:: 7/2008

Allgemeinbildende Schulabschlüsse an beruflichen Schulen gewinnen immer größere Bedeutung

Angesichts der steigenden Anforderungen des Arbeitsmarkts gewinnt eine solide schulische Vorbildung für Jugendliche immer mehr an Bedeutung. Dabei werden allgemeinbildende Abschlüsse nicht nur an allgemeinbildenden Schulen erworben. Immer mehr Schülerinnen und Schüler nutzen die Chance, an einer beruflichen Schule einen höherwertigen Abschluss zu erlangen. Ausländische Jugendliche profitieren von dieser Möglichkeit in besonderem Maß. Sie sind an beruflichen Schulen durchgängig stärker vertreten als an den vergleichbaren allgemeinbildenden Schulen. Dennoch nimmt ihr Anteil auch an beruflichen Bildungsgängen ab, je höherwertiger der dort vermittelte Abschluss ist.

Nach Beendigung einer allgemeinbildenden Schule beginnt für die Jugendlichen die Phase der beruflichen Bildung. Dies kann eine Ausbildung im dualen System, an einer vollzeitschulischen Einrichtung oder ein Studium an einer Hochschule sein. Ziel der beruflichen Schulen ist in erster Linie die Berufsvorbereitung, die berufliche Grundbildung, die Berufsausbildung und die berufliche Weiterbildung. Ende 2007 konnten rund 167 500 Absolventen der beruflichen Schulen des Landes einen Gesellenbrief ihr Eigen nennen, ein Abschlusszeugnis für den gewählten Beruf erhalten oder eine berufliche Grundbildung mit Erfolg abschließen.

Neben berufsqualifizierenden Abschlüssen bietet das berufliche Schulwesen Baden-Württembergs in zahlreichen Schularten auch die Möglichkeit, einen allgemeinbildenden Abschluss zu erwerben bzw. zu verbessern. Gut 49 100 Absolventen nutzten im Jahr 2007 diese Chance. Dies entspricht einem Anteil von knapp 28 % aller allgemeinbildenden Abschlüsse – vom Hauptschulabschluss bis hin zur allgemeinen Hochschulreife.

Fast 30 % der Abgänger mit Abschlusszeugnis beruflicher Schulen erwarben im Jahr 2007 einen allgemeinbildenden Abschluss. Ihr Anteil nahm in den letzten Jahren kontinuierlich zu. Zur Jahrtausendwende waren es lediglich rund 25 %.

Rund 27 % der Absolventen mit allgemeinbildendem Abschluss verließen die beruflichen Gymnasien oder Berufsoberschulen im Jahr 2007 mit dem Abitur in der Tasche, weitere 33 % erhielten die Fachhochschulreife. Damit waren zusammen nahezu 60 % derjenigen, die ihren allgemeinbildenden Schulabschluss an einer beruflichen Schule verbessert haben, zur Aufnahme eines Hochschulstudiums berechtigt (Schaubild 1). Die Zahl der Abgänger beruflicher Schulen mit Hochschulzugangsberechtigung ist innerhalb des letzten Jahrzehnts deutlich angestiegen. Seit dem Abgangsjahr 2001 liegt ihr Anteil über 50 %.

Fast 29 % der Absolventen einer beruflichen Schule mit allgemeinbildendem Abschluss erwarben im Abgangsjahr 2007 hier ihre Fachschulreife. Diese ist als mittlerer Abschluss das Pendant zum Realschulabschluss an allgemeinbildenden Schulen. Die Möglichkeit, den Hauptschulabschluss nachzuholen, nutzten knapp 12 %.

Ein Drittel der Abiturienten besuchte ein berufliches Gymnasium

Knapp ein Drittel der fast 42 800 Abiturienten des Landes hatte im Jahr 2007 eine berufliche Schule besucht. Mit 12 700 Absolventen erwarb bei Weitem die Mehrzahl von ihnen die allgemeine Hochschulreife an einem beruflichen Gymnasium. Somit erweist sich das berufliche Gymnasium als eine attraktive Alternative für den Weg zum Abitur. Vor allem Realschüler und Wechsler aus allgemeinbildenden Gymnasien machen hiervon Gebrauch. Lange Zeit war es möglich, an den beruflichen Gymnasien nur eine Fremdsprache zu belegen. In diesem Fall konnten die Absolventen nur die fachgebundene Hochschulreife erwerben. Seit einigen Jahren gelten für die Fremdsprachenbelegung an beruflichen Gymnasien aber die gleichen Vorgaben wie für die allgemeinbildenden Gymnasien, sodass nun auch hier in der Regel die allgemeine Hochschulreife verliehen wird. Als berufliche Einrichtungen des Zweiten Bildungswegs trugen die Technischen Oberschulen und die Wirtschaftsoberschulen mit 574 erfolgreichen Absolventen zu diesem Ergebnis bei.

Fachhochschulreife überwiegend an beruflichen Schulen

Insgesamt knapp 16 350 Jugendliche erlangten im Jahr 2007 mit der Fachhochschulreife eine Hochschulzugangsberechtigung. Natürlich erlaubt die allgemeine Hochschulreife auch den Besuch einer Fachhochschule, aber die spezielle Fachhochschulreife wird in der Regel über den Besuch von beruflichen Schulen erzielt. Vier Fünftel der Fachhochschulreifezeugnisse wurden an Berufskollegs ausgestellt. Davon wurden 4 780 an speziellen Berufskollegs zum Erwerb der Fachhochschulreife erworben und gut 7 980 an anderen Berufskollegs zusätzlich zum Berufsabschluss. Darüber hinaus erlangten rund 2 850 Absolventen von Fachschulen diese Qualifikation. An einigen Schulen gibt es als Schulversuch auch die Möglichkeit, im Rahmen der dualen Berufsausbildung an der Berufsschule zur Fachhochschulreife zu gelangen: rund 200 Absolventen konnten diese 2007 nutzen. An beruflichen Gymnasien und Berufsfachschulen erreichten dies weitere 220 Jugendliche. Unter den allgemeinbildenden Schulen können allein die Freien Waldorfschulen die Fachhochschulreife verleihen. Im Jahr 2007 erreichten 314 Waldorfschulabsolventen dieses Ziel. Die allgemeinbildenden Gymnasien können den Abgängern aus Klassenstufe 12 lediglich den erfolgreichen Abschluss des schulischen Teils der Fachhochschulreife bescheinigen. Zum endgültigen Erwerb ist dann noch eine berufliche Qualifikation nachzuweisen.

Die Fachhochschulreife verzeichnete in den vergangenen Jahren den stärksten Aufschwung. Waren es im Jahr 2000 noch gut 6 500 Absolventen, hat sich ihre Zahl bis 2007 auf gut 16 000 nahezu verdreifacht. Durch die Änderung der Ausbildungs- und Prüfungsordnungen verschiedener Fachschularten im Jahr 1999 erhalten hier nun alle erfolgreichen Absolventen die Fachhochschulreife zuerkannt. Zudem stieg die Zahl der Jugendlichen, die an einem Berufskolleg zusätzlich die Fachhochschulreife erworben haben.

Fachschulreife vor allem an einer Berufsfachschule

Etwas mehr als ein Fünftel der rund 64 000 mittleren Abschlüsse wurde 2007 an beruflichen Schulen absolviert. Der mittlere Abschluss wird an den beruflichen Schulen in der Regel nicht als Realschulabschluss, sondern als Fachschulreife erworben. Die meisten Jugendlichen haben die Fachschulreife an einer Berufsfachschule erlangt: hier konnten 12 700 Fachschulreifezeugnisse ausgestellt werden. Auch Berufsschulabsolventen mit Hauptschulabschluss wird nach erfolgreicher Beendigung ihrer Berufsausbildung ein dem Realschulabschluss gleichwertiges Zeugnis ausgestellt, wenn sie die hierfür erforderlichen Durchschnittsnoten erreicht haben (Modell »9+3«1). Diese Möglichkeit konnten gut 860 Absolventen nutzen. Über die Berufsaufbauschule als Einrichtung des Zweiten Bildungswegs gelangten 460 Weiterbildungswillige zum mittleren Abschluss.

Jeder achte Hauptschulabschluss wird an einer beruflichen Schule erzielt

Im Jahr 2007 wurde 45 000 Jugendlichen in Baden-Württemberg der erfolgreiche Hauptschulabschluss bescheinigt. Jeder achte Hauptschulabschluss wurde allerdings an einer beruflichen Schule erworben. An erster Stelle steht hier das Berufsvorbereitungsjahr. Dort nutzten knapp 3 400 Jugendliche die Chance, diesen Abschluss nachzuholen, den sie an einer allgemeinbildenden Schule nicht erreicht hatten. Weiteren 1 150 Absolventen wurde der Hauptschulabschluss von einer Berufsschule bescheinigt, 1 220 dem Hauptschulabschluss gleichgestellte Zeugnisse wurden an einer Berufsfachschule ausgestellt. Da die Zahl der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss aus allgemeinbildenden Schulen seit dem Jahr 2000 kontinuierlich sinkt, ist es nicht weiter verwunderlich, dass auch die Zahl der Absolventen beruflicher Schulen, die hier ihren Hauptschulabschluss nachholen, tendenziell rückläufig ist.

Fachhochschulreife ist männliche Domäne

Unter den Teilnehmern beruflicher Schulen, die einen allgemeinbildenden Abschluss absolviert haben, sind die Frauen mit 46 % insgesamt in der Minderheit (Schaubild 2). Dieses Ergebnis fällt jedoch bei den einzelnen Abschlüssen unterschiedlich aus. Während 2007 etwas über die Hälfte der Abiturienten beruflicher Schulen weiblich war, ist die Fachhochschulreife mit 60 % nach wie vor eine überwiegend männliche Domäne. Bei den mittleren Abschlüssen lag der Anteil der weiblichen Absolventen in den letzten Jahren konstant zwischen 52 % und 55 %. Auch im Jahr 2007 waren Frauen mit 52 % wieder knapp in der Überzahl. Wie an den allgemeinbildenden Schulen wird auch an den beruflichen Schulen der Hauptschulabschluss häufiger von jungen Männern als von jungen Frauen erworben. Mit 61 % lag dieser Anteil im Abschlussjahr 2007 sogar leicht über dem Anteil der jungen Männer bei den Fachhochschulabsolventen.

Ausländeranteil bei Abiturienten doppelt so hoch wie an allgemeinbildenden Schulen

Unter den rund 49 100 Abgängern beruflicher Schulen mit allgemeinbildenden Abschlüssen des Jahrgangs 2007 waren 5 500 Absolventen mit ausländischer Staatsangehörigkeit. Ihr Anteil betrug damit gut 11 %. Nach Abschlussarten wurden von den Ausländern 2007 folgende Anteile an allen Abschlüssen erzielt:

Hochschulreife4,9 %
Fachhochschulreife7,1 %
Fachschulreife14,3 %
Hauptschulabschluss30,1 %

Wie an allgemeinbildenden Schulen sind Ausländer auch in beruflichen Bildungsgängen seltener anzutreffen, wenn diese auf einem mittleren Abschluss aufbauen oder eine Hochschulzugangsberechtigung vermitteln. Allerdings sind ihre Anteile an beruflichen Schulen durchgängig höher als an den vergleichbaren allgemeinbildenden Bildungsgängen. Gut 650 ausländische Jugendliche erwarben die Hochschulreife an einer beruflichen Schule, meist an einem beruflichen Gymnasium, seltener an einer Berufsoberschule. An beruflichen Gymnasien lag der Ausländeranteil bei den Abiturienten mit knapp 5 % etwa doppelt so hoch wie an den allgemeinbildenden. In den letzten Jahren war an den beruflichen Gymnasien ein rückläufiger Trend festzustellen. Im Jahr 2000 betrug der Ausländeranteil beim Erwerb der Hochschulreife nahezu 7 %. Hier kann sich die erleichterte Einbürgerung ausgewirkt haben.

Von den rund 16 000 erfolgreich abgelegten Fachhochschulreifeprüfungen des Jahres 2007 an beruflichen Schulen wurden 1 140 von Ausländern bestanden, was einem Anteil von gut 7 % entspricht. Wie bei ihren deutschen Mitschülern waren auch unter den Ausländern die Berufskollegs die am häufigsten gewählten Bildungsgänge zur Erreichung der Fachhochschulreife. Sie wählten dabei jedoch relativ seltener den Weg über das Berufskolleg zum Erwerb der Fachhochschulreife, sondern entschieden sich häufiger für die Zusatzprüfung im Rahmen einer schulischen Berufsausbildung.

Die Fachschulreife erreichen viele ausländische Jugendliche über die 2-jährigen Berufsfachschulen. Die meisten Hauptschulabschlüsse wurden von Ausländern im Berufsvorbereitungsjahr erzielt. Die Chance, den Hauptschulabschluss nachzuholen, wenn man ihn an einer allgemeinbildenden Schule nicht erreicht hat, wird somit durchaus genutzt.

Weitere Informationen zum Erwerb allgemeinbildender Abschlüsse an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen auf der Datenbasis von 2006/07 enthält die Bildungsberichterstattung 2007 »Bildung in Baden-Württemberg«.2