:: 6/2008

Demografischer Wandel als Chance1

Wirtschaftsminister Pfister zieht beim Tourismustag positive Bilanz und stellt 5-Punkte-Programm vor

Wer hätte das gedacht? Aus dem Angstthema »Demografischer Wandel« wird ein Chancenthema für den Tourismus im Land. Wirtschaftsminister Ernst Pfister hat beim Tourismustag auf der internationalen Ausstellung für Caravan, Motor und Touristik (CMT) in Stuttgart zu Recht aufgezeigt, dass die Alterung unserer Gesellschaft eben nicht nur Probleme schafft, sondern auch neue Möglichkeiten bietet.

Schon heute gilt: Bei den sogenannten »Best Agern« – also Menschen über 50 Jahre – ist das Reiseland Deutschland überdurchschnittlich beliebt. Die reiseerfahrenen Senioren, die freilich nicht so genannt werden wollen, schätzen die hohe Qualität und das gute Preis-Leistungs-Verhältnis baden-württembergischer Urlaubsziele und verfügen außerdem über beachtliche Kaufkraft. Gerade die vielfältigen Angebote im Bereich Kulinaristik, Wellness und Gesundheit, die wir im Land zu bieten haben, treffen den Geschmack der älteren Urlauber.

Ein »Selbstläufer« ist das Geschäft mit der Zielgruppe »50 plus« freilich nicht. So wurde beim Tourismustag deutlich, dass die »Best Ager« anspruchsvolle Gäste sind, die Wert auf Qualität und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis legen.

Betriebe, die zukunftsorientiert denken, tun gut daran, sich schon jetzt auf die Bedürfnisse älterer Gäste einzustellen. Das fängt bei Kleinigkeiten wie der ausreichenden Schriftgröße auf Speisekarten und Hotel-Beschilderungen an und geht beim Abbau von Barrieren im Betrieb weiter: Investitionen in die seniorengerechte Möblierung zum Beispiel von Sanitärbereichen dürften sich langfristig ebenso rechnen wie die Schaffung eines attraktiven kulinarischen Angebotes für die stetig wachsende Zahl der Diabetiker.

Der DEHOGA unterstützt seine Mitglieder schon heute mit entsprechenden Beratungs- und Weiterbildungsangeboten. Denn gerade unsere Branche sollte die Herausforderung »demografischer Wandel« beherzt anpacken und so dazu beitragen, dass aus einem gesellschaftlichen Problem eine Chance werden kann.2

Baden-Württembergs Wirtschaftsminister Ernst Pfister will mit einem 5-Punkte-Programm die Chancen des demografischen Wandels für den Tourismus im Land nutzen. Dies erklärte Pfister, der auch Präsident des Tourismusverbandes Baden-Württemberg (TMBW) ist, beim Landes-Tourismustag am 14. Januar in Stuttgart.

Der Tourismustag, der jährlich im Rahmen der Touristikmesse CMT stattfindet, ist der größte touristische Fachkongress im Land. Dieses Jahr stand er unter dem Motto: »Demografischer Wandel – Entwicklungen und Chancen für den baden-württembergischen Tourismus«. In seiner Rede zog Pfister zunächst eine positive Bilanz des abgelaufenen Tourismusjahres: Von Januar bis November 2007 sei die Zahl der Gästeankünfte im Land um 4,5 % gestiegen, die Zahl der Übernachtungen um 3,7 %.

»Ich rechne damit, dass wir 2007 rund 42 Millionen Übernachtungen erreichen konnten. Dies wäre das beste Ergebnis der letzten 15 Jahre«, so der Minister. Besonders erfreulich sei der deutlich gestiegene Anteil an Inlandsgästen.

Demografischen Wandel als Chance sehen

Mit Nachdruck sprach sich Pfister dafür aus, den demografischen Wandel – also die Alterung der Gesellschaft – nicht nur als Problem, sondern auch als Chance gerade für die Tourismusbranche zu sehen.

Zunächst die Fakten: Das Durchschnittsalter in Baden-Württemberg wird laut Pfister von derzeit 41,4 Jahren bis 2030 auf 46,8 Jahre und 2050 auf sogar 49,8 Jahre ansteigen. Gleichzeitig wird der Anteil der Älteren an der Bevölkerung in Baden-Württemberg deutlich zunehmen. So wird der Anteil der über 60-Jährigen im Land von gegenwärtig 24 % bis 2030 auf 35 % steigen.

Der demografische Wandel biete neben Herausforderungen durchaus auch gute Chancen für die Erschließung neuer Markt- und Beschäftigungsfelder, vor allem bei Gütern und Dienstleistungen, die verstärkt von älteren Menschen nachgefragt würden. Gerade auch im Tourismus, in den Bereichen Erholung, Wellness und Kultur, aber auch in anderen Bereichen der Freizeit- und Erlebniswirtschaft seien Wachstumsfelder zu sehen. Menschen über 50 seien heute im Durchschnitt gesünder und aktiver als frühere Generationen im entsprechenden Alter. Außerdem seien sie vielfach auch in einer guten wirtschaftlichen Lage und verfügten daher über eine hohe Kaufkraft.

So betrage nach Berechnungen der Gesellschaft für Konsumforschung die Pro-Kopf-Kaufkraft der 50- bis 59-Jährigen in Deutschland derzeit etwa 24 000 Euro pro Jahr. Damit übertreffen sie die Kaufkraft der 15- bis 49-Jährigen von rund 19 000 Euro deutlich. Auch die Angehörigen der »Generation 60 plus« verfügen mit knapp 20 000 Euro noch über eine höhere Kaufkraft als die Gruppe der 15- bis 49-Jährigen.

Ältere Menschen sind eine interessante und wichtige Zielgruppe

Diese Zahlen belegten, dass die ältere Generation für die Tourismuswirtschaft eine sehr interessante Zielgruppe darstelle. Bemerkenswert sei zudem, dass die Präferenz für einen Deutschlandurlaub bei Älteren viel ausgeprägter sei als bei den jüngeren Altersgruppen. Während in der Altersgruppe 14 bis 49 rund 22 % ihren Urlaub in Deutschland verbrächten, steige der Anteil des Deutschlandurlaubs bei den 50- bis 64-Jährigen auf 28 %, bei den 65- bis 74-jährigen auf 39 % und bei den 75-Jährigen und Älteren sogar auf 50 %.

Pfister nannte 5 Punkte, die dazu beitragen sollen, den demografischen Wandel gerade im Tourismus zu einem echten Chancenthema zu machen.

1. Vorrang für Qualität

Beispielhaft sei das Projekt ServiceQualität, das von der TMBW, dem DEHOGA Baden-Württemberg, dem Heilbäderverband und dem Industrie- und Handelskammertag getragen wird.

2. Profilierung des »Genießerlandes Baden-Württemberg«

»Jedes gute Restaurant, jede Flasche exzellenten Weins und jede unserer Qualitätseinrichtungen im Bereich Wellness und Medical Wellness sind schlagende Argumente für einen Urlaub in Baden-Württemberg«, sagte Pfister.

3. Tourismusinfrastrukturförderung sowie Aktionsprogramm »Zukunftsfähiger Tourismus«

Mit dem Tourismusinfrastrukturprogramm des Wirtschaftsministeriums werde ein wichtiger Beitrag zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit der Tourismusgemeinden geleistet. Dies gelte auch im Hinblick auf den demografischen Wandel. Im Jahr 2007 seien im Rahmen des Tourismusinfrastrukturprogramms Zuschüsse für 23 Maßnahmen in einer Gesamthöhe von 5,8 Mill. Euro bewilligt worden. Damit seien Investitionen von 2,1 Mill. Euro angestoßen worden.

Weiter wies Pfister darauf hin, dass der Landtag Ende 2007 im Rahmen des Impulsprogramms Baden-Württemberg für die Tourismusförderung in den Jahren 2008 und 2009 insgesamt zusätzlich 10 Mill. Euro zur Verfügung gestellt habe. Diese zusätzlichen Mittel seien ein unübersehbares Signal dafür, dass die Politik im Land der Tourismuswirtschaft als einer der Leitbranchen des Dienstleistungssektors einen besonders hohen Stellenwert einräume. Der DEHOGA setzt sich in diesem Zusammenhang für eine Verstärkung der einzelbetrieblichen Förderung ein, um Investitionen in die Marktfähigkeit der Betriebe zu ermöglichen.

4. Neue Attraktionen: Automobilsommer 2011

Im Jahr 2011 jährt sich die Erfindung des Automobils zum 125. Mal. Für dieses Jahr solle ein sogenannter »Automobilsommer 2011« organisiert werden. Es werde angestrebt touristisch attraktive Events zu gestalten, die zusätzliche Touristen und Tagestouristen, aber auch Übernachtungsgäste in das Geburtsland des Automobils führen. Pfister: »Das Auto ist im Gebiet des heutigen Landes Baden-Württemberg erfunden worden. Es hat gleichermaßen Wurzeln im badischen und württembergischen Landesteil. Baden-Württemberg als Geburtsstätte des Automobils – das ist ein Alleinstellungsmerkmal, das noch viel stärker als bisher national und international touristisch vermarktet werden soll.«

5. Bessere Rahmenbedingungen: Für reduzierten Mehrwertsteuersatz

Mit Nachdruck sprach sich Pfister für die Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes in der Hotellerie aus – es gelte bestehende Wettbewerbsnachteile gegenüber anderen europäischen Ländern auszugleichen. Sobald die Landesregierung »den Hauch einer Erfolgschance« sehe, werde Baden-Württemberg daher eine entsprechende Bundesratsinitiative einbringen. Es gehe hier nicht um Steuergeschenke, sondern um Gerechtigkeit. Ziel müsse es sein, »faire Wettbewerbsbedingungen gegenüber dem Ausland« herzustellen.

1 Der Beitrag ist entnommen: DEHOGA MAGAZIN für das Hotel- und Gaststättengewerbe Baden-Württemberg, Nr. 2, (Hrsg.) Hotel- und Gaststättenverband Baden-Württemberg, Stuttgart, S. 3, 6–7 (Zitierweise: DEHOGA MAGAZIN).

2 Vorspann von: Wilhelm Schofer, Vorsitzender der Fachgruppe Tourismus und Hotellerie im DEHOGA Baden-Württemberg; DEHOGA MAGAZIN Nr. 2 Editorial.