, wohingegen die Inschriften ab dem 15. Jahrhundert fast alle in deutscher Sprache gehalten sind. Diverse Inschriften geben Auskunft über die Grundsteinlegung, Namen von Bauherren und Steinmetzen, beinhaltet sind auch Angaben zu Baubeginn und Bauvollendung und nicht zuletzt haben viele Inschriften auch einen religiösen Ursprung.

Etwas ganz Besonderes in Wertheim sind aber die Angaben zu Preisen von Wein und Korn. Diese Art der Aufzeichnungen war im 16. Jahrhundert in Wertheim sehr verbreitet. Nicht nur an den späteren Häusern der Bürger, welche durch Frucht- und Weinhandel reich wurden finden sich diese Inschriften. Auch an öffentlichen Bauten wie zum Beispiel dem Engelbrunnen, an kirchlichen Bauten wie der Kilianskapelle, der Marienkapelle und der Stiftskirche sind Preise eingehauen worden. Diese Inschriften machen auf anschauliche Weise klar, mit welcher Selbstverständlichkeit zu jener Zeit die Kirche ein Mittelpunkt des Lebens war. Überdies macht uns dies deutlich, welche große Rolle der Weinbau und -handel in der damaligen Zeit gespielt hat.

Die verschiedenen Preisangaben sollen hier als Übersicht1 in chronologischer Reihenfolge dargestellt werden:

  • 1388 das Fuder2 Wein 1 Gulden und das Malter3 Korn ½ Gulden,
  • 1447 das Fuder Wein 20 Gulden und das Malter Korn 1 Gulden,
  • 1472 das Fuder Wein 20 Gulden und das Malter Korn ½ Gulden,
  • 1558 das Fuder Wein 31 Gulden und das Malter Korn 1 Gulden,
  • 1573 das Fuder Wein 50 Gulden und das Malter Korn 5 Gulden,
  • 1574 das Fuder Wein 68 Gulden und das Malter Korn 6 Gulden,
  • 1575 das Fuder Wein 60 Gulden und das Malter Korn 6 Gulden,
  • 1577 das Fuder Wein 50 Gulden und das Malter Korn 2 Gulden,
  • 1589 das Fuder Wein 111 Gulden und das Malter Korn 4 ½ Gulden.

Die einzigartige Stellung unter den Landwirtschaftserzeugnissen, die seit jeher der Wein einnimmt, lässt sich durch die Wertheimer Inschriften gut belegen. Wein war im Mittelalter wegen des noch geringen Standes der Verarbeitung nur sehr geringen Preisschwankungen unterworfen. Immerhin sind die Faktoren der Preisbestimmung beim Wein besondersartige, weil er in Wertheim wohl lange Zeit als bodenständiges Produkt galt. Erst als im 16. Jahrhundert der Weinbau in Wertheim zum Haupterwerbszweig wurde, steigt der Preis für ein Fuder Wein auf 111 Gulden. Der Grund hierfür liegt wohl in der Tatsache, dass Wein als Handelsgut exportiert wurde und somit in nicht mehr genügender Menge zu niedrigen Preisen für den innerstädtischen Markt zur Verfügung stand.

In Wertheim kam wie in Städten vergleichbarer Größenordnung im Verlauf des 13. Jahrhunderts ein lokal bestimmtes städtisches Marktgebiet zustande, in dem der Getreidepreis zu einem beachteten Faktor wurde. Die Getreidepreise wurden fast ausschließlich durch die Verhältnisse im lokalen Marktgebiet bestimmt, weil Getreidetransporte auf weitere Entfernungen mangels technischer Einrichtungen und fehlender geeigneter kaufmännischer Organisationen nicht erfolgten. Es ist daher kein Wunder, dass der Getreidepreis wesentlich stärkeren Preisschwankungen unterlag, weil Misserntejahre mit der Folge drohender Hungersnot genauso wie reiche Erntejahre mit Getreideüberfluss maßgeblichen Einfluss auf die Preisgestaltung hatten.

Alles in allem bieten die Wertheimer Inschriften noch genügend Betätigungsfelder für Lokal- und Wirtschaftshistoriker und wohl auch noch Stoff für einige Diplomarbeiten und Dissertationen für Studenten der Wirtschaftsgeschichte.

1 Vgl. Cucuel, Ernst/Eckert, Hermann: Die Inschriften des badischen Main- und Taubergrundes. Stuttgart 1942, S. 6.

2 1 Fuder = 6 Ohm ≈ 800 bis 1 840 Liter (je nach Region Zeit und Ware; meist für Wein verwendet).

3 Altes Getreidemaß; 1 Malter = 12 Scheffel. 1 bayrischer Scheffel = 222,357 Liter; 1 württembergischer Scheffel = 103,985 Liter, 1 preußischer Scheffel = 54,962 Liter.