:: 8/2008

Schadet der starke Euro dem Export?

Schon seit einigen Jahren erklimmt der Euro gegenüber dem US-Dollar immer neue Spitzenwerte. Wenn Medien darüber berichten, tragen die Meldungen oft Überschriften wie »Euro auf neuem Höchststand – Exporteure warnen« oder »Dollar im freien Fall – Exportbranche bangt«. Vor allem Unternehmen, die einen bedeutenden Teil ihres Umsatzes im Ausland und insbesondere im Dollarraum machen, sehen sich vom starken Euro bedroht. Baden-württembergische Unternehmen exportieren überdurchschnittlich viel in die USA, dennoch hat sich der Export Baden-Württembergs in den letzten Jahren sehr positiv entwickelt.

Sind die Sorgen unbegründet? Ist der Einfluss des Wechselkurses gar nicht so stark wie befürchtet? Anhand historischer Daten wird im Folgenden untersucht, wie sich der Dollarkurs in der Vergangenheit entwickelt hat und welche Auswirkung er auf die Entwicklung der Exporte hatte.

Ökonomen sehen den Wechselkurs anders

Im Gegensatz zum alltäglichen Sprachgebrauch wird in der Theorie des Außenhandels von einer Verbesserung der Handelsbedingungen (»Terms of Trade«) gesprochen, wenn der Wert der eigenen Währung steigt! Aus Sicht der Ökonomen haben sich demnach die Handelsbedingungen für die Deutschen in den letzten Jahren verbessert. Die Erklärung der Ökonomen hierfür lautet, dass es beim Außenhandel um die Vermehrung der »Konsummöglichkeiten« und damit des Wohlstands der Einwohner eines Landes geht. Und in der Tat können sich Deutsche jetzt mehr amerikanische Produkte leisten als noch vor 5 Jahren. Oder sie müssen weniger für die Waren aus dem Ausland ausgeben. So bleibt dank des starken Euros etwas mehr im Geldbeutel übrig und kann für andere Zwecke verwendet werden. Auch die Preissteigerungen beim Öl werden durch den starken Euro gedämpft.

Auf der anderen Seite des Atlantiks hingegen haben sich die Konsummöglichkeiten tendenziell verschlechtert. Nicht nur, dass dort die Benzinpreise stärker gestiegen sind, sondern auch, weil Produkte aus Germany teurer geworden sind. Wenn sich US-Amerikaner aber weniger deutsche Produkte leisten können, können deutsche Produzenten in der Folge auch weniger auf dem amerikanischen Markt absetzen. Die Kehrseite des steigenden Wechselkurses ist demnach ein tendenziell erschwerter Export1. Aus diesem Grund würde man im allgemeinen Sprachgebrauch auch nicht von einer Verbesserung der Handelsbedingungen reden.

Währungsbedingte Verbesserungen der Konsummöglichkeiten gehen also immer mit einer Verschlechterung der Exportbedingungen einher. Während Ökonomen auch die positiven Wirkungen des starken Euros betrachten, spielen in der öffentlichen Wahrnehmung die Risiken für den Export eine viel größere Rolle. Das liegt auch daran, dass in Deutschland und gerade in Baden-Württemberg der Einfluss der Exportindustrie auf die Gesamtwirtschaft besonders bedeutsam ist. Der Anteil der Güterexporte am Bruttoinlandsprodukt ist höher als in den meisten anderen Ländern der Erde. Außerdem ist die deutsche Konjunktur stark von der Entwicklung des Außenhandels abhängig. Die Angst, dass der starke Euro negative Folgen für die Exportunternehmen und die damit verbundenen Arbeitsplätze hat, ist vor diesem Hintergrund verständlich.

Wenn der Dollar abwertet, ist das positiv für die deutschen Konsumenten, aber ungünstig für die Exporteure. Dass ein fallender Dollarkurs nicht die Ausnahme, sondern seit knapp 40 Jahren der Regelfall ist, wird aus der Betrachtung des historischen Kursverlaufs deutlich.

Vier Jahrzehnte Dollarschwäche

Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurde auf einer Konferenz in den USA das sogenannte »Bretton Woods«-Wechselkurssystem beschlossen. Darin verpflichteten sich die Mitgliedsländer, ihre Währungen in einem festen Verhältnis2 an den US-Dollar zu binden. Die Deutsche Mark wurde mit einem Wechselkurs von 4,20 DM/USD (umgerechnet 0,47 USD/EUR3) in diesem System verankert. Die Bundesbank war verpflichtet, den Wechselkurs durch Dollaran- und -verkäufe stabil zu halten.

In den 50er- und 60er-Jahren baute Deutschland jedoch gewaltige Handelsüberschüsse auf, die den Wechselkurs unter Druck setzten. Auf- oder Abwertungen konnten aber nur von der Bundesregierung bei einem fundamentalen Ungleichgewicht und mit Zustimmung des internationalen Währungsfonds vorgenommen werden.

Insgesamt zweimal, in den Jahren 1961 und 1969, wurde davon Gebrauch gemacht und beide Male war die Entscheidung von erheblichen politischen Kämpfen begleitet. 1969 trug der Konflikt um eine Abwertung der D-Mark zum Ende der ersten Großen Koalition unter Bundeskanzler Kiesinger bei4. Wenige Tage nach der Wahl seines Nachfolgers wurde die D-Mark von der Regierung abgewertet. Doch letztlich wurde der Druck auf das System fester Wechselkurse immer größer und im Mai 1971 sah sich die Bundesbank aufgrund heftiger Spekulationswellen veranlasst, die Dollar-Aufkäufe einzustellen, die zum Erhalt eines fixen Wechselkurses notwendig gewesen wären. 2 Jahre später brach das Bretton-Woods-System endgültig zusammen und seitdem ist der Wechselkurs zwischen D-Mark und Dollar freigegeben.

In der Folge stürzte der Wert des Dollars gegenüber der D-Mark regelrecht ab und lag im Januar 1980 bei nur noch 1,71 DM/USD (umgerechnet 1,15 USD/EUR). In der ersten Hälfte der 80er-Jahre erlebte der Dollar aber eine zwischenzeitliche Renaissance und konnte seinen Wertverlust gegenüber der D-Mark fast wieder ausgleichen. Diese Erholung des Dollars hatte ihre Ursachen zum einen in der Hochzinspolitik der US-Notenbank und zum anderen in der expansiven Fiskalpolitik der US-Regierung unter Präsident Ronald Reagan5.

Der Dollar verlor jedoch nach diesem Zwischenhoch erneut an Wert und fiel 1995 auf 1,36 DM/USD (umgerechnet 1,44 EUR/USD), den tiefsten Stand, den er gegenüber der D-Mark erreichen sollte. In der zweiten Hälfte der 90er-Jahre gab es zum zweiten Mal eine Dollar-Renaissance, die insbesondere nach der Einführung des Euros als Buchgeld im Jahr 1999 an Fahrt gewann. Skeptiker bezeichneten den Euro schon als »Weichwährung«. Der Euro erreichte im Oktober 2000 sein historisches Tief von 0,83 USD/EUR (umgerechnet 2,36 DM/USD). Davon ist der Euro im Jahr 2008 weit entfernt. Seit 2000 ging es fast ausschließlich in eine Richtung und im Mai 2008 lag der Euro mit über 1,55 USD/EUR (umgerechnet 1,26 DM/USD) höher als die D-Mark jemals lag.

Vier Jahrzehnte Exportwachstum

Bis auf die zwei oben genannten Phasen (1980 bis 1985 und 1995 bis 2000) hat die Wechselkursentwicklung den baden-württembergischen Exporteuren das Leben schwer gemacht. Seit 1970 hat sich der Wert der D-Mark bzw. des Euros gegenüber dem US-Dollar grob verdreifacht. Würde man heute den Wechselkurs von damals anlegen, würden deutsche Produkte in den USA nur ein Drittel kosten. Trotz dieser scheinbar erheblichen Behinderung wuchsen die baden-württembergischen Exporte zwischen 1970 und 2007 im Schnitt um 7,2 % pro Jahr. Auch in den letzten Jahren konnten die Exporteure kräftige Wachstumszahlen verbuchen, obwohl ihnen der starke Euro das Geschäft erschwerte.

Aus Schaubild 2 wird deutlich, dass sich die Exporte meist unbeeindruckt von den starken Schwankungen des Dollarkurses entwickelten. So konnten die Exporteure in den 70er-Jahren auf durchgängig hohe Wachstumsraten verweisen, obwohl der Dollar permanent an Wert verlor. In der ersten Hälfte der 80er-Jahre konnte sich der Dollar zwar wieder erholen, Auswirkungen auf das Exportwachstum waren aber nicht festzustellen. Als der Dollar Mitte der 80er-Jahre erneut regelrecht abstürzte, verlangsamte sich das Exportwachstum etwas, blieb aber weiterhin positiv.

Anfang der 90er-Jahre gab es völlig unabhängig vom Dollarkurs eine Schwächephase des baden-württembergischen Exports. Diese war bedingt durch die Wiedervereinigung und die stärkere Konzentration auf den deutschen Binnenmarkt. In der zweiten Hälfte der 90er-Jahre richteten die baden-württembergischen Produzenten ihr Augenmerk wieder stärker auf die Auslandsmärkte und der Export erlangte hohe Wachstumsraten. Zur gleichen Zeit erlebte der Dollar eine seiner seltenen Stärkephasen. Als der Dollar in den Jahren nach der Jahrtausendwende wieder deutlich an Wert einbüßte, verlor auch der Export etwas an Schwung. Der Dollarkurs fiel weiterhin, der Export hingegen erholte sich zur Mitte des Jahrzehnts und erreichte erneut hohe Wachstumsraten. Im gesamten beobachteten Zeitraum von 37 Jahren hat sich der Export im Gegensatz zum Dollarkurs überwiegend positiv und relativ gleichmäßig entwickelt.

Baden-Württembergs Exporte in die USA

Ein Teil der Erklärung lautet, dass der Dollarkurs nur für einen relativ geringen Teil der Exporte von direkter Bedeutung ist. In der Tat bleiben die meisten Waren in Europa, wo einige Länder selbst den Euro als Währung führen, ihre Währung direkt an die Gemeinschaftswährung gekoppelt haben oder deren Währungen einfach nicht so stark gegenüber dem Euro abwerteten.

Von direkter Bedeutung ist der Dollarkurs hingegen für die Exporte in die Vereinigten Staaten. Die USA sind immerhin das wichtigste außereuropäische Exportland für Baden-Württemberg. Insgesamt gingen im Jahr 2007 Waren im Wert von 15 Mrd. Euro in die USA, das ist ein Zehntel des gesamten baden-württembergischen Exports. Die mit Abstand wichtigsten Gütergruppen waren Fahrzeuge bzw. Fahrzeugteile mit 38 % und Maschinen mit 27 %. Zusammen machen sie damit knapp zwei Drittel der baden-württembergischen Exporte in die USA aus. Darauf folgen die Gruppe verschiedener technischer Erzeugnisse, unter anderem der Medizin- und Messtechnik, mit 10 % und die chemischen Erzeugnisse mit ebenfalls 10 %.

Seit 1970 stiegen die Exporte in die USA um durchschnittlich 7,4 % pro Jahr an und damit sogar etwas schneller als die Exporte in den Rest der Welt. Im Jahr 2007 mussten die baden-württembergischen Exporteure aber herbe Verluste verkraften. Um 12 % sanken die Exporte in die Vereinigten Staaten, während sie insgesamt um 6 % anstiegen. Als Gründe hierfür werden die Immobilienkrise, die schwierige Lage auf dem US-Automarkt und eben auch der schwache US-Dollar genannt.

Wie hängt Exportwachstum und Dollarkurs zusammen?

Im Schaubild 3 sind die Exportwachstumsraten und die Entwicklung des Dollars seit 1970 gegenübergestellt. Jeder Punkt steht für ein Jahr. Punkte in den rechten Quadranten (I, IV) sind Jahre, in denen der Dollar aufgewertet wurde und dem baden-württembergischen Export also eher förderlich war. Dass der Dollar in den meisten Jahren sank, erkennt man daran, dass die Mehrzahl der Punkte in einem der beiden linken Quadranten (II und III) liegt. Punkte, die in einem der oberen Quadranten (I und II) liegen sind Jahre, in denen der Export zugelegt hat.

Je enger der Zusammenhang zwischen Exportwachstum und Dollarkurs ist, desto deutlicher sollte die Punktewolke einem aufsteigenden Trend folgen. Die Punkte in den Quadranten I und III bestätigen also diesen Zusammenhang, während Punkte in den Quadranten II und IV diesem widersprechen.

In Schaubild 3a ist die Dollarkursentwicklung den Exporten in die ganze Welt gegenübergestellt. Ein besonders enger Zusammenhang ergibt sich weder optisch noch rechnerisch. Der Korrelationskoeffizient nach Pearson erreicht hier einen Wert von 0,26. Von einem schwachen Zusammenhang spricht man bei Werten bis 0,56. Schaubild 3b vergleicht die Dollarkursentwicklung mit den Exporten in die USA. Wie zu erwarten, ergibt sich hier ein engerer Zusammenhang. Doch auch hier erreicht der Korrelationskoeffizient mit einem Wert von 0,40 nicht einmal mittlere Stärke.

Beim Vergleich des Dollarkurses mit den Exporten in die Welt, ausgenommen die USA, ist der Zusammenhang noch schwächer als in Schaubild 3a und der Korrelationskoeffizient liegt bei gerade mal 0,17. Auch wenn man berücksichtigt, dass der Wechselkurs erst mit einer gewissen Verzögerung auf die Exportergebnisse wirkt, lässt sich kein stärkerer Zusammenhang feststellen.

Die Gleichung »schwacher Dollar = schwacher Export« geht nicht auf

Es gibt also gute Exportjahre trotz Dollarschwäche und auch vergleichsweise schlechte Jahre trotz Dollarstärke. Eine naheliegende Schlussfolgerung ist, dass andere Einflüsse eine ebenso wichtige Rolle spielen. Dazu gehören die Konjunktur in den Exportländern, Veränderungen der handelspolitischen Rahmenbedingungen oder Einmal-Effekte wie die Wiedervereinigung.

Auch wenn der Einfluss des Dollarkurses auf den gesamten Exporterfolg gering ist, so heißt das nicht, dass er ohne Konsequenzen ist. Er spielt eine Rolle, wenn es darum geht, in welche Länder die Exporte gehen. In Schaubild 4 zeigt sich, dass in beiden Phasen, in denen sich der Dollar günstig für die baden-württembergischen Exporteure entwickelte, die Bedeutung der USA als Absatzland erkennbar anstieg. Parallel zum jeweiligen Ende des Dollarhöhenfluges sank auch der Anteil der USA an den Exporten wieder.

Erschwert der Dollarkurs das Geschäft, dann versuchen hiesige Unternehmen eher in anderen Weltregionen ihre Marktanteile auszubauen. Das bedeutet nicht, dass die Exporte in die USA zurückgehen, sondern nur, dass Exporte in andere Weltregionen dann etwas schneller zunehmen. Wenn umgekehrt der Dollar eine Renaissance erlebt, dann gewinnen die USA als Absatzmarkt an Attraktivität, ohne dass die Exporte in andere Länder deshalb zurückgehen müssen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Dollarkurs in der Vergangenheit nicht die wichtigste Determinante für den baden-württembergischen Export war. Selbst für die Exporte in die USA geht die Gleichung »schwacher Dollar = schwacher Export« meist nicht auf. Der Wechselkurs hat einen gewissen Einfluss, wohin exportiert wird, den Export nachhaltig behindern konnte er bislang jedoch nicht.

1 Krugman, Paul/Obstfeld, Maurice: International Economics – Theory & Policy, (2006), S. 410 (Zitierweise: International Economics).

2 Tatsächlich durften die Währungen in einem Korridor von ± 1 % schwanken.

3 Mit Einführung des Euros wechselte die Darstellung des Wechselkurses von Preisnotierung (DM/USD) zu Mengennotierung (USD/EUR). Die Basiswährung ist nun also nicht mehr die Fremdwährung (US-Dollar), sondern die Eigenwährung (Euro).

4 Emminger, Otmar: D-Mark, Dollar, Währungskrisen – Erinnerungen eines ehemaligen Bundesbankpräsidenten, (1986), S. 158.

5 Krugman, P./Obstfeld, M.: International Economics, (2006), S. 529 f.

6 Vgl. Fahrmeir, Ludwig/Künstler, Rita/Pigeot, Iris/Tutz, Gerhard: Statistik, (2004), S. 139.