:: 10/2009

Württembergischer Trollinger und badischer Spätburgunder

Rebsorten in Baden und Württemberg – zwischen Tradition und Moderne

In den württembergischen und badischen Weinbergen hat in den letzten Jahren ein deutlicher Wandel im Rebsortenspektrum stattgefunden. Flächenverschiebungen zwischen den altbekannten Sorten sowie die Etablierung neuer Rebsorten prägen die Rebsortenlandschaft zu Beginn des Jahrtausends. Ausgelöst wurden die Veränderungen durch mehrere Faktoren wie der Trend zu trockenen Rotweinen, ein gesteigertes Qualitätsbewusstsein bei Anbau und Produktion der Weine, und auch bereits die Anpassung an klimatische Veränderungen, die auch den Anbau spät abreifender Rebsorten erlaubt. Trotz allem dominieren nach wie vor die traditionellen Rebsorten wie Riesling und Müller-Thurgau oder Spätburgunder und Trollinger den Weinbau im Land, wie die Ergebnisse aus der jährlichen Rebflächenerhebung zeigen.

Siegeszug der Rotweine

Auf den Rebflächen des württembergischen Anbaugebiets waren Ende der 80er-Jahre die Anteile an roten und weißen Rebsorten fast ausgeglichen. 55 % der insgesamt 11 000 Hektar (ha) waren mit roten Trauben bestockt und 45 % der Fläche mit weißen. In den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts setzten sich beim Weinkonsum die trockenen Rotweine durch. Dadurch wurde die Konkurrenz aus Frankreich und Italien und verstärkt auch aus den überseeischen Anbaugebieten Kalifornien, Chile, Südafrika und Australien für den hiesigen Weinanbau zunehmend größer. Die Winzer in Baden und Württemberg reagierten auf die wachsende Nachfrage nach Rotweinen und ersetzten in verstärktem Maße seit Mitte der 90er-Jahre weiße durch rote Rebsorten. Erleichtert wurde die Entscheidung zur Neuanlage durch Beihilfen zur Umstrukturierung, die für Maßnahmen wie das Anlegen weiterer Zeilenabstände, gewährt wird.

Inzwischen wird auf über zwei Drittel der württembergischen Rebflächen (8 228 ha) Rotwein produziert. Dies entspricht einer Zunahme um 2 300 ha gegenüber 1990. Nahezu parallel verlief die Entwicklung auf den 16 600 ha des badischen Weinanbaugebietes. Im Jahr 1990 noch vom Weißwein dominiert (73,4 %), wurde dieser zugunsten der roten Rebsorten im Jahr 2008 auf 56 % zurückgedrängt. Die Flächen mit roten Rebsorten wurden um 2 600 ha ausgedehnt und nahmen 2008 ungefähr 44 % der Fläche ein. Die gesamte Rebfläche vergrößerte sich in Württemberg zwischen 1990 und 2008 um 600 ha, in Baden nahm im selben Zeitraum die bestockte Rebfläche dagegen um fast 700 ha ab.

Württemberg – nicht nur Rotweine

Württemberger Weine werden meist mit Rotweinen in Verbindung gebracht – das war nicht immer so. Noch vor nicht einmal 20 Jahren war Riesling (2 616 ha) die am meisten angebaute Rebsorte in Württemberg. Gemeinsam mit Trollinger (2 463 ha), dem Inbegriff für ein württembergisches Viertele, waren die beiden Sorten 1990 auf ungefähr der Hälfte der württembergischen Rebfläche zu finden. Ebenfalls weit verbreitet auf 1 686 ha war mit Schwarzriesling eine Rebsorte, die auch in weniger günstigen Lagen noch gute Qualitäten hervorbringen kann.1 Unter den weiteren roten Rebsorten wurden 1990 vor allem Lemberger (778 ha), Spätburgunder (325 ha) und Portugieser (196 ha) angebaut.

Zu Beginn der 90er-Jahre wurde die Produktion von höherwertigen Weinen forciert, die auch durch Maßnahmen im Weinberg, wie das Ausdünnen der grünen Trauben und die Auswahl entsprechender Rotweinsorten, unterstützt wurden. Besonders die Württemberger Paradesorte Lemberger profitierte von dem Rotweintrend. Eigentlich eine Sorte, die auf Spätfröste empfindlich reagiert und eine lange Vegetationsdauer benötigt, konnte sich Lemberger durch die abnehmende Spätfrostgefahr und die milden Herbste in den letzten Jahren auch auf vorher nicht geeigneten Lagen verbreiten. Die Lembergerflächen wuchsen zwischen 1990 und 2008 um über das Doppelte auf 1 605 ha an. Während Schwarzriesling im Anbau relativ konstant blieb (1 738 ha), wurden die hochwertigeren Rebsorten Spätburgunder (886 ha) und Samtrot (393 ha), ein Klon des Spätburgunders, seit Ende der 90er-Jahre vermehrt gepflanzt. Auch die Rebsorte Dornfelder, die aus einer Kreuzung zwischen Helfensteiner und Heroldrebe entstand und vor 18 Jahren in der Regel als Deckrotweinsorte lediglich auf 194 ha angebaut wurde, wird zunehmend als eigenständige Sorte vermarktet und wächst inzwischen auf 345 ha. Die Zunahme der roten Rebsorten ging in Württemberg im Wesentlichen auf Kosten von Weißriesling und die eher fruchtige Weine hervorbringenden Müller-Thurgau und Kerner. Letztere wurden 1990 noch zusammen auf 1 802 ha kultiviert, 2008 waren es gerade mal 701 ha.

Baden – Vielfalt bei den Weißweinen

Auch im badischen Anbaugebiet führte 1990 mit dem Müller-Thurgau eine Weißweinsorte das Rebsortiment an. 5 816 ha waren mit dieser für Baden typischen Rebsorte bestockt. Spätburgunder wuchs auf 4 127 ha. Zusammen beherrschten diese beiden Sorten fast 60 % der badischen Rebfläche.

Das Sortenspektrum der weißen Rebsorten war in Baden wesentlich größer und das Flächenverhältnis ausgeglichener als in Württemberg, wo im Gegenzug mehr rote Rebsorten zu finden waren. Mit Ruländer (1 614 ha), auch als Grauer Burgunder bekannt, Riesling (1 304 ha) und Gutedel (1 372 ha) war bei den Hauptsorten im Weißweinbereich eine Vielfalt vorhanden. Hinzu gesellten sich Weißer Burgunder mit 692 ha, Silvaner (471 ha) sowie Traminer (288 ha) und Kerner (195 ha). Dagegen war Spätburgunder bei den roten Rebsorten fast ohne Konkurrenz. Die in kleinerem Umfang angebauten Rebsorten Schwarzriesling (136 ha), Dunkelfelder (50 ha) und Portugieser (28 ha) waren mengenmäßig eher unbedeutend.

Auch die badischen Winzer setzten ab Mitte der 90er-Jahre bei Anpflanzungen verstärkt auf rote Rebsorten. Früher stark vertreten, war Müller-Thurgau plötzlich das Sorgenkind des badischen Weins. Ungefähr auf der Hälfte der Weinberge mit Müller-Thurgau wurden die Rodungen genutzt, um einen Sortenwechsel vorzunehmen. Auf den Flächen wurden dann vorwiegend Spätburgunderreben gesetzt, die inzwischen mit einem Anbauumfang von 5 854 ha sogar Müller-Thurgau (2 737 ha) von Platz 1 verdrängten. Neu aufgenommen ins badische Rotweinsortiment wurde die Neuzüchtung Regent. Mit 320 ha Anbaufläche im Jahr 2008 hat er ähnlich wie der Schwarzriesling (266 ha) in Baden vom Rotweinboom profitiert. Aber auch Weißburgunder als Vertreter eines weniger fruchtigen Weißweintyps steigerte sich um 473 ha sowie der Graue Burgunder um 54 ha.

Haben neue Sorten eine Chance?

Weinbau ist ein Bereich, der stark den Traditionen verbunden ist und in dem sich Neuerungen nur langsam durchsetzen. Schnelle Reaktionen auf sich ändernde Geschmacktrends sind schon allein dadurch erschwert, dass eine Rebanlage unter anderem aus wirtschaftlichen Gründen in der Regel mindestens 25 Jahre stehen bleibt, bevor sie wieder gerodet wird. Aber auch der Konsument schätzt die altbekannten Rebsorten und ist für neue Weine oft nur zögerlich zu begeistern. Ob neue Rebsorten erfolgreich produziert und dauerhaft im Markt etabliert werden können, ist daher nur schwer vorherzusagen. Beispiele dafür, wie bereits etwas ältere Rebsorten, die früher ein Nischendasein führten, in den letzten Jahren auf dem Weinmarkt besser positioniert werden konnten, sind die roten Rebsorten Samtrot und Dornfelder. Aber auch Weißer Burgunder und besonders im württembergischen Anbaugebiet Ruländer, der zwischenzeitlich meist als Grauburgunder auftritt, verbreiteten sich stärker.

Auch der Versuch international verbreitete Sorten wie Chardonnay, Sauvignon blanc und Merlot zu etablieren, ist durchaus erfolgreich. Durch weniger Spätfröste und mildere Winter ist der Anbau in guten Lagen bei uns inzwischen möglich geworden. Bisher in zwar kleinem Umfang, aber mit konstanten Zuwachsraten stehen diese Rebsorten inzwischen auf 97 ha in Württemberg und im klimatisch etwas günstiger gelegenen Baden auf 263 ha. Etwas schwerer mit der Etablierung haben es dagegen neu gezüchtete Rebsorten, deren Wachstumsverhalten und Geschmacksprofil noch weitgehend unbekannt sind. Dazu zählen die württembergischen Neuzüchtungen, die aus Kreuzungen zwischen Lemberger und Cabernet Sauvignon oder zwischen Lemberger und Dornfelder hervorgingen und in vielen Weinbaubereichen das Repertoire der etablierten Sorten ergänzen. Allen voran hat sich Acolon durchgesetzt. Eine Kreuzung zwischen Lemberger und Dornfelder, die im württembergischen Anbaugebiet auf 220 ha steht, wovon allein 177 ha im Weinbaubereich Württembergisch Unterland zu finden sind. Unter den Kreuzungen mit Cabernet Sauvignon konnte sich bisher vor allem Cabernet Mitos verbreiten, der in Baden auf 134 ha angebaut wird und in Württemberg auf 29 ha. Cabernet Dorsa kann insgesamt 65 ha in Baden und Württemberg aufweisen.

»Neuigkeiten« mit ganz anderem Hintergrund sind pilzwiderstandsfähige Rebsorten, die mit weniger Pflanzenschutzmaßnahmen auskommen und besonders für ökologisch wirtschaftende Winzer interessant sind. Die bisher am weitesten verbreitete pilzwiderstandsfähige Rebsorte in Württemberg und Baden ist Regent. Inzwischen wächst Regent, der in Spätburgunderlagen zuhause ist, in Baden auf 320 ha und in Württemberg auf 60 ha. Eine weitere pilzwiderstandsfähige Sorte stellt Cabernet Cortis dar, aus dem würzige und farbintensive Rotweine hervorgehen. Die Zulassung und damit auch der Anbau beschränkt sich auf den badischen Weinbaubereich und erreichte 2008 einen Umfang von 23 ha.

Wein und Region

Beeinflusst durch Klima, Geologie und historische Entwicklungen verfügt jeder Weinbaubereich oder manchmal sogar die einzelnen Weinbaugemeinden über ihre regional typischen Weine. Besonders in Baden haben sich allein dadurch unterschiedliche Schwerpunkte herausgebildet, dass sich das badische Anbaugebiet vom Bodensee über den Oberrheingraben bis nach Tauberfranken zieht und die 9 Weinbaubereiche unterschiedliche klimatische und geologische Gegebenheiten vorweisen. Spätburgunder, zwar für das gesamte badische Anbaugebiet bekannt, dominiert vor allem am Bodensee (43 % Anteil an der Rebfläche), Tuniberg (57 %), Breisgau (42 %) und Ortenau mit 47 % (Tabelle). Müller-Thurgau ist durch seine geringen Ansprüche an den Standort2 und seine Ertragssicherheit in vielen Weinbaubereichen Badens vertreten. Das reicht von einem Flächenanteil von 10 % im Markgräflerland bis 32 % in Tauberfranken. Dagegen wird von der Ortenau (25 %) bis zur badischen Bergstraße (21 %) als Weißweinsorte vorrangig Riesling geschätzt. Um seine feine Säure am besten entwickeln zu können, benötigt der spät abreifende Riesling gute Standorte. Ebenfalls eine Besonderheit stellt das Markgräflerland dar, das einen ungewöhnlich hohen Anteil (34 %) an Gutedeltrauben anbaut. Vielleicht macht sich hier die Nähe zur Schweiz bemerkbar, in der Gutedel zu den am meisten angebauten Rebsorten gehört.3

In der Fläche wesentlich konzentrierter ist das Württembergische Anbaugebiet, das im Wesentlichen auf das Neckartal und seine Nebenflüsse begrenzt ist. Hier sind vor allem Keuper- und Muschelkalkböden anzutreffen. Auf den besten Steillagen vom Unterland und Remstal wächst die Trollingerrebe auf 20 % bzw. einem Drittel der Fläche. Schwarzriesling, der etwas robustere Verwandte des Spätburgunders, beherrscht die Hänge um Kocher, Jagst und Tauber. Auf ungefähr einem Fünftel der Fläche stehen hier Schwarzrieslingreben. Im Württembergisch Unterland, dem größten Weinbaubereich Württembergs, wächst er auf 17 % der Fläche. Die Keuperböden des Unterlandes sind auch als gute Lembergerstandorte bekannt, weshalb dieser hier auf 16 % der bestockten Fläche heranreift.

Wohin geht die Weinreise?

Mit dem inzwischen erreichten Anteil an roten Rebsorten wurde ein gewisser Sättigungsgrad erreicht. Der große Schwung an Anpflanzungen, der Ende der 90er-Jahre besonders im roten Rebsortenbereich einsetzte, lässt inzwischen wieder nach. In den letzten Jahren nahm der Anteil der weißen Rebsorten bei den Pflanzungen wieder zu. Dies führte besonders im badischen Anbaugebiet dazu, dass sich das Verhältnis Rot zu Weiß wieder drehte. Hier erlebt der Müller-Thurgau eine Art Renaissance. In den letzten beiden Jahren wurden 167 ha mit Müller-Thurgau bepflanzt, passend zu dem sich abzeichnenden Trend zu fruchtigeren Weinen.

1 Rebsorten in Württemberg, Christine Krämer 2006.

2 Ambrosi, Hans et al.: Farbatlas Rebsorten, 1994.

3 Schweizer Bundesamt für Statistik, BFS 2007.