:: 5/2009

Feinstaubemissionen in Baden-Württemberg

Quellen, Entwicklung, regionale Unterschiede

Zum Schutz der menschlichen Gesundheit geben unterschiedliche Richtlinien verschiedene Grenzwerte für die Immissionen von Stäuben vor. Die Öffentlichkeit wurde durch die Diskussion um die Einführung der Feinstaubplakette für Kraftfahrzeuge vor allem gegenüber den verkehrsbedingten Partikelemissionen sensibilisiert. Die jährlich rund 17 000 Tonnen Feinstaub (PM10) in Baden-Württemberg entstehen sowohl durch die Verbrennung von Energieträgern als auch durch diffuse Prozesse. Immerhin gut ein Fünftel davon resultiert aus dem Straßenverkehr (Abgas und Abrieb). Was sind die übrigen wichtigen Quellen?

Eine bedeutende Rolle bei der Partikelentstehung spielen vor allem das Kleingewerbe und die privaten Haushalte. Auch der sonstige Verkehr sowie Industrie und Kraftwerke tragen zu den Emissionen bei. In den letzten Jahren hat landesweit eine deutliche Reduktion des Ausstoßes stattgefunden. In erster Linie im industriellen Bereich, aber auch im Straßenverkehr verlief die Entwicklung in Baden-Württemberg bereits in die richtige Richtung. Bei den diffusen Feinstaubemissionen konnte dahingegen noch keine nennenswerte Verbesserung erreicht werden. Je Einwohner liegt der jährliche Ausstoß landesweit aktuell mit rund 1,6 Kilogramm (kg) pro Jahr deutlich unter dem Bundesdurchschnitt.

Verbesserung der Immissionswerte durch Kenntnis der Emissionsquellen

Lungengängige Feinstäube sind aufgrund jüngerer Erkenntnisse über ihre gesundheitsgefährdende Wirkung, neben den Emissionen klimaschädigender Gase, immer mehr in den Fokus politischer Reduktionsbemühungen gerückt. Die Forderung nach Minderungsmaßnahmen wird auch deswegen lauter, da die von der EU vorgegebenen Immissionsgrenzwerte1 vor allem in Großstädten häufig überschritten werden. Allen voran davon betroffen ist die Stadt Stuttgart, wo auch durch die ungünstige topografische Lage, die zulässigen Tageshöchstwerte deutlich häufiger als erlaubt überschritten werden2. Bekannteste Maßnahme zur Reduktion von Feinstaubemissionen ist die seit März 2008 eingeführte Feinstaubplakette und die damit verbundene Ausweisung von Umweltzonen. In Baden-Württemberg sind zum Stand 1. Januar 2009 in insgesamt 15 Städten solche Umweltzonen eingerichtet.

Für eine fundierte Konzeption von Maßnahmen zur Verbesserung der Immissionswerte ist die Kenntnis der Emissionsquellen für Feinstäube eine zentrale Voraussetzung3. Anders als bei den meisten Luftschadstoffemissionen, die überwiegend durch die Verbrennung von Energierohstoffen entstehen, sind für die Partikelbildung auch zahlreiche andere Quellen relevant. Von den insgesamt in Baden-Württemberg jährlich emittierten rund 17 000 Tonnen PM104 sind rund 52 % energiebedingt. Die übrigen 48 % entstehen durch vielfältige andere Prozesse, bei denen Stäube freigesetzt werden, zum Beispiel beim Umschütten von Gütern, durch Partikelabrieb bei Bewegungsprozessen oder durch unkontrollierte Verbrennungsprozesse, beispielsweise bei Prozessfeuerungen oder Grillfeuer.

Feinstäube werden in beträchtlichem Umfang auch bei der Verbrennung CO2-neutraler erneuerbarer Energieträger wie Biomasse oder biogenen Abfällen freigesetzt. Die PM10-Emissionen aus Haushaltsfeuerungen liegen beispielsweise bei Brennholzeinsatz nahezu um den Faktor 100 höher als beim Einsatz von leichtem Heizöl. Deshalb kommt es hier teilweise – wie auch bei anderen gesundheitsgefährdenden Luftschadstoffemissionen – zu einem Interessenkonflikt gegenüber den aktuell im Zentrum politischen Handelns stehenden Klimaschutzanstrengungen.

Gut ein Fünftel der landesweiten Emissionen aus dem Straßenverkehr

Insgesamt werden gut 3 500 Tonnen (21 %) der gesamten Feinstaubemissionen im Land durch den Straßenverkehr verursacht, hauptsächlich durch Abgase aus Verbrennungsmotoren (2 500 Tonnen). Die übrigen gut 1 000 Tonnen entstehen durch den Abrieb von Reifen, Straßen sowie Bremsen.

Aus dem sonstigen Verkehr5 entstammen, ebenfalls größtenteils abgasbedingt, weitere 15 % der gesamten Feinstaubemissionen. Die größte Emittentengruppe ist mit einem Anteil von rund 26 % an den Gesamtemissionen der Sektor Gewerbe, Handel, Dienstleistungen und übrige Verbraucher, der fast ausschließlich prozessbedingte Feinstaubemissionen verursacht. Die hier zusammengefassten diffusen Staubaufwirbelungen im Baugewerbe, in der Landwirtschaft (vorwiegend aus der Tierhaltung) und maßgeblich auch in anderen Gewerbebetrieben (zum Beispiel Schreinereien) haben große Relevanz für die PM10-Entstehung im Land.

Die vierte große Emittentengruppe sind mit einem Anteil von knapp 24 % die privaten Haushalte. Mehr als zwei Drittel der durch die privaten Haushalte verursachten Emissionen entstehen energiebedingt, vorwiegend durch die Verbrennung von Holz zur Raumwärme- und Warmwasserbereitung. Das andere Drittel der durch private Haushalte verursachten Partikelemissionen resultiert aus diffusen Quellen, zum Beispiel durch Grillfeuer, Tabakrauchen und Feuerwerke. Kraftwerke zur Strom- und Wärmeerzeugung tragen vorwiegend durch die Verbrennung von Energieträgern in Baden-Württemberg mit rund 5 % zu den PM10-Emissionen bei. Der Emissionsanteil der Industrie, der vor allem durch industrielle Prozesse aus genehmigungspflichtigen Anlagen6 bestimmt ist (zum Beispiel Schotterwerke, Zementherstellung, Eisen- und Stahlgießereien), liegt im Landesmittel bei gut 9 %.

Strukturbedingt niedriger Pro-Kopf-Ausstoß im Land

Aufgrund mehrerer struktureller Einflüsse liegen die Pro-Kopf-Emissionen in Baden-Württemberg mit 1,6 kg deutlich unter dem Bundesdurchschnitt (2,4 kg). Im Bereich der energiebedingten PM10-Emissionen aus Kraftwerken und Haushalten macht sich vor allem der verhältnismäßig geringe Kohleverbrauch im Land, der neben Holz vermehrt zur Feinstaubbildung beiträgt, deutlich bemerkbar. Bei den prozessbedingten Feinstäuben spielen in erster Linie die diffusen Emissionen aus dem Schüttgutumschlag, an dem die Handels- und Binnenhäfen maßgebend beteiligt sind, in Baden-Württemberg eine wesentlich geringere Rolle. Außerdem sind, ebenfalls strukturbedingt, die diffusen Emissionen aus der Tierhaltung je Einwohner um die Hälfte niedriger.

Bei den genehmigungspflichtigen Prozessen liegt der Landeswert pro Kopf sogar um den Faktor 3 unter dem Bundesdurchschnitt. Dies hängt vor allem mit der im Land geringen Bedeutung der Eisen- und Stahlindustrie zusammen, die bundesweit allein zwei Drittel der Feinstaubemissionen aus genehmigungspflichtigen Anlagen ausmacht. Hinzu kommt ein methodischer Aspekt: Für die Abriebemissionen im Straßenverkehr, bei denen die verfügbaren Forschungsergebnisse noch große Unsicherheiten aufweisen, wurden bei der Emissionsberechnung auf Landesebene teilweise abweichende Emissionsfaktoren angewandt (siehe i-Punkt). Unter Berücksichtigung der seitens des Umweltbundesamtes für Deutschland verwendeten Emissionsfaktoren im Straßenverkehr, lägen die PM10-Emissionen insgesamt in Baden-Württemberg um gut 0,1 kg je Einwohner höher.

Emissionen aus genehmigungspflichtigen Anlagen deutlich rückläufig

Die Feinstaubemissionen in Baden-Württemberg konnten seit dem Jahr 2000 spürbar gemindert werden (– 12 %). Gegenüber 1990 beträgt die Minderung sogar rund 26 %. Ein anhaltender Rückgang hat vor allem bei den Emissionen aus den gemäß 4. BImSchV genehmigungspflichtigen Anlagen stattgefunden. Die prozessbedingten Emissionen aus industriellen Anlagen gingen seit 2000 um mehr als 40 %, die energiebedingten Emissionen aus industriellen Feuerungen sogar um 45 % zurück. Auch im Straßenverkehr hat mit einem Minus von fast 20 % eine deutliche Abnahme der abgasbedingten Emissionen stattgefunden. Die abriebbedingten Emissionen sind allerdings aufgrund höherer Jahresfahrleistungen im gleichen Zeitraum leicht angestiegen. Insgesamt hängt die Emissionsminderung des Straßenverkehrs, wie die der Industrie, teilweise mit der Reduktion des Energie- bzw. Kraftstoffverbrauchs zusammen. Zum anderen bildet diese Entwicklung auch Anstrengungen zur Minderung des Emissionsausstoßes (zum Beispiel Partikelfilteranlagen) ab.

Noch kein nennenswerter Rückgang hat im Bereich der Haushalte stattgefunden. Nach einem durch steigenden Energieverbrauch bedingten Anstieg waren die Emissionen seit dem Jahr 2000 dank verbesserter Techniken kurzfristig leicht rückläufig. Im Jahr 2006, wie auch im Jahr 2007, sind die energiebedingten PM10-Emissionen der Haushalte aufgrund des gestiegenen Einsatzes von Brennholz erstmals seit 2000 wieder leicht angestiegen.

Bei den Kraftwerken hat die Zunahme der Stromerzeugung (knapp 7 % seit 2000) und des damit verbundenen Energieeinsatzes den Emissionsminderungsmaßnahmen entgegengewirkt und zu einer Zunahme der Partikelemissionen geführt. Diese fällt mit einem Plus von 27 % vor allem durch den steigenden Einsatz von Biomasse und Abfällen zur Stromerzeugung deutlich höher aus als die Zunahme der erzeugten Strommenge. Ebenfalls weiter angestiegen sind die Abriebemissionen des Straßenverkehrs und des sonstigen Verkehrs. Auch bei den diffusen prozessbedingten Emissionen außerhalb der genehmigungspflichtigen Anlagen aus Gewerbebetrieben, Baugewerbe, Landwirtschaft, Schüttgutumschlag sowie privaten Haushalten ist seit dem Jahr 2000 mit – 2 % kein nennenswerter Rückgang zu verzeichnen.

Bei PM10 weniger Sektoren relevant

Im Juni 2008 ist die neue EU-Luftqualitätsrichtlinie in Kraft getreten, die binnen 2 Jahren in nationales Recht umgesetzt werden muss. Erstmals werden damit auch EU-weit Immissionsgrenzwerte für PM107festgelegt. Diese auch als Feinststäube bezeichneten Partikel gelten aufgrund ihrer Fähigkeit des Vordringens bis in die Lungenbläschen als besonders gesundheitsgefährdend. PM10-Emissionen wurden erstmals vom Statistischen Landesamt rückwirkend bis zum Jahr 2004 berechnet. Mit knapp 12 000 Tonnen Ausstoß im Jahr 2007 handelt es sich bei mehr als zwei Drittel der PM10-Emissionen in Baden-Württemberg um PM10.

Beim PM10 kommt den privaten Haushalten und dem Verkehrsbereich eine noch größere Bedeutung zu als beim PM10. Während vor allem die prozess-bedingten Staubemissionen eher geringe PM10-Anteile enthalten, handelt es sich bei den Feinstaubemissionen im Straßenverkehr und im sonstigen Verkehr sowie in Haushaltsfeuerungen größtenteils um die Fraktion der PM10-Stäube. Auch beim Ausstoß dieser Feinststäube liegen die Pro-Kopf-Emissionen in Baden-Württemberg mit 1,1 kg leicht unter dem Bundesdurchschnitt (knapp 1,4 kg).

Regional große Unterschiede

Das Gewicht der einzelnen Emittentensektoren ist in den Städten und Gemeinden sehr unterschiedlich. So kann der Anteil des Straßenverkehrs in an der Autobahn gelegenen Gebieten bis zu 92 % betragen. Je nach strukturellen Gegebenheiten machen aber auch die Landwirtschaft oder Bau- und Gewerbebetriebe in einzelnen Kommunen einen Anteil von bis zu 70 % an den gesamten Feinstaubemissionen aus. Je Einwohner reicht die Spanne der Emissionsfracht in den Stadt- und Landkreisen von 0,8 bis 3,2 kg.

Wenngleich sich eine im Mittel positive Emissionsentwicklung abzeichnet und die Anstrengungen seitens der Betreiber genehmigungspflichtiger Anlagen und der Autobauer sich durchaus bemerkbar machen, stellen die Feinstaubimmissionen weiterhin ein Problem für die Gesundheit von Mensch und Tier vor Ort dar. Vielerorts ist daher eine weitergehende Reduktion der Emissionen mit dem Ziel der Einhaltung der Immissionsgrenzwerte dringend notwendig. Hierbei besteht auch zusätzlicher Forschungsbedarf zur fundierten Ermittlung der Feinstaubemissionen vor allem im Bereich der diffusen Quellen und des Reifen-, Straßen- und Bremsabriebs bei Verkehrsprozessen.

1 Tochterrichtlinie zur EU-Rahmenrichtlinie Luftqualität, in nationales Recht umgesetzt mit der 22. Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchV).

2 Im Jahr 2007 110 bei 35 zulässigen Überschreitungen gemäß EU-Vorgaben <www.env-it.de/ umweltbundesamt/luftdaten/index.html>.

3 Emissionen beschreiben per Definition die Menge des von bestimmten Quellen (zum Beispiel Kraftwerksanlage, Auto) ausgehenden Ausstoßes an Schadstoffen; sie wirken in Form von Immissionen auf die Umwelt ein. Immissionen beschreiben die auf Empfänger (zum Beispiel Menschen, Tiere, Gebäude) einwirkende Menge an Schadstoffen.

4 Als PM10 (PM: particulate matter) wird die Summe der Partikel von < 10 µm Durchmesser bezeichnet.

5 Vor allem Off-Road-Verkehr wie zum Beispiel Baumaschinen, landwirtschaftliche Zugmaschinen, außerdem Bahn-, Schiffs- und Flugverkehr.

6 Gemäß 4. BImSchV (siehe i-Punkt).

7 Als PM10 wird die Summe der alveolengängigen (Lungenbläschen) Partikel von < 2,5 µm Durchmesser bezeichnet.