:: 1/2009

Senioren im Straßenverkehr

Bei der Diskussion von Risikofaktoren und Risikogruppen im Straßenverkehr wird auch immer wieder die Gruppe der Senioren in den Mittelpunkt der Analyse gestellt. Gerade der sich schon seit Längerem vollziehende demografische Wandel, der neben dem Bevölkerungsrückgang vor allem durch gravierende Verschiebungen im Altersgefüge gekennzeichnet ist, veranlasst derzeit eine verstärkte Auseinandersetzung mit der Situation älterer Menschen im Straßenverkehr. Die Altersgruppe der 65-Jährigen und Älteren hat innerhalb der baden-württembergischen Bevölkerung mit rund 2 Mill. einen Anteil von 19 % – Tendenz steigend. Senioren sind jedoch seltener in Verkehrsunfälle verwickelt, als es ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung nach zu erwarten wäre. Zukünftig ist mit einer Generation der über 65-Jährigen zu rechnen, die durch ein deutlich anwachsendes Mobilitätsverhalten gekennzeichnet sein wird. Dies zeigen schon die deutlich höheren Führerscheinbesitzquoten der heute 50-Jährigen. Besonders stark wird daher in Zukunft auch der Anteil der älteren, aktiv am Straßenverkehr teilnehmenden Frauen sein.

Deutlicher Rückgang tödlich verunglückter Senioren in den vergangenen 25 Jahren

In den vergangenen 25 Jahren nahm die Zahl der im Straßenverkehr tödlich verunglückten über 65-Jährigen um rund zwei Drittel ab. So waren 1983 noch 323 Todesopfer älterer Menschen zu beklagen, im Jahr 2007 demgegenüber 132. Diese Entwicklung liegt im Trend der insgesamt zurückgehenden Zahlen tödlicher Verkehrsunfälle in Baden-Württemberg. 1983 betrug die Zahl der insgesamt tödlich Verunglückten 1 748, im Jahr 2007 lag sie bei 624 Fällen.

Abweichend von dieser positiven Entwicklung erhöhte sich jedoch die Gesamtzahl der älteren Menschen, die bei Verkehrsunfällen zu Schaden kamen (Getötete, Leicht- und Schwerverletzte) um 28 %. Darunter wurde ein deutlicher Anstieg der Verunglücktenzahlen für Pkw-Insassen über 65 Jahre festgestellt. Sie haben seit 1983 um die Hälfte zugenommen. Die Zahl der verunglückten Fahrradfahrer hat sich sogar verdoppelt. Hier wirkt sich möglicherweise im Zuge eines gestiegenen »Fitnessbewusstseins« der letzten Jahre die größere Verbreitung des Fahrradfahrens auch bei den Senioren aus. Dagegen verunglückten 2007 rund 40 % weniger ältere Fußgänger als vor 25 Jahren.

Ältere relativ seltener in Straßenverkehrsunfälle verwickelt als die Gesamtbevölkerung

Senioren waren im Jahr 2007 seltener in Verkehrsunfälle verwickelt als es ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung nach zu erwarten wäre. So waren an den 40 634 Verkehrsunfällen, bei denen Menschen zu Schaden kamen, insgesamt 78 796 Personen beteiligt, darunter 7 681 Personen im Alter von 65 und mehr Jahren. Damit hatten die 65-Jährigen und Älteren einen Anteil an den Beteiligtenzahlen von insgesamt »nur« 10 %. Dagegen liegt der Anteil der Senioren mit derzeit rund 2 Mill. an der Gesamtbevölkerung bei 19 %. So gesehen ist das Unfallrisiko der Generation 65plus nur halb so hoch wie es ihrem Bevölkerungsanteil entspricht. Hieraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass ältere Menschen im Straßenverkehr deutlich weniger gefährdet seien als jüngere, da mit zunehmendem Alter die Teilnahme am Verkehrsgeschehen tendenziell abnimmt. Liegen die täglichen Wegstrecken der 25- bis unter 60-Jährigen im Durchschnitt zwischen 42 und 43 km, sind die Senioren nur noch rund 15 km täglich unterwegs.1 Damit sinkt dann auch die Gefahr, überhaupt in einen Unfall verwickelt zu werden.

Die Verletzungsschwere ist bei älteren Menschen höher

Die Verunglückten der Generation 65plus unterscheiden sich gegenüber allen Altersgruppen in der Art der Unfälle und den Folgen. Bei den Unfällen mit Personenschaden kam knapp die Hälfte der verunglückten Senioren 2007 als Pkw-Insassen zu Schaden (alle Altersgruppen: 58 %). Mit einem Anteil von 25 % verunglückten aber deutlich mehr Senioren als Fahrradfahrer (alle Altersgruppen: 16 %) und mit einem Anteil von 15 % gut doppelt so viele als Fußgänger wie bei allen Altersgruppen insgesamt (7 %) (Tabelle).

Im Jahr 2007 verunglückten auf den Straßen des Landes 624 Personen tödlich, darunter waren 132 Personen 65 Jahre und älter. Von ihnen starben 51 nach einem Unfall mit dem Pkw, 36 Personen als Fußgänger und 20 waren Radfahrer. Weitere 25 Personen kamen bei anderen Verkehrsunfällen ums Leben. Die Verletzungsschwere bei den älteren Fußgängern ist im Vergleich zu anderen Verkehrsbeteiligungsarten besonders hoch: Während im Durchschnitt 1,4 % der verunglückten unter 65-jährigen Fußgänger an den Unfallfolgen verstarben, waren es bei den Senioren mit 4,8 % mehr als dreimal so viele.

Fahrradfahrer und Fußgänger sind im Alter besonders gefährdet

Trotz der mit 10 % insgesamt geringen Beteiligung der Senioren an Unfällen mit Personenschaden zeigt die Unfallauswertung besondere Gefahrenquellen für die Generation 65plus. Danach war jeder zweite an den Unfallfolgen gestorbene Fußgänger und jeder dritte getötete Fahrradfahrer im Jahr 2007 in Baden-Württemberg 65 Jahre und älter. Bei den getöteten Pkw-Insassen gehörten etwa 20 % zur Altersgruppe der Senioren, das heißt die Unfallbilanz der Senioren im Pkw ist in dieser Hinsicht deutlich niedriger. Zudem weisen diese Zahlen darauf hin, dass ältere Menschen, sofern sie bei einem Unfall verletzt wurden, auch wegen ihrer körperlichen Konstitution ein wesentlich höheres Sterberisiko haben als junge Menschen.

Männer der Generation 65plus deutlich unfallgefährdeter als Frauen

Obwohl die Anzahl der Frauen in Baden-Württemberg mit knapp 5,5 Mill. um rund 180 000 höher liegt als die der Männer, dominieren Letztere dennoch das Unfallgeschehen. Insgesamt befanden sich 2007 unter den im Straßenverkehr Verunglückten 58 % Männer und 42 % Frauen. In der Bevölkerung von 65 und mehr Jahren waren dies 52 % und 48 %. Bei den Getöteten allerdings entfielen 64 % (85 Fälle) auf die Männer und 36 % (47 Fälle) auf die Frauen. Die Gründe hierfür sind im unterschiedlichen Verkehrsverhalten der Männer und Frauen zu suchen. So sind Frauen dieser Generation seltener im Straßenverkehr unterwegs und neigen möglicherweise zu defensiverem Fahrverhalten.

Zwischen 11 und 12 Uhr sind Senioren besonders gefährdet

Die tageszeitliche Verteilung der verunglückten Senioren steht in engem Zusammenhang mit der Verkehrsteilnahme und dem täglichen Lebensrhythmus der älteren Menschen sowie den Spitzenzeiten des Berufsverkehrs. Im Jahr 2007 verunglückten 25 % der älteren Menschen in der morgendlichen Einkaufszeit zwischen 9 und 12 Uhr, davon die meisten zwischen 11 und 12 Uhr (fast 10 %). Bezogen auf die gesamte Bevölkerung ist dagegen die Zeit zwischen 16 und 18 Uhr besonders unfallträchtig. Dass die Unfallzahlen in dieser Zeit deutlich höher als in den Morgenstunden auf dem Weg zur Arbeit sind, könnte unter anderem an einer geringeren Konzentration auf den Straßenverkehr nach einem Arbeitstag liegen.

Ältere Verkehrsteilnehmer verursachen seltener Unfälle durch Raserei, aber häufiger durch Vorfahrtsfehler

Sofern über 65-jährige Pkw-Fahrer in einen Unfall verwickelt waren, trugen sie mit 65 % die Hauptschuld. Nur noch bei den 18- bis 20-Jährigen wurden mit 69 % ähnlich hohe Werte ermittelt. Bei den 75-Jährigen und Älteren wurde sogar 3 von 4 unfallbeteiligten Pkw-Fahrern (76 %) die Hauptschuld am Unfall zugewiesen.

Ältere Menschen verlieren in komplexen Situationen offensichtlich schneller den Überblick als Verkehrsteilnehmer der jüngeren Altersgruppen. »Vorfahrtsfehler« waren die häufigste Unfallursache der älteren Pkw-Fahrer bei Personenschadensunfällen (Schaubild 1). Diese Ursache wurde bei fast jedem dritten Unfallbeteiligten dieser Altersklasse festgestellt, bei allen Altersgruppen war dagegen »Nicht angepasste Geschwindigkeit« die häufigste Unfallursache. Es folgten Abbiegefehler mit 17 %. Diese beiden Ursachen traten bei Senioren wesentlich häufiger auf als im Durchschnitt bei den Pkw-Fahrern aller Altersgruppen (Schaubild 1). Bei Fußgängern der Generation 65plus war die häufigste Unfallursache mit 86 % »Falsches Verhalten beim Überschreiten der Fahrbahn«.

Verunglücktenrate Älterer in Freiburg im Breisgau doppelt so hoch wie im Zollernalbkeis

Das bevölkerungsbezogene Unfallrisiko für Senioren ist in den 16 Bundesländern sehr unterschiedlich. Am stärksten gefährdet waren Senioren in Bayern mit 343 Verunglückten je 100 000 der Altersgruppe im Jahr 2007, am niedrigsten lagen die Werte in Thüringen (205). Baden-Württemberg nimmt hier mit 253 Verunglückten den 7. Platz ein, der Bundesdurchschnitt lag bei 272.

Auch in den 44 Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs ist das bevölkerungsbezogene Risiko bei einem Verkehrsunfall zu Schaden zu kommen, für die Generation 65plus sehr unterschiedlich (Schaubild 2). Gemessen an der Zahl der Einwohner registrierte die Polizei in der Stadt Freiburg im Breisgau mit 388 verunglückten Senioren je 100 000 Einwohner über 65 Jahren die höchste Unfallbelastung für ältere Menschen, gefolgt vom Bodenseekreis (362) und dem Landkreis Ravensburg (347). Die geringste Zahl der verunglückten Senioren je 100 000 Einwohner gleichen Alters wurden mit 185 im Zollernalbkreis gemessen, gefolgt vom Stadtkreis Heilbronn und dem Alb-Donau-Kreis (jeweils 190). Die Verunglücktenrate älterer Menschen war damit in der Stadt Freiburg im Breisgau mehr als doppelt so hoch wie im Zollernalbkreis.

Die Stadtkreise Freiburg im Breisgau und Karlsruhe sowie der Bodenseekreis und die Landkreise Emmendingen und Konstanz weisen dabei eine Besonderheit nach der Art der Verkehrsbeteiligung auf: die Zahl der verunglückten Fahrradfahrer übersteigt in diesen Kreisen nämlich die Zahl der verunglückten Pkw-Insassen. Darin drückt sich die regional unterschiedlich starke Nutzung des Verkehrsmittels Fahrrad aufgrund geografischer Gegebenheiten einerseits und vor allem auch die Anziehungskraft dieser Kreise für den Radtourismus aus.

Die Bevölkerungsstruktur Baden-Württembergs weist für die Kreise mit einer hohen Verunglücktenkennziffer jedoch keinen besonders hohen Anteil der Bevölkerung über 65 Jahre auf. Hier haben der Stadtkreis Baden-Baden sowie der Schwarzwald-Baar-Kreis und der Landkreis Heidenheim die höchsten Anteile älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung.