:: 11/2009

Klein- und Mittelunternehmen in der Umweltwirtschaft

Eine Untersuchung mit Mikrodaten des Forschungsdatenzentrums

Die Umweltschutzwirtschaft gilt als einer der wichtigsten Wachstumsmärkte und Hoffnungsträger für Erhaltung und Ausweitung von Arbeitsplätzen in Deutschland. Sie stellt einerseits hohe Anforderungen an das industrielle Innovationspotenzial, das die deutsche Wirtschaft auch dadurch unter Beweis hat stellen können, dass Umweltschutz im Bewusstsein von Bevölkerung und Politik bereits seit den 70er-Jahren eine große Rolle gespielt hat.

Andererseits werden die Herausforderungen im Umweltschutz zunehmend aus der globalen Perspektive formuliert. Angesichts der traditionellen Exportstärke der deutschen Wirtschaft in Produktions- und Verfahrenstechnik eröffnen sich hieraus beachtliche zusätzliche Exportchancen. An dieser Stelle stellt sich auch die Frage, wie der vielfach als »Rückgrat« der deutschen Wirtschaft bezeichnete Mittelstand an den Expansionsmöglichkeiten beteiligt ist. Da zur Betriebsgrößenstruktur in der Umweltwirtschaft aus der amtlichen Statistik bisher keine Auswertungen vorlagen, ist das Niedersächsische Institut für Wirtschaftsforschung (NIW) dieser Frage im Auftrag des Umweltbundesamtes mithilfe der Mikrodaten des Forschungsdatenzentrums der Statistischen Ämter der Länder am Standort Stuttgart nachgegangen.1

Globalisierung der Umweltwirtschaft: Herausforderung für Klein- und Mittelunternehmen

Klein- und Mittelunternehmen geraten in der Umweltwirtschaft unter anderem dadurch immer mehr in den Blickpunkt, weil sich das Umweltschutzgeschäft der deutschen Industrie immer stärker auf die Auslandsmärkte konzentriert hat und das Auslandsgeschäft immer noch eine Domäne von Großunternehmen ist. Klein- und Mittelunternehmen haben zum Titel »Exportweltmeister« bislang nur relativ wenig beitragen können. Hier gilt es, zusätzliche Potenziale zu erschließen.

Zwei weltwirtschaftliche Trends haben jeweils unterschiedliche Auswirkungen auf die Beteiligung von Klein- und Mittelunternehmen am Auslandsmarktgeschäft:

  • Einerseits wachsen die überseeischen Volkswirtschaften – allen voran die asiatischen Schwellenländer – erheblich schneller als die europäischen Volkswirtschaften. Dies hat auch Konsequenzen für den Bedarf an Umweltschutzlösungen und für den Beitrag von Klein- und Mittelunternehmen: Denn je weiter die (Umweltschutz‑)Kulturkreise entfernt sind, desto schwieriger wird das Exportgeschäft.
  • Andererseits landen immer noch knapp drei Viertel der deutschen Ausfuhren in Europa. Hierzu mag der Schutz der Eurozone beigetragen haben; denn angesichts der hohen Bewertung des Euro sind Exporte in andere Währungsgebiete in den letzten Jahren nicht leichter geworden. Dieser Effekt stärkt den intrakontinentalen Handel und hat Klein- und Mittelunternehmen den Auslandsmarktzugang wiederum eher erleichtert, weil sie sowieso vorwiegend in die europäische Nachbarschaft exportieren. Überdurchschnittlich hohe Wachstumsaussichten bietet der europäische Markt jedoch nicht.

Vor diesem Hintergrund ist für das Berichtsjahr 2005 unter Auswertung der Erhebung der Waren, Bau- und Dienstleistungen für den Umweltschutz eine Bestandsaufnahme zur Beteiligung von Klein- und Mittelunternehmen2 am Umweltschutzmarkt in Deutschland vorgenommen worden, mit besonderem Augenmerk auf das Exportgeschäft.

Umweltschutzmarktstruktur: Spezialisierte Klein- und Mittelunternehmen und diversifizierte Großunternehmen

Über 60 % der Betriebe mit Umweltschutzumsätzen hatten im Jahr 2005 weniger als 50 Beschäftigte, drei Viertel weniger als 100. Dies lässt auf den ersten Blick auf eine sehr kleinbetriebliche Struktur der Umweltwirtschaft schließen. Zieht man jedoch Vergleichskennziffern zu Rate, dann sieht die Umweltwirtschaft nicht mehr so »mittelstandsintensiv« aus:

Rund 13 % der warenproduzierenden Umweltschutzbetriebe haben 250 und mehr Beschäftigte, im Verarbeitenden Gewerbe insgesamt sind es weniger als 10 %. Insgesamt 68 % der warenproduzierenden Umweltschutzbetriebe sind Kleinbetriebe mit unter 100 Beschäftigten, im Verarbeitenden Gewerbe trifft dies für 73 % der Betriebe zu. Selbst wenn man die warenproduzierenden Betriebe ohne Angabe zur Beschäftigung den Kleinunternehmen zurechnen würde, wäre in der Umweltwirtschaft immer noch ein vergleichsweise geringer Anteil der Betriebe als »klein« einzustufen.3

Im Baugewerbe insgesamt (Bauvorbereitung, Hoch- und Tiefbau) haben 99 % der Betriebe weniger als 100 Beschäftigte, bei den Betrieben mit Umweltschutzbauleistungen sind es knapp 77 %; würde man die Betriebe mit unbekannter Beschäftigtenzahl hinzurechnen, wären es 81 %.

3,5 % der unternehmensbezogene Umweltschutzdienstleistungen anbietenden Betriebe – fast 100 % aus dem Wirtschaftszweig »Dienstleister für Unternehmen« (WZ 74 ) – beschäftigen mehr als 100 Personen, in der Wirtschaft insgesamt sind es 1,8 %. Weiterhin haben 79 % der Umweltschutzdienstleistungsbetriebe weniger als 100 Beschäftigte, in der Gesamtwirtschaft sind es 98 %. Selbst wenn man die Grauzone der Beschäftigtengrößenklassen von 17,5 % bei den Umweltschutzdienstleistungen anbietenden Betrieben vollständig den Kleinunternehmen zurechnen würde, bleibt der Eindruck, dass es unter den Umweltschutzdienstleistungen mehr größere Betriebe gibt.

Umweltschutzwaren, ‑bau- und ‑dienstleistungen werden also der Tendenz nach eher von größeren Betrieben als von kleineren Betrieben angeboten. Eine spezifische Mittelstandskomponente besteht auf dem Umweltschutzmarkt demnach nicht. Insbesondere gilt dies für die Warenproduktion. Unter den Umweltmedien werden vor allem Produkte für die Bereiche Abfall, Luftreinhaltung und Lärmschutz eher von großbetrieblichen Einheiten angeboten. Dort ist der Anteil von Betrieben mit 250 und mehr Beschäftigten besonders hoch. Im Folgenden wird der Begriff Unternehmen auch äquivalent für Betriebe verwendet.

Nur 29 % des Gesamtumsatzes der Umweltschutzindustrie wird tatsächlich mit Umweltschutzgütern erzielt

Nun ist zu berücksichtigen, dass viele Betriebe nicht nur auf dem Umweltschutzmarkt tätig sind, sondern auch auf anderen Märkten Umsätze erzielen. Viele große Unternehmen sind mit ihren Produkten in einzelne Umweltsegmente hinein diversifiziert, nur ein Teil ist fast ausschließlich auf dem Umweltschutzmarkt aktiv. Insgesamt machen die Umweltschutzumsätze der erfassten Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes nur 29 % ihrer Gesamtumsätze aus, im Baugewerbe nur 27 %. Für viele Großbetriebe ist Umweltschutz eher nur Nebenerwerb. Dies wird bei der Verteilung der Umsätze deutlich:

So wird nicht einmal ein Drittel der Umsätze mit Umweltschutzwaren in Unternehmen mit über 500 Beschäftigten erzielt, im Durchschnitt des Verarbeitenden Gewerbes sind es 54 %. Je kleiner die Betriebe sind, desto wichtiger wird jedoch der Umsatz mit Umweltschutzwaren im Vergleich zur Struktur des Verarbeitenden Gewerbes.

Bei Bauleistungen ist die Verteilung deutlich anders. Zwar erzielen Unternehmen mit unter 100 Beschäftigten 56 % des Umsatzes bei Umweltschutzbauleistungen, in der Bauwirtschaft insgesamt sind es in dieser Größenklasse jedoch über 72 %. Bei den mittelgroßen Bauunternehmen (100 bis unter 500 Beschäftigte) hat wiederum die Umweltschutzwirtschaft einen Vorsprung (knapp 38 % zu 23,7 %). Bei Großunternehmen ist das Bild aus Gründen der statistischen Geheimhaltung betrieblicher Einzelergebnisse unklar.

Bei Dienstleistungen wiederum konzentrieren sich die Umweltschutzumsätze noch stärker auf Kleinunternehmen als in der Gesamtwirtschaft. Je nach Veranschlagung der Betriebe ohne Angabe zum Beschäftigungsumfang kommt man bei der Größenklasse mit bis zu 100 Beschäftigten im Umweltschutz auf einen Umsatzanteil von 65 bis 81 %, gesamtwirtschaftlich sind es 63,6 %.

Zusammenfassend unterscheidet sich die Umweltschutzmarktbeteiligung nach Betriebsgrößen betrachtet signifikant von den Umweltschutzmarktleistungen. Es ist eine Vielzahl von großen (Mehrprodukt-)Unternehmen auf dem Umweltschutzmarkt tätig, mit – von Umweltschutzbauleistungen abgesehen – zum Teil nur marginalen Beiträgen, wenn man dies mit den typischen Konstellationen für die jeweiligen Sektoren vergleicht. Lediglich im Lärmschutz sind Großunternehmen mit für das Verarbeitende Gewerbe vergleichbaren Umsatzanteilen vertreten (70 %), mit Abstrichen noch in der Luftreinhaltung. Unter den Klein- und Mittelunternehmen sind auf dem Umweltschutzmarkt hingegen sehr viele spezialisierte Unternehmen vertreten, die ihr Leistungsspektrum stark auf den Umweltschutz ausgerichtet haben. Von daher ist die Bedeutung von Klein- und Mittelunternehmen für das Marktgeschehen größer als es zunächst nach der Marktbeteiligung ausgesehen hat.

Hohe Exportbeteiligung

Praktisch alle erfassten Unternehmen setzen ihre Produkte auf dem Inlandsmarkt ab, »reine Exporteure« machen nur 0,3 % der Unternehmen aus. Der Inlandsmarkt ist im Umweltschutz die Feuertaufe – auch für den Auslandsmarkt. Interessanter ist deshalb die Frage, inwieweit mittelständische Unternehmen über den Inlandsumsatz hinaus auch auf dem Exportmarkt zum Zuge kommen.

Indikatoren sind zum einen die Exportbeteiligung – also die Frage, wie viel Betriebe überhaupt auf dem Auslandsmarkt aktiv sind – und zum anderen, in welcher Intensität sie dies tun, das heißt wie hoch der Anteil des Auslandsumsatzes am Gesamtumsatz ist. Bislang liegen – nach Beschäftigtengrößenklassen gerechnet – keine Auswertungen für die Gesamtwirtschaft bzw. ihre einzelnen Sektoren (Verarbeitendes Gewerbe und Baugewerbe, Dienstleistungen) vor, sodass dies eine umweltschutzimmanente Betrachtung bleiben muss.

Der Grad der Exportbeteiligung wird auf dem Umweltschutzmarkt sehr stark durch die Kleinunternehmen bestimmt. 20 % der Betriebe mit Umweltschutzprodukten setzen diese auch im Ausland ab. Mit zunehmender Betriebsgröße nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass die Betriebe auch auf den Auslandsmärkten Umsätze erzielen können. Diese Regel gilt jeweils auch für die einzelnen Umweltmedien und für die Leistungsarten; einzelne »Ausreißer« sind durch die bei dieser differenzierten Betrachtung zum Teil sehr stark ausgedünnten Fallzahlen in den Größenklassen erklärbar.

  • Am höchsten ist die Exportbeteiligung bei Herstellern von Waren für den Umweltschutz (60 %).
  • 13 % der Umweltschutzdienstleister erbringen auch Leistungen für ausländische Kunden; dies ist gesamtwirtschaftlich nicht gut einzuordnen, da es aus der amtlichen Statistik keine verlässlichen Hinweise auf die Beteiligung von Dienstleistungsunternehmen am Export gibt.
  • Bei Umweltschutzbauleistungen ist die Exportbeteiligung mit 3,2 % am niedrigsten.

Nach Umweltmedien betrachtet ragt die Luftreinhaltung, bei der insbesondere die Nachfrage aus der Industrie relevant ist, stark hervor; ansonsten liegen nur noch Abfallbeseitigung und Lärmschutz bei einer durchschnittlichen Auslandsumsatzbeteiligung. »Medienübergreifende« Aktivitäten lassen sich wiederum weniger gut exportieren, genauso wie im Gewässerschutz, wo der Staat bzw. staatliche Eigenbetriebe in der Regel als Nachfrager auftreten.

Alles in allem hat man nicht den Eindruck, dass Umweltschutzunternehmen dem Grunde nach mehr Schwierigkeiten haben, auf dem Auslandsmarkt Fuß zu fassen als Unternehmen in vergleichbaren Wirtschaftssektoren. Deutlich anders ist dies wohl zu beurteilen, wenn man nach dem Umfang der Exportleistung und deren Bedeutung für den Gesamtumsatz fragt.

Niedrige Exportintensität

Insgesamt werden 24 % der Umsätze im Umweltschutzbereich im Ausland erzielt. Diese Quote ist natürlich stark durch die Warenlieferungen geprägt. 32 % der Umweltschutzwaren landen im Ausland. Dies ist vergleichsweise wenig, denn im Durchschnitt liegt der Auslandsumsatzanteil von Industriebetrieben in Deutschland bereits bei 42 %. Im Zusammenhang mit der hohen Exportbeteiligung lässt sich dies so interpretieren: Sehr viele Betriebe exportieren Umweltschutzwaren, jedoch meist nur in eher kleinen Auftragsvolumina.

Bei Dienstleistungen ist es ähnlich: 8,6 % der Leistungen werden im Ausland erbracht.

Recht viele deutsche Unternehmen bringen also Beiträge zu Umweltschutzlösungen im Ausland. Die Unternehmen sind für das Exportgeschäft sensibilisiert und haben auch Wege auf den Auslandsmarkt gefunden. Allerdings ist der im Ausland erzielte Umsatzanteil noch vergleichsweise niedrig. Im Bausektor spielen Exporte kaum eine Rolle. Dies ist im Umweltschutz nicht anders als bei den übrigen Bauleistungen.

Die Exportquote weist im Übrigen mit steigender Betriebsgröße nicht monoton nach oben. Zum einen lässt sich der Verlauf wegen einer Vielzahl von statistischen Geheimhaltungsvorbehalten nicht immer eindeutig nachvollziehen. Zum anderen zeigt sich aber auch bei Umweltschutzwaren ein deutlicher Bruch bei Großunternehmen. Insbesondere in der Luftreinhaltung sinkt die Exportquote bei großen Unternehmen abrupt.

Nach Umweltmedien betrachtet bietet der Abfallsektor ein interessantes Bild. Bei moderater Exportbeteiligung der Abfalltechnikunternehmen wird in diesem Sektor mit 38 % der höchste Auslandsumsatzanteil gemeldet – und das über alle Größenklassen hinweg. In der Luftreinhaltung wird ebenfalls relativ viel im Export verdient. Dies verteilt sich jedoch auf eine Vielzahl von Unternehmen, sodass die Erlöse – je Fall gerechnet – eher weniger hoch ausfallen dürften.

Die insgesamt niedrigere Exportquote im Umweltschutzsektor dürfte seine Erklärung darin finden, dass Umweltschutzlösungsbedarf immer noch sehr stark auf nationalstaatliche Regelungen reagiert. Zudem gibt es weniger »Lösungen von der Stange«, das heißt Marktnähe, Kooperationsfähigkeit mit anderen Unternehmen und mit den Nachfragern sowie mit Wissenschaft/Forschung vor Ort ist stark gefragt. Die Exportschwelle bei Umweltschutzwaren, ‑bau und ‑dienstleistungen ist höher, die »Handelbarkeit« dieser Produkte geringer. All dies begünstigt eher einheimische Unternehmen und (große) Unternehmen mit Auslandsniederlassungen.

1 Die Arbeiten sind von Attina Mäding im Statistischen Landesamt Baden-Württemberg begleitet worden. Die Detailergebnisse sind im Forschungsbericht »Produktionsstruktur und internationale Wettbewerbsposition der deutschen Umweltschutzwirtschaft« von Harald Legler und Ulrich Schasse (NIW ), erschienen in der vom Umweltbundesamt (UBA) und vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) herausgegebenen Reihe »Umwelt, Innovation, Beschäftigung« (03/09), dokumentiert. Teilergebnisse sind im »Umweltwirtschaftsbericht 2009« des UBA und des BMU publiziert worden.

2 Die »Abschneidegrenze« für Klein- und Mittelunternehmen von Großunternehmen liegt hier bei 500 Beschäftigten.

3 Bei einem Vergleich mit Betriebsdaten aus der Beschäftigtenstatistik wäre die Abweichung noch größer, würde die Umweltschutzindustrie noch weniger im »Mittelstand« verankert erscheinen.