:: 9/2008

Zwischenstation Krankenhaus – Jugendliche und der Alkohol

Das Trinkverhalten von Kindern und Jugendlichen und seine Auswirkungen rücken in den letzten Jahren zunehmend in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Während in der Vergangenheit bewusst exzessiver Umgang mit alkoholischen Getränken eher in Randgruppen zu beobachten war, ist das Trinkverhalten junger Menschen und vor allem dessen unmittelbare Folgen inzwischen ein gesamtgesellschaftliches Phänomen geworden, was letztendlich auch die Politik auf den Plan gerufen hat. Ergebnisse von Trinkgelagen lassen sich verlässlich allerdings nur dann in Zahlen fassen, wenn es zu einer Notversorgung kommt. Polizei, Rettungsdienste, Ärzte und Krankenhäuser haben mit den Fällen zu tun, denen durch das übermäßige Zuführen von Alkoholika Gefahr für Leib und Leben droht. Vorkommnisse solcher Art finden sich bislang nirgends zusammengefasst dargestellt. Allein die amtliche Krankenhausstatistik ermöglicht einen Überblick über die wachsende Zahl zumindest der vollstationär versorgten jungen Alkoholpatienten. Zudem lassen sich Aussagen über die Entwicklung in den relevanten Altersjahren und zu regionalen Schwerpunkten treffen. Bei der Beurteilung dieser Ergebnisse ist dabei immer zu berücksichtigen, dass auch in diesen jungen Jahren nicht jede alkoholbedingte Ausfallerscheinung zwangsläufig im Klinikbett enden muss.

Jährliche Ergebnisse seit 2001 möglich

Erst mit der Umstellung der Krankenhausdiagnosestatistik auf die neue und tiefer greifende Systematik der internationalen Klassifikation der Krankheiten wurde es möglich darzustellen, wie sich die Folgen exzessiven Alkoholkonsums in der stationären Versorgung der Krankenhäuser Baden-Württembergs niederschlagen (siehe i-Punkt). Mit Pressemitteilungen machte das Statistische Landesamt schon früh auf das wachsende Problem aufmerksam. Im Vordergrund standen zunächst die Absolutzahlen der Patienten nach Geschlecht und in 5 Jahresaltersgruppen auf Landesebene. Neben einer Landtagsanfrage führte das zunehmende Interesse verschiedener Stellen, die sich vor allem Präventionsaufgaben widmen, dazu, Ergebnisse auch auf Ebene der Wohnkreise zu erzeugen und zur Verfügung zu stellen. Als weiterer Schritt bot sich an, die für diese Zwecke aus bestimmten Gründen doch eher groben Altersklassen weiter zu differenzieren. Auch aus epidemiologischer Sicht spielen hier vor allem die einzelnen Altersjahre eine wichtige Rolle, die unterschiedliche und durchaus nennenswerte Fallzahlen aufweisen. Die tatsächliche Größenordnung des Problems wird allerdings erst fassbar, wenn man die wohnortbezogenen Fallzahlen auf die jeweilige Einwohnerzahl bezieht.

Auffällig werden Kinder und Jugendliche, die sich aufgrund ihres Alkoholkonsums in stationäre Krankenhausbehandlung begeben müssen, in einem Alter, das man zwar altbacken aber treffend als Teenageralter bezeichnet. Bei den 11-Jährigen tauchen landesweit vereinzelte Fälle auf und bei den 12-Jährigen bleiben die Zahlen im unteren 2-stelligen Bereich und steigen auch nicht stetig an. 3-stellig werden die Ergebnisse erst ab einem Alter von 13 Jahren. Um bei der Berechnung alkoholbedingter Behandlungsraten Verzerrungen nach Möglichkeit zu vermeiden, werden die unter 13-Jährigen in der Darstellung nicht immer berücksichtigt.

Alkohol für alle leicht verfügbar

Der teilweise Ausschluss der unter 13-Jährigen von dieser Untersuchung ist kein Bagatellisierungsversuch. Denn 9 Kinder im Alter von 11 Jahren oder 40 im Alter von 12 Jahren, deren Zustand nach dem Konsum alkoholischer Getränke eine stationäre Krankenhausversorgung erforderlich macht, sind 49 Fälle zu viel. Entgegen aller gesetzlichen Bestimmungen ist es in diesem Alter also nicht nur möglich an Alkohol zu kommen, sondern obendrein noch in einer Menge, die ausreicht sich so zu betrinken, dass nur noch das Krankenhaus helfen kann. Diese Feststellung gilt in gleichem Maße natürlich auch für die 13-, 14-, 15- und 16-Jährigen, deren alkoholbedingte Krankenhausaufenthalte von 924 Fällen im Jahr 2001 auf 1 598 Fälle im Jahr 2006 zunahmen und die Jahr für Jahr etwas über der Fallzahl lagen, die von den 17-, 18- und 19- Jährigen produziert wurden, denen der Gesetzgeber Zugang zu alkoholischen Getränken nur schrittweise (zum Beispiel Spirituosen) gewährt. Genau genommen besteht also kein nennenswerter Unterschied zwischen denen, die noch nicht dürfen und denen, die schon dürfen.

Auch wenn die Krankenhausstatistik darüber keine Auskunft geben kann, darf doch vermutet werden, dass sich Trinkgelegenheiten mit derart schwerwiegenden Folgen eher nicht im Schoße der Familie ergeben, sondern weitgehend unkontrolliert im Kreise von Altersgenossen oder Gleichgesinnten.

Alles eine Frage des Preises?

In der Öffentlichkeit wurden in der Vergangenheit als eine Ursache des Problems zum Beispiel sogenannte Alkopops ausgemacht; süße, spirituosenhaltige Mixgetränke, deren Wirkung sich nicht nur wegen des – vielleicht für Erwachsene – relativ geringeren Alkoholgehaltes gleichsam schleichend einstellt und die wegen ihrer vordergründigen Bekömmlichkeit eher von Mädchen und jungen Frauen bevorzugt werden. Hier hat der Gesetzgeber versucht, über eine spezielle Besteuerung dieses Produkts einzugreifen.1 Es dürften aber vor allem zwei Faktoren ausschlaggebend sein: das Betrinken in der Gruppe durch Selbstbeschafftes oder durch die berüchtigten Flatrate-Parties, mit denen vermutlich versucht wird, zum einen publikumsschwache Geschäftszeiten auszugleichen und zum anderen neue Kundschaft an den Betrieb heranzuführen. Diese Flatrate-Parties sucht man über eine Reihe ordnungspolitischer Maßnahmen bis hin zum Konzessionsverlust in den Griff zu bekommen. Als weitere Maßnahmen sind generelle zeitlich begrenzte Verkaufsverbote von Alkohol an Tankstellen und in Einkaufsmärkten vorgesehen. Hiermit soll die Spontanbeschaffung eingedämmt werden, die vor allem auch von der Polizei seit Längerem beklagt wird.

Sieht man einmal von Happy-Hour-Angeboten oder von den Flatrate-Parties als einer besonderen Form einer betriebswirtschaftlich scheinbar unökonomischen Variante des Alkoholverkaufs ab, so ist doch festzustellen, dass Alkohol erst einmal gegen Geld erworben werden muss. Auch das offenbar seit Langem beliebte »Vorglühen« vor dem für später eingeplanten Discobesuch, also der schnelle Wodka oder anderes Höherprozentiges, kosten Geld, versetzt aber – hier wird von den jugendlichen Konsumenten durchaus wirtschaftlich gedacht und gehandelt – schon für vergleichsweise geringen finanziellen Aufwand in eine offenbar als wünschenswert erachtete Stimmung, für deren Erreichen mit den gleichen Getränken zu Discopreisen ein ungleich höherer Geldeinsatz notwendig wäre.

Wie man es auch drehen mag: offenbar sind heute bei vielen jungen Leuten, die in diesem Alter ganz überwiegend noch über kein geregeltes Einkommen verfügen dürften, finanzielle Mittel in nicht unerheblichem Maße vorhanden. Zumal ja auch auf anderen Gebieten, die nicht unbedingt im Krankenhaus enden müssen, sichtbar konsumiert wird. Hier sei nur beispielhaft daran erinnert, dass 20 Mark monatliches Taschengeld in den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts nicht weit reichten, wenn eine LP (Langspielplatte) 18 Mark kostete, eine Schachtel Zigaretten 2 Mark und ein Bier in der Kneipe 1,50. Ein Ortsgespräch aus der Telefonzelle schlug mit 2 Groschen zu Buche. Womit nicht gesagt sein soll, dass es sich damals um die gute alte Zeit handelte, wo allgemeine Abstinenz herrschte und jede/r brav zu Hause saß und seinen 5 Langspielplatten lauschte. Aber, und das macht wohl einen der Unterschiede aus, die Mittel waren begrenzt und man musste schon etwas mit ihnen haushalten.

Hauptsache Party

Der Umgang mit Alkoholika ist in unserem Kulturkreis – von Altersbeschränkungen bei der Weitergabe einmal abgesehen – nicht verboten. Er ist vielmehr fester Bestandteil unserer kulturellen und gesellschaftlichen Tradition. Gleichzeitig gehörte das »Was-Vertragen-Können« zum richtigen Mann dazu, was bei den Heranwachsenden seit jeher zu allerlei Initiationsriten geführt hat, und nicht nur in manchen Burschenschaften weiterbetrieben wird. Alkohol ist allgegenwärtig. Und gab in den 60er-Jahren das markante Dressman-Gesicht für eine Wodkawerbung noch den als erstrebenswert erachteten Typ des harten Mannes vor, so ist an seine Stelle längst das Event getreten. Oder auch nur die Verheißung, in Gesellschaft anderer junger attraktiver Menschen gut drauf zu sein, scheint als Anlass zu genügen – Stichwort »Hauptsache Party«. Und zur flüchtigen Leichtigkeit des Seins gehört eben auch das jeweils passende Getränk.

Es ist nicht ganz zu übersehen, wenn bei sportlichen Großereignissen Brauereien als Sponsoren auftreten und das inzwischen Mode gewordene Public-Viewing von Sportereignissen in der Regel mit Getränkeständen umstellt ist, an denen nicht in erster Linie Sprudel verkauft wird. Abgesehen von den offiziellen Sponsoren sollen Gemeinden, die derartige Großveranstaltungen mit mehreren 10 000 Menschen ausrichten, am Umsatz des Bierverkaufs prozentual beteiligt sein, um die eigenen Kosten so gering wie möglich zu halten.2 Was nichts anderes heißt, als dass der Deckungsgrad in dem Maße steigt, je mehr getrunken wird (so lässt sich natürlich trefflich darüber diskutieren, wie man dem öffentlichen Alkoholkonsum entgegentreten kann). Auf das Suchtpotenzial, das Glücksspielen innewohnt, weist zwar die Totto/Lotto-Werbung hin, Vergleichbares sucht man aber auf dem Etikett einer Flasche billigen Fusels derzeit ebenso vergeblich wie auf dem eines »Premium-Getränks«.

Die Folgen von Alkoholkonsum treffen wie schon früher dort auf Grenzen, wo gesellschaftliche Normen verletzt werden. So gibt es für betrunkene Mädchen und Frauen wenig Akzeptanz. Bei heranwachsenden und gestandenen Männern dagegen darf das schon mal vorkommen, solange es nicht zur Regel wird. Trinken in der Öffentlichkeit war lange reine Männersache, vergleichbar dem Rauchen. Als Frau tat man das nicht. Die fortschreitende Gleichstellung der Geschlechter hat wohl auch vor diesen Tabus nicht Halt gemacht. Das geht bis zu dem berüchtigten »binge-drinking«, ein Anglizismus der das umschreibt, was in den 80er- und 90er-Jahren sehr viel brutaler als »Komasaufen« bekannt war, also das vorsätzliche Herbeiführen eines Vollrausches. Dieses Verhalten hat nun nichts mehr mit dem eher beiläufig zustande gekommenen Rausch, dem unbeabsichtigten oder zufälligen Überschreiten der persönlichen Grenzen zu tun. In ihm zeigt sich vielmehr ein geradezu selbstzerstörerischer Zug, der allein schon im Begriff »Koma« zum Ausdruck kommt.

Das Ergebnis des absichtlich und des unbewusst herbeigeführten Übermaßes findet sich undifferenziert in der Krankenhausstatistik wieder. Aber eben erst ab 2001, wobei längst in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangene Begrifflichkeiten wie »Komasaufen« oder »Kampftrinken« darauf hindeuten, dass die Alkoholproblematik nicht erst mit dem Jahr 2001 aufgetreten ist. Die typische Krankenhausdiagnose für Einlieferungen dieser Altersjahre ist die sogenannte »Akute Intoxikation«, womit in diesem Zusammenhang der akute Rausch bezeichnet wird (siehe i-Punkt).

Seit 2001 steigen die Fallzahlen: betroffen sind vor allem die 16-Jährigen

Im Jahr 2001 wurden in den Krankenhäusern Baden-Württembergs 1 769 Fälle im Alter von 13 bis einschließlich 19 Jahren vollstationär versorgt. Bis 2006 war diese Zahl auf 3 030 Fälle angestiegen, das bedeutet ein Plus von 70 %. Auf die Jahre verteilt ergaben sich jedoch unterschiedliche Zuwächse. Zur bislang größten prozentualen Veränderung gegenüber dem Vorjahr kam es 2004. Im Vergleich zu 2003 gingen die Behandlungszahlen um gut 20 % nach oben. Der geringste Anstieg war 2006 mit knapp 1 % zu verzeichnen. Gegenüber 2005 wurden noch 30 Behandlungsfälle mehr gezählt.

Während seit 2001 in jedem Berichtsjahr die Zahl der männlichen jugendlichen und heranwachsenden Patienten gestiegen ist, war bei den Mädchen und jungen Frauen 2006 erstmals ein geringfügiger Rückgang der Fallzahlen zu beobachten (– 28). Allerdings sind sie über alle erfassten Jahre mit 36 bis gut 39 % weit unterdurchschnittlich an derartigen Krankenhausaufnahmen beteiligt. Die bisher höchste Zahl wurde 2005 mit insgesamt 1 171 Alkoholpatientinnen gezählt.

In der Betrachtung nach Altersjahrgängen fällt bei den männlichen wie bei den weiblichen Heranwachsenden besonders die Entwicklung bei den 16-Jährigen auf. Hier hat sich die Zahl der Behandlungsfälle bis 2006 innerhalb von 5 Jahren etwas mehr als verdoppelt (auf 396 bei den Jungen) bzw. fast verdoppelt (auf 204 bei den Mädchen). Das Ergebnis des Jahres 2005 fiel bei den Mädchen in diesem Altersjahr mit 253 Fällen sogar noch ungünstiger aus. Dieses Altersjahr weist für beide Geschlechter die höchsten Werte auf. Während die männlichen Krankenhauspatienten am zweithäufigsten mit 17 betroffen sind, sind es die weiblichen bereits mit 15 Jahren, (Tabelle).

Diese altersbezogenen Schwerpunkte treten besonders deutlich hervor, wenn die Berichtsjahre zusammengefasst werden, wobei hier aus Gründen der Verdeutlichung die 11- und 12-Jährigen in die Darstellung mit einbezogen sind. Die Verteilung ist bis zum Alter von 14 Jahren bei Jungen wie Mädchen nahezu identisch. Während bei den Jungen bis ins Alter von 16 Jahren der Anstieg ungebremst weitergeht, fällt von diesem Alter an der Anstieg bei den Mädchen weniger steil aus und beginnt früher als bei den Jungen zurückzugehen.

Auswertung nach dem Wohnort zeigt regionale Schwerpunkte

Gestatten die Jahresergebnisse nach einzelnen Altersjahren und Geschlecht eine verhältnismäßig übersichtliche Darstellung, wird diese Merkmalskombination rasch unhandlich, sobald man die Ergebnisse regionalisieren will. Geht das noch auf der Ebene eines einzelnen Landkreises, stößt eine vergleichende Übersicht aller Kreise Baden-Württembergs an die Grenzen der Überschaubarkeit.

Wählt man zur Darstellung die absoluten Zahlen der einzelnen Kreise, so ist davon auszugehen, dass Kreise mit einer hohen Zahl von Einwohnern in einem bestimmten Alter dort mehr Krankenhausfälle vorzuweisen haben, als Kreise, in denen diese spezifischen Einwohnerzahlen sehr viel niedriger sind. Was die alkoholbedingten Krankenhausbehandlungen angeht, wäre demnach Stuttgart immer Spitzenreiter, weil hier die größte Zahl jugendlicher Einwohner auf die größtmögliche Zahl an Gelegenheiten und Anlässen zum Alkoholkonsum trifft.

Nicht nur die Fallzahlen in den einzelnen Altersjahren verändern sich im Zeitablauf, sondern auch die Bevölkerungszahlen in diesem Altersbereich. So nimmt im Beobachtungszeitraum die Zahl der Bevölkerung im Teenageralter auf Landesebene bis 2005 jährlich zu. Im Jahr 2006 ist jedoch sowohl bei der männlichen wie bei der weiblichen Bevölkerung ein Rückgang um fast 876 bzw. um knapp 1 455 Personen auf 447 591 bzw. auf 426 749 festzustellen, was sich auf das Landesergebnis im Anbetracht der relativ kleinen Fallzahlen kaum auswirkt.

Erst wenn zwischen den absoluten Patientenzahlen und der zugehörigen Bevölkerungsgröße ein Bezug hergestellt ist, lassen sich die Kreisergebnisse auch tatsächlich miteinander vergleichen. Um nach Möglichkeit zu vermeiden, dass das Resultat eines einzelnen Berichtsjahres durch ein singuläres Ereignis in einem einzelnen oder in mehreren Stadt- und Landkreisen zu stark beeinflusst wird, sind die Kreisergebnisse aller untersuchten Jahre zu einem Ergebnis zusammengezogen worden. Anhand des Durchschnitts über 6 Jahre hinweg lässt sich recht verlässlich feststellen, ob sich bei den Behandlungsfällen regionale Schwerpunkte bilden. Wie Schaubild 2 zeigt, gibt es in der Tat zum Teil deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Kreisen Baden-Württembergs.

Die Spitzenstellung nimmt dabei der Landkreis Rottweil mit einer Behandlungsrate von 41,4 Fällen auf 10 000 der Bevölkerung im entsprechenden Alter ein. Den »günstigsten« Wert weist nach dieser Berechnung dagegen der Landkreis Heilbronn mit 18,5 Patienten aus. Der Landesdurchschnitt beträgt 28,1. Unter den 10 Kreisen mit der höchsten Rate liegt Baden-Baden etwas überraschend auf dem 2. Platz. Mit einer Behandlungsrate von 36 Fällen je 10 000 Jugendliche belegt die Landeshauptstadt Stuttgart in dieser Gruppe einen mittleren Platz. Als dritter Stadtkreis gehört auch Pforzheim zu den 10 Kreisen mit erhöhter Problematik. Dagegen befindet sich unter den 11 Kreisen mit den auf die Bevölkerung bezogen wenigsten Behandlungsfällen neben Heilbronn mit Ulm nur noch ein weiterer Stadtkreis.

Ein Blick auf die Karte Baden-Württembergs zeigt bei der Verteilung nach den 10 Kreisen mit der höchsten und den 11 Kreisen mit der niedrigsten Behandlungsrate von Kindern und Jugendlichen von 13 bis einschließlich 19 Jahren eine doch deutliche Aufteilung des Landes. Die Kreise mit den günstigeren Ergebnissen entwickelten sich vom Nordwesten des Landes her ohne Unterbrechung über Heilbronn, den Rems-Murr-Kreis, Esslingen und Reutlingen bis zum östlichen Alb-Donau-Kreis. Vom Rhein-Neckar-Kreis ausgehend stößt ein Ausläufer über die Landkreise Karlsruhe, Calw und Böblingen vom Westen her auf die Landkreise Esslingen und Reutlingen. Die Kreise mit den zehn ungünstigsten Ergebnissen bilden keine derartig geschlossene Einheit. So ist ein Block mit dem Neckar-Odenwald- und dem Main-Tauber-Kreis im äußersten Norden des Landes zu finden. Davon deutlich getrennt beginnt eine Kette von 4 Kreisen von Freudenstadt bis Konstanz. Ein unmittelbarer Anschluss an den ebenfalls betroffenen Kreis Waldshut besteht ebenfalls nicht. Die 3 Stadtkreise Baden-Baden, Pforzheim und Stuttgart bilden Exklaven.

Bei einer geschlechtsspezifischen Betrachtung der regionalen Verteilung wirken sich die höheren Behandlungsraten der Jungen auf die Verteilung der Behandlungsraten insgesamt aus. Im direkten Vergleich der Behandlungshäufigkeiten männlicher und weiblicher Krankenhauspatienten ergibt sich allerdings eine auffallende Verschiebung der regionalen Schwerpunkte. Während bei den männlichen Kindern und Jugendlichen unter den schlechtesten zehn Ergebnissen die 3 oben genannten Stadtkreise vertreten sind, sind es bei den Mädchen und jungen Frauen insgesamt 5 Stadtkreise. Zu den bereits genannten Stadtkreisen gesellen sich hier noch Karlsruhe und Freiburg im Breisgau. Der Verlauf vom Nord-Westen über die Landesmitte nach Osten oder Ost/Südost ist bei beiden Gruppen erkennbar. Die Aufteilung der ungünstigeren Raten bei den Mädchen ergibt aber ein doch etwas anderes Bild. Dazu trägt zum einen die höhere Anzahl der Stadtkreise, zum anderen der fehlende Schwerpunkt im äußersten Norden des Landes bei.

Ist die Versuchung auch groß, lassen sich Gründe für ein ungünstigeres Abschneiden nur schwer mit regionalen Besonderheiten in Verbindung zu bringen. So gibt es zum Beispiel weiße Flecken auf der Karte auch dort, wo Hochburgen schwäbisch-alemannischer Fasnet vermutet werden dürfen. Ebenso wenig lassen sich die Spitzenwerte nach schlechten ländlichen und guten urbanen Räumen trennen. Da die Behandlungsfälle nach dem Wohnortprinzip ermittelt wurden, nicht nach dem Krankenhausstandort in dem sie versorgt wurden, stellt sich die Frage, inwieweit es einen Zusammenhang zwischen eben diesem Wohnort und der Art seines freizeitbezogenen Angebot besteht. Diese Frage lässt sich – was Stuttgart betrifft – verhältnismäßig leicht beantworten. Sowohl in der männlichen wie in der weiblichen Gruppe ist die Landeshauptstadt unter den 10 Kreisen mit den ungünstigsten Ergebnissen zu finden ist. Auch Pforzheim und Baden-Baden fallen mit Spitzenwerten auf. Alle 3 Stadtkreise haben – was diese Untersuchung betrifft – keinen erkennbaren Einfluss auf die Behandlungszahlen ihrer Nachbarkreise, die für sie als Zentren ja die Einzugsgebiete darstellen müssten. Bei den Mädchen und jungen Frauen gilt das auch für die Stadtkreise Freiburg im Breisgau und Karlsruhe. Dagegen glänzen die Stadtkreise Heilbronn und Ulm mit Bestwerten und gänzlich unauffällig sind Heidelberg und Mannheim. Es können auch keine singulären Ereignisse sein, die zu einem guten oder schlechteren Platz in der Rangfolge führen. Die Zusammenfassung der Berichtsjahre zu einem Ergebnis schließt das in aller Regel aus.

Ebenso wenig ist es von zwingender Logik anzunehmen, dass es sich bei den Behandlungsfällen um einen harten Kern handelt, der nach der Drehtürmethode jedes Jahr einen Krankenhausaufenthalt wegen Alkoholmissbrauchs absolviert. Jedes Jahr wird die Besetzung eines Altersjahrs komplett ausgewechselt. Es zeigt sich, dass das Eingangsalter noch mit verhältnismäßig kleinen Raten aufwartet und in den Alterjahren 18 und 19 diese Raten wieder zurückgehen. Das Risikoverhalten baut sich offenbar in jedem Berichtsjahr für die am stärksten betroffenen Altersjahre neu auf. Es muss demnach Spezifika geben, auf die eine Antwort zum einen nur durch die vor Ort angetroffenen Verhältnisse möglich ist. Zum anderen zeichnen sich bestimmte Altersjahre durch eine erhöhte Risikobereitschaft aus.

Zusammenfassung

Die wenigen Berichtsjahre der Krankenhausdiagnosestatistik, die zur vollstationären Behandlung von Kindern und Jugendlichen in Baden-Württemberg infolge Alkoholkonsums Auskunft geben, können nur einen Teilbereich des Problems »Jugend und Alkohol« wiedergeben, den aber doch recht umfassend. Betroffen sind vor allem 16- und 17-jährige männliche und 15- und 16-jährige weibliche Jugendliche. Sie weisen innerhalb der Gruppe der 11- bis 19-Jährigen die höchsten Behandlungsraten auf. Davor steigen Sie an, danach gehen sie zurück; insgesamt aber ist ein jährlicher Zuwachs zu verzeichnen, der 2006 allerdings nur mehr gering ausfiel.

Zusammengefasst lassen sich Stadt- und Landkreise mit einer höheren Rate und solche mit einer niedrigeren Rate identifizieren. Spitzenreiter insgesamt ist der Landkreis Rottweil, der deutlich vom Landesdurchschnitt abweicht, am anderen Ende der Skala steht mit Heilbronn ebenfalls ein Landkreis. Geschlechtsspezifisch ergeben sich bei der regionalen Verteilung Unterschiede, wobei die Städte Baden-Baden, Pforzheim und Stuttgart stets in der Spitzengruppe zu finden sind.

1 Vgl. Alkopopsteuergesetz von 2004.

2 Vgl. Hierzu Stuttgarter Nachrichten Nr. 151 vom 1. Juli 2008, S. 18.