:: 10/2008

Existenzgründungen und Betriebsschließungen im Ländlichen Raum

Im Ländlichen Raum ist die Gründungsquote niedriger als in den Verdichtungsräumen. Gründungen erfolgen zudem häufiger im Nebenerwerb. Im Vergleich zu den Verdichtungsräumen haben Gründungen im Gastgewerbe und im Verarbeitenden Gewerbe ein höheres Gewicht, während wirtschaftliche Dienstleistungen eine geringere Rolle spielen. Auffallend ist zudem der hohe Anteil an Nebenerwerbsgründungen im Bereich der Energieversorgung. Bezogen auf die Einwohnerzahl kommt es im Ländlichen Raum seltener zu Betriebsschließungen als in den Verdichtungsräumen. Wenn es zur Geschäftsaufgabe kommt, wird als Ursache verhältnismäßig häufig die unzureichende Rentabilität genannt, insbesondere bei der Stilllegung von Nebenerwerbsbetrieben.

Die Entstehung und Auflösung von Betrieben und Unternehmen in den verschiedenen Regionen oder Wirtschaftsbereichen des Landes steht immer wieder im Mittelpunkt des öffentlichen und wirtschaftspolitischen Interesses. Die Zahl der Existenzgründungen wird als ein wichtiger Indikator der wirtschaftlichen Entwicklung und Innovationskraft einer Volkswirtschaft bewertet. Von ihnen werden die Schaffung von Arbeitsplätzen sowie die Sicherung und der Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit erwartet.

Der Vergleich der Existenzgründungsquoten nach Stadt- und Landkreisen zeigt im Allgemeinen eine höhere Gründungsintensität für die Stadtkreise. So kamen im Jahr 2007 in den Stadtkreisen Baden-Württembergs auf 10 000 Einwohner 90 Neugründungen, in den Landkreisen waren es hingegen nur 76. Dass hierfür die jeweils eher städtischen oder ländlichen Strukturen verantwortlich sein könnten, kann vermutet werden. Dieser Beitrag beschäftigt sich daher mit der Frage, welche Unterschiede es im Gründungsgeschehen zwischen dem Ländlichen Raum und anderen Teilen Baden-Württembergs gibt.

Nach dem Landesentwicklungsplan 2002 zählen in Baden-Württemberg etwas über 60 % der Landesfläche zum Ländlichen Raum im engeren Sinn (i.e.S.). In diesem vergleichsweise dünn besiedelten Gebiet lebt nur etwa ein Viertel der Bevölkerung des Landes. Demgegenüber wohnt in den Verdichtungsräumen des Landes gut die Hälfte der Bevölkerung, jedoch entfällt nur ein Sechstel der Landesfläche auf die Verdichtungsräume.

Daneben sind im Landesentwicklungsplan Verdichtungsbereiche im Ländlichen Raum und Randzonen um die Verdichtungsbereiche definiert.1 Um die Unterschiede zwischen städtisch und ländlich geprägten Räumen zu verdeutlichen wird der Schwerpunkt der nachfolgenden Betrachtungen auf einem Vergleich zwischen dem Ländlichen Raum i.e.S. (hier kurz »Ländlicher Raum«) und den Verdichtungsräumen liegen (Schaubild 1).

Für die Raumkategorien des Landesentwicklungsplanes ergeben sich folgende Eckdaten

Raumkategorien (LEP 2002)FlächeBevölkerungGewerbebetriebe1)
Gründungen und Übernahmenvollständige Aufgaben
Anteile in %

1) Ohne Automatenaufsteller und Reisegewerbe.

Verdichtungsräume17515454
Randzonen um die Verdichtungsräume15151515
Verdichtungsbereiche im Ländlichen Raum8878
Ländlicher Raum im engeren Sinne (i.e.S.)61262323

Mehr als die Hälfte der Existenzgründungen und Unternehmensübernahmen erfolgte im Jahr 2007 in den Verdichtungsräumen des Landes. Auf den Ländlichen Raum entfielen 23 %. Die Zahl der neu gegründeten Gewerbebetriebe geht in den letzten Jahren kontinuierlich zurück. Diese Entwicklung ist landesweit zu beobachten und betrifft den Ländlichen Raum ebenso wie die Verdichtungsräume. So wurden 2007 im Ländlichen Raum 13 % und in den Verdichtungsräumen 12 % weniger Gründungen registriert als noch vor 3 Jahren. Die Gründe für den Rückgang lassen sich aus der Statistik nicht ableiten. Eine Rolle könnten zum Beispiel geänderte Förderungsbedingungen oder eine verbesserte Arbeitsmarktlage spielen.2

Gründungsquote im Ländlichen Raum niedriger

Im Jahr 2007 wurden etwas über 19 800 Gewerbebetriebe im Ländlichen Raum gegründet; das waren 5 % weniger als 2006. Bei rund 3 500 Gründungen kann eine größere wirtschaftliche Substanz vermutet werden. Hier zeigte sich ein besonders starker Rückgang von 9 %. In den Verdichtungsräumen wurde 2007 die Neugründung von rund 45 770 Gewerbebetrieben angezeigt, davon hatten vermutlich 9 800 eine wirtschaftliche Substanz. Bei Letzteren lag der Rückgang gegenüber dem Vorjahr bei 10 %.

Wie in den Jahren zuvor war auch 2007 die Gründungsquote im Ländlichen Raum niedriger als in den Verdichtungsräumen. Auf 10 000 Einwohner im Ländlichen Raum kamen 70 Gründungen, in den Verdichtungsräumen waren es 84. Bei den Betriebsgründungen mit wirtschaftlicher Substanz verzeichnen ebenfalls die Verdichtungsräume mit 18 Gründungen je 10 000 Einwohner die höhere Quote. Im Ländlichen Raum liegt diese Quote nur bei fast 13 Gründungen je 10 000 Einwohner. Im Zeitvergleich ging allerdings die Gründungsintensität in den Verdichtungsräumen etwas stärker zurück als im Ländlichen Raum.

Die Betriebsgründungen mit wirtschaftlicher Substanz stellen im Ländlichen Raum etwa 18 % und in den Verdichtungsräumen 21 % aller Gründungen. Die übrigen Gründungen lassen sich unterteilen in Nebenerwerbsgründungen und sogenannte Kleingründungen. Bei den Kleingründungen handelt es sich um Einzelunternehmen. Sie stellen 36 % aller Gründungen im Ländlichen Raum. Auffällig ist das hohe Gewicht von Nebenerwerbsgründungen im Ländlichen Raum. Ihr Anteil liegt hier bei 46 %, in den Verdichtungsräumen sind es dagegen nur 37 % (Schaubild 2).

Sowohl im Ländlichen Raum als auch in den Verdichtungsräumen werden überwiegend Dienstleistungsbetriebe gegründet. Dies reicht vom Handel und Gastgewerbe über die wirtschaftlichen bis hin zu den öffentlichen und persönlichen Dienstleistungen. Betrachtet man die Gründungen mit wirtschaftlicher Substanz, so stehen im Ländlichen Raum die Betriebsgründungen im Handel (29 %) und im Bereich der »wirtschaftlichen Dienstleistungen«3 (21 %) im Vordergrund. Hierzu gehören unter anderem die Gebäudereinigung, Werbeagenturen, Buchhaltungs- und Übersetzungsdienste. Diese wirtschaftlichen Dienstleistungen sind allerdings in den Verdichtungsräumen mit einem Anteil von 31 % wesentlich häufiger zu finden als im Ländlichen Raum. Dagegen haben Gründungen im Gastgewerbe (11 %) und im Verarbeitenden Gewerbe (9 %) im Ländlichen Raum ein höheres Gewicht als in den Verdichtungsräumen.

Auch bei den Nebenerwerbsgründungen dominieren der Handel (29 %) und die wirtschaftlichen Dienstleistungen (20 %). An dritter Stelle steht der Wirtschaftsbereich »öffentliche und persönliche Dienstleistungen«, in dem rund 14 % der Nebenerwerbsbetriebe im Ländlichen Raum gegründet wurden (Tabelle). Zu diesen Dienstleistungen zählen zum Beispiel Friseur- und Kosmetikdienstleistungen. Gegenüber den Verdichtungsräumen spielen im Ländlichen Raum vor allem Gründungen im Bereich der Energieversorgung mit einem Anteil von 12 % eine Rolle. Hier spiegeln sich vermutlich die Bedingungen für den Betrieb von Photovoltaik-, Biogas- oder Biomasseanlagen wieder, denn deren Betrieb ist eine gewerbliche Tätigkeit und erfordert nach der Gewerbeordnung eine Anmeldung bei dem jeweiligen Gewerbeamt. In den überwiegenden Fällen der landwirtschaftlichen Biogas-Anlagen ist die Anmeldung eines Nebenerwerbsbetriebs ausreichend.

Unternehmensübernahmen nehmen zu

Im Ländlichen Raum gab es in Baden-Württemberg 2007 fast 1 800 Unternehmensübernahmen aufgrund von Erbfolge, Kauf oder Pacht. Während ihre Zahl in den Jahren 2005 und 2006 rückläufig war, ist 2007 erstmals wieder ein Anstieg und zwar um knapp 7 % zu verzeichnen. In den Verdichtungsräumen verlief die Entwicklung hingegen anders, die Zahl der Unternehmensübernahmen stieg kontinuierlich von 3 640 im Jahr 2004 auf über 4 100 im Jahr 2007. Der Schwerpunkt von Unternehmensübernahmen liegt traditionell im Gastgewerbe (Ländlicher Raum 47 %, Verdichtungsräume 52 %). An zweiter Stelle steht der Handel mit jeweils rund einem Viertel der Unternehmensübernahmen. Auffallend ist, dass – wie bei den Betriebsgründungen – das Verarbeitende Gewerbe im Ländlichen Raum eine größere Rolle (6 %) spielt als in den Verdichtungsräumen (3 %). Auch das Baugewerbe hat mit einem Anteil von 4 % im Ländlichen Raum ein etwas höheres Gewicht als in den Verdichtungsräumen (2 %).

Frauen im Ländlichen Raum gründen häufiger im Nebenerwerb

Mit der Gründung oder Übernahme eines Gewerbebetriebs machten sich 2007 im Ländlichen Raum gut 7 400 Frauen und 16 000 Männer selbstständig. Dabei liegt der Frauenanteil bei den Unternehmensübernahmen mit 34 % etwas höher als bei den Neugründungen mit 31 %. In den Verdichtungsräumen ist der Frauenanteil bei Unternehmensübernahmen etwas niedriger. Er beträgt dort wie bei den Neugründungen 31 %.

Rund 52 % der Gründerinnen im Ländlichen Raum machen sich im Nebenerwerb selbstständig. In den Verdichtungsräumen sind es dagegen nur 45 %. Die Nebenerwerbsgründungen der Frauen im Ländlichen Raum erfolgen mit 31 % am häufigsten im Handel. In den Verdichtungsräumen liegt der größte Anteil der Nebenerwerbsgründungen (35 %) im Bereich der wirtschaftlichen Dienstleistungen. Männer hingegen gründen häufiger einen Betrieb mit vermutlich größerer wirtschaftlicher Substanz. Im Ländlichen Raum sind es 25 % der Gründer, in den Verdichtungsräumen sogar 30 %.

Im Ländlichen Raum hatten rund 3 500 der Männer und Frauen, die im Jahr 2007 durch eine Neugründung den Schritt in die Selbstständigkeit wagten, eine ausländische Staatsbürgerschaft. Mit 12 % ist der Ausländeranteil damit wesentlich niedriger als in den Verdichtungsräumen (24 %). Bei den Unternehmensübernahmen durch Erbfolge, Kauf oder Pacht liegt der Ausländeranteil grundsätzlich höher als bei den Neugründungen.4 Auch hier ist der Ausländeranteil im Ländlichen Raum in Baden-Württemberg mit 17 % deutlich niedriger als in den Verdichtungsräumen (33 %). Zum Vergleich: 7 % der Bevölkerung im Ländlichen Raum und 15 % in den Verdichtungsräumen sind Ausländer.

Verdichtungsräume häufiger von Betriebsschließungen betroffen

Die Zahl der Liquidationen liegt sowohl in den Verdichtungsräumen als auch im Ländlichen Raum auf Vorjahresniveau. Im Jahr 2007 mussten im Ländlichen Raum 16 000, in den Verdichtungsräumen rund 37 100 Gewerbebetriebe aufgeben. Insgesamt entfällt damit mehr als die Hälfte (54 %) aller Schließungen auf die Verdichtungsräume. Es handelte sich überwiegend um Schließungen von Klein- und Nebenerwerbsbetrieben. In 18 % der Fälle wurden im Ländlichen Raum Betriebe mit vermutlich größerer wirtschaftlicher Substanz aufgegeben, in den Verdichtungsräumen lag dieser Anteil bei 21 %.

Werden die Liquidationen auf die Einwohnerzahlen bezogen, ergibt sich für den Ländlichen Raum eine niedrigere Quote als für die Verdichtungsräume. Auf 10 000 Einwohner im Ländlichen Raum kamen 10 Schließungen von Betrieben mit Substanz, in den Verdichtungsräumen dagegen 14. Ein Drittel der Betriebsaufgaben erfolgen im Handel. An zweiter Stelle stehen die wirtschaftlichen Dienstleistungen mit 25 % in den Verdichtungsräumen und 16 % im Ländlichen Raum. Auch das Gastgewerbe und das Baugewerbe sind von Schließungen häufig betroffen.

Bei der Gewerbeabmeldung wurde in den Verdichtungsräumen in 81 % und im Ländlichen Raum in 77 % der Fälle ein Grund für die Geschäftsaufgabe angegeben. Wirtschaftliche Schwierigkeiten führten danach bei 22 % der Gewerbebetriebe im Ländlichen Raum zur Aufgabe, in den Verdichtungsräumen waren es 13 %. Besonders häufig (30 %) ist eine unzureichende Rentabilität bei Nebenerwerbsbetrieben im Ländlichen Raum der Schließungsgrund. Persönliche oder familiäre Gründe führten im Ländlichen Raum häufiger zur Aufgabe (12 %) als in den Verdichtungsräumen (6 %). Oftmals werden allerdings sowohl im Ländlichen Raum (52 %) als auch in den Verdichtungsräumen (63 %) »sonstige Gründe« angegeben. In dieser Sammelposition können zum Beispiel Ursachen wie der »Tod des Inhabers« oder die Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung enthalten sein. Darüber hinaus erfolgten im Ländlichen Raum 7 % und in den Verdichtungsräumen 9 % der vollständigen Aufgaben von Amts wegen.