:: 1/2010

Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz

Maßnahmen der neuen Bundesregierung zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise

Unmittelbar nach Abschluss des Koalitionsvertrages hat die CDU/CSU-FDP-Koalition mit dem Entwurf des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes »Nägel mit Köpfen« gemacht. Dadurch werden weitere Schritte zur Bekämpfung der derzeitigen Wirtschaftskrise eingeleitet. Die globalen Verwerfungen haben Deutschland mit einem geschätzten Wachstumseinbruch von rund 5 % in diesem Jahr in die tiefste Rezession der Nachkriegszeit geführt. Baden-Württemberg wird aufgrund seiner exportabhängigen Wirtschaft noch stärker von einem Rückgang der Wirtschaftsleistung betroffen sein. In dieser ernsten und beispiellosen wirtschaftlichen Gesamtsituation gilt es, die negative wirtschaftliche Entwicklung schnell zu überwinden und durch gezielte gesetzgeberische Maßnahmen nachhaltige Wachstumsimpulse zu setzen.

Der private Konsum in Deutschland ist eine Stütze für die Wirtschaft und hat verhindert, dass es zu einem noch massiveren Arbeitsplatzabbau gekommen ist. Ein zentraler Baustein des Gesetzes ist daher die steuerliche Besserstellung von Familien mit Kindern. Zur steuerlichen Entlastung und Förderung der Familien mit Kindern und zur besonderen Berücksichtigung der Aufwendungen der Familien für Betreuung, Erziehung oder Ausbildung der Kinder wird daher zum 1. Januar 2010 das Kindergeld pro Kind um 20 Euro pro Monat erhöht. Parallel hierzu werden die Freibeträge für Kinder von insgesamt 6 024 Euro auf 7 008 Euro pro Kind angehoben. Dadurch werden die Kaufkraft gestärkt und zusätzliche finanzielle Spielräume geschaffen. Diese sind Voraussetzung für mehr Konsum, mehr Investitionen und damit Quelle wirtschaftlichen Wachstums.

Darüber hinaus sind zahlreiche Verbesserungen im Unternehmensteuerrecht vorgesehen. Diese entsprechen den Forderungen Baden-Württembergs und tragen deutlich unsere Handschrift. Bereits zu Beginn der Wirtschaftskrise haben wir darauf aufmerksam gemacht, dass einige Regelun-

gen, die im Zusammenhang mit der Unternehmensteuerreform entweder zur Gegenfinanzierung der Absenkung der Steuersätze für Unternehmensgewinne gedacht waren oder missbräuchliche Steuergestaltungen verhindern sollten, in der jetzigen Situation für die Unternehmen krisenverschärfend wirken. Regelungen, die in guten Zeiten für den jeweils Betroffenen schon als belastend empfunden werden, können in der Krise eine katastrophale Wirkung entfalten und beim Zusammentreffen bestimmter Sachverhalte zur Anwendung kommen, die bei Inkrafttreten der jeweiligen Regelung nicht bedacht wurden.

Verbesserungen bei der Zinsschranke

So beschränkt die sogenannte Zinsschranke die steuerliche Berücksichtigung von Zinsaufwendungen in Abhängigkeit vom Unternehmensgewinn. Die Regelung soll insbesondere bei größeren Unternehmen, die in eine Konzernstruktur eingebunden sind, eine übermäßige Fremdfinanzierung vermeiden und Anreize setzen, Gewinne im Inland zu versteuern. Da in der derzeitigen Wirtschaftskrise die Gewinne der Unternehmen jedoch massiv eingebrochen sind, kann die Zinsschranke dazu führen, dass es aufgrund der Nichtberücksichtigung von Zinsaufwendungen als Betriebsausgaben auch bei wirtschaftlichen Verlusten des Unternehmens zu einer Ertragsteuerbelastung kommen kann. Um insbesondere mittelständische Unternehmen in dieser Situation zu entlasten, wurde die Freigrenze, bis zu der Zinsaufwendungen unbegrenzt abzugsfähig sind, dauerhaft auf 3 Millionen Euro angehoben. Für die größeren Unternehmen ist dagegen in der Krise der sogenannte »EBITDA-Vortrag« ein wirkungsvolles Mittel, um auch in Verlustjahren einen Abzug der Zinsaufwendungen zu ermöglichen, soweit in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren jeweils Gewinne erzielt worden sind, die nicht mit Zinsaufwendungen verrechnet werden konnten.

Mantelkaufregelung deutlich entschärft

Auch die Regelungen zum sogenannten Mantelkauf können in der derzeitigen Situation krisenverschärfend wirken. Hintergrund der Regelung ist die Erkenntnis, dass oftmals Kapitalgesellschaften, die längst ihren aktiven Geschäftsbetrieb aufgegeben haben, nicht liquidiert werden, da ihnen aus Zeiten ihrer aktiven Tätigkeit noch ungenutzte steuerliche Verlustvorträge zuzurechnen sind. Übernimmt nunmehr ein Investor eine solche Gesellschaft und tritt mit dieser am Markt als aktiver Wirtschaftsteilnehmer auf, können die neuen Gewinne mit den Altverlusten aus der früheren Tätigkeit der Kapitalgesellschaft verrechnet werden, sodass kein zu versteuernder Gewinn aus der neuen Tätigkeit anfällt. Diese Möglichkeit schränkt allerdings das Körperschaftsteuergesetz dahingehend ein, dass eine Kapitalgesellschaft den bei ihr entstandenen Verlustvortrag in vollem Umfang verliert, wenn ein Erwerber innerhalb von 5 Jahren mehr als 50 % der Anteile an der Gesellschaft erwirbt. Bei Anteilserwerb zwischen 25 und 50 % geht der Verlustabzug quotal, das heißt im Umfang der Erwerbsquote, verloren. Ist nunmehr aber beispielsweise ein zukunftsträchtiges Unternehmen in eine wirtschaftliche Schieflage gekommen, kann die Regelung zum Mantelkauf die notwendige Beteiligung eines neuen Kapitalgebers deutlich erschweren. Um sicherzustellen, dass in diesen Fällen der Verlustabzug erhalten bleibt, wurde die gesetzliche Regelung daher um eine Sanierungsklausel ergänzt, die voraussetzt, dass nach dem Einstieg des Investors über mehrere Jahre die Arbeitsplätze im Unternehmen erhalten bleiben. Auf jeden Fall ist der Verlustabzug dann möglich, wenn den festgestellten Verlusten in gleicher Höhe »stille Reserven« gegenüberstehen.

Krisenfeste Ausgestaltung der Erbschaftsteuer

Ein zentrales Anliegen Baden-Württembergs ist es, die Unternehmensnachfolge von Betrieben deutlich zu vereinfachen. Die derzeitige Lohnsummenregelung, die zur steuerlichen Freistellung erforderlich ist, kann in vielen Unternehmen gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zu unbilligen Härten führen und den Bestand von Familienunternehmen gefährden. Aus Sicht des Mittelstandslandes Baden-Württemberg ein nicht hinnehmbarer Zustand. Im Wachstumsbeschleunigungsgesetz ist daher eine Entschärfung der Lohnsummenklausel und des Behaltenszeitraumes für Unternehmen vorgesehen. Eine 100%ige Steuerbefreiung einer Unternehmensnachfolge ist nun bereits nach 7 Jahren und nicht wie bisher nach 10 Jahren möglich. Eine 85%ige steuerliche Verschonung kann bereits nach 5 Jahren erreicht werden. Zudem ist eine Senkung der Steuerbelastung für Geschwister und deren Kinder bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer durch einen neuen Steuertarif vorgesehen.

Erleichterungen für das Hotel- und Beherbergungsgewerbe

Aus Wettbewerbsgesichtspunkten ist es weiterhin unerlässlich, die Umsätze im Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe nur mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz zu besteuern. Gerade aufgrund der Grenzlage Baden-Württembergs zur Schweiz und zu Frankreich ist dies unerlässlich, um den heimischen Tourismus zu stärken. Gerade bei diesem Thema spiegeln sich traditionelle baden-württembergische Vorstellungen wider. In einem ersten Schritt werden nach dem Gesetz nun die Beherbergungsleistungen ermäßigt besteuert.

Reduzierung von ertragsunabhängigen Bestandteilen bei der Gewerbesteuer

Die Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer enthält neben dem Gewerbeertrag auch ertragsunabhängige Elemente. Hintergrund hiervon ist die Verstetigung des Gewerbesteueraufkommens zugunsten der Gemeinden. Dies führt allerdings dazu, dass es selbst in Jahren mit einem wirtschaftlichen Verlust im Unternehmen zu einer Gewerbesteuerpflicht kommen kann, sodass die Gewerbesteuer damit den Charakter einer Substanzsteuer annimmt. Baden-Württemberg hat sich schon immer gegen derartige ertragsunabhängige Elemente bei der Gewerbesteuer gewandt und konnte nunmehr im Zusammenhang mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz einen Zwischenerfolg verbuchen. So wurde die Höhe der Hinzurechnung von Finanzierungsanteilen bei Mieten und Pachten deutlich gesenkt. Diese Verbesserung kommt insbesondere dem mittelständischen Handel und Handwerk zugute, die ihr Unternehmen oftmals in gepachteten Räumlichkeiten betreiben. In diesem Bereich darf man sich mit dem jetzt Erreichten allerdings nicht zufrieden geben. Dies ist nur ein kleiner Zwischenschritt beim langfristigen Ziel baden-württembergischer Politik, ertragsunabhängige Elemente aus der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage ganz herauszulösen. Ich bin mir natürlich im Klaren darüber, dass man bei diesem Weg nicht die berechtigte Forderung der Gemeinden nach einer dauerhaften Steuerquelle aus dem Auge verlieren darf. Daher sieht der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und FDP auch vor, dass in dieser Legislaturperiode das System der Gemeindefinanzierung umfassend überarbeitet und neu geordnet werden soll. Baden-Württemberg wird sich an diesem Neuordnungsprozess beteiligen.

Grunderwerbsteuer modernisieren

Anknüpfungspunkt für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer ist der Eigentümerwechsel. Diese formale Betrachtung führt dazu, dass bei Grundstücksübertragungen innerhalb eines Konzerns oder zwischen verbundenen Unternehmen Grunderwerbsteuer entstehen kann, obwohl es – wirtschaftliche betrachtet – im Gesamtunternehmen zu keiner Veränderung im Grundstücksbestand gekommen ist. Das Entstehen von Grunderwerbsteuer bei derartigen Fallkonstellationen kann dazu führen, dass es innerhalb von Konzernen und Unternehmensverbünden nicht zu wirtschaftlich und organisatorisch sinnvollen Zuordnungen der Betriebsgrundstücke kommt und im Unternehmen unnötige Kosten entstehen. Diese Übertragungsvorgänge von der Grunderwerbsteuer zu befreien, ist ebenfalls eine alte Forderung Baden-Württembergs, die nunmehr in den Koalitionsvertrag aufgenommen wurde und bereits mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz umgesetzt wird.

Fazit

Mit diesem Wachstumsbeschleunigungsgesetz hat die Bundesregierung ein deutliches Signal gesetzt, wie ernst sie die Sorgen und Nöte der Bürgerinnen und Bürger in unserem Lande nimmt, und dass sie sich aktiv um die Beseitigung der Folgen der Wirtschaftskrise kümmert. Das Ziel ist nicht nur, dass die Unternehmen die Krise überwinden, sondern dass sie daraus gestärkt hervorgehen. Bei der gesamtstaatlichen Verteilung der Lasten müssen die Länder aber auf ihre Finanzverantwortung achten. Es ist zu begrüßen, dass der Bund bei Kindergeld und Kinderfreibetrag die Vereinbarung mit den Ländern einhält und 74 % der Steuerausfälle trägt.

Mit dem jetzt bereits Erreichten darf man sich allerdings nicht zufrieden geben. Als nächstes gilt es, den Verlauf des Einkommensteuertarifs so umzugestalten, dass die Leistungsträger unserer Gesellschaft durch den progressiven Tarifverlauf nicht bestraft werden. Bei Lohn- und Gehaltserhöhungen, denen aufgrund der Inflation keine erhöhte tatsächliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gegenübersteht, darf es im Ergebnis zu keiner höheren prozentualen steuerlichen Belastung kommen. Der angestrebte Tarifverlauf, beginnend mit einem Eingangssteuersatz von 12 % bei einem zu versteuernden Einkommen von 8 000 Euro (für Ledige) und linear ansteigend bis zu einem Spitzensteuersatz von 42 % bei 60 000 Euro, führt allerdings zu erheblichen Steuerausfällen, die auch durch eine massive Streichung von Ausnahmen und Befreiungen nicht kompensiert werden könnten. Aufgrund der wegbrechenden Steuereinnahmen gilt es das Wünschenswerte und das Machbare in Ausgleich zu bringen. Alle weiteren Vorschläge stehen daher unter einem Finanzierungsvorbehalt.