:: 3/2008

Unfälle mit Wasser gefährdenden Stoffen – Ursachen und Entwicklung

Viele Stoffe, die in unterschiedlichen Bereichen des täglichen Lebens Anwendung finden, können, wenn sie ungewollt in die Umwelt gelangen, große Gefahren für Gewässer und Natur darstellen. Wasser gefährdende Stoffe finden sich zum Beispiel in Reinigungs-, Dünge- und Insektenbekämpfungsmitteln, Batterien, Arzneimitteln, Kraftstoffen und Ähnlichem. Auf den Zustand von Oberflächengewässern kann die Anwesenheit solcher Stoffe vielfältige negative Wirkungen haben, zum Beispiel kann sie Artensterben in und um die Gewässer verursachen. Sogar die Nutzbarkeit der Gewässer für den Menschen zur Trink- und Brauchwasserversorgung kann längerfristig eingeschränkt werden.

Wasser gefährdende Stoffe gelangen vor allem durch Unfälle in Lageranlagen sowie durch Unfälle im Straßenverkehr in die Umwelt. Pro Jahr werden in Baden-Württemberg zwischen 400 und 600 Unfälle registriert. Hinzu kommen jährlich rund 100 Fälle, in denen nicht gemeldete Schadensfälle entdeckt werden. Von einem Rückgang der Gefährdung kann bislang nicht gesprochen werden. Vor allem die jährliche Belastung durch Mineralölprodukte ist nahezu gleichbleibend.

Mineralöleinträge werden nur langsam reduziert

Im Jahr 2006 wurden im Land 170 Unfälle in Anlagen zum Umgang mit Wasser gefährdenden Stoffen registriert. Hinzu kamen 258 Unfälle bei Transporten, meist Unfälle von Pkw oder Lkw, bei denen Betriebsstofftanks beschädigt und dadurch meist kleinere Kraftstoffmengen freigesetzt wurden. Die Zahl der Unfälle lag damit 2006 sowohl beim Umgang als auch beim Transport unter dem Mittel der letzten 10 Jahre. Bei mehr als 90 % aller Unfälle handelte es sich bei den freigesetzten Schadstoffen um Mineralöle oder Mineralölprodukte, wie leichtes Heizöl, Kraftstoffe sowie Motor-, Getriebe- und Hydrauliköl, die bereits in kleineren Mengen spürbare Wirkungen auf Natur und Mensch haben können. So lief 2006 erneut eine Menge von mehr als 100 000 Litern an Mineralölen/-produkten aus. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass 1 Liter Mineralöl 1 Mill. Liter Wasser verunreinigen kann. Gelangen 100 000 Liter Öl ins Wasser, könnten also im schlimmsten Fall 100 Mrd. Liter Wasser langfristig verunreinigt werden, das entspräche der Menge, die die baden-württembergischen Haushalte im Durchschnitt in drei Monaten verbrauchen.

In den 10 Jahren von 1997 bis 2006 wurden insgesamt gut 1,7 Mill. Liter Mineralöle und Mineralölprodukte bei Unfällen freigesetzt. Wenngleich die Menge in den Jahren 2004, 2005 und 2006 jeweils unter dem Durchschnitt lag, ist bei durchaus erheblichen jährlichen Schwankungen eine abnehmende Tendenz in den letzten 10 Jahren nur schwer erkennbar. Zurückzuführen ist diese beobachtbare Abnahme der letzten Jahre ausschließlich auf den Teil der Unfälle, die in Anlagen zum Umgang mit den Stoffen stattgefunden hat.

Im Jahr 2006 konnten 75 % der ausgelaufenen Mineralöle wiedergewonnen1 werden, vorwiegend durch Ausheben des verunreinigten Bodens. Außerdem wurden bei den meisten Unfällen mit Mineralölen Sofortmaßnahmen, wie zum Beispiel das Aufbringen von Bindemitteln, ergriffen, die eine weitere Verbreitung der Schadstoffe und ein Eindringen in Gewässer verhindern sollen. Trotz dieser Anstrengungen zur Verhinderung von Umweltschäden, wurden 2006 in über 60 % der Unfälle mit Mineralölen die Böden verunreinigt, in knapp 30 % der Fälle kam es zu Verschmutzungen des Kanalnetzes bzw. von Kläranlagen, in rund 20 % zur Verschmutzung von Oberflächengewässern und vereinzelt auch zur Verschmutzung des Grundwassers sowie zu Bränden.

Nur ein Viertel der Unfälle ist auf Materialursachen zurückzuführen

Deutlicher als die Menge an ausgelaufenen Mineralölen ist 2006 die Anzahl der gemeldeten Unfälle zurückgegangen. Die Tatsache, dass die freigesetzte Schadstoffmenge aber nur wenig abgenommen hat, führt zur Annahme, dass sehr kleine Unfälle in den letzten Jahren eher nicht gemeldet worden sind.

Wichtigste Voraussetzung, um eine erfolgreiche Schadensbekämpfung zu betreiben und vor allem um Schadensfälle von vornherein zu verhindern, ist die Kenntnis der Unfallursachen. Innerhalb der letzten 10 Jahre war bei der Mehrzahl der Fälle menschliches Fehlverhalten für die entstandene Gefährdung der Umwelt verantwortlich. In den letzten Jahren wurden rund 60 % aller Transportunfälle durch menschliches Verhalten verursacht. Dieser hohe Anteil konnte ebenso wie die Zahl der Transportunfälle über die Jahre nicht reduziert werden. Im Gegensatz dazu ist im Bereich des Umgangs mit Mineralölen in Anlagen eine Abnahme der durch den Menschen verursachten Unfälle innerhalb der letzten Jahre deutlich erkennbar (in den letzten 3 Jahren lag deren Anteil bei durchschnittlich knapp 30 %). Dadurch erhöht sich der Anteil der Unfälle, bei denen Materialursachen wie Korrosion oder Alterung von Anlagenteilen, Versagen von Schutzeinrichtungen oder andere Materialursachen als Hauptgründe für den Unfall angegeben werden (gut 40 %). In immerhin 30 % der Fälle wurden sonstige Ursachen angegeben bzw. war die Ursache unbekannt.

Problem: Schadensfälle unbekannten Hergangs

Zusätzlich zu den im Jahr 2006 registrierten 428 Unfällen bei Umgang und Beförderung mit Wasser gefährdenden Stoffen wurden von den unteren Verwaltungsbehörden 101 Schadensereignisse unbekannten Hergangs gemeldet. In den meisten Fällen wurden Verunreinigungen von Gewässern (knapp 80 % der Fälle), der Kanalisation oder des Bodens festgestellt, bei denen weder der Verursacher noch die Schadstoffquelle, die Unfallursache oder die Menge des freigesetzten Schadstoffes festgestellt werden konnten. Bei knapp 60 % der entdeckten Verunreinigungen handelte es sich auch hier um Mineralölprodukte. Nicht selten sind diese Gewässergefährdungen die Folge von Straftaten wie beispielsweise der illegalen Entsorgung durch vorsätzliches Ablassen von Schadstoffen. Da solche Verschmutzungen meist recht spät entdeckt werden, sind oft Schäden entstanden, die durch Gegenmaßnahmen bestenfalls begrenzt werden können. Es ist anzunehmen, dass nur bedeutende Schadensfälle ungeklärter Ursache entdeckt werden. Die Menge der bei in solchen Fällen freigesetzten Schadstoffe ist daher überdurchschnittlich hoch einzuschätzen. Seit Beginn der Datenerhebung 1988 wurden jährlich zwischen 79 und 200 ungeklärte Schadensereignisse gemeldet. Eine abnehmende Tendenz ist bislang nicht zu erkennen. Welchen Schaden diese Unfälle anrichteten, bleibt unbekannt.

Belastung durch sonstige Stoffe 2006 unter dem Durchschnitt

Neben den Unfällen, bei denen Mineralöle oder Mineralölprodukte ausliefen, wurden 2006 weitere 40 Unfälle mit sonstigen Wasser gefährdenden Stoffen registriert. In 15 dieser Fälle wurden große Mengen an Gülle, Jauche oder Silagesickersaft freigesetzt (insgesamt 520 000 Liter). Diese Stoffgruppe ist in erheblichem Ausmaß für die Überdüngung von Böden und Gewässern und damit direkt für das Artensterben und indirekt für weitere Umweltbelastungen wie zum Beispiel Emissionen von Luftschadstoffen verantwortlich. Erstmalig konnten gut drei Viertel dieser Menge durch Maßnahmen wie Ausheben des verunreinigten Bodenmaterials wiedergewonnen werden. Somit lag die letztlich in die Umwelt gelangte Menge 2006 mit rund 120 000 Litern deutlich unter den Mengen der Vorjahre. Offenbar ist das Umweltschädlichkeitspotenzial dieser Stoffe stärker ins Bewusstsein gerückt. Bei den meisten dieser Unfälle wurden Böden sowie Oberflächengewässer verunreinigt, in drei Fällen ging damit ein Fischsterben einher, bei zwei Fällen war sogar die Verunreinigung des Grundwassers die Folge.

Bei 25 Schadensfällen wurden zusammen rund 22 000 Liter an sonstigen Wasser gefährdenden Stoffen – zum Beispiel Lösungs- und Reinigungs-mittel, Farben sowie verschiedenste Chemikalien – in die Umwelt abgegeben. Sowohl die Anzahl der Unfälle als auch die freigesetzte Menge liegen unter dem 10-Jahres-Durchschnitt. Auch hier wurden offenbar erhöhte Anstrengungen zur Wiedergewinnung unternommen. Von den ausgelaufenen 22 000 Litern gelangten nur 4 000 letztlich in die Umwelt. Wie bei der Gülle lag damit auch die Belastung der Umwelt mit sonstigen Stoffen 2006 merklich unter dem Durchschnitt. Jedoch bei immerhin zwei Unfällen wurde eine Verunreinigung eines Oberflächengewässers mit Fischsterben registriert.

Sämtliche Unfälle mit Wasser gefährdenden Stoffen bergen ein beträchtliches Gefahrenpotenzial insbesondere für Oberflächengewässer und das Grundwasser. Manche Beeinträchtigungen der Gewässerfunktionen werden oft erst mittel- bis längerfristig erkannt. Deshalb haben diese durch Unfälle verursachten Verunreinigungen nicht allein wasserwirtschaftliche Relevanz. Auch im Sinne einer dauerhaften Sicherung der Wasservorkommen als Bestandteil des Naturhaushaltes kommt der Beobachtung dieser Schadensfälle eine besondere Bedeutung zu.

1 Der Begriff »wiedergewonnen« meint in diesem Zusammenhang, dass der Schadstoff aus der Umwelt wieder entnommen werden konnte und deshalb kein Risiko für das angrenzende Gebiet darstellt. Das heißt nicht, dass die ausgelaufene Substanz dem Verwendungsprozess wieder zugeführt werden kann.