:: 9/2009

Wahlverhalten der Baden-Württemberger bei der Europawahl 2009

Ergebnisse der repräsentativen Wahlstatistik

Am 7. Juni 2009 wurden in den 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Abgeordneten für das 7. Europäische Parlament gewählt. Neben der Frage, wie die Parteien abgeschnitten haben und wie die Sitzverteilung im neuen Europaparlament aussieht, ist auch das Wahlverhalten der Bürgerinnen und Bürger von großem Interesse. In welchen Bevölkerungsgruppen war die Wahlbeteiligung besonders hoch oder auffällig niedrig? Welche Parteipräferenzen haben jüngere und ältere Wähler, Männer und Frauen? Wie ist die demografische Zusammensetzung der Wählerschaft der Parteien? Antworten auf diese Fragen gibt die reprä­sentative Wahlstatistik, die das Statistische Landesamt bei allen Parlamentswahlen durchführt. Sie liefert zuverlässige Informationen von hoher Datenqualität, denn sie spiegelt – anders als die Wahlanalysen der Forschungsinstitute – nicht das erfragte, sondern das tatsächliche Wahlverhalten wider.

Unter den Wahlberechtigten nahezu doppelt so viele Senioren wie junge Leute

Nach den Ergebnissen der repräsentativen Wahlstatistik hat sich infolge der demografischen Alterung der Gesellschaft die Altersstruktur der Wahlberechtigten seit der ersten Europawahl 1979 erheblich verschoben. Das zahlenmäßige Gewicht der älteren Wahlberechtigten hat deutlich zugenommen. Während bei der Europawahl 1979 die Gruppen der unter 30-Jährigen und die der 60-Jährigen und Älteren mit 22 % bzw. 25,5 % noch annähernd gleich groß waren, lag bei der Europawahl 2009 der Anteil der 60-Jährigen und Älteren mit 33 % nahezu doppelt so hoch wie der der jüngeren Wahlberechtigten (rund 17 %). Das heißt, rein quantitativ betrachtet, hat sich das politische Einflusspotenzial der älteren Wahlberechtigten in den letzten 30 Jahren erheblich erhöht.

Wie bereits bei früheren Europa-, Bundestags- und Landtagswahlen konnte auch bei der Europawahl 2009 eine mit dem Alter tendenziell zunehmende Wahlbeteiligung festgestellt werden. Die mit Abstand niedrigste Wahlbeteiligung war bei den 21- bis 29-Jährigen zu beobachten. Von dieser Altersgruppe beteiligten sich lediglich rund 32 % an der Europawahl. Demgegenüber fiel die Wahlbeteiligung der Erstwähler mit gut 42 % erheblich höher aus. Bei den Wahlberechtigten zwischen 30 und 39 Jahren lag die Wahlbeteiligung bei rund 41 %, die 40- bis 49-Jährigen beteiligten sich zu gut 49 % und die 50- bis 59-Jährigen zu rund 52 %. Die höchste Wahlbeteiligung hatten – wie auch bei früheren Wahlen – die 60- bis 69-Jährigen mit gut 58 %. Bei den 70-jährigen und älteren Wahlberechtigten ging die Wahlbeteiligung wieder deutlich zurück (gut 52 %).

Geringe Wahlbeteiligung: Junge Wahlberechtigte »verschenken« ihr politisches Einflusspotenzial

Bei der Europawahl 2009 machten rund 55 % der 60-jährigen und älteren Baden-Württemberger, jedoch nur gut 34 % der unter 30-jährigen von ihrem Wahlrecht Gebrauch. Das heißt, nicht nur alleine die zahlenmäßige Dominanz der älteren Wahlberechtigten, sondern auch die deutlich niedrigere Wahlbeteiligung der jüngeren Generation verstärkt die Entwicklung, dass das Einflusspotenzial der jüngeren Bürgerinnen und Bürger quantitativ betrachtet deutlich geringer ist als das der älteren.

Die demografische Entwicklung und der mit dem Alter ansteigende Wahleifer führen dazu, dass von den Wählern der Europawahl 2009 in Baden-Württemberg knapp 37 % 60 Jahre oder älter waren, aber nur gut 12 % waren unter 30 Jahre alt, das heißt die Gruppe der Wähler im Seniorenalter war 3-mal so groß wie die der jungen, unter 30-jährigen Wähler. Damit »verschenken« die jüngeren Leute durch mangelnden Wahleifer politisches Einflusspotenzial.

Männer beteiligten sich erneut stärker an der Wahl

Die Wahlbeteiligung der Frauen lag bei der Europawahl 2009, wie schon bei früheren Wahlen, unter der der Männer. Dies resultiert vor allem daraus, dass die 60-jährigen und älteren Frauen seltener wählen gehen als die Männer dieser Altersgruppen. Ein besonders eklatanter Vorsprung der Männer ist bei den 70-jährigen und Älteren zu beobachten. Hier machten bei der Europawahl 2009 rund 59 % der Männer von ihrem Wahlrecht Gebrauch, jedoch nur knapp 48 % der Frauen.

CDU wird häufiger von Frauen als von Männern gewählt

Wie bereits bei der Europawahl 2004 war die CDU auch bei der Europawahl 2009 bei den Senioren besonders erfolgreich. Gut 50 % der 60-Jährigen und Älteren machten ihr Kreuz bei den Christdemokraten. Bei den unter 60-jährigen Wählerinnen und Wählern hingegen blieb die CDU in allen Altersgruppen deutlich unter ihrem Landesdurchschnitt von 38,7 %. Ebenso wie bei der Europawahl 2004 wurde die CDU auch 2009 häufiger von Frauen (39,8 %) als von Männern (37,6 %) gewählt. Nach den Ergebnissen der repräsentativen Wahlstatistik sind in allen Altersgruppen Stimmenrückgänge der CDU zu beobachten. Überdurchschnittlich hoch waren sie bei den 18- bis 34-jährigen sowie den 45- bis 59-jährigen Wählern.

SPD hat bei Jungwählern und Senioren stärksten Rückhalt

Die SPD kam bei der Europawahl 2009 auf 18,1 % der gültigen Stimmen. Leicht überdurchschnittlich war der Rückhalt der SPD bei den Senioren (20,4 %) und bei den Jungwählern (19,1 %). Die SPD wurde bei der Europawahl 2009 etwas häufiger von Männern (18,7 %) als von Frauen (17,5 %) gewählt. Stimmenrückgänge mussten die Sozialdemokraten bei den über 35-Jährigen hinnehmen. Von den jüngeren, unter 35-jährigen Baden-Württembergern erhielt die SPD entgegen dem Landestrend sogar Stimmenzuwächse.

Deutliche Stimmengewinne für die GRÜNEN bei den 45- bis 59-jährigen Wählern

Die GRÜNEN gewannen bei der Europawahl 2009 insgesamt 15,0 % der gültigen Stimmen. Am stärksten war der Rückhalt der GRÜNEN bei den 35- bis 44-jährigen Wählern. 21 % der Baden-Württemberger dieser Altersgruppe haben die GRÜNEN gewählt. Am wenigsten Erfolg war den GRÜNEN hingegen bei den 60-jährigen und älteren Baden-Württembergern beschieden. Von den Senioren wählten nur gut 6 % die GRÜNEN. Wie bereits bei der Europawahl 2004 schnitten die GRÜNEN auch bei der Europawahl 2009 bei den Frauen (rund 17 %) besser ab als bei den Männern (13 %). Die GRÜNEN verzeichneten bei der Europawahl 2009 insgesamt ein leichtes Plus von 0,6 Prozentpunkten1. Hinter diesem Ergebnis stecken jedoch sowohl Stimmengewinne (bei den über 45-jährigen Wählern), als auch Stimmenrückgänge (bei den unter 45-jährigen Wählern).

FDP besonders erfolgreich bei den 25- bis 34-jährigen Baden-Württembergern

Die FDP erzielte bei der Europawahl 2009 mit einem Plus von 7,3 Prozentpunkten2 die höchsten prozentualen Zugewinne aller Parteien. Ihre Stimmengewinne verdankt die FDP der Wahlentscheidung der Wählerinnen und Wähler aller Altersklassen. Die stärksten Stimmenzuwächse haben die Liberalen bei den 35- bis 44-jährigen (+ 8,8 Prozentpunkte). Den stärksten Rückhalt hatte die FDP bei den 25- bis 34-jährigen Männern, von denen jeder Fünfte seine Stimme den Liberalen gab. Die FDP erhielt von den Männern (15,7 %) mehr Stimmen als von den Frauen (12,5 %), was bereits bei der Europawahl 2004 der Fall gewesen war.

Die LINKE mit stärkstem Rückhalt bei den 45 bis 59-Jährigen

Die LINKE kam bei der Europawahl 2009 in Baden-Württemberg auf 3,0 % der gültigen Stimmen. Überdurchschnittlich hoch war der Rückhalt der LINKEN bei den 45- bis 59-jährigen Wählern, von denen 4 % ihre Stimme der LINKEN gaben. In dieser Altersgruppe waren auch die Stimmenzugewinne der LINKEN mit 2,7 Prozentpunkten am höchsten. Die LINKE wurde häufiger von Männern (3,9 %) als von Frauen (2,1 %) gewählt.

Wählerschaft von CDU und SPD überdurchschnittlich stark von Senioren geprägt

Die demografische Zusammensetzung der Wählerschaft der Parteien zeigt folgende Ergebnisse. Von den baden-württembergischen Wählern insgesamt (inklusive Briefwählern) waren knapp 36 % im Alter von 60 und mehr Jahren. Die CDU hat von allen Parteien den höchsten Anteil an älteren Wählern: So waren bei der Europawahl 2009 rund 47 % der CDU-Wähler 60 Jahre und älter. Von den Wählerinnen der CDU war sogar fast jede zweite (49,3 %) im Seniorenalter. Alle Altersgruppen unter 60 Jahren waren in der Wählerschaft der CDU unterrepräsentiert.

Auch in der Wählerschaft der SPD sind überproportional viel ältere Wähler. Gut 40 % der SPD-Wähler bei der Europawahl 2009 waren 60 Jahre oder älter. Der Anteil der 25- bis unter 60-Jährigen lag in der SPD-Wählerschaft unter dem Durchschnitt. Die Gruppe der Erst- und Jungwähler war hingegen mit 7,8 % leicht überrepräsentiert, unter den Wählern insgesamt waren 7,4 % 18- bis 25-Jährige.

Erst- und Jungwähleranteil der GRÜNEN am höchsten

Im Gegensatz zu CDU und SPD waren in der Wählerschaft der GRÜNEN die Senioren stark unterrepräsentiert, während alle Altersgruppen unter 60 Jahren überproportional vertreten waren. So waren – wie bereits erwähnt – bei der Europawahl 2009 knapp 36 % der Wähler 60 Jahre oder älter. Von den Wählern der GRÜNEN gehörten nur rund 15 % zur Altersgruppe der Senioren. Die quantitativ größte Gruppe unter ihren Wählern war die Altersgruppe der 45- bis 59-Jährigen. Gut jeder 3. GRÜNEN-Wähler gehörte dieser Altersgruppe an, während von den Wählern der Europawahl insgesamt nur rund 29 % zwischen 45 und 59 Jahre alt waren. Unter den Wählern der GRÜNEN ist außerdem der Anteil der jüngeren, unter 35-Jährigen mit rund 22 % am höchsten. Obwohl sich die GRÜNEN auch heute noch als Partei mit einem hohen Anteil jüngerer Wähler präsentiert, ist ihre Wählerschaft im Vergleich zu 1979 doch deutlich älter geworden: Damals waren knapp 60 % der GRÜNEN-Wähler unter 35 Jahre alt.

Die demografische Zusammensetzung der Wähler der FDP entsprach weitgehend der der baden-württembergischen Wähler bei der Europawahl 2009 insgesamt. Allerdings waren unter den Wählern der Liberalen die 60-Jährigen und Älteren mit 31 % leicht unterrepräsentiert, während die unter 35-jährigen Wähler mit einem Anteil von knapp 20 % leicht überrepräsentiert waren. Auch in der Wählerschaft der LINKEN waren die Senioren unterrepräsentiert. Allerdings lag auch der Anteil der jüngeren, unter 35-jährigen Wähler unter dem Landesdurchschnitt. Dominiert wurde die Wählerschaft der LINKEN von den 45- bis 59-Jährigen.

1 Nach den endgültigen Ergebnissen der Europawahl 2009.

2 Siehe Fußnote 1.