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Zensus und Landwirtschaftszählung: Zwei Großprojekte der amtlichen Statistik

Wie im Privatleben ist es auch für Staat und Gesellschaft wichtig, von Zeit zu Zeit Bilanz zu ziehen und objektiv die tatsächlichen Verhältnisse festzustellen. In den kommenden Jahren gibt es in Deutschland zwei Vorhaben, die genau diesem Zweck dienen. Das größere und umfassendere Projekt ist der Zensus 2011, mit dem ein Abbild der gesamten Bevölkerung in Bund und Ländern gewonnen werden soll. Ein Jahr zuvor findet eine Bestandsaufnahme statt, die speziell auf die Verhältnisse in der Land- und Forstwirtschaft zugeschnitten ist, die Landwirtschaftszählung 2010.

Zensus 2011: die neue Volks-, Gebäude- und Wohnungszählung

Für viele Entscheidungen in der Politik und Wirtschaft sind verlässliche Angaben über die Bevölkerungs- und Wohnsituation unverzichtbar. Amtliche Einwohnerzahlen sowie Gebäude- und Wohnungsdaten werden in vielen Gesetzen genutzt und bilden die Grundlage für zahlreiche politische und wirtschaftliche Entscheidungen. So basieren beispielsweise der Länder- wie auch der kommunale Finanzausgleich und die Einteilung von Wahlbezirken auf den amtlichen Einwohnerzahlen. Zudem bilden die Bevölkerungsdaten die Grundlage für eine Vielzahl von Planungen innerhalb einer Gemeinde, wie zum Beispiel den zukünftigen Bedarf an Kindergartenplätzen, Schulen, Krankenhäusern und Seniorenheimen. Aktuelle Angaben zum Gebäude- und Wohnungsbestand vermitteln wichtige Informationen zum Angebot an Wohnraum und dienen als Planungsgrundlage für den Wohnungsbau. All diese Informationen erhält man durch eine Volkszählung. Allerdings fand die letzte Volkszählung in den alten Bundesländern im Jahre 1987, in den neuen Bundesländern sogar im Jahre 1981 statt. Neue Daten sind deshalb nötig weil sich in den vergangenen 23 bzw. 29 Jahren politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich viel verändert hat.

Wie funktioniert der Zensus 2011?

Im Jahr 2011 wird in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ein Zensus durchgeführt1. Deutschland wird erstmals ein registergestütztes Verfahren zur Gewinnung der benötigten Daten einsetzen, um die Bevölkerung zu entlasten sowie mit geringeren Kosten qualitativ vergleichbar gute Ergebnisse zu erzielen. Der registergestützte Zensus 2011 basiert auf vorhandenen Daten aus Verwaltungsregistern, vor allem den Melderegistern der Kommunen, der Register der Bundesagentur für Arbeit, Dateien zum Personalbestand der öffentlichen Hand sowie Daten der Vermessungsverwaltung. Zur Sicherung der Qualität der Ergebnisse sowie zur Gewinnung von Daten, die nicht aus Registern vorliegen, sind primärstatistische Erhebungen wie die Haushaltsstichprobe und die Erhebung an Gemeinschafts- und Anstaltsunterkünften, den sogenannten Sonderbereichen, vorgesehen. Außerdem findet eine postalische Erhebung der Wohnungs- und Gebäudedaten statt. Die erhobenen Daten werden mithilfe eines statistischen Verfahrens – der Haushaltegenerierung – zusammengeführt. Die Übersicht stellt das Zensusmodell vereinfacht grafisch dar.

Aktuelle Vorbereitungsarbeiten im Statistischen Landesamt Baden-Württemberg

Die Vorbereitung des registergestützten Zensus 2011 ist bereits in vollem Gange. So erhielt das Statistische Landesamt Baden-Württemberg zum 1. April 2008 Daten der Meldebehörden, welche die Grundlage des Anschriften- und Gebäuderegisters bilden. Dieses Anschriften- und Gebäuderegister wird alle Anschriften mit Wohnraum enthalten und die Basis für die Durchführung der Gebäude- und Wohnungszählung sowie die Auswahlgrundlage für die Haushaltsstichprobe bilden. Weiterhin sind zum 1. April 2009 – wie gesetzlich vorgesehen – Daten der Grundsteuerstellen, der Finanzverwaltung sowie bestimmter Ver- und Entsorger angefordert worden, in denen Angaben zu Eigentümern und Verwaltern von Gebäuden und Wohnungen enthalten sind. Des Weiteren fand eine Vorbefragung bei den erwähnten Sonderbereichen statt. Zum 1. April 2010 werden dann nochmals Daten der Meldebehörden, Daten der Grundsteuerstellen, des Finanzministeriums und bestimmter Ver- und Entsorger genutzt, um die in den Jahren zuvor erhaltenen Angaben zu aktualisieren.

Wie sieht die Nutzung von Registerdaten aus?

Eine Basis des registergestützten Zensus 2011 bilden die Daten der Einwohnermelderegister. Es sind drei Datenlieferungen der Meldebehörden während der Durchführungsphase des Zensus vorgesehen.

Die erste Datenlieferung erfolgt ein halbes Jahr vor dem Zensusstichtag und dient hauptsächlich zur Vorbereitung der Haushaltsstichprobe. Durch die zweite Datenlieferung zum Zensusstichtag, dem 9. Mai 2011, und die dritte Datenlieferung 3 Monate danach wird die zählungsrelevante Bevölkerung zum Stichtag ermittelt. Eine Lieferung der Melderegisterdaten 3 Monate nach dem Stichtag ist nötig, um auch die Personen korrekt zählen zu können, die sich um den Zensusstichtag herum wegen eines Wohnungswechsels bei den Meldebehörden an- oder umgemeldet haben. Sie gehören also zur stichtagsrelevanten Bevölkerung – waren aber noch nicht in dem Meldebestand enthalten, der zum Zensusstichtag von den Meldebehörden übermittelt wurde. Zudem wird beim Zensus 2011 für erwerbsstatistische Informationen auf die Daten der Bundesagentur für Arbeit sowie der öffentlichen Arbeitgeber zurückgegriffen.

Welche Befragungen werden durchgeführt?

Neben der Verarbeitung von Registerdaten wird es eine Haushaltsstichprobe geben, bei der nach derzeitigem Stand bundesweit bis zu 10 % der Bevölkerung befragt werden.2 Das entspricht rund 8 Mill. Personen. Die Haushaltsstichprobe verfolgt dabei zwei Ziele: Zum einen dient sie der statistischen Korrektur der Über- und Untererfassungen der Melderegister, zum anderen dient sie der Gewinnung von Daten, die nicht in den Registern enthalten sind (zum Beispiel Angaben zur Ausbildung oder zum Migrationshintergrund). Die Erhebung erfolgt grundsätzlich durch Interviewer, kann aber auch schriftlich durch Rücksendung des ausgefüllten Fragebogens an die zuständige Erhebungsstelle oder online erfolgen.

Auch in den sogenannten Sonderbereichen ist eine primärstatistische Erhebung vorgesehen. Diese Erhebung dient ebenfalls der statistischen Korrektur von Über- und Untererfassungen in den Melderegistern.

Die Registerdatenlieferungen, die Haushaltsstichprobe und die Erhebung in Sonderbereichen dienen der Feststellung der amtlichen Einwohnerzahl und der Bereitstellung von Personen-, Haushalts- und Erwerbsdaten. Um Gebäude- und Wohnungsdaten zu ermitteln, werden diese – da in Deutschland kein flächendeckendes Register mit Gebäude- und Wohnungsdaten vorhanden ist – mithilfe einer postalischen Gebäude- und Wohnungszählung erhoben. Dabei werden bundesweit alle rund 17,5 Mill. Auskunftspflichtigen, das heißt Eigentümer und Verwalter von Gebäuden und Wohnungen befragt. Sie geben nach den gesetzlichen Vorgaben Auskunft für die bundesweit ca. 23,9 Mill. Wohngebäude und Eigentumswohnungen. Die Daten können entweder durch Rücksendung des ausgefüllten Erhebungsbogens oder aber online an das zuständige Statistische Landesamt übermittelt werden.

Einrichtung und Aufgaben von Erhebungsstellen

Um die Aufgaben im Rahmen der primärstatistischen Erhebungen durchführen zu können, werden in ausgewählten Gemeinden und bei Landkreisen Erhebungsstellen eingerichtet. Dies wird in einem Landesgesetz zur Ausführung des Zensusgesetzes 2011 geregelt. Die Planungen sehen die Einbringung des Gesetzentwurfs im Landtag im 1. Quartal 2010 vor. Für diese Erhebungsstellen muss eine organisatorische, personelle und räumliche Trennung von anderen Verwaltungsstellen sichergestellt werden.

Den Erhebungsstellen fallen – nach derzeitigem Stand der Überlegungen – mehrere Aufgaben zu. Zum einen organisieren sie die Haushaltestichprobe und führen sie durch. Sie sollen Erhebungsbeauftragte rekrutieren und schulen, sie sollen das Erhebungsverfahren sowie das Mahnverfahren organisieren und Problemfälle klären. Weitere Aufgaben sind die Erhebung an Sonderbereichen sowie die Klärung von Zweifelsfällen bei der Gebäude- und Wohnungszählung.

Um für jede Person der stichtagsrelevanten Bevölkerung angeben zu können, wo und in welchen Haushaltsstrukturen sie wohnt, werden die Personen- und Wohnungsdaten im Zuge der Haushaltegenerierung zusammengeführt. Als Ergebnis erhält man für jede Person einen Datensatz, der die personen-, haushalts-, erwerbs-, wohnungs- und gebäudestatistischen Merkmale enthält. Zusätzlich liefert der registergestützte Zensus Informationen über leer stehende Wohngebäude. Erste Ergebnisse des Zensus 2011 werden 18 Monate nach dem Stichtag veröffentlicht, weitere Ergebnisse stehen 24 Monate nach dem Stichtag zur Verfügung.

Landwirtschaftszählung – was heißt das?

Die Landwirtschaftszählung ist eine umfassende und grundlegende Bestandsaufnahme in der Landwirtschaft mit dem Ziel, die Agrarstruktur sowohl auf Kreis- und Gemeindeebene als auch für Länder und das Bundesgebiet insgesamt möglichst differenziert abzubilden. Dazu werden alle land- und forstwirtschaftlichen Betriebe befragt, die bestimmte Erfassungsgrenzen erreichen oder überschreiten. Zur Entlastung der Betriebe werden die Erfassungsgrenzen ab dem Jahr 2010 deutlich angehoben. So steigt bei den Sonderkulturen wie Obst und Rebland die Mindestfläche auf 50 Ar und für sonstige landwirtschaftlich genutzte Flächen auf 5 Hektar. Betriebe, die diese Mindestflächen nicht erreichen, jedoch Tierbestände ab einer gewissen Größe halten, werden ebenfalls in der Landwirtschaftszählung befragt.

Zum Erfassungsbereich der Landwirtschaftszählung zählen in Baden-Württemberg im Jahr 2010 voraussichtlich noch rund 50 000 Betriebe. Die Befragung umfasst agrarstrukturelle Kernthemen wie Bodennutzung, Viehbestände oder Ausstattung des Betriebs mit Arbeitskräften sowie Eigentums- und Pachtverhältnisse. Auf der Grundlage dieser Basisdaten kann ein umfassendes Bild über die gegenwärtige Struktur der Landwirtschaft und über das Ausmaß und die Richtung des Strukturwandels der Landwirtschaft im Land gewonnen werden.

Im Rahmen einer Landwirtschaftszählung werden jedoch nicht nur traditionelle Kernthemen abgefragt. Landwirtschaftszählungen dienen auch dazu, weitergehende Sachverhalte mit agrarsozialem (zum Beispiel Hofnachfolge), agrarpolitischem (zum Beispiel Beteiligung an Förderprogrammen) oder agrarökologischem (zum Beispiel Bodenbedeckung) Hintergrund näher zu beleuchten. Insbesondere der letztgenannte Aspekt ist in der Landwirtschaftszählung 2010 von Bedeutung.

Weshalb wird die Landwirtschaftszählung benötigt?

In den vergangenen Jahren haben sich die Struktur der Landwirtschaft und die agrarpolitischen Rahmenbedingungen in Baden-Württemberg, Deutschland und der gesamten Europäischen Union grundlegend geändert. Der Bedarf der Europäischen Union an vergleichbaren und zuverlässigen agrarstatistischen Daten hat sich seit der letzten Landwirtschaftszählung 1999, vor allem auch durch die 2-malige Erweiterung ihrer Mitgliedsstaaten, deutlich erhöht. Die Landwirtschaftszählung ist daher auch keine rein nationale Angelegenheit, sondern im Hinblick auf eine harmonisierte Datengrundlage in allen Mitgliedsstaaten der EU gleichzeitig durchzuführen. Auf den erweiterten europäischen und internationalen Kontext ist es ferner zurückzuführen, dass eine Vielzahl von Themen in den Fragenkatalog aufgenommen wurde, die ihren Hintergrund in Fragen des Umwelt- und Klimaschutzes haben.

Zudem soll die fortschreitende wirtschaftliche Diversifizierung der heutigen Betriebe abgebildet werden, da Landwirte häufig nicht mehr nur Landwirte sind, sondern beispielsweise durch die Installation von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien oder den Bau von Biogasanlagen zu »Energiewirten« werden oder einen Großteil ihres Einkommens aus Tätigkeiten wie beispielsweise Direktvermarktung oder Arbeiten für andere landwirtschaftliche Betriebe oder für Kommunen erzielen. Insgesamt soll die Landwirtschaft als wichtiger Wirtschaftsbereich, einerseits als Grundlage für die Nahrungsmittelproduktion oder als Lieferant von nachwachsenden Rohstoffen, andererseits als großer Nutzer der Flächen im Land genauer erfasst werden.

Ablauf der Landwirtschaftszählung in Baden-Württemberg

Der Versand der Fragebogen zur Landwirtschaftszählung 2010 durch das Statistische Landesamt ist für Ende Januar 2010 vorgesehen. Wo immer möglich, hat sich das Statistische Landesamt bemüht, die Belastung der auskunftspflichtigen Landwirte so gering wie möglich zu halten oder Hilfestellungen und sonstige Erleichterungen vorzusehen. So brauchen die Landwirte keine Angaben zu einzelnen Teilen des Erhebungsprogramms zu machen, wenn diese auch aus vorhandenen Verwaltungsquellen übernommen werden können. Das betrifft zum Beispiel die Angaben zur Bodennutzung, die von der Mehrheit der Landwirte bereits im Gemeinsamen Antrag3 gemacht werden, oder die Angaben zum Rinderbestand, die dem Herkunfts- und Informationssystem Tier (HIT) entnommen werden. Der Themenbereich »Beteiligung an Förderprogrammen« erscheint erst gar nicht im Fragebogen, sondern wird ausschließlich aus Verwaltungsquellen befüllt.

Telefonische Hotline und persönliche Beratung

Darüber hinaus sind weitere Hilfestellungen vorgesehen. Dazu zählt unter anderem eine kostenlose Telefon-Hotline, unter der bis zum Rücksendetermin der Fragebogen am 14. Mai 2010 vom Statistischen Landesamt Hilfe und Informationen angeboten werden. Zusätzlich kann bei Bedarf auch vor Ort persönliche Beratung und Unterstützung beim für den jeweiligen Landkreis zuständigen Landwirtschaftsamt eingeholt werden.

Das Statistische Landesamt freut sich, dass es gelungen ist, eine erfolgreiche Zusammenarbeit von Land und Landkreisen im Interesse der Landwirte zu etablieren. Darüber hinaus ist für die Landwirtschaftszählung 2010 ein Internetfragebogen vorgesehen, wodurch auch eine Beantwortung rund um die Uhr möglich wird. Summa summarum sind damit viele Voraussetzungen geschaffen worden, um die große Herausforderung Landwirtschaftszählung erfolgreich zu bewältigen. Weiterführende Informationen zur Landwirtschaftszählung 2010 finden Sie im Internet unter www.statistik-bw.de, in Beiträgen des Statistischen Landesamts in der landwirtschaftlichen Fachpresse sowie in früheren Ausgaben des Statistischen Monatshefts4.