:: 9/2008

Direkte CO2-Emissionen in den Städten und Gemeinden Baden-Württembergs

Ergebnisse und methodische Hintergründe

Die jährlichen energiebedingten Kohlendioxid-Emissionen betragen im Landesdurchschnitt 7,2 Tonnen je Einwohner, der Bundesdurchschnitt liegt bei 9,8 Tonnen. In den Städten und Gemeinden Baden-Württembergs streuen die Pro-Kopf-Emissionen zwischen 2 und über 500 Tonnen. Hauptursache für die breite Streuung ist die starke regionale Konzentration der Emissionen aus Kraftwerken und Industrie. Die direkten Kohlendioxid-Emissionen werden zunächst auf Landesebene auf der Grundlage der Energiebilanz Baden-Württembergs berechnet, ausgehend vom Landesergebnis erfolgt – teilweise mithilfe von Modellrechnungen – die Regionalisierung für die einzelnen Sektoren (beispielsweise Industrie oder Privathaushalte) auf Kreis- und Gemeindeebene. Der folgende Beitrag geht neben der Darstellung der Kohlendioxid-Emissionen vor allem auf die angewandte Berechnungsmethodik ein und gibt Hilfestellung bei der Interpretation der regionalen Ergebnisse. Der entscheidende Vorteil der Berechnungen ist die flächendeckend einheitliche Vorgehensweise und die bei Beachtung der dabei getroffenen Annahmen gegebene Vergleichbarkeit der Gemeinden untereinander.

Pro-Kopf-Emissionen im Landesdurchschnitt bei 7,2 Tonnen

In Baden-Württemberg wurden 2005 insgesamt 77,2 Mill. Tonnen CO2 bei der Verbrennung fossiler Energieträger direkt emittiert (zu direkten CO2-Emissionen der Quellenbilanz siehe i-Punkt). Auf einen Einwohner bezogen ergeben sich 7,2 Tonnen; das ist einer der niedrigsten Pro-Kopf-Werte unter den Bundesländern (Bundesdurchschnitt: 9,6 Tonnen). Zurückzuführen ist dies unter anderem auf den hohen Anteil der CO2-neutralen Kernenergie an der Stromerzeugung im Land, der zu verhältnismäßig geringen Pro-Kopf-Emissionen der Kraftwerke für die allgemeine Versorgung von 2,1 Tonnen führt.1 Die Industrie stieß 2005 umgerechnet je Einwohner eine knappe Tonne CO2 aus, die privaten Haushalte emittierten rund 1,6 Tonnen durch die Bereitstellung von Raumwärme und Warmwasser. Weitere 0,5 der insgesamt 7,2 Tonnen CO2 je Einwohner entstanden – ebenfalls vorwiegend durch die Raumwärme- und Warmwassererzeugung – im Sektor »Kleinverbraucher«, wozu Gewerbe, Handel, Dienstleistungen und übrige Verbraucher (GHD) zählen. Ein bedeutender Emittentensektor für CO2 ist der Verkehr. In diesem Bereich resultieren pro Person durchschnittlich 1,9 Tonnen aus dem Straßenverkehr sowie 0,2 Tonnen aus dem sonstigen Verkehr, der den Flug-, Bahn- und Schiffsverkehr sowie Off-Road-Verkehr (zum Beispiel landwirtschaftliche Zugmaschinen, Baumaschinen) umfasst.

Verlagerung des Emissionsausstoßes von der Industrie hin zu den Kraftwerken

Nationale sowie internationale Bestrebungen zur Festlegung langfristiger Ziele zur Minderung des weltweiten CO2-Ausstoßes sowie deren Realisierung sind derzeit viel diskutierte Themen der Klimaschutzpolitik. Absolut gesehen sind die energiebedingten CO2-Emissionen in Baden-Württemberg seit 1990, dem Basisjahr für die Reduktionsziele der EU, bislang kaum zurückgegangen. Unter anderem ist dies auf das anhaltende Bevölkerungswachstum im Land zurückzuführen. Pro Einwohner ist eine rückläufige Tendenz der Emissionen um knapp 6 % erkennbar. Die Entwicklung zeigt auch deutliche jährliche Schwankungen, die mitunter abhängig sind vom Temperaturverlauf im jeweiligen Betrachtungsjahr und dem dadurch beeinflussten Energieverbrauch zur Erzeugung von Raumwärme, aber auch vom Energieverbrauch der Industrie.

Ein Rückgang der direkten CO2-Emissionen ist vor allem in der Industrie zu verzeichnen, verstärkt auch bedingt durch die rückläufige eigene Stromproduktion und den damit einhergehenden stark gestiegenen Strombezug der Industriebetriebe aus dem öffentlichen Netz. In den Kraftwerken für die allgemeine Versorgung sind dagegen zeitgleich durch eine anhaltend steigende Stromproduktion zur Deckung des Bedarfs von Industrie, Gewerbe und privaten Haushalten auch die CO2-Emissionen erheblich angestiegen. Im Straßenverkehr war bis zum Jahr 1999 ebenfalls ein Anstieg zu verzeichnen, seither gehen die Emissionen aufgrund verbesserter Fahrzeugtechnologien anhaltend leicht zurück. Die privaten Haushalte haben, wie die Betriebe des GHD-Sektors, bis 2005 nicht merklich zur Reduktion des Emissionsausstoßes beigetragen.

Große Unterschiede zwischen den Gemeinden – hohe Emissionen an Kraftwerksstandorten

Wie sieht die regionale Verteilung der landesweiten direkten Emissionen aus? Um diese Frage beantworten zu können, erfolgt eine Aufteilung der Energieverbrauchsmengen der einzelnen Sektoren aus der Energiebilanz Baden-Württembergs mithilfe geeigneter Methoden auf die Städte und Gemeinden. Die Spanne zwischen den Kommunen bei den CO2-Emissionen je Einwohner reicht von 2 bis zu 542 Tonnen. In gut 88 % der Städte und Gemeinden liegen die Pro-Kopf-Emissionen unter dem Landesdurchschnitt, in knapp jeder zweiten Gemeinde werden sogar Werte von 4 Tonnen und weniger erreicht.

Die außerordentlich breite Streuung ist naturgemäß durch die direkten Emissionen (Quellenbilanz, siehe i-Punkt) bedingt. An Industrie- und vor allem an Kraftwerksstandorten entstehen durch die Verbrennung fossiler Energieträger ungleich höhere Emissionen als in Gemeinden, in denen der CO2-Ausstoß überwiegend auf die Bereitstellung von Raumwärme und Warmwasser sowie auf Verkehrsprozesse zurückzuführen ist. Die beiden Sektoren öffentliche Kraftwerke und Industrie können auf kommunaler Ebene wegen der geringen Fallzahl der Kraftwerke in den einzelnen Gemeinden aus Datenschutzgründen nur zusammen ausgewiesen werden, die Emissionswerte bewegen sich zwischen 0 und 540 Tonnen je Einwohner. Sowohl für die Kraftwerke als auch für die Industriebetriebe baut die Berechnung der CO2-Emissionen direkt auf die bei den Betreibern erhobenen Angaben zum Energieverbrauch nach Energieträgern auf.

Ein Vergleich der Emissionshöhe des zusammengefassten Sektors Industrie/Feuerungen, öffentliche Kraftwerke zwischen den Gemeinden ist wenig aussagefähig, insbesondere weil wenige Kraftwerksstandorte die Stromerzeugung für größere Regionen übernehmen. Die höchsten Emissionen dieses Sektors von weit mehr als 100 Tonnen pro Einwohner entstehen in Altbach und Walheim, beides Standorte von Kohlekraftwerken. Die dargestellten Emissionswerte ermöglichen aber einen Vergleich der Entwicklung in den einzelnen Gemeinden. Um erzielte Verbesserungen etwa von Kraftwerkstechnologien oder durch den Einsatz erneuerbarer Energieträger in öffentlichen Kraftwerken ausreichend beurteilen zu können, bedarf es aber der zusätzlichen Betrachtung der Menge des erzeugten Stroms und der genutzten Wärme.

Pro-Kopf-Emissionen durch den Straßenverkehr regional bis zu 38 Tonnen

Wie oben beschrieben, sind vor allem die Emissionen des Straßenverkehrs ausschlaggebend für hohe CO2-Emissionen des gesamten Verkehrssektors. Diese differieren in den Gemeinden zwischen 0,4 und knapp 38 Tonnen je Einwohner. Überdurchschnittliche Emissionswerte resultieren vorwiegend aus den Fahrleistungen des Fernverkehrs auf Autobahnen, Pro-Kopf-Emissionen von über 30 Tonnen entstehen an der Autobahn A8 in Aichelberg und Hohenstadt am Drackensteiner Hang.

Die Emissionsberechnung im Bereich Straßenverkehr erfolgt auf der Basis der durch Straßenverkehrszählung ermittelten Jahresfahrleistungen der Kraftfahrzeuge differenziert nach Kraftfahrzeugarten für einzelne Zählabschnitte. Diese werden verknüpft mit den spezifischen Kraftstoffverbräuchen der einzelnen Kraftfahrzeuge unter Berücksichtigung der Straßenart, des Streckenprofils sowie der Emissionsklasse der Fahrzeuge2 und mit spezifischen Emissionsfaktoren belegt. Schließlich findet eine Anpassung der ermittelten Kraftstoffverbräuche an den Landeswert der Energiebilanz Baden-Württembergs statt, in der die Absatzmengen an Kraftstoffen im Land ausgewiesen sind.

Die Ergebnisse sind sehr genau und ermöglichen gute Vergleiche sowohl zwischen den Gemeinden als auch über die Jahre. Hierbei wird nach dem Standortprinzip nicht das Fahrverhalten der Anwohner beurteilt, vielmehr spiegelt die Emissionsentwicklung durchgeführte Maßnahmen, wie zum Beispiel neue Ortsumfahrungen oder den Einsatz verbrauchsärmerer Fahrzeuge, wider.

Geringe regionale Unterschiede beim sonstigen Verkehr

Außer dem Straßenverkehr geht auch der sonstige Verkehr in die CO2-Bilanz ein. Die Emissionen dieses Sektors liegen in der Regel deutlich unter 2 Tonnen pro Einwohner. Nach dem Prinzip der Quellenbilanz gilt es hier – wie auch beim Straßenverkehr – diejenigen Emissionen auszuweisen, die auf dem Gebiet der Gemeinde entstehen. Beim Flugverkehr wird dies erreicht, indem die landesweiten Emissionen gemäß dem Anteil der Gemarkungsfläche an der Landesfläche auf die Städte und Gemeinden aufgeteilt werden. Die Landeswerte der anderen, kleineren Bereiche des Sektors (Dieselloks im Bereich Schienenverkehr, Binnenschifffahrtsverkehr sowie Off-Road-Verkehr) werden ebenso anhand spezifischer Faktoren (Zug-, Schiffskilometer, Zulassungszahlen im Bereich Landwirtschaft, Bau) auf die Städte und Gemeinden verteilt. Die Ergebnisse vermitteln einen guten Überblick über die Relevanz des Gesamtbereichs in den einzelnen Gemeinden und können zum Vergleich der Gemeinden untereinander herangezogen werden. Die Emissionswerte geben aber aufgrund des Modellcharakters der Berechnungen keine vollständige Auskunft über die Wirksamkeit regional unterschiedlicher Klimaschutzmaßnahmen im Bereich des sonstigen Verkehrs.

Top-Down-Ansatz: Raumwärme- und Warmwasserbereitstellung im Bereich Haushalte und Kleinverbraucher

Die Bereiche Haushalte und Kleinverbraucher werden aus methodischen Gründen auf kommunaler Ebene nur als ein zusammengefasster Sektor ausgewiesen. Neben dem Energieverbrauch für Raumwärme- und Warmwasserbereitstellung der privaten Haushalte ist auch der Energieverbrauch von Gewerbe-, Handels- und Dienstleistungsbetrieben (GHD), öffentlicher Verwaltungen sowie landwirtschaftlicher und militärischer Einrichtungen enthalten. In den Städten und Gemeinden variieren die CO2-Emissionen des Sektors Haushalte und Kleinverbraucher je nach Bedeutung der gewerblichen Bereiche zwischen 0,2 und 12 Tonnen je Einwohner.

Erhebliche Lücken bestehen allerdings hinsichtlich der aus statistischen Erhebungen zur Verfügung stehenden primärstatistischen Daten zum Endenergieverbrauch dieses Sektors. Die Abgabe von leichtem Heizöl an die Endverbraucher ist nur auf Landesebene und auch dort nur für den Gesamtsektor Haushalte und Kleinverbraucher bekannt.

Für die Darstellung der CO2-Emissionen der Städte und Gemeinden wird in einem mehrstufigen Rechenverfahren zunächst modellhaft der Heizölverbrauch getrennt nach Haushalten und Kleinverbrauchern auf Landesebene berechnet.3 Davon ausgehend modelliert ein Top-Down-Verfahren unter Verwendung verschiedener allgemeiner Annahmen (zum Beispiel durchschnittlicher Wärmebedarf pro Wohnung) den kommunalen Energieverbrauch der privaten Haushalte nach Energieträgern.4 In die Berechnungen geht eine Gewichtung verschiedener Klimazonen ein, mithilfe derer unterschiedliches Heizverhalten aufgrund abweichender Außentemperaturen in den Regionen berücksichtigt wird. Der fehlende Heizölverbrauch wird mithilfe der vorhandenen Angaben zur Abgabe an Gas, Fernwärme und Strom über Differenzrechnungen zum Gesamtwohnungsbestand in den Gemeinden ermittelt. Auf vergleichbare Weise werden die Energieverbrauchsmengen der Kleinverbraucher unter Zuhilfenahme der Beschäftigtenzahlen des Sektors regionalisiert.

Der Nachteil des Verfahrens besteht darin, dass regional unterschiedliche Minderungsanstrengungen im Bereich der privaten Haushalte mit der angewandten Modellrechnung nicht vollständig abgebildet werden können. Für einen Überblick über die Relevanz des Gesamtbereichs in den einzelnen Gemeinden sind die Ergebnisse aufgrund der einheitlichen Berechnungsmethodik aber gut geeignet.

Zusammenfassende Bemerkungen zu den Stärken und Schwächen der Darstellung

Die erheblichen Unterschiede der Pro-Kopf-Emissionen beim direkten CO2 sind in erster Linie bedingt durch Standorte von Kraftwerken, insbesondere Kohlekraftwerken zur Stromerzeugung. Aber auch Industriestandorte sowie Gemeinden mit hohem Anteil an den landesweiten Autobahnkilometern weisen deutlich höhere Emissionen je Einwohner auf als solche, in denen der CO2-Ausstoß hauptsächlich durch den Wärmebedarf für Raumheizung und Warmwasser entsteht.

Die dargestellten Ergebnisse zu den direkten CO2-Emissionen nach Sektoren für die Kommunen beruhen in weiten Teilen auf primärstatistischen Angaben. Vor allem im Bereich des Energieverbrauchs der Haushalte und Kleinverbraucher wird auf verallgemeinernde Annahmen zurückgegriffen. Dies führt dazu, dass in diesem Sektor nicht ohne Weiteres direkte Vergleiche der Gemeinden untereinander bzgl. der Wirksamkeit von Klimaschutzanstrengungen vorgenommen werden können. Der Vorteil des Verfahrens liegt aber in der bestmöglichen und einheitlichen Verwendung der vorhandenen Informationen, was bei Kenntnis des Modellansatzes vor allem hinsichtlich der Bedeutung des Sektors an den Gesamtemissionen einer Kommune zu vergleichbaren Ergebnissen der einzelnen Gemeinden führt.

Als ergänzende Information zur vorliegenden Quellenbilanz (Standortprinzip) ist eine Verursacherbetrachtung der indirekten Emissionen, die bei der Nutzung von Strom und Fernwärme entstehen, wünschenswert. Eine solche wird aufgrund unzureichender Datenquellen zum regionalen Stromverbrauch sowie zum regionalen Strommix vom Statistischen Landesamt derzeit nicht zur Verfügung gestellt.