:: 10/2008

Eisbein oder Rindersteak?

Diese Frage dürfte sich bei sommerlichen Temperaturen kaum stellen. Statt Eisbein stehen dann wohl eher Schweinehals und Grillwürste hoch im Kurs. Und obwohl einem aller Orten in den Wohngebieten der Duft von frisch Gegrilltem um die Nase weht, geht es auf den Schlachthöfen im Sommer im Vergleich zum Frühjahr und der Vorweihnachtszeit eher ruhiger zu. Der vorliegende Beitrag stellt die jüngsten Entwicklungen auf dem Schlachtmarkt vor und beantwortet die Frage, was die Fußball-WM mit den Schlachtungen zu tun hat.

Rund 42 % des Produktionswertes von etwa 3,7 Mrd. Euro in der baden-württembergischen Landwirtschaft (also rund 1,6 Mrd. Euro) entfallen auf die tierische Produktion. Wichtigster Produktionszweig hierbei ist die Milchviehhaltung (17 %). Zusammen mit der Rind- und Kalbfleischerzeugung (7 %) wird damit annähernd ein Viertel des Produktionswertes der Landwirtschaft »im Ländle« mit der Haltung von Rindern erwirtschaftet. Die Schweinehaltung folgt mit einem Anteil von weiteren 13 %. Dagegen haben andere tierische Produktionszweige wie die Geflügelproduktion (bis zu 2 %), die Eiererzeugung (0,8 %) sowie die Haltung von Schafen und Ziegen (0,5 %) nur untergeordnete Bedeutung.

Verbraucher tendieren zu fettärmeren Fleischsorten

Das gestiegene Gesundheitsbewusstsein hat in weiten Teilen der Bevölkerung zu einem Wandel der Ernährungsgewohnheiten geführt. So erfolgt bei insgesamt rückläufigem Fleischkonsum eine spürbare Nachfrageverlagerung hin zu fettärmeren Fleischsorten wie Geflügel. Verstärkt wurde und wird dieser Trend durch die immer wieder auftretende Tierseuchenproblematik wie etwa 2000/2001 BSE1 beim Rind oder die Schweinepest2. Geflügelfleisch profitierte von dieser Entwicklung und hat deutlich in der Wertschätzung der Verbraucher gewonnen.

Dieses Verbraucherverhalten schlägt sich indirekt auch beim Selbstversorgungsgrad nieder. Der Selbstversorgungsgrad beschreibt, welcher Anteil des Gesamtverbrauchs eines Produktes durch die Inlandserzeugung gedeckt wird. Da sich die Angebotsseite zumindest kurz- bis mittelfristig deutlich unelastischer zeigt als die Nachfrageseite, schnellte der Selbstversorgungs-grad3 bei Rind- und Kalbfleisch 2001 im Zuge der BSE-Krise um 50 Punkte auf 171 % nach oben. Erst 2005 wurde das Niveau von 2000 in etwa wieder erreicht (Tabelle). Bei Schweinefleisch stieg der Selbstversorgungsgrad im Zeitraum 1998 bis 2005 um 16 Punkte auf 97 %, bei Schaf- und Ziegenfleisch um 11 Punkte auf 56 % sowie bei Geflügelfleisch um 19 Punkte auf 82 %.

2007: Höchstzahl der Schweineschlachtungen in Baden-Württemberg mit rund 3,7 Mill.Tieren

In den baden-württembergischen Schlachthöfen wurden 2007 rund 3,7 Mill. Schweine geschlachtet. Dies ist ein Anstieg um rund 125 000 Tiere (+ 3,6 %) gegenüber dem Vorjahr und damit die Fortsetzung des langfristigen Trends einer in den letzten Jahren beschleunigten Aufwärtsentwicklung. Damit wurden 2007 so viele Schweine im Land geschlachtet wie nie zuvor. Zum Vergleich: 1952 betrug die Zahl der Schweineschlachtungen rund 1,6 Mill. Tiere.

Bei Rindern ging die Zahl der geschlachteten Tiere binnen Jahresfrist um 1 100 oder 0,2 % zurück. Die Schlachtmenge stieg dennoch infolge der höheren durchschnittlichen Schlachtgewichte (mehr Bullen, weniger Kühe) um 1,3 % an. Die Höchstzahl der Rinderschlachtungen datiert auf das Jahr 1991 mit 868 900 Tieren.

Schweine und Rinder dominieren das Geschehen auf den Schlachtmärkten. Von der Gesamtschlachtmenge ohne Geflügel (ca. 524 000 Tonnen Fleisch) entfallen auf Schweinefleisch 316 000 Tonnen oder rund sechs Zehntel, 202 400 Tonnen oder 39 % auf Rindfleisch, der Rest auf Kalb- (2 000 Tonnen) bzw. Schaffleisch (3 200 Tonnen). Gegenüber der gewerblichen Fleischproduktion sind die Hausschlachtungen (so beispielsweise 35 300 Schweine und 5 600 Rinder) nur von untergeordneter Bedeutung und bei allen Tierarten weiterhin rückläufig. Lediglich bei Schafen stammt mit 14 100 von insgesamt 190 500 Tieren noch ein größerer Teil der gesamten Fleischerzeugung aus Hausschlachtungen. Hintergrund dürften hier die Sitten und Gebräuche ausländischer Bevölkerungsgruppen sein.

Schlachtzahlen mit ausgeprägten saisonalen Schwankungen oder was hat die Fußball-WM mit Schlachtungen zu tun?

Die Schlachtzahlen zeigen zumeist ausgeprägte saisonale Schwankungen. Unschwer lässt sich der Einfluss von Ostern und Weihnachten erkennen. Begünstigt durch die vergleichsweise niedrigen Zahlenwerte zeigt sich dies vor allem bei den Schafen. Zwischen April und Oktober herrscht dann Sommerflaute am Markt für Schlachtschafe (Schaubild 1). Hinzu kommt, dass in der Schafhaltung Frühjahrs- wie Herbstlammungen üblich sind und damit die saisonalen Zyklen noch verstärkt werden.

Das Bild bei den Rinderschlachtungen ist ähnlich, wenngleich die von Ostern und Weihnachten ausgehenden Effekte nicht so stark ausgeprägt sind. Bei Schweinen kann man, wenn überhaupt, dann in der Vorweihnachtszeit von einem Anstieg der Schlachtzahlen sprechen. Das »Februarloch« dürfte eine Folge des Hochs am Jahresende sein, weil Schlachtungen zum Teil vorgezogen werden bzw. bei der Rein-Raus-Methode4 leere Ställe zunächst gereinigt und desinfiziert werden. Erst dann erfolgt die Aufstallung der nächsten Mastgruppe.

Auffallend wie bemerkenswert ist der Peak sowohl bei den Rinder- als auch den Schweineschlachtungen im Mai 2006. Diese dürften im Zusammenhang mit der Fußball-WM 2006 und der großen Zahl an hungrigen Gästen aus dem In- und Ausland stehen.

Bei Schweineschlachtungen ist der Nordwesten Spitze, bei Rindern der Süden

Wie nicht anders zu erwarten folgen die regionalen Schwerpunkte des Schlachtgeschehens denen der Viehhaltung. Die meisten Schweine werden in Nordrhein-Westfalen (17,9 Mill.) und im nördlich angrenzenden Niedersachsen (15,9 Mill.) geschlachtet. Mit deutlichem Abstand folgen Bayern (5,5 Mill.), Baden-Württemberg (3,7 Mill.) und Sachsen-Anhalt (2,9 Mill.) auf den Plätzen.

Bei den Rindern liegt dagegen die Südschiene vorn, wenn auch mit vergleichsweise geringem Abstand (Schaubild 2).

Mit Ausnahme von Mecklenburg-Vorpommern (148 000) werden in den neuen Bundesländern auffallend wenig Rinder geschlachtet: insgesamt nur 288 800 Tiere. Das entspricht einem Anteil von 8,5 % am Bundeswert (3,4 Mill.).

Dabei kommen in Baden-Württemberg und Bayern vergleichsweise viele ältere Tiere auf die Schlachtbank. Es handelt sich zum einen um Milchkühe zumeist am Ende der vierten oder fünften Laktationsperiode sowie um Ammen- und Mutterkühe5. In Nordrhein-Westfalen dagegen stellen die Bullen mit 57 % den Hauptanteil an den gesamten Schlachtungen, weitere 10 % die weiblichen Rinder. Damit werden in Nordrhein-Westfalen zwei Drittel der geschlachteten Rinder ausschließlich zur Fleischerzeugung gehalten und dann normalerweise im Alter von 18 bis 24 Monaten geschlachtet.

1 BSE alias Rinderwahnsinn: Bovine Spongiforme Enzophalopathie – schwammartige degenerative Hirnerkrankung des Rindes.

2 Viruskrankheit mit großem wirtschaftlichen Schaden; auf den Menschen nicht übertragbar.

3 Der Selbstversorgungsgrad errechnet sich als Quotient aus der Verwertung (Verbrauch) eines Produktes im Inland und der Inlandserzeugung. Er wird in Prozent angegeben. Bei Werten über 100 % übersteigt die Erzeugung den Verbrauch.

4 Haltungsform hauptsächlich bei der Tiermast. Alle Tiere sind beim Aufstallen gleich alt und gleich schwer. Sie werden später in größeren, einheitlichen Partien vermarktet und verlassen den Stall zum gleichen Zeitpunkt.

5 Ammen- und Mutterkühe sind Kühe, die das ganze Jahr nicht gemolken werden und deren Milch nur von fremden bzw. eigenen Kälbern verbraucht wird.