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Tabakanbau in Baden-Württemberg: ein Auslaufmodell?

Im Allgemeinen wird Tabakanbau mit Ländern wie den USA, Kuba oder dem Orient in Verbindung gebracht. Die bedeutendsten Tabakanbaustaaten sind heute allerdings die Volksrepublik China, Brasilien und Indien. Es gibt auch in Europa traditionelle Anbaugebiete, etwa in Griechenland oder Italien. Kaum bekannt ist dagegen, dass auch in Deutschland Rohtabak angebaut wird. Allerdings spielt der Anbau nur noch in bestimmten Regionen (Südpfalz, Nordbaden, Uckermark) eine wirtschaftlich bedeutsame Rolle. Die Frage ist: Wie lange noch? Denn infolge der EU-Agrarreform entfällt 2010 mit der Tabakprämie ein wesentlicher Erlösbestandteil für die Pflanzer. Angesichts der deutlich niedrigeren Produktionskosten in den Hauptanbauländern dürfte europäischer Tabak im freien Wettbewerb dann kaum mehr abzusetzen sein.

Der Tabak gehört wie die Kartoffeln und die Tomaten zur Familie der Nachtschattengewächse (Solanaceae). Die Pflanze ist einjährig und keimt aus einem winzigen Samenkorn. 12 000 Körner wiegen gerade ein Gramm. Die Aussaat des Tabaks erfolgt hierzulande Anfang März in Frühbeete. Nach 6 bis 8 Wochen sind die Pflanzen groß genug, damit die Auspflanzung mit einer Dichte von 25 – 30 000 Pflanzen je Hektar (ha) im Feld erfolgen kann. Denn im Mai besteht kaum mehr die Gefahr von Nachtfrösten. Nach einer vergleichsweise kurzen Vegetationszeit von rund 100 Tagen beginnt die Ernte, im Fachjargon »Tabakbrechen« genannt. Etwa 18 (16–20) Blätter werden, beginnend mit dem Grumpen, in 4 oder mehr Etappen im Abstand von 15 bis 20 Tagen geerntet. Das wertvollste Erntegut ist je nach Verwendungszweck – in einer Zeit, in der das Gesundheitsbewusstsein auch die Gruppe der Raucher erreicht hat – das Sandblatt und das Hauptgut (vgl. Abbildung). Je höher die Stellung des Blattes am Spross, umso höher ist der Gehalt an Nikotin1 körperhafter die Blattstruktur und desto niedriger im Allgemeinen der Marktpreis.

Tabak ist eine subtropische Pflanze. Sie braucht Feuchtigkeit bei zugleich relativ hohen Temperaturen. Die Nährstoffversorgung und damit die Düngung ist von entscheidender Bedeutung für die spätere Qualität des Tabaks (Reife, Brand, Duft). Insbesondere der Kalibedarf ist sehr hoch, während Stickstoff stark sorten- und standortbezogen gegeben werden sollte. Als besondere Pflegemaßnahmen fallen beim Tabak das Köpfen und Geizen (Entfernen der Blütenstände bzw. Seitentriebe) an. Die von der Pflanze aufgenommenen Nährstoffe stehen damit ausschließlich für die Blattausbildung zur Verfügung.

Tabak sollte aufgrund von Fruchtfolgekrankheiten und zur Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit auf derselben Fläche in möglichst weitem zeitlichen Abstand angebaut werden: im Allgemeinen alle 3, besser alle 5 Jahre, wobei der Nachbau resistenter Sorten in kürzeren Abständen erfolgen kann. Der Arbeitszeitaufwand im Tabakanbau ist hoch. Er schwankt je nach Sorte zwischen 650 und 1 000 Stunden je ha, vergleichbar mit den Verhältnissen im Weinbau. Der Tabakanbau ist demzufolge kaum in größeren landwirtschaftlichen Betrieben anzutreffen. Seine Heimat sind vielmehr kleinere und mittlere Familienbetriebe. Bei der Agrarstrukturerhebung 20072 wurden in Baden-Württemberg 136 Betriebe mit Tabakanbau nachgewiesen. Sie bewirtschafteten im Mittel 52 Hektar (ha) landwirtschaftlich genutzter Fläche, darunter durchschnittlich 9,4 ha Tabakanbau.

Tabakanbau am Scheideweg

Über umfangreiches Zahlenmaterial zum Tabakanbau verfügt der Bundesverband deutscher Tabakpflanzer bzw. die Vereinigung der Tabak-Erzeugergemeinschaften. Das Zentrum des bundesdeutschen Tabakanbaus liegt im Rheintal im rheinland-pfälzisch/baden-württembergischen Grenzgebiet. Rund zwei Drittel der deutschen Anbauflächen finden sich dort. Daran hat auch der Strukturwandel nichts geändert, der den Tabakanbau ebenso wie die anderen Produktionszweige in der Landwirtschaft erfasst hat. Und wie in den anderen Produktionszweigen auch hat der Strukturwandel zwei sich überlagernde Komponenten: die regionale und die betriebliche Spezialisierung.

Das Ergebnis der regionalen Spezialisierung ist der Rückzug des Anbaus von den Grenzstandorten und seine Konzentration in den Kerngebieten. Interessant ist, dass dieser Prozess Anfang dieses Jahrhunderts in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg weit weniger stark ausgeprägt war als in Bayern, im Norden oder Nordosten. Offensichtlich bietet der Südwesten die relativ günstigsten natürlichen Standortbedingungen für den Tabakanbau in der Bundesrepublik.

Hinter der betrieblichen Spezialisierung steht für die Betriebsinhaber die Frage »Wachsen oder weichen?«. Immer weniger Betriebe teilen sich die Anbaufläche, deren Umfang vergleichsweise stabil bleibt. Letztendlich steigt dadurch die durchschnittliche Tabakanbaufläche je Betrieb an. Eine »normale« Entwicklung, die man so auch von den anderen Produktionszweigen in der Landwirtschaft kennt. Dies gilt zumindest bis zum Jahr 2005. Denn 2006 zeigen die Beschlüsse der EU-Agrarreform (vgl. i-Punkt) Wirkung beim Tabakanbau. Die Zahl der tabakanbauenden Betriebe ging laut Verbandsangaben im Bundesgebiet allein im Jahr 2006 von 759 auf 437 oder 42 % zurück. Am dramatischsten war diese Entwicklung in Baden-Württemberg, wo sich mehr als jeder zweite Betrieb vom Tabakanbau zurückzog. Parallel hierzu ging die Anbaufläche bundesweit um 1 104 ha oder um ein Viertel zurück, in Baden-Württemberg um 364 ha oder 21 %. Es waren also zunächst die Pflanzer mit kleineren Flächen, die als Reaktion auf die geänderten Rahmenbedingungen den Tabakanbau einstellten. Es steht zu vermuten, dass 2010 eine nächste Welle folgen wird. Mancher Betriebsinhaber wird diesen Zeitpunkt für die Aufgabe des landwirtschaftlichen Betriebes abgewartet haben. Andere richteten ihren Betrieb neu aus und wandten sich ähnlich arbeits- und wertschöpfungsintensiven Kulturen wie dem Gemüse- oder Obstbau zu.

Klangvolle Namen für Kenner: Geudertheimer, Burley, Virgin

Auf über der Hälfte der bundesdeutschen Anbaufläche wird Virgin-Tabak, und zwar mit steigenden Anteilswerten, angebaut. Seine relative Vorzüglichkeit beruht nicht zuletzt auf dem vergleichsweise geringen Arbeitszeitbedarf von 500 Stunden je Hektar und Jahr3. Geudertheimer (800) und Burley (980) brauchen wesentlich mehr Zuwendung und entsprechende Pflegemaßnahmen. Virgin-Tabak bevorzugt leichten und lockeren sandigen Boden bei gemäßigtem bis warmem Klima. Die geernteten Blätter werden heißluftgetrocknet (flue-curing) und vorzugsweise für Zigarettentabak verwendet. Die Sorte weist einen relativ milden und leichten Rauch auf. Im Bereich der Erzeugergemeinschaft Nordtabak ist er die einzige Sorte, bei Bayerntabak wird neben dem Virgin auf einem Zehntel, bei Nordosttabak auf zwei Zehnteln der Fläche Burley angepflanzt.

Burley ist nicht das Resultat einer Züchtung sondern eine Mutation. Der genetisch bedingte Chlorophyllmangel führt über verminderte Photosyntheseleistungen zu verlangsamten Wachstum. Burley-Tabak gedeiht am besten auf leichten bis mittelschweren Böden und braucht ein mäßig warmes, nicht zu trockenes Klima. Er wird für Zigaretten und als Pfeifentabak verwendet. Burley zeichnet sich durch den aromatischen Geruch des Rauches aus. Für den Pflanzer kann sich der erhöhte Pflegeaufwand durchaus lohnen, denn beispielsweise 2008 lag der Bundesdurchschnitt des Rohertrages4 von Burley bei 10 800 Euro je ha, der von Virgin bei knapp 9 300 Euro je ha und der von Geudertheimer bei 8 100 Euro je ha. Die größte Anbaufläche hat der Burley in Baden-Württemberg mit aktuell knapp 500 ha, ein gutes Drittel der Tabakanbaufläche im Südweststaat.

Die dritte in Deutschland angebaute Tabaksorte ist der Geudertheimer, dessen Anbau allerdings auf das Rheintal mit Schwerpunkt in Rheinland-Pfalz (400 ha) beschränkt ist. Weitere gut 100 ha finden sich in Baden-Württemberg. Der Geudertheimer gehört zu einer alten unempfindlichen Landsorte. Er ist robuster als der Burley und relativ unempfindlich gegen diverse Pilzkrankheiten und Virusbefall. Der Geudertheimer liebt sandige Böden. Ursprünglich für die Zigarrenherstellung angebaut, wird er heute auch als Schnittgut für Zigaretten- und Pfeifentabak verwendet.

1 Nikotin zählt zu den Alkaloiden (giftige stickstoffhaltige Verbindungen pflanzlicher Herkunft) und ist ein Heil- und Rauschmittel. Die Tabakpflanzen erzeugen in den Wurzeln Nikotin und lagern es in den Blättern ein. Dort dient es der Abwehr von Fraßinsekten.

2 Die Agrarstrukturerhebung 2007 erstreckte sich auf Betriebe mit einer landwirtschaftlich genutzten Fläche von mindestens 2 ha oder festgelegten Mindestgrößen an Tierbeständen oder Spezialkulturen (zum Beispiel 30 Ar Tabak).

3 Kuratorium für Technik und Bauen in der Landwirtschaft (KTBL): Faustzahlen für die Landwirtschaft.

4 Geldwert der Produktion.