:: 8/2009

Historische Datenbestände zum Königreich Württemberg digitalisiert

Wie viele Familien lebten 1834 in Vorderbüchelberg, einem Wohnplatz der Gemeinde Spiegelberg? Wie war die Altersstruktur der Bevölkerung von Crailsheim im Jahre 1855? Gab es vielleicht neben protestantischen und katholischen Familien auch Familien anderer Religionszugehörigkeit in dem einen oder anderen Ort des Königreichs Württemberg? All diese Fragen lassen sich mithilfe der umfangreichen Tabellen beantworten, die ab dem Jahr 1834 im »Königlichen Statistisch Topographischen Bureau« angelegt wurden und jetzt in digitaler Form vom Statistischen Landesamt Baden-Württemberg in Zusammenarbeit mit dem Landesarchiv Baden-Württemberg veröffentlicht wurden.

Der Deutsche Zollverein

Die politisch administrativen Grundlagen zur Erstellung des Datenmaterials über das Königreich Württemberg wurden in der nachnapoleonischen Ära vom Deutschen Zollverein gelegt. Der Deutsche Zollverein war ein Zusammenschluss deutscher Bundesstaaten mit den Zielen der Schaffung eines wirtschaftlichen Binnenmarkts und der Vereinheitlichung fiskalisch-ökonomischer Rahmenbedingen, um die Zersplitterung Deutschlands in einzelne Territorien zu überwinden. Die beteiligten Staaten hoben untereinander die Zollschranken auf, verabredeten die Zölle an den Außengrenzen und teilten die Einnahmen nach einem vereinbarten Schlüssel auf.

In Deutschland gab es um 1790 etwa 1 800 Zollgrenzen. Durch Modernisierungsbewegungen während und nach der napoleonischen Ära schufen einige deutsche Staaten – ausgehend von den Rheinbundstaaten – einheitliche zollfreie Binnenmärkte innerhalb ihres Staatsgebiets. Sie sind als erste Vorläufer des späteren Deutschen Zollvereins zu betrachten. Zölle waren zu dieser Zeit eine der Haupteinnahmequellen der politisch autonomen Staaten, insofern waren die selbstständigen Staaten des Deutschen Bundes bestrebt, diese wichtige Einnahmequelle zu sichern und auszubauen. Eine Einkommensteuer gab es noch nicht. Die zollpolitische Zersplitterung Deutschlands behinderte jedoch die industrielle Entwicklung und verteuerte den innerdeutschen Handel. Nach vielen vergeblichen Bemühungen wurde durch den Zollvereinigungsvertrag vom 22. März 1833 der Deutsche Zollverein am 1. Januar 1834 in Kraft gesetzt. Das Königreich Württemberg war von Beginn an Mitglied des Deutschen Zollvereins. Das Großherzogtum Baden trat dem Deutschen Zollverein 1836 bei. Die Vormachtstellung Preußens innerhalb Deutschlands wurde durch den Zollverein gefördert und die Entstehung des zweiten Deutschen Kaiserreiches als kleindeutsche Lösung begünstigt. Nach der Gründung des Deutschen Kaiserreiches im Jahre 1871 gingen die Aufgaben des Zollvereins auf das Deutsche Reich über.

Eine der ältesten Aufgaben der Statistik

Bevölkerungsstatistiken waren keine Erfindung des 19. Jahrhunderts. Mit zu den ältesten Aufgaben der Statistik gehörte es, den Landesherrn und die Regierung – nicht nur aus fiskalischen Gründen – über den Stand der Bevölkerung zu unterrichten. Die Zahl der Einwohner galt vielfach auch als Maßstab für die Bedeutung des Landes.

Im Königreich Württemberg bestanden bis 1870 zwei voneinander unabhängige Methoden, den Bevölkerungsstand zu ermitteln. Nach der ersten Methode, die auf einer bis ins 16. Jahrhundert zurückgreifenden Einrichtung beruht, wurde die ortsangehörige – also die am Ort wohnende – Bevölkerung erfasst. Die Bevölkerungszahl und -struktur wurde mittels der, von den Geistlichen geführten, Familienregister zusammengestellt. Nach der zweiten Methode, die nach den Zollvereinvorschriften ab 1834 zum Einsatz kam, wurde die ortsanwesende Bevölkerung gezählt. Dazu rechneten alle Personen, die am Zählungsstichtag in der jeweiligen Gemeinde anwesend waren unabhängig von der Tatsache, ob sie in der Gemeinde ihren ständigen Wohnsitz hatten oder nicht.1 Diese periodisch durchgeführte Erhebung wurde allgemein als Zollvereinszählung bezeichnet. Mit der Gründung des Deutschen Reiches 1871 wurde aus der Zollvereinszählung die Reichszählung, in etwa vergleichbar mit heutigen Volkszählungen. Mit der Zeit differenzierten sich die erhobenen Merkmale bis zum Jahre 1925 immer stärker aus.

Durch glückliche Umstände haben die Originaltabellen des Königreichs Württemberg alle widrigen Zeitumstände und Kriege ohne Beschädigung überstanden und wurden bis in die jüngere Gegenwart in sogenannten »Oberamtsmappen« im Statistischen Landesamt Baden-Württemberg aufbewahrt. Diese Originalunterlagen wurden im Frühjahr 2008 an das Staatsarchiv Ludwigsburg übergeben. In Kooperation haben das Statistische Landesamt und das Landesarchiv Baden-Württemberg den gesamten Datenbestand digitalisiert und als CD-ROM »Königreich Württemberg Volkszählungen1834 bis 1925« publiziert. Ortsansichten aus den im 19. Jahrhundert sehr populären und heute in volkskundlich interessierten Kreisen sehr begehrten württembergischen Oberamtsbeschreibungen und historisches Kartenmaterial runden die Veröffentlichung ab. In Excel-Tabellen stehen die bisher unveröffentlichten Datenreihen in komfortabler Form für die sozialwissenschaftliche und historische Forschung zur Verfügung.

Vielfältige Analysemöglichkeiten

Dieser abgeschlossene und regional klar abgegrenzte Datenbestand ermöglicht interessierten Forschern vielfältige Analysemöglichkeiten. Das Material bietet Wissenschaftlern und Heimatforschern die Chance, zum Beispiel folgende Fragestellungen für den württembergischen Teil unseres Bundeslandes zu verfolgen: Wie viele Menschen lebten 1834 in den einzelnen Städten und Gemeinden Württembergs? Wie war die Altersstruktur der Bevölkerung? Wo lebten mehrheitlich Protestanten, wo Katholiken? Wo gab es jüdische Gemeinden?

Alleine diese wenigen Fragen zeigen, dass das Material für die Orts- und Landesgeschichte eine unverzichtbare Grundlage bietet gerade für die Untersuchung der demografischen und sozialen Entwicklung Württembergs in der neueren Zeit.

Bestellmöglichkeit

Die CD-ROM kann zum Preis von 20,00 Euro (zuzüglich Versandkosten) bestellt werden.

1 Vgl. Kaeser, Hans/Steinki, Paul: Gebiet und Bevölkerung, in: 150 Jahre amtliche Statistik in Baden-Württemberg, Stuttgart 1970, S. 102 ff.