:: 6/2008

Tourismus 2007: Inlandsgäste verstärken Zuwachs

Vor dem Hintergrund einer schwachen Binnenkonjunktur war die Tourismusentwicklung des Landes in den letzten Jahren bis 2006 stets durch eine mehr oder weniger deutliche Zurückhaltung der Gäste aus Deutschland geprägt. Kräftige Zuwächse bei den ausländischen Gästen sorgten aber dafür, dass seit 2004 die Übernachtungen jeweils leicht anstiegen. Im Jahr 2007 zeigte sich demgegenüber ein deutlich verändertes Grundmuster. Angesichts verbesserter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen profitierte auch das heimische Beherbergungsgewerbe von einer deutlich anziehenden Binnennachfrage, deren Anstieg sogar den Zuwachs bei den ausländischen Gästen übertraf. Im Mittelpunkt des nachfolgenden Beitrags steht allerdings die mittelfristige Entwicklung der letzten Jahre, in der sich diese jüngste Veränderung nur bedingt niederschlug. Schwerpunkte bilden dabei die Unterscheidung zwischen nationalen und internationalen Gästen sowie eine Einordnung Baden-Württembergs in die bundesweiten Entwicklungslinien.

Auslandsgäste gewinnen tendenziell an Bedeutung

Bei der längerfristigen Entwicklung der Übernachtungen1 in Baden-Württemberg zeigen sich trotz gemeinsamer Phasen schon seit Mitte der 80er-Jahre abweichende Verläufe zwischen Inlands- und Auslandsgästen. Da in der Zeitspanne bis zur Jahrtausendwende stets 86 bis 88 % aller Übernachtungen auf Reisende aus Deutschland entfielen, wurde das Gesamtergebnis bis dahin nur relativ schwach von den ausländischen Gästen beeinflusst. Insbesondere ab 2002 werden die Abweichungen zwischen diesen beiden Gästegruppen allerdings deutlich ausgeprägter. So haben sich die Übernachtungen der internationalen Gäste von 2001 bis 2007 um 35 %, also um mehr als ein Drittel erhöht, während das Übernachtungsaufkommen deutscher Gäste um 4 % zurückging. Erst durch dieses starke Auseinanderklaffen der Entwicklungen nahm auch der Einfluss der Auslandsgäste auf das Gesamtergebnis spürbar zu. Ihr Übernachtungsanteil betrug 2007 bereits 17,5 % und gegenüber 2001 sorgten sie immerhin noch für einen leichten Anstieg der gesamten Übernachtungen um 1 %. Wie bereits einleitend erwähnt setzte sich diese mittelfristige Entwicklung im Jahr 2007 selbst allerdings nicht fort. In diesem Jahr war der Übernachtungsanstieg in Baden-Württemberg bei den deutschen Gästen mit 4 % nämlich stärker als bei den Auslandsgästen (2 %) bzw. bei den Übernachtungen insgesamt (4 %).

Kräftige Zuwächse in den Stadtstaaten

Die Gesamtentwicklung des Tourismus in Baden-Württemberg in der Zeitspanne von 2001 bis 2007 weist im Kern sehr starke Ähnlichkeiten mit bundesweiten Tendenzen auf, denn auch hier wurden die Zuwächse ausschließlich von den ausländischen Gästen bestimmt. Da die Übernachtungen inländischer Gäste bundesweit aber unverändert blieben, war der Anstieg der gesamten Übernachtungen mit 4 % etwas größer als auf Landesebene. Generell verlief im genannten Zeitraum eine deutliche Trennlinie zwischen den Stadtstaaten und den Flächenländern. In Hamburg, Bremen und Berlin zusammen nahm die Übernachtungszahl von 2001 bis 2007 nämlich um stattliche 49 % zu, wozu einerseits ein deutlich überdurchschnittlicher Anstieg von 92 % bei den internationalen Gästen und andererseits auch ein kräftiger Zuwachs von 34 % auch bei den Inlandsreisenden beitrugen.

Von den Flächenländern erzielte keines auch nur annähernd so starke Übernachtungszuwächse. Gleichwohl schnitten die östlichen Bundesländer (Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) insbesondere wegen eines Zuwachses bei den deutschen Gästen überdurchschnittlich ab. Zwar nahmen hier auch die Übernachtungen der Auslandsgäste etwas stärker zu als bundesweit, angesichts eines immer noch sehr bescheidenen Übernachtungsanteils von knapp 6 % im Jahr 2007 schlug dies aber nicht sehr stark zu Buche. Insgesamt setzte sich mit dem überdurchschnittlichen Abschneiden der östlichen Bundesländer eine bereits seit der Wiedervereinigung bestehende Tendenz auch im neuen Jahrtausend fort. Abweichend von den 90er-Jahren, als in der ehemaligen DDR noch eine nahezu stürmische Entwicklung des Tourismus zu beobachten war, haben sich die Abstände zu den westlichen Ländern inzwischen deutlich verringert. Insofern dürfte die Aufbauphase des Tourismus in den neuen Bundesländern nunmehr weitgehend abgeschlossen sein.

Unter den Flächenländern des früheren Bundesgebiets ließ sich von 2001 bis 2007 in den nördlichen Flächenländern (Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen) eine etwas positivere Entwicklung beobachten als in den südlichen Ländern (Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Baden-Württemberg und Bayern), ohne dass hier aber von einer klaren Tendenz die Rede sein könnte. Immerhin aber zeigt diese Gliederung auch ein noch vergleichsweise gutes Abschneiden Baden-Württembergs innerhalb Süddeutschlands. Dies gilt für das letzte Jahr 2007 in besonderem Maß, denn hier hob sich der Übernachtungszuwachs im Land um 4 % doch deutlich positiv vom Gesamtergebnis der südlichen Flächenländer von gut 2 % ab.

Baden-Württemberg bei den Übernachtungen weiter auf Rang 2

Trotz der Unterschiede in der mittelfristigen Entwicklung blieb die Rangfolge der Bundesländer nach den absoluten Übernachtungszahlen im Jahr 2007 gegenüber 2001 auf den ersten fünf Rängen unverändert. Hinter dem mit Abstand führenden Bayern nimmt Baden-Württemberg konstant den 2. Platz ein, gefolgt vom bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen sowie den Flächenländern Niedersachsen und Hessen. Das mit Abstand übernachtungsstärkste neue Bundesland Mecklenburg-Vorpommern, das 2001 noch hinter Schleswig-Holstein gelegen hatte, hat seinen westlichen Nachbarn inzwischen deutlich überholt und liegt nur noch knapp hinter Hessen. Auch die Expansion der Stadtstaaten hat sich im Übernachtungsranking insofern niedergeschlagen, als Berlin vor Sachsen und Hamburg vor Sachsen-Anhalt gerückt sind.

Ganz anders sieht die Reihenfolge der Länder dagegen aus, wenn man statt der absoluten Übernachtungszahlen die Übernachtungsdichte betrachtet. Diese relative Kennziffer bezieht die Übernachtungszahl auf die eigenen Einwohner und lässt sich als grober Indikator für den wirtschaftlichen Stellenwert des Tourismus in einem Gebiet interpretieren. Da das flächenmäßig relativ große Mecklenburg-Vorpommern mit 1,7 Mill. Einwohnern unter den Bundesländern die drittgeringste Bevölkerungszahl aufweist, überragt es bei der Übernachtungsdichte mit 15 500 Übernachtungen je 1 000 Einwohner die anderen Bundesländer inzwischen um Längen (Schaubild 4). Zum Vergleich: Innerhalb Baden-Württembergs wird dieser Wert des gesamten Bundeslandes nur von einem einzigen, besonders stark touristisch geprägten Landkreis übertroffen, nämlich vom Breisgau-Hochschwarzwald mit 17 300 Übernachtungen je 1 000 Einwohner. Hinter Mecklenburg-Vorpommern heben sich auch das Küstenland Schleswig-Holstein sowie das flächenmäßig größte Land Bayern noch deutlich von den anderen Bundesländern ab. Bemerkenswerterweise hat sich dahinter inzwischen Berlin, also ein Bundesland mit ausgesprochen städtischer Prägung, mit einer Übernachtungsdichte von bereits 5 100 auf Rang 4 vorgeschoben. Auch der ähnlich strukturierte Stadtstaat Hamburg befindet sich auf dem Vormarsch, blieb 2007 aber mit 4 200 Übernachtungen je 1 000 Einwohner noch hinter dem Bundesdurchschnitt von 4 400 zurück. Innerhalb Baden-Württembergs liegt im Übrigen der annähernd vergleichbare Stadtkreis Stuttgart mit einer Übernachtungsdichte von knapp 4 400 im Bereich des Bundeswerts und damit noch vor Hamburg.

Baden-Württemberg insgesamt rangiert mit gut 3 900 Übernachtungen je 1 000 Einwohner nahezu gleichauf mit Thüringen und Brandenburg in der zweiten Hälfte eines breiten Mittelfelds. Allerdings steht der Maßstab der Übernachtungsdichte gerade für die beiden süddeutschen Nachbarn Baden-Württemberg und Bayern im Zeitablauf eher unter ungünstigen Vorzeichen. Hier nimmt nämlich die Bevölkerung tendenziell zu, während sie speziell in den östlichen Flächenländern weiter sinkt. Dies führt selbst bei einer parallelen Entwicklung der Übernachtungen im Zeitablauf zu einer relativen Verschlechterung Baden-Württembergs und Bayerns gegenüber den neuen Ländern.

Städtetourismus auch im Land auf dem Vormarsch

Wie angesichts des bundesweit erkennbaren Trends zum Städtetourismus zu vermuten verlief die Entwicklung im Zeitraum vom 2001 bis 2007 auch innerhalb Baden-Württembergs zwischen den verschiedenen Gemeindekategorien sehr uneinheitlich. Auch hier zeigt sich als durchgehendes Grundmuster eine deutliche Expansion der Ausländerübernachtungen. In den – mit den Stadtstaaten noch am ehesten vergleichbaren – 9 Großstädten des Landes mit mehr als 100 000 Einwohnern (Stuttgart, Mannheim, Karlsruhe, Freiburg im Breisgau, Heidelberg, Heilbronn, Ulm, Pforzheim und Reutlingen) fiel deren Zuwachs aber mit 31 % sogar noch leicht unterdurchschnittlich aus. Dies traf bei einem Anstieg um 25 % auch für die restlichen Gemeinden ohne touristisches Prädikat zu, hinter denen sich vor allem mittelgroße Gemeinden ohne besondere touristische Prägung, also mit meist vergleichsweise geringer Übernachtungsdichte verbergen. Dafür konnten diese beiden Kategorien auch bei den Übernachtungen der Gäste aus Deutschland deutliche Zugewinne verbuchen, sodass sich die Gesamtzahl der Übernachtungen um 17 % (Großstädte) bzw. 10 % (restliche Gemeinden) erhöhte. Dadurch nahm der Übernachtungsanteil der nicht prädikatisierten Gemeinden am Landesergebnis von knapp 43 % im Jahr 2001 auf gut 47 % im Jahr 2007 zu. Diese schleichende Verschiebung von den »klassischen Ferienzielen« zu den größeren Städten und den restlichen Gemeinden ist auch Ausdruck einer gewissen regionalen Angleichungstendenz hinsichtlich des wirtschaftlichen Stellenwerts des Tourismus.

In den prädikatisierten Gemeinden stieg die Auslandsnachfrage nach Übernachtungen von 2001 bis 2007 sogar noch relativ stärker als in den nicht prädikatisierten Gemeinden. Dies galt insbesondere für die beiden Kategorien der Erholungsorte (62 %) und der Heilbäder (51 %), in denen der Übernachtungsanteil der Auslandsgäste im Ausgangsjahr im einstelligen Bereich und damit am niedrigsten gelegen war. Insofern ist hier auch ein gewisser Nach- bzw. Aufholeffekt erkennbar. Da sich unter den prädikatisierten Gemeinden allein die Erholungsorte auch bei den deutschen Gästen schadlos halten konnten, verbuchten sie insgesamt einen Übernachtungsanstieg um immerhin fast 9 %. Die Heilbäder und die Luftkurorte erlitten dagegen bei den deutschen Gästen massivere Einbußen, denn obwohl auch sie hier 2007 wieder leichte Zuwächse verbuchen konnten, gingen ihnen gegenüber 2001 bei dieser Klientel zusammen 2,8 Mill. Übernachtungen bzw. 17 % verloren. Dies konnte durch den Zugewinn von gut 0,6 Mill. Übernachtungen internationaler Gäste bei Weitem nicht kompensiert werden, sodass per saldo ein Rückgang um 2,2 Mill. Übernachtungen bzw. 12 % zu verkraften war. Eine wesentliche Rolle spielte dabei die Entwicklung des Kurwesens, dem in den höher prädikatisierten Gemeinden, insbesondere in den Heilbädern ein entscheidendes Gewicht zukommt. Bei den Vorsorge- und Reha-Kliniken gingen nämlich die Übernachtungszahlen landesweit seit 2001 bis 2006 kontinuierlich zurück, und zwar insgesamt um ein Viertel. Gegen Ende 2006 setzt zwar wieder ein Anstieg ein. Die Verluste betrugen aber 2007 gegenüber 2001 immer noch mehr als ein Fünftel bzw. 1,8 Mill. Übernachtungen. Auf die Heilbäder und Luftkurorte zusammen entfiel darauf der Löwenanteil von gut 1,6 Mill., zu denen sich hier allerdings auch Verluste von weiteren fast 0,6 Mill. Übernachtungen bei den anderen Betriebskategorien gesellten.

1 Übernachtungen beziehen sich im gesamten Aufsatz auf Beherbergungsbetriebe (einschließlich Reiseverkehrscamping) mit mehr als 8 Schlafgelegenheiten.