:: 4/2008

Modellrechnung zur Entwicklung der Zahl der Ausbildungsverträge bis 2025

Im Jahr 2006 waren in Baden-Württemberg insgesamt 76 148 neue Verträge im Bereich der dualen Berufsausbildung abgeschlossen worden. Damit wurde der positive Trend der Vorjahre fortgesetzt, der auch im Jahr 2007 weiter angehalten haben dürfte. Den zahlenmäßig größten Beitrag zu dieser Entwicklung haben die Unternehmen in Industrie und Handel geleistet, aber auch die Handwerksbetriebe verzeichneten einen Anstieg der Zahl von Ausbildungsverträgen. In den »Freien Berufen« – hierzu zählen insbesondere die Fachangestellten in Arztpraxen, Anwaltskanzleien, Notariaten und Apotheken – ist dagegen noch keine positive Trendwende feststellbar.

In einer auf den Ergebnissen des Jahres 2006 basierenden Modellrechnung zur Entwicklung der Zahl von neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen ergibt sich bis 2025 ein demografisch bedingter Rückgang um 28 %. Im Handwerk würden dann unter diesen Annahmen sogar ein Drittel weniger Ausbildungsverträge abgeschlossen werden als im Jahr 2006. Im größten Ausbildungsbereich »Industrie und Handel« wäre der Rückgang dagegen leicht unterdurchschnittlich.

Die Lage auf dem Ausbildungsmarkt war in den vergangenen Jahren häufig im Zentrum der öffentlichen Diskussion. Dabei standen meist die Probleme von Jugendlichen, einen passenden Ausbildungsplatz zu finden, im Vordergrund. Im Rahmen eines Auftrags des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg hat das Statistische Landesamt im vergangenen Jahr eine Modellrechnung zur Abschätzung der künftigen Nachfrage nach Ausbildungsplätzen durchgeführt.1 Diese basierte auf der im Jahr 2003 veröffentlichten Bevölkerungsvorausrechnung und den Ergebnissen der Berufsbildungsstatistik bis zum Jahr 2005. Die Aktualisierung der Bevölkerungsvorausrechnung2 und die positive Entwicklung auf dem Ausbildungsmarkt erfordern nun eine Aktualisierung der Modellrechnung.

Wieder mehr Neuabschlüsse von Ausbildungsverträgen

Die seit 1998 niedrigste Zahl an Neuabschlüssen von Ausbildungsverträgen in Baden-Württemberg wurde im Jahr 2003 mit 71 703 verzeichnet. Mit Ausnahme eines minimalen Rückgangs im Jahr 2005 steigt seitdem die Zahl der Neuabschlüsse wieder an. Im Jahr 2006 lag sie mit 76 148 wieder gut 6 % über dem Niveau von 2003. Auch die ersten Ergebnisse für das Jahr 2007 lassen einen weiteren deutlichen Anstieg der Zahl der Ausbildungsbeginner erwarten.

Allerdings ergab sich aus dieser erfreulichen Entwicklung nicht im gleichen Maß eine Entspannung des Ausbildungsstellenmarkts. Dies liegt an der steigenden Zahl der Schulabgänger der letzten Jahre. Im Jahr 2003 verließen gut 120 000 Jugendliche die allgemeinbildenden Schulen und weitere 42 000 hatten an einer beruflichen Schule einen allgemeinbildenden Abschluss erworben. Im Jahr 2006 waren es 126 000 Schulabgänger an allgemeinbildenden und 46 000 an beruflichen Schulen, was einem Anstieg um ebenfalls 6 % entspricht.

Deutliche Entspannung erst 2006 spürbar

Die Auswirkungen auf den Ausbildungsstellenmarkt lassen sich am besten verdeutlichen, wenn man die Zahl der Neuabschlüsse auf die Zahl der Schulabgänger bezieht. Dieses Verhältnis darf zwar nicht als »Übergangsquote« von Schulabgängern in die duale Berufsausbildung interpretiert werden, da Schulabschluss und Ausbildungsbeginn nicht in jedem Fall unmittelbar aufeinander folgen. Dennoch kann diese Kennzahl als Indikator für die Entwicklung der Lehrstellensituation dienen. Dabei wird deutlich, dass von 2000 bis 2005 die Zahl der Neuabschlüsse je 1 000 Schulabgänger von 519 auf 428 gesunken ist. Erst im Jahr 2006 kehrte sich dieser Trend um und erreichte mit 443 wieder den Wert des Jahres 2003.

Die duale Ausbildung gemäß Berufsbildungsgesetz und Handwerksordnung findet in Baden-Württemberg in insgesamt sechs Ausbildungsbereichen statt.3 Im Jahr 2006 hatten diese folgende Anteile an den Neuabschlüssen:

Industrie und Handel57,8 %
Handwerk29,6 %
Freie Berufe7,0 %
Öffentlicher Dienst2,7 %
Landwirtschaft2,1 %
Hauswirtschaft0,8 %

Industrie und Handel mit deutlichstem Anstieg, Handwerk ebenfalls positiv

Betrachtet man die Entwicklung des Verhältnisses von Neuabschlüssen und Schulabgängern getrennt nach den einzelnen Ausbildungsbereichen, zeigt sich, dass der Bereich »Industrie und Handel« zwischen 2003 und 2005 in etwa das Niveau hielt und 2006 um rund 5 % zulegte. Der Wert von 256 Neuabschlüssen je 1 000 Schulabgänger entspricht etwa dem des Jahres 2002. In absoluten Zahlen bedeutet dies einen Anstieg der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in Industrie und Handel um gut 4 000 seit 2003 auf 44 000. Dieser Ausbildungsbereich leistete damit den größten Beitrag zur Entspannung auf dem Ausbildungsmarkt.

Im Bereich »Handwerk« war dagegen noch bis 2005 ein Absinken dieses Indikators zu verzeichnen. Im Jahr 2006 war allerdings auch hier wieder ein deutlicher Anstieg um fast 3 % auf 131 Neuabschlüsse je 1 000 Schulabgänger feststellbar. Die absolute Zahl Neuabschlüsse erhöhte sich dabei seit 2003 um rund 800 auf 22 519. Über die letzten Jahre hinweg betrachtet schwankt die Zahl der Neuabschlüsse und damit auch der Wert dieses Indikators für das Handwerk weniger stark als in Industrie und Handel. Handwerksbetriebe scheinen somit in ihrem Ausbildungsplatzangebot weniger stark von der wirtschaftlichen Entwicklung beeinflusst zu werden als Industrie- und Handelsunternehmen.

Bei den anderen vier Ausbildungsbereichen ist dagegen noch keine Trendwende zu erkennen. Der größte Bereich hiervon sind die »Freien Berufe«; hierzu zählen insbesondere die Fachangestellten in Arztpraxen, Anwaltskanzleien, Notariaten und Apotheken. 5 306 im Jahr 2006 abgeschlossene Ausbildungsverträge in Freien Berufen bedeuten einen Rückgang gegenüber dem Vorjahr um fast 300. Seit dem Jahr 2001, in dem 6 794 Verträge abgeschlossen wurden, sank die Zahl der Ausbildungsbeginner um 22 %. Bezogen auf 1 000 Schulabgänger wurden 2006 nur noch 31 Ausbildungsverträge in Freien Berufen abgeschlossen. Dieser Wert liegt deutlich unter dem Wert von 44 aus dem Jahr 2001.

2006 als Basisjahr der Modellrechnung

Ausgangspunkt der Modellrechnungen zur Entwicklung der Zahl der Ausbildungsverträge ist die schulische Vorbildung der Ausbildungsbeginner. Die jeweiligen Anteile der einzelnen erzielten Schulabschlüsse werden mit den entsprechenden Ergebnissen der Vorausrechnung der Absolventenzahlen in Beziehung gesetzt. Die letztjährige Modellrechnung ging dabei von drei Szenarien aus.

  • Das erste Szenario legte die Verhältnisse des Jahres 2005 zugrunde.
  • Das zweite Szenario bezog sich auf den Durchschnitt der Jahre 2001 bis 2005.
  • Das dritte Szenario war die Berechnung einer hypothetischen »Vollversorgung« aller Schulabgänger, die einen Ausbildungsplatz nachfragen könnten.

Im Ergebnis ergab die erste Variante die niedrigsten Werte für die Entwicklung der Zahl der Neuabschlüsse und die dritte erwartungsgemäß die höchsten.

Die Entwicklung auf dem Ausbildungsstellenmarkt im Jahr 2006 führte nun dazu, dass sich bei Zugrundelegung eines 5-Jahres-Durchschnitts der Übergänge in die duale Berufsausbildung ein geringfügig niedrigeres Resultat bei der Zahl an Neuabschlüssen ergeben würde als bei einer alleinigen Verwendung des Jahres 2006 als Basis. Eine Berechnung zweier unterschiedlicher Szenarien erschien aus diesem Grund wenig sinnvoll.

  • Die aktuelle Modellrechnung stützt sich somit allein auf die schulische Qualifikationsstruktur der Ausbildungsbeginner des Jahres 2006.

In handwerklichen Berufen dominiert der Hauptschulabschluss

Knapp 31 % der Ausbildungsbeginner des Jahres 2006 besaßen den Hauptschulabschluss oder kamen aus dem Berufsvorbereitungsjahr (BVJ), rund 35 % verfügten mit dem Realschulabschluss oder der Fachschulreife über einen mittleren Bildungsabschluss. Eine Hochschulzugangsberechtigung konnten 13 % vorweisen. Knapp 2 % konnten eine Berufsausbildung beginnen, obwohl sie keinen Hauptschulabschluss erreicht hatten. Für annähernd ein Fünftel der Ausbildungsbeginner wurde ein »Sonstiger Abschluss« gemeldet. Der größte Teil dieser Abschlüsse entfällt dabei auf die Angabe »Abschluss einer Berufsfachschule«.4

In den einzelnen Ausbildungsbereichen ist die Zusammensetzung der Ausbildungsbeginner hinsichtlich ihrer schulischen Vorbildung allerdings sehr unterschiedlich. Der Vergleich wird etwas durch die unterschiedlich großen Anteile an »Sonstigen Abschlüssen« in den Bereichen erschwert. In Industrie und Handel fällt im Jahr 2006 ein mit fast 18 % relativ hoher Anteil an Auszubildenden mit Hochschulzugangsberechtigung auf. Dieser Wert wird nur vom Ausbildungsbereich »Öffentlicher Dienst« übertroffen, in dem gut 21 % der Anfänger über die Fachhochschul- oder die Hochschulreife verfügen. Der »Öffentliche Dienst« weist auch mit über zwei Drittel den höchsten Anteil an Beginnern mit mittlerem Abschluss auf. Bei den Freien Berufen hatten mehr als die Hälfte der Ausbildungsanfänger einen mittleren Abschluss. Das Handwerk war dagegen 2006 der einzige Bereich, in dem mehr als die Hälfte aller Neuverträge von Auszubildenden mit Hauptschulabschluss abgeschlossen wurden.

Höhepunkt der Neuabschlüsse im Jahr 2007

Gemäß dieser Modellrechnung dürfte die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Jahr 2007 ihren Höhepunkt erreicht haben. Zahlenmäßige geringere Geburten- und damit Schulabgängerjahrgänge werden in den folgenden Jahren voraussichtlich zu einem Rückgang der Neuabschlüsse führen. Erste vorläufige Ergebnisse für das Jahr 2007 lassen allerdings erwarten, dass die tatsächliche Zahl der Neuverträge über der hier berechneten liegt. Dies signalisiert eine weitere Entspannung der Lage auf dem Ausbildungsstellenmarkt.

Im weiteren zeitlichen Verlauf wären nach der Modellrechnung im Jahr 2020 weniger als 60 000 und im Jahr 2025 nur noch knapp 55 000 Neuabschlüsse zu erwarten. Nur im Jahr 2012 ist als Folge des gleichzeitigen Abgangs der Abiturienten des letzten 9-jährigen und des ersten flächendeckenden 8-jährigen Gymnasialjahrgangs ein Anstieg der Neuverträge zu erkennen. In dieser Berechnung ist jedoch noch nicht berücksichtigt, dass möglicherweise ein größerer Anteil der Abiturienten dieses Jahrgangs kein Studium beginnt. Dies könnte auf rund 13 000 Schulabsolventen5 zutreffen, die dann wahrscheinlich Alternativen im Bereich der dualen oder der vollzeitschulischen Berufsausbildung suchen würden.

Handwerk hat überdurchschnittlichen Rückgang zu erwarten

Für die Gesamtzahl der Neuabschlüsse führt diese Modellrechnung für das Jahr 2025 zu einem Rückgang um gut 28 % gegenüber dem Ergebnis von 2006. Den prozentual stärksten Rückgang hätte demnach das Handwerk zu verzeichnen, in dem 2025 mit nur noch gut 15 000 fast ein Drittel weniger Ausbildungsverträge abgeschlossen würden als im Jahr 2006. Ursache hierfür ist das starke Gewicht der Neuabschlüsse von Jugendlichen mit Hauptschulabschluss. Deren Zahl dürfte in den kommenden Jahren relativ stark zurückgehen.

Dagegen dürfte der größte Ausbildungsbereich »Industrie und Handel« mit seinem größeren Anteil an Auszubildenden mit mittlerem Abschluss oder Hochschulzugangsberechtigung eher leicht unterdurchschnittlich vom Rückgang der Schulabgängerzahl betroffen sein: Gut 32 000 Neuverträge im Jahr 2025 wären knapp 27 % weniger als 2006.

Diese Modellrechnung geht von unveränderten Anteilen der Schulabgänger aus, die einen Ausbildungsvertrag abschließen. Diese sind jedoch im Zeitablauf variabel. So könnte der überdurchschnittliche Rückgang im Handwerk beispielsweise durch eine verstärkte Einstellung von Auszubildenden mit mittlerem Schulabschluss ausgeglichen werden. Bei insgesamt rückläufigen Schülerzahlen bedeutet dies in Zukunft aber auch eine verstärkte Konkurrenz unter den Ausbildungsbetrieben um die besten Schulabgänger. Unter der Voraussetzung einer weiterhin positiven wirtschaftlichen Entwicklung könnten auf dem Ausbildungsstellenmarkt in absehbarer Zeit die potenziellen Auszubildenden deutlich knapper werden als die Ausbildungsplätze.

Diese Modellrechnung ist nicht als Prognose aufzufassen. Diese Ergebnisse zeigen nur die Entwicklung auf, die unter den getroffenen Annahmen zur Bevölkerungsentwicklung, zur Entwicklung der Schüler- und Schulabgängerzahlen und der Verhältnisse auf dem Ausbildungsstellenmarkt stattfinden würde. Die tatsächliche Entwicklung der Zahl der Neuabschlüsse von Ausbildungsverträgen wird neben der demografischen Komponente auch wesentlich von der wirtschaftlichen Entwicklung beeinflusst werden.