:: 3/2008

Klärgasgewinnung und Energieerzeugung aus Klärgas

Ein Viertel der Kläranlagen Baden-Württembergs gewinnt bei der Klärschlammbehandlung Klärgas. Während die Anzahl dieser Klärwerke in den letzten 10 Jahren relativ stabil blieb, stieg die Zahl der Kläranlagen mit eigener Stromerzeugung deutlich. Dabei wird das Klärgas mehrheitlich am Standort der Kläranlage zur Energieerzeugung eingesetzt und die erzeugte Energie überwiegend selbst verbraucht. Die erzeugte Strommenge stieg seit 1998 in Baden-Württemberg stärker als in Deutschland insgesamt. Im Ortenaukreis befinden sich die meisten Kläranlagen mit Klärgasgewinnung und Stromerzeugung im Land.

Wenn in Baden-Württemberg von erneuerbaren Energien die Rede ist, denken viele zunächst an die Wasserkraft, die bei der Stromerzeugung mit 60 % den größten Anteil an den erneuerbaren Energien stellt. Auch die Sonnen- und Windkraftenergie haben in der Öffentlichkeit einen relativ hohen Bekanntheitsgrad. Weniger präsent ist hingegen die Strom- und Wärmeerzeugung aus Klärgas, welche überwiegend in den Kläranlagen selbst erfolgt.

In Kläranlagen fällt im Abwasserreinigungsprozess Schlamm an. Wird die Behandlung dieses Rohschlamms unter Ausschluss von Sauerstoff (sogenannte anaerobe Stabilisierung) vorgenommen1, entsteht in den Faulbehältern Klärgas. Es enthält als energetisch wichtigste Komponente das Methangas, außerdem Kohlendioxid, Wasserstoff und einige Spurengase. Der Methangasanteil liegt in den baden-württembergischen Kläranlagen im Mittel bei 65 %. Für die Energieerzeugung kann es zum Beispiel in Heizwerken oder Blockheizkraftwerken eingesetzt werden. Aufgrund des hohen Methangehaltes ist Klärgas besonders klima-schädlich und darf nicht in die Atmosphäre entlassen werden. Wenn keine Möglichkeit zur Abgabe oder einer eigenen energetischen Nutzung besteht wird es daher als Abfallprodukt abgefackelt.

In Baden-Württemberg gibt es mehr als 1 100 Kläranlagen. In 273 Anlagen (24 %) entsteht bei dem Abwasserreinigungsverfahren Klärgas. Im Jahr 2006 wurden rund 103,3 Mill. Kubikmeter (Mill. m3) Klärgas gewonnen.2 Für Energiezwecke wurden in den Kläranlagen selbst 89,8 Mill. m3 Gas eingesetzt. Weitere 7,0 Mill. m3 Klärgas wurden an Elektrizitätsversorgungsunternehmen abgegeben. Aufgrund der Strom- und Wärmebedarfsstruktur von Kläranlagen bietet sich der Einsatz von Blockheizkraftwerken an, in denen mittels der Kraft-Wärme-Kopplung gleichzeitig Strom und Wärme erzeugt wird. Dementsprechend setzt die Mehrzahl der Kläranlagen das Gas zur Strom- und Wärmeerzeugung ein. In 74 Klärwerken werden Heizwerke betrieben mit denen ausschließlich Wärme erzeugt wird. Dies sind mehr als ein Viertel der Kläranlagen mit Klärgasgewinnung.

Die erzeugte Wärme bzw. die Abwärme der Stromerzeugung wird vor allem für die Faulanlage sowie für die Beheizung der Büro- und Betriebsgebäude genutzt. Auch der Strom wird überwiegend (87 %) in den Kläranlagen selbst verbraucht. Dabei wurde der Strom in 143 Klärwerken vollständig für den Eigenverbrauch eingesetzt. In weiteren 34 Anlagen wurde der Strom zwar zum größten Teil (93 %) für den eigenen Bedarf erzeugt, aber auch an Energieversorgungsunternehmen abgegeben. Die restlichen 15 Klärwerke verbrauchten den erzeugten Strom nicht selbst, sondern speisten diesen komplett in das Elektrizitätsnetz der allgemeinen Versorgung ein. Nach dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) gibt es auch für Klärgas eine Einspeisevergütung.3

Klärgas wird in Kläranlagen zunehmend energetisch genutzt

Der Anteil von Strom aus Klärgas an der Bruttostromerzeugung aus erneuerbaren Energien in Baden-Württemberg betrug 2006 rund 1,5 %. Damit hat Klärgas zwar ein geringes Gewicht an den erneuerbaren Energien, doch nimmt die erzeugte Strommenge stetig zu. Allein in den letzten 5 Jahren stieg sie um 39 %.4

Hauptursache für die zunehmenden Strommengen aus Klärgas ist die verstärkte energetische Nutzung des anfallenden Klärgases in den Kläranlagen. Vor 10 Jahren wurde in 118 von 269 Klärwerken mit Klärgasgewinnung Strom erzeugt. Seither kamen nur vier weitere Anlagen mit Klärgasgewinnung hinzu, während die Zahl der Kläranlagen mit eigener Stromerzeugung kontinuierlich auf 192 Anlagen im Jahr 2006 zunahm. Dies sind 64 % mehr als vor 10 Jahren.

In den Stromerzeugungsanlagen der Klärwerke Baden-Württembergs wurden im Jahr 2006 insgesamt 118,4 Mill. Kilowattstunden (Mill. kWh) Strom aus Klärgas erzeugt. Dies waren 54 % mehr als 19985 und 6 % mehr als im Vorjahr. In Deutschland liegen diese Veränderungsraten mit 48 % bzw. 5 % etwas niedriger. Wie bereits in der Vergangenheit wird auch zukünftig der Einsatz neuer Technologien mit besseren Wirkungsgraden zu höheren Strommengen beitragen. Beispielhaft hierfür ist der Einsatz der Brennstoffzelle. Modellcharakter hat das Projekt im städtischen Klärwerk Stuttgart-Möhringen, in dem am 13. November 2007 die erste klärgasbetriebene Brennstoffzelle in Baden-Württemberg in Betrieb genommen wurde. Es wird erwartet, dass künftig 70 bis 80 % des Strombedarfs der Kläranlage mit der neuen Brennstoffzelle gedeckt werden können. Mit dem bisherigen Blockheizkraftwerk waren es nur 40 %.6

Klärgasgewinnung im Ortenaukreis am häufigsten zu finden

Mittels einer Sonderaufbereitung der Statistik über »Gewinnung, Verwendung und Abgabe von Klärgas« wurde nun erstmals auch die regionale Verteilung der Kläranlagen mit Klärgasgewinnung und eigener Stromerzeugung ermittelt. Dabei ist zu beachten, dass der Standort der Kläranlage in Bezug auf die Kreiszuordnung nicht unbedingt identisch mit dem Versorgungsgebiet sein muss. So erklärt sich zum Beispiel, dass für einige Stadtkreise keine Kläranlagen aufgeführt sind. Eine Klärgasgewinnung setzt einige Investitionen, zum Beispiel für den Faulbehälter, voraus. Insbesondere bei kleineren Kläranlagen stellt sich damit das Problem der Finanzierung und Wirtschaftlichkeit einer Faulanlage. Kleine Kläranlagen sind vor allem in ländlichen Gebieten verbreitet. Im Durchschnitt sind dort weniger als 4 000 Einwohner an eine Kläranlage angeschlossen. In Verdichtungsräumen kommen auf eine Kläranlage durchschnittlich knapp 26 000 angeschlossene Einwohner.7

Die meisten Kläranlagen mit Klärgasgewinnung befinden sich im Ortenaukreis. Jede der 18 Anlagen verfügt über eine Stromerzeugungsanlage. An zweiter Position stehen der Landkreis Ludwigsburg und der Rems-Murr-Kreis. Hier gibt es jeweils 15 Klärwerke mit Klärgasgewinnung. Die Stromerzeugung aus Klärgas erfolgt im Landkreis Ludwigsburg häufiger (12 Anlagen) als im Rems-Murr-Kreis (8 Anlagen). Generell kann von der Zahl der Anlagen nicht auf die erzeugte Strommenge geschlossen werden. Diese ist abhängig von der anfallenden Menge Klärgas sowie dem Wirkungsgrad und der Größe der Stromerzeugungsanlage. Im Jahr 2006 wurde in Baden-Württemberg aus einem Kubikmeter Klärgas durchschnittlich 1,8 kWh Strom erzeugt. Die Kläranlagen im Ortenaukreis stellten mit 10,1 Mill. kWh etwa 8 % der Gesamtstromerzeugung in Kläranlagen des Landes.

1 Daneben gibt es zum Beispiel auch aerobe (das heißt unter Anwesenheit von Sauerstoff) oder chemische Schlammstabilisierungsverfahren.

2 Alle Kubikangaben im Beitrag beziehen sich auf das Rohgas. Rohgas ist Gas, das noch nicht für die weitere Verwendung aufbereitet wurde.

3 Nach dem EEG besteht für Netzbetreiber die Pflicht, Strom aus erneuerbaren Energien aufzunehmen und diesen nach gesetzlich festgelegten Sätzen zu vergüten (§ 4 bis § 12 EEG).

4 Einschließlich der Stromerzeugung aus Klärgas durch Elektrizitätsversorgungsunternehmen.

5 Die erzeugte Strommenge wird bei den Kläranlagenbetreibern erst seit 1998 erhoben, sodass frühere Daten nicht verfügbar sind.

6 Erste klärgasbetriebene Brennstoffzelle in Baden-Württemberg im Klärwerk Möhringen. Presseinformation des Pressedienstes der Landeshauptstadt Stuttgart vom 13. November 2007. (Stand Januar 2008).

7 Vgl. Pressemitteilung Nr. 248 des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg vom 6. August 2007 (Stand Januar 2008).