:: 6/2009

Lebenssituation von Alleinerziehenden in Baden-Württemberg

Seit Anfang des Jahres 2008 gilt ein neues Unterhaltsrecht für Alleinerziehende. Im März 2009 hat der Bundesgerichtshof in einer Grundsatzentscheidung die Regelungen zum nachehelichen Betreuungsunterhalt konkretisiert. Nach altem Recht mussten Geschiedene, die Kinder bis zum 8. Lebensjahr betreuten, nicht arbeiten. Bis zum 15. Lebensjahr des Kindes musste der betreuende Elternteil nur halbtags arbeiten. Nach neuem Recht wird der nacheheliche Betreuungsunterhalt für Kindererziehung grundsätzlich – mit einzelnen Sonderregelungen – auf 3 Jahre begrenzt. Im folgenden Beitrag wird die Lebenssituation von Alleinerziehenden, zum Beispiel ihre Beteiligung am Erwerbsleben und ihre Einkommenssituation, anhand der Daten des Mikrozensus 2007 beschrieben. Der Beitrag spiegelt also die Situation der Alleinerziehenden vor der Gesetzesänderung wider.

Rund 175 000 Alleinerziehende leben mit 243 000 Kindern unter 18 Jahren zusammen

Nach den Ergebnissen des Mikrozensus 2007 – der größten amtlichen Haushaltsbefragung in Deutschland – lebt die Mehrheit der 10,7 Mill. Baden-Württemberger, insgesamt rund 5,9 Mill. Menschen, in Familien mit Kindern. Es gibt in Baden-Württemberg knapp 1,2 Mill. Familien mit Kindern unter 18 Jahren. Der weitaus größte Teil davon sind Ehepaare mit Kindern (80 %), gefolgt von fast 15 % Alleinerziehenden und rund 5 % Lebensgemeinschaften mit Kindern. Die Anzahl der Alleinerziehenden mit Kinder unter 18 Jahren hat sich damit seit 1980 um ca. 45 % von 120 700 auf 174 600 im Jahr 2007 erhöht. In Haushalten von Alleinerziehenden leben rund 242 500 (ledige) Kinder unter 18 Jahren. Erwartungsgemäß handelt es sich bei der überwiegenden Mehrzahl dieser Alleinerziehenden um Mütter (88 %). Den 154 400 alleinerziehenden Müttern stehen 2007 lediglich 20 300 alleinerziehende Väter mit Kindern unter 18 Jahren gegenüber.

Scheidung häufigste Ursache, warum Eltern ihre Kinder alleine betreuen

Betrachtet man die Alleinerziehenden mit Kindern unter 18 Jahren nach ihrem Familienstand, dann wird deutlich, dass sich in den letzten 30 Jahren die Gründe, warum Mütter oder Väter alleinerziehend sind, teilweise verändert haben.

Nach wie vor ist eine Scheidung die häufigste Ursache, warum alleinerziehende Mütter mit Kindern unter 18 Jahren ihre Kinder alleine betreuen. 1980 waren 43 % der alleinerziehenden Mütter geschieden, 2007 waren es mit 47 % geringfügig mehr.

Anfang der 80er-Jahre war der Tod des Ehepartners bei knapp einem Drittel der alleinerziehenden Mütter der Grund dafür, dass sie ihre Kinder allein aufziehen mussten. Heute sind nur 6 % der alleinerziehenden Mütter verwitwet. Der gesellschaftliche Wandel und damit verbunden der Wandel der Lebensformen spiegelt sich inzwischen in einem deutlich höheren Anteil der ledigen alleinerziehenden Frauen (30 %) wider. Anfang der 80er-Jahre war dieser Anteil nur halb so hoch. Eine Schwangerschaft ohne Trauschein ist heute gesellschaftlich eher akzeptiert und mündet daher nicht zwangsläufig in eine Ehe.

Rund 158 000 Kinder von Alleinerziehenden sind zwischen 3 und 15 Jahre alt

Unter anderem haben das Alter und die Anzahl der Kinder Einfluss auf die Entscheidung der Eltern, in welchem Umfang sie die Betreuung ihrer Kinder in fremde Hände legen möchten. Rund 68 % der Alleinerziehenden haben ein Kind, gut ein Viertel hat 2 Kinder und knapp 6 % der Alleinerziehenden leben mit 3 oder mehr Kindern unter 18 Jahren zusammen.

Knapp 19 000 Kinder, die von Alleinerziehenden betreut werden, sind unter 3 Jahre alt. Nach dem neuen ab 2008 gültigen Unterhaltsrecht haben geschiedene und unverheiratete Alleinerziehende bis zu diesem Alter einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes (unabhängig von dem Unterhalt für das Kind selbst). Mit Vollendung des 3. Lebensjahres des Kindes steht dem betreuenden Elternteil nur noch ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt aus »Billigkeitsgründen« zu. Sowohl kind- als auch elternbezogene Gründe werden dabei in die individuelle Billigkeitsprüfung einbezogen, zum Beispiel:

  • Vorhandensein und Umfang der Betreuungsmöglichkeiten für das Kind
  • Entwicklungszustand des Kindes
  • Vorhandensein von Erwerbsmöglichkeiten und deren Vereinbarkeit mit den Betreuungspflichten für das Kind

Im Alter von 3 Jahren hat das Kind einen Anspruch auf einen Kindergartenplatz. Damit besteht für den alleinerziehenden Elternteil grundsätzlich die Möglichkeit, eine Erwerbstätigkeit auszuüben. In welchem Umfang einer Erwerbstätigkeit nachgegangen werden kann, hängt zum Beispiel von den individuellen Lebensumständen der Familie sowie den Betreuungs- und Erwerbsmöglichkeiten ab. Mit der Vollendung des 3. Lebensjahres des jüngsten Kindes wird nach derzeitiger Einschätzung von Juristen eine Teilzeitbeschäftigung und mit Vollendung des 12. Lebensjahres eine Ganztagesbeschäftigung als zumutbar gelten. Das wird sich in den kommenden Monaten oder Jahren durch die Rechtsprechung herauskristallisieren. Gegebenenfalls muss das Gericht jeden Einzelfall prüfen und individuell entscheiden.

Rund 27 000 Kinder sind zwischen 3 und 6 Jahre, 51 000 Kinder zwischen 6 und 10 Jahre und 81 000 Kinder zwischen 10 und 15 Jahre alt und damit in einem Alter, in dem es im Ermessen des jeweiligen Richters liegt, in welchem zeitlichen Umfang die Betreuung des Kindes durch den Elternteil erforderlich ist bzw. dem Elternteil eine Erwerbstätigkeit zumutbar ist. Beachtenswert ist außerdem, dass rund 198 000 Kinder, die bei einem »alleinerziehenden« Elternteil leben, schon über 18 Jahre alt und damit volljährig sind.

Unterschiede in der Erwerbstätigkeit von alleinerziehenden Müttern und Vätern

Ob und in welchem Umfang sich Alleinerziehende1 am Erwerbsleben beteiligen, beeinflusst stark ihre Lebens- und Einkommenssituation. Rund 262 000 Alleinerziehende sind im erwerbsfähigen Alter (bis 65 Jahre). Von dieser Bevölkerungsgruppe gehen knapp vier Fünftel einer Erwerbstätigkeit nach. Die Erwerbstätigenquote der alleinerziehenden Väter liegt dabei bei 87 %, die der alleinerziehenden Mütter mit 78 % etwas niedriger. Rund 18 000 Alleinerziehende sind erwerbslos und bei ca. 81 000 Alleinerziehenden handelt es sich um sogenannte »Nichterwerbspersonen« (siehe i-Punkt Erwerbstätigkeit). Mehr als die Hälfte dieser Nichterwerbspersonen ist 65 Jahre oder älter.

Interessanter ist die Betrachtung der 174 000 Alleinerziehenden im erwerbsfähigen Alter mit Kindern unter 18 Jahren. Hier liegt die Erwerbstätigenquote mit 77 % nur 2 Prozentpunkte unter der aller Alleinerziehenden im erwerbsfähigen Alter. Von den rund 20 000 alleinerziehenden Vätern mit Kindern unter 18 Jahren sind 85 % erwerbstätig und von den rund 154 000 Frauen sind es 76 %.

Die Erwerbstätigen können darüber hinaus nach aktiven und nicht aktiven Erwerbstätigen2 sowie nach Vollzeittätigen und Teilzeittätigen differenziert werden. Der Umfang der Erwerbsbeteiligung unterscheidet sich zwischen alleinerziehenden Vätern und Müttern erheblich. Von den aktiv erwerbstätigen alleinerziehenden Vätern mit Kindern unter 18 Jahren sind 89 % Vollzeit beschäftigt, während dieser Anteil bei den alleinerziehenden Müttern nur knapp 39 % beträgt. Rund 61 % der alleinerziehenden Mütter gehen einer Teilzeitbeschäftigung nach. Die unterschiedliche Erwerbsbeteiligung spiegelt sich dann auch in der unterschiedlichen Einkommenssituation von alleinerziehenden Müttern und Vätern wider.

Die Mehrheit der Alleinerziehenden lebt von einem Nettoeinkommen zwischen 1 300 und 2 000 Euro

Gut 15 % der Alleinerziehenden mit Kindern unter 18 Jahren müssen mit einem monatlichen Nettoeinkommen von unter 900 Euro auskommen. Zwischen 900 und 1 300 Euro pro Monat müssen für den Lebensunterhalt von 26 % der Alleinerziehenden reichen. Knapp 37 % leben von 1 300 bis 2 000 Euro pro Monat. Ein höheres monatliches Einkommen von mehr als 2 000 Euro steht 22 % der Alleinerziehenden zur Verfügung.

Einen wichtigen Einblick in die monetäre Situation der Alleinerziehenden mit Kindern unter 18 Jahren liefert auch die Analyse des Einkommens nach der Beteiligung am Erwerbsleben. Für erwerbslose Alleinerziehende mit Kindern unter 18 Jahren besteht das größte Risiko in eine prekäre Einkommenssituation zu geraten. Rund 80 % von ihnen müssen mit einem monatlichen Nettoeinkommen von unter 1 300 Euro auskommen. Auch alleinerziehende Nichterwerbspersonen müssen sparsam haushalten. Zwei Drittel von ihnen bestreiten ihren Lebensunterhalt von weniger als 1 300 Euro im Monat. Dieser Anteil ist bei den erwerbstätigen Alleinerziehenden mit Kindern unter 18 Jahren nur halb so hoch (32 %). Rund 41 % der erwerbstätigen Alleinerziehenden haben ein monatliches Nettoeinkommen zwischen 1 300 und 2 000 Euro und gut 27 % stehen mehr als 2 000 Euro zur Verfügung.

Im Hinblick auf die Einkommenssituation gibt es jedoch große Unterschiede zwischen erwerbstätigen alleinerziehenden Müttern und Vätern. 3 Während fast zwei Drittel der erwerbstätigen alleinerziehenden Väter ein monatliches Einkommen von mehr als 2 000 Euro haben, sind das bei den erwerbstätigen alleinerziehenden Müttern nur 36 %. Die meisten erwerbstätigen alleinerziehenden Mütter (64 %) müssen mit weniger als 2 000 Euro monatlich auskommen. Ursache für diese Einkommensunterschiede ist vermutlich der unterschiedliche Umfang der Erwerbsbeteiligung von alleinerziehenden Vätern und Müttern. Alleinerziehende Väter arbeiten größtenteils Vollzeit, während ein großer Teil der alleinerziehenden Mütter nur einer Teilzeittätigkeit nachgeht.

Im Vergleich mit anderen Lebensformen (zum Beispiel Paare mit Kindern) zeigt sich, dass sich alleinerziehende Mütter häufig am unteren Ende der Einkommensskala befinden. 4

Erwerbstätigkeit ist die Haupteinkommensquelle für den Lebensunterhalt von Alleinerziehenden

Im Mikrozensus wird auch ermittelt, woraus die Haushalte überwiegend die Mittel für ihren Lebensunterhalt beziehen. Wenn man die Quellen des überwiegenden Lebensunterhalts von Alleinerziehenden (an dieser Stelle einschließlich derjenigen mit Kindern über 18 Jahren) näher untersucht, kann man erkennen, dass nur die wenigsten Alleinerziehenden (4 %) hauptsächlich vom Unterhalt durch Angehörige leben.

Der größte Teil aller Alleinerziehenden (61 %) verdient den Lebensunterhalt für sich und seine Kinder überwiegend durch Erwerbstätigkeit. Ein Fünftel der Alleinerziehenden lebt hauptsächlich von einer Rente oder Pension. 5 Gut 15?% sind auf staatliche Transferleistungen wie Arbeitslosengeld I, Leistungen nach Hartz IV oder laufende Hilfe zum Lebensunterhalt angewiesen. Diese Position enthält außerdem sonstige staatliche Unterstützungen, wie BAföG sowie das Eltern- bzw. Erziehungsgeld.

Unterschiede werden sichtbar, wenn man einerseits diese Werte für alleinerziehende Mütter und Väter getrennt betrachtet und andererseits, wenn man Alleinerziehende mit Kindern unter 18 Jahren mit allen Alleinerziehenden vergleicht.

Alleinerziehende Väter (71 %) bestreiten deutlich häufiger als alleinerziehende Mütter (59 %) ihren überwiegenden Lebensunterhalt aus dem Einkommen ihrer Erwerbstätigkeit. Jeweils rund ein Fünftel der alleinerziehenden Mütter und Väter lebt mit seinen Kindern überwiegend von einer Rente oder Pension. Staatliche Transferleistungen werden allerdings deutlich häufiger von alleinerziehenden Müttern (17 %) als von alleinerziehenden Vätern in Anspruch genommen.

Rund 20 000 alleinerziehende Väter und 154 000 alleinerziehende Mütter betreuen Kinder unter 18 Jahren. Von diesen Männern finanzieren mehr als vier Fünftel und von den Frauen fast zwei Drittel ihren Lebensunterhalt überwiegend aus ihrem Erwerbseinkommen. Die Anteile derer, die auf Transferleistungen angewiesen sind, ist im Vergleich zu allen Alleinerziehenden deutlich höher. Bei den alleinerziehenden Müttern mit Kindern unter 18 Jahren liegt dieser Anteil mit gut 24 % um 7 Prozentpunkte über dem aller alleinerziehenden Mütter. Der Anteil der Frauen mit Kindern unter 18 Jahren, die hauptsächlich Unterhalt von Angehörigen beziehen, liegt mit ca. 6 % nur leicht über dem aller alleinerziehenden Mütter (knapp 5 %). Aufgrund der zu geringen Besetzungszahlen6 können zu den alleinerziehenden Vätern mit Kindern unter 18 Jahren keine gesicherten Angaben gemacht werden.

Anliegen des neuen Unterhaltsrechts ist es, in erster Linie die Position der Kinder zu verbessern. Der Grundsatz der Eigenverantwortung der getrennten Elternteile wurde ausdrücklich im Gesetz verankert. Praktisch bedeutet dies, dass der geschiedene Elternteil, der ein Kind betreut, Betreuungsunterhalt nur solange erhält, bis er durch eine Erwerbstätigkeit selbst für sich sorgen kann. Zusammenfassend kann man sagen, dass nur sehr wenige Alleinerziehende als hauptsächliche Quelle für ihren Lebensunterhalt den Unterhalt durch Angehörige angeben. Die meisten Alleinerziehenden gehen einer Erwerbstätigkeit nach und finanzieren daraus überwiegend ihren Lebensunterhalt. Trotzdem muss ein großer Teil der Alleinerziehenden von relativ geringen Einkommen leben. Um die prekäre Lage von erwerbslosen Alleinerziehenden, aber auch von erwerbstätigen Müttern mit geringem Einkommen zu verbessern, sollten die Möglichkeiten und Rahmenbedingungen erweitert werden, die ihnen erlauben, Kinderbetreuung und eine (umfangreichere) Erwerbstätigkeit besser unter einen Hut zu bringen. Dazu gehören sowohl finanzierbare und flexible Kinderbetreuungsmöglichkeiten als auch die Vereinbarkeit der Gegebenheiten des Berufsalltags mit den Pflichten eines alleinerziehenden Elternteils.

1 Hier sind auch »Alleinerziehende« mit volljährigen Kindern enthalten.

2 Vorübergehend Beurlaubte, zum Beispiel wegen Elternzeit.

3 Für die Analyse wurden hier die Daten von allen erwerbstätigen alleinerziehenden Vätern und Müttern genutzt, da die Besetzungszahlen bei den erwerbstätigen alleinerziehenden Vätern mit Kindern unter 18 Jahren für eine belastbare Auswertung zu gering sind. Beim Mikrozensus tritt ein zufallsbedingter Stichprobenfehler auf. Dieser ist umso größer, je schwächer eine Merkmalsausprägung besetzt ist. Daten aus Tabellenfeldern mit Besetzungszahlen unter 5 000 werden daher nicht veröffentlicht.

4 Siehe dazu ausführlich »Ökonomische Lage von Familien«, in: Report Familien in Baden-Württemberg 4/2008, S. 5ff.

5 Inklusive Einkommen aus eigenem Vermögen, einschließlich Ersparnisse, Zinsen, Vermietung, Verpachtung, Altenteil.

6 Beim Mikrozensus tritt ein zufallsbedingter Stichprobenfehler auf. Dieser ist umso größer, je schwächer eine Merkmalsausprägung besetzt ist. Daten aus Tabellenfeldern mit Besetzungszahlen unter 5 000 werden daher nicht veröffentlicht.