:: 11/2008

Bautätigkeit zu Zeiten der Eigenheimzulage

Seit 1949 gibt es in Deutschland Fördermaßnahmen zur Schaffung von privatem Wohneigentum. Im Laufe der Jahrzehnte kamen verschiedenste Instrumente zur Wohneigentumsförderung zum Einsatz, steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten genauso wie staatliche Transferleistungen. 1996 wurde die Eigenheimzulage eingeführt und schließlich mit Wirkung zum 1. Januar 2006 wieder abgeschafft. Die Meldungen über den drastischen Rückgang der Baugenehmigungszahlen im Jahr 2007 führten zu der Befürchtung, dass der Wegfall der Eigenheimzulage sich stark auf die Bautätigkeit auswirken werde.

Die Frage, wie nachhaltig die Bautätigkeit durch die Einführung und Abschaffung der Eigenheimzulage beeinflusst wurde und wird, lässt sich aber nicht eindeutig klären. Einige Effekte können jedoch statistisch relativ gut belegt werden. So war beispielsweise der Bauboom Anfang 2006 auf Vorzieheffekte durch die wegfallende Eigenheimzulage zurückzuführen.

Mit der Eigenheimzulage1 sollten insbesondere Familien mit Kindern, die Vermögensbildung und die Alterssicherung – bei gleichzeitiger Vermeidung der Progressionsabhängigkeit vorheriger Regelungen – gefördert werden. Sie sollte zudem durch fixe Förderbeträge Planungssicherheit für die Bauherren und Verwaltungsvereinfachungen bringen.

Die Eigenheimzulage stand aber von Anfang an in der Kritik, nicht zuletzt auch wegen des enormen Subventionsvolumens. Bereits 2003 wurde daher von der Bundesregierung ein Gesetzentwurf mit dem Ziel der Abschaffung der Eigenheimzulage vorgelegt. Durchgesetzt wurde zunächst nur eine Verringerung der Förderung. Der Fördergrundbetrag, insbesondere für den Neubau, sowie die Einkunftsgrenzen wurden herabgesetzt; Ausbauten und Erweiterungen wurden gar nicht mehr gefördert. Die Wohnraumversorgung wurde politisch zunehmend als ausreichend angesehen2 und mit Wirkung zum 1. Januar 2006 wurde die Eigenheimzulage schließlich abgeschafft.

Abwarten bis zur Einführung der Eigenheimzulage

Die Zahlen zu Baugenehmigungen und Baufertigstellungen sinken seit Mitte der 90er-Jahre kontinuierlich. Nachfrage nach Eigenheimen bestand und besteht aber nach wie vor;3 denn im Vergleich zur Entwicklung der Wohnungsbautätigkeit allgemein war die Nachfrage nach Eigenheimen eher gut.

Mitte der 90er-Jahre zeigten sich die Bauherren aber bei Bauanträgen zu Einfamilienhäusern sehr zurückhaltend. Die Abnahme der Baugenehmigungen im Eigenheimbereich war 1995 merklich. Es wurden 16 % weniger Einfamilienhäuser genehmigt als 1994. Und das, obwohl mehrere Jahre mit guter Nachfrage vorausgingen. Bereits vorher hatte aber die Diskussion um eine veränderte Wohneigentumsförderung begonnen. Es schloss sich dann mit dem Jahr 1996 ein sehr gutes Jahr für den Eigenheimbau an. 30 % höhere Genehmigungszahlen für Einfamilienhäuser machten den »Nachfrageeinbruch« des Vorjahres wett. Dass die Bauherren im Jahr 1995 zunächst die neuen Regelungen abgewartet haben, ist naheliegend. Auch in den Jahren bis 1999 stiegen die Genehmigungszahlen für Eigenheime weiter, während die Bautätigkeit im Wohnungsbau insgesamt merklich zurückging. Ob und in welchem Umfang hier die Eigenheimzulage ursächlich beteiligt ist, lässt sich auf der Basis des vorliegenden Datenmaterials allenfalls vermuten. Danach gingen dann auch die Eigenheimgenehmigungen zurück, bis die 2002/03 geführte politische Debatte um Einschnitte bei der Förderung neuen Auftrieb gab.

Vorzieheffekte bei Abschaffung der Eigenheimzulage

Das Genehmigungsergebnis des Jahres 2002 lag nur durch eine außergewöhnliche Spitze bei den Baufreigaben im Dezember leicht über dem Vorjahresergebnis. Zum Jahresbeginn 2003 wurde sogar ein Rekordergebnis erreicht. Zu diesen Genehmigungsspitzen trugen die bereits vorhandenen Pläne zur Beschneidung der Eigenheimzulage bei. Die Bauherren waren bestrebt, durch rechtzeitige Bauantragsstellung die Förderung zu sichern. Eine »Flaute« im weiteren Jahresverlauf folgte. Erst zum Jahresende 2003, nachdem die Pläne der Bundesregierung konkret waren, wurde eine erneute Genehmigungsspitze sichtbar. Denn die Eigenheimzulage wurde ab Januar 2004 gekürzt. Nur die Abarbeitung des in das Jahr 2004 hineinreichenden Bearbeitungsrückstaus bei den Bauanträgen hielt die Jahreswerte 2004 dann noch auf ansehnlichem Niveau.

Im 1. Quartal des Jahres 2005 wurden schließlich fast 29 % niedrigere Genehmigungszahlen im Wohnungsneubau gemeldet als im Vorjahr. Die dann erneut einsetzende Diskussion um die Wohnungsbauförderung und die Entscheidung zur schlussendlich vollständigen Abschaffung der Eigenheimzulage beeinflussten aber die weitere Bauwilligkeit. Bereits das 3. Quartal 2005 brachte einen Zuwachs um 10 %. Für das letzte Quartal des Jahres 2005 wurde zudem ein Plus von fast 23 % gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum gemessen. Mit gut um die Hälfte höheren Genehmigungszahlen als in den restlichen Monaten des Jahres 2005 markierte der Dezember die Jahresspitze. Dies deutet auf eilige Verfahren zur Sicherung der Eigenheimzulage hin. Im Ergebnis wurde so das Vorjahresniveau an Genehmigungen nahezu erreicht. Ohne die Abschaffung der Eigenheimzulage wären die Baugenehmigungen im Jahresvergleich 2005 und 2004 nicht stabil geblieben.

Die Abschaffung der Eigenheimzulage wirkte noch im Jahr 2006 nach. Die im 1. Quartal um 39 % höheren Genehmigungszahlen beim Neubau von Wohnungen waren Ausfluss der forcierten Bauantragsstellungen im 2. Halbjahr 2005. Im weiteren Verlauf des Jahres 2006 wurde aber der Bearbeitungsrückstau aufgeholt und die Genehmigungszahlen sanken ab Mitte 2006. Für das Jahr 2007 lag die Zahl der genehmigten Wohnungen 29 % unter dem vergleichbaren Vorjahreswert.

Die Vorzieheffekte waren beim Neubau von Einfamilienhäusern sehr ausgeprägt. Rund 56 % der im 4. Quartal 2005 und im 1. Quartal 2006 zusätzlich genehmigten Wohnungen entfielen auf Einfamilienhäuser. So lagen im 4. Quartal 2005 die Genehmigungen für Einfamilienhäuser um fast 35 % über dem Vorjahr und im 1. Quartal 2006 etwa 33 %. Der Einbruch bei den Baugenehmigungen für diese Gebäude- und Wohnungsart ist im Jahr 2007 entsprechend stark ausgefallen. Im 1. Quartal 2007 ergab sich ein Rückgang der genehmigten Einfamilienhäuser um gut 60 % gegenüber dem Vorjahr, und auf das gesamte Jahr 2007 gesehen blieb ein Minus von 33 %.

Mit absolut deutlich weniger Gewicht, aber in den Veränderungsraten nicht weniger erheblich waren die Vorzieheffekte 2005/06 und die Nachfrageeinbrüche 2007 auch für den Wohnungsbau in Zweifamilienhäusern nachvollziehbar. In Bezug auf die in Mehrfamilienhäusern genehmigten Eigentumswohnungen können etwaige Einflüsse der Abschaffung der Eigenheimzulage ebenfalls vermutet, jedoch nicht ganz so eindeutig nachvollzogen werden.

Bewertung und Ausblick

Auf die Einführung der Eigenheimzulage reagierten die Bauherren zunächst abwartend, so lange bis die Diskussion abgeschlossen und die Fördermaßnahme eingeführt war. Welchen Beitrag die Eigenheimzulage dann zur »Erhaltung« von Bauaktivitäten hatte und ob sie entsprechend ihrer Zielsetzung Familien mit Kindern zu Wohneigentum verholfen hat, die es sich ansonsten nicht hätten leisten können, lässt sich mittels des genutzten Datenmaterials nicht beantworten.

Im Ergebnis kann auch auf die Frage, inwieweit durch die Abschaffung der Eigenheimzulage, wie vielfach befürchtet, ein Rückgang der Bautätigkeit zu verzeichnen oder dauerhaft zu erwarten ist, keine eindeutige Antwort gegeben werden. Sicher ist, dass merkliche Vorzieheffekte bei den Baugenehmigungen stattgefunden haben, um die Eigenheimzulage ggf. zu sichern. Der »Einbruch« der Baugenehmigungen im Jahr 2007, insbesondere auch im Einfamilienhausbau, relativiert sich aber deutlich in Verbindung mit den davor beobachteten Vorzieheffekten und darf nicht überbewertet werden. In den ersten 3 Quartalen 2008 wurden gut 3 % mehr Wohnungen zum Bau freigegeben als im Jahr zuvor. Die Genehmigungszahl der Eigenheime blieb stabil. Das Minus bei den Genehmigungen von Einfamilienhäusern im 2. Quartal, für das vor allem der vergleichsweise hohe Wert im Mai des Vorjahres verantwortlich ist, und auch der Rückgang im 3. Quartal werden durch die positive Entwicklung im 1. Quartal ausgeglichen. Die Betrachtung der aktuellsten Entwicklung lässt zumindest Hoffnung auf ein stabiles Jahresergebnis 2008 zu.

Vor dem Hintergrund steigender Baupreise und Zinsen, demografischer Veränderungen und gegenwärtig der Finanzmarktkrise unterliegt der Wohnungsbau auch anderen mächtigen Einflüssen als der abgeschafften Eigenheimzulage. Und für die private Vorsorge hat die Wohneigentumsbildung inzwischen eher mehr Bedeutung, denn das mietfreie Wohnen im Alter als Bestandteil der individuellen Altersvorsorge gewinnt an Gewicht und wird inzwischen staatlich gefördert.4 Mit der Integration des selbst genutzten Wohneigentums in die geförderte private Altersvorsorge wurden neue Impulse gesetzt, die sich gegebenenfalls auch in der Bautätigkeit niederschlagen.

1 Das Eigenheimzulagengesetz wurde zunächst als Art. 1 des Gesetzes zur Neuregelung der steuerrechtlichen Wohneigentumsförderung vom 15. Dezember 1995 (WohneigNeurRG, BGBl I, S. 1783) beschlossen und mit dem Eigenheimzulagengesetz vom März 1997 (EigZulG, BGBl I, S. 734) neu gefasst. Unbeschränkt Steuerpflichtige konnten danach unter bestimmten Voraussetzungen (zum Beispiel Eigennutzung des Wohneigentums, Unterschreiten der Einkommensgrenzen) für maximal 8 Jahre eine Eigenheimzulage erhalten. Der Fördergrundbetrag lag ursprünglich bei 2 556 Euro (Neubau) bzw. 1 278 Euro (für Altbau). Ab Januar 2004 belief er sich auf 1 250 Euro im Jahr (unabhängig davon, ob Neu- oder Altbau).

2 Zur Wohnraumversorgung in Baden-Württemberg siehe auch: Brachat-Schwarz, Werner/Schmidt, Heike/Schwarck, Cornelia: »Neue regionalisierte Wohnungsbedarfsprognose für Baden-Württemberg bis 2025«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 07/2007«

3 Siehe Schmidt, Heike: »Aspekte des Eigenheimbaus in Baden-Württemberg«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 3/2008«

4 Mit dem »Gesetz zur verbesserten Einbeziehung der selbstgenutzten Wohnimmobilie in die geförderte Altersvorsorge (Eigenheimrentengesetz – EigRentG)« vom 29.Juli 2008 BGBl. I S. 1509, wurde selbstgenutztes Wohneigentum und genossenschaftliches Wohnen in die steuerlich geförderte Altersvorsorge (Riester-Rente) integriert. Mit Rückwirkung zum 1. Januar 2008 können bis zu 75 % der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge für den Kauf von selbst genutzten Immobilien verwendet werden. Die Riester-Zuschüsse dürfen bei der Tilgung des Kredits eingesetzt werden. Dann ergibt sich für die Riester-Sparer zwar kein weiterer Rentenanspruch, aber die eigene Immobilie ist dafür im Alter früher abbezahlt.