:: 2/2010

Förderung der Kinderbetreuung im kommunalen Finanzausgleich Baden-Württemberg

Als wichtige Institution im Bildungsgefüge haben die Kinderbetreuungseinrichtungen zunehmend das Interesse der Fachleute, der Politik und weite Kreise der Bevölkerung gefunden. Derzeit vollzieht sich der Wandel vom Kindergarten als Betreuungseinrichtung hin zur Bildungseinrichtung. Dies zeigt sich auch am Orientierungsplan1 für Kindergärten in Baden-Württemberg. Auch zur Erfüllung dieser daraus resultierenden Pflichtaufgaben benötigen die Gemeinden dauerhaft die entsprechenden finanziellen Mittel.

Neben den eigenen Steuern und den Anteilen an Landes- und Bundessteuern, Gebühren, Beiträgen und Abgaben sind die Kommunen auf die Zuweisung von zusätzlichen Mitteln für bestimmte Aufgaben, wie zum Beispiel hier der Förderung von Einrichtungen zur altersgemäßen Bildung bzw. Betreuung von Kleinkindern und Kindergartenkindern angewiesen. Zum 1. Januar 2009 wurden in den § 29 b und 29 c des Gesetzes über den kommunalen Finanzausgleich (FAG)2 Regelungen zu den Zuweisungen für diesen Zweck an die Gemeinden aufgenommen. Danach erfolgt die Zuweisung der Betriebskostenförderung für die Tageseinrichtungen an die Standortgemeinden, die Zuweisungen für die Tagespflege an die Stadt- und Landkreise und zwar jeweils nach der Zahl und dem zeitlichen Betreuungsumfang der Kinder. Die Zuweisung der Mittel der klassischen Kindergartenförderung wurde ebenfalls an dieses Prinzip angepasst. Zur Vermeidung von Brüchen erfolgt der Übergang auf die neuen Verteilprinzipien stufenweise bis zum Jahr 2013.

Die Kinderbetreuung ist den Gemeinden als Pflichtaufgabe zugewachsen

1840 gründete der Thüringer Friedrich Wilhelm August Fröbel den ersten Kindergarten in Deutschland. Der Anteil der Kinder, für die ein Kindergartenplatz zur Verfügung stand, erreichte bereits 1910 etwa 13 %. In den 1930er-Jahren wurde die Zahl der Kindergartenplätze in Deutschland mehr als verdoppelt und eine Versorgungsquote von 31 % erreicht (1941). Ende 1971 standen in ausgewählten Städten für je 100 Kinder im Kindergartenalter die folgenden Kindergartenplatzzahlen zur Verfügung:3

  • 73 Plätze in Stuttgart
  • 58 Plätze in Mainz
  • 57 Plätze in Frankfurt am Main
  • 43 Plätze in München
  • 31 Plätze in Westberlin
  • 23 Plätze in Hamburg

Seit 1996 gibt es in Deutschland einen Rechtsanspruch nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) auf einen Kindergartenplatz für Kinder vom vollendeten 3. Lebensjahr bis zur Einschulung.4 Bis dahin war die Kinderbetreuung bei den Gemeindeverwaltungen als freiwillige Aufgabe angesehen worden, mit dem KJHG aber wurde den Gemeinden eine Pflichtaufgabe übertragen. Die Kinderbetreuungseinrichtungen waren und sind nach wie vor überwiegend in kirchlicher oder privater Hand, weniger als die Hälfte der Einrichtungen wird von den Gemeinden betrieben.

Kleinkindbetreuung gewinnt immer mehr an Gewicht

Der Ausbau der Kleinkindbetreuung spielt für unsere Städte und Gemeinden eine zunehmend wichtige Rolle. Ziele sind heute vor allem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf von Müttern sowie das Bestreben, für die Kinder der bildungsferneren Schichten Nachteile bereits in der Grundschule zu vermeiden. Die damit einhergehenden Forderungen nach außerfamiliärer Betreuung von Kleinkindern weit vor dem klassischen Kindergartenalter sind nur mit einem stetig steigenden Angebot an Betreuungsplätzen zu realisieren. Dies stellt viele Städte und Gemeinden, vor allem hinsichtlich der finanziellen Dimensionen, vor große Herausforderungen. Von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang allerdings auch die Geburtenrückgänge der letzten Jahre. Viele klassische Kindergärten konnten und können ihren Fortbestand nur durch eine Öffnung ihrer Betreuungsangebote für Kleinkinder sichern.

Das zum 1. Januar 2009 in Kraft getretene Kinderförderungsgesetz (KiföG)5 sieht in Artikel 1 (Änderung von § 24 SGB VIII) vor, dass ab 2013

  1. Kinder von einem bis unter 3 Jahren einen Anspruch auf einen Platz in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege (bei Tageseltern) haben
  2. Kinder im 1. Lebensjahr einen Anspruch auf einen Platz in einer Einrichtung oder in Tagespflege haben, wenn dies für ihre Entwicklung geboten ist, die Erziehungsberechtigten erwerbstätig sind, eine Erwerbstätigkeit aufnehmen oder Arbeit suchen, sich in Ausbildung befinden (Schule, Studium, berufliche Bildungsmaßnahme) oder Leistungen zur Eingliederung in Arbeit erhalten.

Ab 2009 bis 2013 haben die ein- bis unter 3-jährigen Kinder bereits einen Betreuungsanspruch, wenn sie bzw. die Eltern die unter 2. genannten Kriterien erfüllen.

Der Bund, die Länder und die kommunalen Spitzenverbände haben sich aufgrund dieser Regelung bereits 2007 darauf verständigt, bis zum Jahr 2013 schrittweise für durchschnittlich 34 % der Kinder unter 3 Jahren ein Betreuungsangebot in einer Tageseinrichtung oder in der Kindertagespflege aufzubauen. Zwei Drittel der neuen Plätze sollen in Einrichtungen und ein Drittel in Kindertagespflege entstehen. Die Gemeinden des Landes werden zu den 2009 bereits vorhandenen rund 42 000 Plätzen für Kinder unter 3 Jahren weitere knapp 50 000 Plätze einrichten, um ab 2013 die 90 000 Plätze zur Verfügung stellen zu können. Im März 2009 wurden von den rund 279 000 Kindern unter 3 Jahren knapp 7 000 in Tagespflege und über 37 000 in Tageseinrichtungen betreut.

Vor Ort geht es in den Gemeinden aber weniger um das Erreichen von Durchschnittswerten; vielmehr geht es darum, Betreuungsmöglichkeiten flexibel, zeit- und ortsnah entsprechend dem tatsächlichen Bedarf anzubieten. Dies kann im Einzelfall bedeuten, dass weit mehr Betreuungsplätze als für die geforderten 34 % der Kinder bereit zu stellen sind. Hervorzuheben ist bei der Fördervereinbarung besonders die Verständigung über den neuen Fördergrundsatz »Das Geld folgt den Kindern«, das heißt, die Zuschüsse fließen in die Gemeinde, in der die Kinder betreut werden und nicht in die Wohngemeinden.

Die Finanzierung der Betreuungseinrichtungen

Die Förderung der Betriebskosten der Kindertageseinrichtungen orientierte sich bis 2003 an der Zahl und der Größe der eingerichteten Gruppen. Seit 2004 erhalten die Gemeinden zur Bereitstellung und zum Unterhalt der Kinderbetreuung pauschale Zuweisungen in der Größenordnung von jährlich 394 Mill. Euro. Diese Mittel wurden nach einem Verteilungsschlüssel auf die Gemeinden verteilt, der anfangs zu 90 % die Kindergartenzuweisungen für das Jahr 2002 und zu 10 % die Zahl der Kinder unter 7 Jahren berücksichtigte. Der Faktor »Kinderzahl« stieg 2006 auf 20 % und 2008 auf 30 % an.

Zur Umsetzung der Regelungen im Kinderförderungsgesetz wurde zum 1. Januar 2009 die finanzielle Beteiligung des Landes bzw. die Verteilung der Zuschüsse des Bundes in neuen Regelungen im Finanzausgleichgesetz (FAG) des Landes festgelegt. Danach erfolgen die Zuschüsse nicht mehr pauschal nach der Zahl der insgesamt vorhandenen und für eine Betreuung infrage kommenden Kinder, sondern nach der Anzahl der tatsächlich auf dem Gebiet der Gemeinde betreuten Kinder. Finanziell wirksam – also mit einer höheren Gewichtung versehen – ist darüber hinaus auch das Alter der Kinder sowie die Dauer der täglichen Betreuung. Die Gewichtungsfaktoren wurden auf der Grundlage der Betriebskosten ermittelt.

Empfänger der Zuweisungen sind die Gemeinden

Um für die Gemeinden finanzielle Brüche gegenüber der bisherigen Förderung abzufedern, werden im Rahmen einer Übergangsregelung bis zum Jahr 2013 auch noch die Kindergartenzuschüsse des Landes für das Jahr 2002 berücksichtigt, allerdings mit sinkenden Anteilen. Die Förderung der Träger von Betreuungseinrichtungen erfolgt durch die Gemeinde, in der sich die Einrichtung befindet. Aus Gründen der Planungssicherheit für die Gemeinden wird den Berechnungen die in der jährlichen Statistik über die betreuten Kinder in Einrichtungen und in Tagespflege ermittelte Zahl der betreuten Kinder des Vorjahres zugrunde gelegt.

Die Höhe der Betriebskostenzuschüsse des Landes für die Einrichtungsplätze der Kinder zwischen 3 und unter 7 Jahren ist geregelt im § 29 b FAG, für die Plätze der Kinder unter 3 Jahren in Einrichtungen und in Kindertagespflege in § 29 c FAG. Die Bundes- und Landesmittel werden wie erwähnt den Gemeinden (für die Einrichtungen) und den Stadt- und Landkreisen (für die Tagespflege) zugewiesen, in denen die Kinder betreut werden. Zur Berechnung der Höhe der Zuschüsse werden die Kinderzahlen nach dem Betreuungsumfang gewichtet, der sich letztlich in den Betreuungskosten auswirkt.

Die Gewichtungsfaktoren der Kinder in Einrichtungen und in Tagespflege sind aus der folgenden Zusammenstellung ersichtlich. Besucht ein Kind den sogenannten Regelkindergarten (Vor- und Nachmittagsbetreuung, ohne Mittagsverpflegung) wird eine Betreuungszeit von 5 bis unter 7 Stunden angenommen.

Förderung der Kinder von 3 bis unter 7 Jahren in Einrichtungen (§ 29 b FAG)

Tägliche BetreuungszeitGewichtungsfaktor
Bis zu 5 Stunden0,4
Mehr als 5 bis unter 7 Stunden0,6
Mehr als 7 Stunden1,0

Förderung der Kinder von 0 bis unter 3 Jahren in Einrichtungen und in Tagespflege (§ 29 c FAG)

Tägliche BetreuungszeitGewichtungsfaktor
 EinrichtungenTagespflege
Bis zu 5 Stunden0,40,3
Mehr als 5 bis unter 7 Stunden0,60,5
Mehr als 7 Stunden1,00,7

Bei den von Tageseltern betreuten Kindern kommt zu der täglichen Betreuungszeit die Anzahl der betreuten Wochentage hinzu.

2009 betrug das Fördervolumen nach den §§ 29 b und 29 c FAG in der Summe rund 459 Mill. Euro; 13 Mill. Euro davon sind eine Beteiligung des Bundes. Der Bundesanteil soll bis 2013 kontinuierlich auf 90 Mill. Euro ansteigen und ab 2014 jährlich gleichbleibend 99 Mill. Euro betragen. Die regionale Verteilung dieser Mittel im Jahr 2009 ist aus der Tabelle ersichtlich.

Kindertagespflege durch Tageseltern(-mütter)

Zur Erfüllung der Rechtsansprüche von Eltern der bis zu 3-jährigen Kinder auf einen Betreuungsplatz ist in Baden-Württemberg besonders auch der Ausbau der Kindertagespflege erwünscht. Dazu wurde die Ausübung der Tagespflege für die Tagesmütter merklich attraktiver gestaltet. Die laufenden Geldleistungen an die Tageseltern wurden erhöht und werden jetzt durch die Landkreise als Jugendhilfeträger ausbezahlt. Bisher erfolgten die Geldleistungen überwiegend direkt durch die Eltern der betreuten Kinder. Nur wenn diese über kein ausreichendes Einkommen verfügten, wurde der Betrag im Rahmen der Jugendhilfe vom Landkreis übernommen. Weiterhin werden jetzt die nachgewiesenen Aufwendungen zur Kranken- und Pflegeversicherung hälftig erstattet; bisher war das nur bei den Beiträgen zur Alterssicherung und zur Unfallversicherung der Fall.

Für die Förderung der Kindertagespflege sind die Stadt- und Landkreise sowie die zu örtlichen Trägern der Jugendhilfe bestimmten kreisangehörigen Gemeinden zuständig. Die Zuweisungen für die in der Tagespflege betreuten Kinder erhalten deshalb die Stadt- und Landkreise, die die Zuweisungen an die kreisangehörigen Gemeinden weiterleiten, soweit diese Träger der örtlichen Jugendhilfe sind. Darüber hinaus wird bestimmt, dass jeder örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe einen Anteil von jeweils mindestens 15 % des ihm zugewiesenen Betrags für die Beratung und fachliche Begleitung der Tagespflegeeltern einzusetzen hat. Gedacht ist dabei besonders an die Verbesserung des Personalschlüssels.

Der Hauptteil der Mittel soll dagegen für eine Reduzierung der Elternbeiträge zur Verfügung stehen. Dies bedeutet, dass diese Form der Betreuung auch für die Eltern attraktiv werden wird, die sich bisher aus finanziellen Erwägungen nicht dafür entscheiden konnten. Für die Qualifizierung und Fortbildung der Tageseltern sind diese Mittel dagegen ausdrücklich nicht vorgesehen. Grundsätzlich ist noch anzumerken, dass die Träger der öffentlichen Jugendhilfe nur dann selbst die Organisation der Tagespflege sowie die Beratung und Betreuung wahrnehmen sollen, wenn diese Aufgaben nicht von freien Jugendhilfeträgern, wie zum Beispiel Tageselternvereinen, bereits wahrgenommen werden.