:: 9/2008

Elterngeld in Baden-Württemberg – Bilanz des ersten Jahres

Am 1. Januar 2007 wurde das bisherige Erziehungsgeld durch das Elterngeld ersetzt. Danach erhalten Eltern, die zum Zwecke der Kinderbetreuung ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen, im ersten Lebensjahr ihres Kindes Elterngeld in Höhe von 67 % des entfallenden Erwerbseinkommens. In Baden-Württemberg wurden im Jahr 2007 knapp 70 400 Anträge auf Elterngeld bewilligt. 10,6 % der Anträge wurden von Männern gestellt. Damit liegt das Land beim Anteil der begünstigten Väter im Bundesdurchschnitt. Fast ein Drittel der Bezieherinnen erhält nur den Mindestbetrag von 300 Euro. Das Elterngeld soll kontinuierliche Erwerbsverläufe erleichtern. Dies kann nur gelingen, wenn andere familienpolitische Maßnahmen wie außerhäusliche Kinderbetreuung die Erwerbstätigkeit nach der Elternzeit ermöglichen.

Mit dem Elterngeld wurde in Deutschland eine Lohnersatzleistung nach dem skandinavischen Modell eingeführt. Dadurch sollen Eltern in der Frühphase der Elternschaft unterstützt werden. Von der neuen Elterngeldregelung erhofft man sich, dass es beiden Elternteilen auf Dauer besser gelingt, ihre wirtschaftliche Existenz zu sichern. Das Elterngeld soll kontinuierliche Erwerbsverläufe erleichtern und Mütter zu einem früheren Wiedereinstieg in den Beruf ermutigen. Im Gegensatz zum Erziehungsgeld, das als einkommensabhängige1 Transferleistung gestaltet war, ist das Elterngeld – ähnlich dem Arbeitslosengeld oder Krankengeld – als Einkommensersatzleistung konzipiert. Dies bedeutet, dass demjenigen Elternteil, der seine Erwerbstätigkeit zugunsten der Kinderbetreuung ganz oder teilweise aufgibt, der dadurch entstandene Einkommensausfall zu einem großen Teil ersetzt wird. Damit ist das Elterngeld in gewissem Sinne eine Versicherungsleistung für Eltern, die für den Fall absichert, dass sie aufgrund von Betreuungsleistung nicht erwerbstätig sein können.

Fast 90 % der Anträge von Frauen

Im Jahr 2007 wurden in Baden-Württemberg insgesamt 70 380 Anträge auf Elterngeld bewilligt. Besonders hoch fiel dabei die Zahl der genehmigten Anträge im 4. Quartal des vergangenen Jahres mit 26 358 Bewilligungen aus. Von Januar bis März 2008 waren es nochmals 23 504 Anträge. Der Anteil der Väter bei der Inanspruchnahme von Elterngeld lag im Jahr 2007 bei 10,6 % und damit geringfügig über dem Bundesdurchschnitt von 10,5 %. Im 1. Quartal 2008 ist der Väteranteil bereits auf 14 % angestiegen. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Tendenz nach oben fortsetzt.

In den einzelnen Stadt- und Landkreisen ergibt sich ein differenziertes Bild. Eine hohe Anzahl von bewilligten Anträgen gab es in Stuttgart, Ludwigsburg und Esslingen, am wenigsten in Baden-Baden. Auch beim Väteranteil zeigen sich Stadt-Land-Unterschiede. Überdurchschnittliche Anteile der Männer haben vor allem die Stadtkreise. Spitzenreiter mit einem Anteil von fast 18 % ist Freiburg im Breisgau, danach folgt Heidelberg mit 17 % und nach Karlsruhe bereits der Landkreis Tübingen. Niedrigere Anteile zeigen sich in ländlich geprägten Kreisen. Am geringsten war der Väter-Anteil im Landkreis Tuttlingen mit knapp 6 %.

Im Bundesländervergleich zeigt sich, dass der Väteranteil im Jahr 2007 mit 13 % in Berlin am höchsten lag. Anteile von 11 % oder mehr wurden von Bayern (12 %), Brandenburg (12 %) sowie Hamburg und Thüringen (11 %) ermittelt. Am geringsten war der Väter-Anteil in Sachsen-Anhalt (9 %) und im Saarland (7 %). Die Abweichungen innerhalb und zwischen den einzelnen Bundesländern spiegeln vielleicht eher die unterschiedliche Einkommenssituation von Frauen und Männern wider als dass sie Aussagen über Kinderwünsche und Familienplanung zulassen. Sie geben vielleicht auch Hinweise über das Vorhandensein unterschiedlicher familiärer Strukturen.2

Wenn sich Väter dazu entschließen, Elterngeld in Anspruch zu nehmen und damit ihre Berufstätigkeit zugunsten der Kindererziehung zu unterbrechen, dann entscheidet sich die Mehrheit der Väter in Baden-Württemberg (65 %) für die sogenannten zwei Vätermonate. Eine Babyzeit von 12 Monaten nahmen 15 % in Anspruch. Dagegen beantragten fast alle Frauen (93 %) das Elterngeld für 12 Monate, lediglich 0,7 % entschieden sich für eine Bezugsdauer von 2 Monaten.

Die meisten Bezieherinnen und Bezieher in Baden-Württemberg waren verheiratet (82 %). 15 % waren ledig und 3 % geschieden3. Gut die Hälfte der Bezieherinnen und Bezieher hatte 1 Kind; von ihnen waren knapp drei Viertel verheiratet. Etwa ein Drittel hatte 2 Kinder und 15 % hatten 3 oder mehr Kinder im Haushalt.

Über die Familienstrukturen hinaus gibt die Statistik auch zum Thema Staatsangehörigkeit Auskunft. Danach besaßen 81 % oder rund 57 000 Personen die deutsche Staatsangehörigkeit, weitere 6 % waren Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union und 10 % Staatsangehörige eines anderen europäischen Staates (einschließlich der Türkei). Nur rund 4 % besaßen eine außereuropäische Staatsbürgerschaft.

Ein Drittel der Bezieherinnen erhält nur den Mindestbetrag von 300 Euro

Väter erhalten in Baden-Württemberg im Durchschnitt höhere Elterngeldbeträge als Frauen. Dies liegt zum einen daran, dass sie im Durchschnitt höhere Erwerbseinkommen haben und zum anderen Frauen vor der Geburt des Kindes häufiger als Männer nicht im Erwerbsleben standen.4

Den Höchstsatz beim Elterngeld in Höhe von 1 800 Euro bekamen nur 1 978 Personen, 1 050 Frauen und 928 Männer. Damit lag ihr Anteil an allen bewilligten Anträgen zusammen bei 2,8 %. Den Mindestbetrag in Höhe von 300 Euro hingegen erhielten bei den Frauen fast ein Drittel (30 %) und bei den Männern knapp ein Fünftel. Der prozentuale Anteil der Bezieherinnen von Elterngeld, die den Mindestbetrag erhalten, variiert nur geringfügig mit der Anzahl der Kinder im Haushalt. Der höchste Anteil mit 33 % ist in kinderreichen Haushalten (3 oder mehr Kinder) festzustellen. Aber auch in Haushalten mit 1 Kind bekommen 32 % der Frauen lediglich den Mindestbetrag von 300 Euro.

Weniger als 1 000 Euro erhielten 86 % und damit die überwiegende Zahl der Mütter, bei den Vätern lag dieser Anteil mit 51 % deutlich darunter. Mit steigender Zahl der im Haushalt lebenden Kinder nimmt der prozentuale Anteil der Mütter, die weniger als 1 000 Euro bekommen, kontinuierlich zu. Mit einem Kind sind es 78 %, mit 2 Kindern bereits 94 % und mit 3 und mehr Kindern, die dauernd im Haushalt leben, sind es mit 97 % fast alle. Dies hängt damit zusammen, dass Mütter ihre Erwerbstätigkeit zugunsten der Erziehung ihrer Kinder umso stärker einschränken, je mehr Kinder in der Familie zu versorgen sind. Aus eingeschränkter Erwerbstätigkeit resultieren geringere Erwerbseinkommen und aufgrund dessen geringere Elterngeldbeträge.

Einfluss auf die Geburtenrate?

Ein Ziel des Elterngeldes ist es auch, den Kinderwunsch potenzieller Eltern zu unterstützen und so eine positive Wirkung auf die Geburtenrate in Deutschland zu erzielen. Allerdings lässt sich ein solcher Zusammenhang – falls dies überhaupt gelingen kann – gegenwärtig nicht feststellen. Zum einen wird das Geburtenverhalten durch das Zusammenspiel höchst unterschiedlicher Faktoren beeinflusst. Zum anderen kann staatliche Familienpolitik Kinderwünsche nicht erzeugen, sie kann lediglich Voraussetzungen schaffen, um die Folgen (Risiken und Kosten) des Kinderhabens für die Eltern abzufedern. Die im März dieses Jahres vom Statistischen Bundesamt vorgestellten Geburtenzahlen für 2007 mit einem Plus von 1 % gegenüber dem Vorjahr lassen sich nur schwer in einen Zusammenhang mit der Einführung des Elterngeldes bringen. Frühestens mit den Geburtenzahlen für 2009 lassen sich zumindest Trendaussagen treffen.5

In Schweden existiert das Elterngeld bereits seit gut 30 Jahren. Schweden gehört zu den Ländern, die gemessen an europäischen Standards eine vergleichsweise hohe Geburtenrate aufweisen. Bei der Entwicklung der Geburtenzahlen der letzten Jahrzehnte haben die schwedischen Reformen im europäischen Vergleich jedoch keine außergewöhnliche Steigerung der Geburten zur Folge gehabt. Vielmehr wurden die beiden Ziele – Erhöhung der weiblichen Erwerbsbeteiligung und die Gleichstellung von Mann und Frau – mit weitaus größerem Erfolg verwirklicht, was sicherlich einen positiven Einfluss auf das Geburtenverhalten haben kann, insbesondere, wenn die Weichen für eine Rückkehr in den Beruf gestellt sind. Grundsätzlich spielt die ökonomische Situation und folglich die Arbeitsmarktlage bei der Entscheidung für eine Familie eine große Rolle. Unter den Bedingungen positiver wirtschaftlicher und persönlicher Perspektiven haben familienpolitische Maßnahmen einen moderat positiven Einfluss auf das Geburtenverhalten.6

Das Elterngeld unterstützt junge Familien in der Anfangsphase. Es ist der erste Schritt, um die finanzielle Selbstständigkeit beider Elternteile zu ermöglichen. In der nachfolgenden Phase ist das adäquate und vielleicht wichtigste Angebot für Familien die Kleinkindbetreuung. Um weiterhin die finanzielle Selbstständigkeit beider Elternteile als möglichen Lebensentwurf zu realisieren, bedarf es einer qualitativ und quantitativ gut aufgestellten Kinderbetreuungsinfrastruktur.

1 Das Erziehungsgeld wurde einkommensabhängig gezahlt, das heißt es gab bestimmte Einkommensgrenzen, bis zu deren Höhe die Familie einen Anspruch auf den vollen Regelbetrag hatte. Überstieg das Familieneinkommen diese Grenze, bestand kein Anspruch auf Erziehungsgeld.

2 »Elterngeld reizt Bayerns Männer mehr«, Stuttgarter Zeitung online vom 14. März 2008.

3 In den 3 % sind außerdem die Bezieherinnen und Bezieher enthalten, die verwitwet waren oder in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft lebten.

4 Lipinski, Heike: Seit einem Jahr Elterngeld – Erste Zahlen zu Zufriedenheit und Inanspruchnahme, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 4/2008, S. 22–24.

5 »Elterngeld reizt Bayerns Männer mehr«, Stuttgarter Zeitung online vom 14. März 2008.

6 Elterngeld und Elternzeit – Ein Erfahrungsbericht aus Schweden, Prognos AG 2005.