:: 3/2010

Sonderabfallwirtschaft 2008

Erneut mehr gefährliche Abfälle in Baden-Württemberg

Abfallarten, die für Mensch und Natur als gefährlich gelten, unterliegen speziellen Anforderungen. Die Entsorgung dieser Sonderabfälle muss durch entsprechende Nachweisführung, das sogenannte Begleitscheinverfahren, überwacht und dokumentiert werden. Das auf diese Weise registrierte Sonderabfallaufkommen hat in Baden-Württemberg erneut zugenommen und mit 1,74 Mill. Tonnen im Jahr 2008 einen neuen Höchststand erreicht. Damit setzte sich die seit 2005 zu beobachtende jährliche Zunahme des Sonderabfallaufkommens fort. Die aktuelle Steigerung um knapp 11 % im Vergleich zum Vorjahr ist in erster Linie auf das erhöhte Aufkommen an verunreinigten Böden sowie Bauschutt zurückzuführen. Die Menge der übrigen durch Produktion und Entsorgungsaktivitäten verursachten zahlreichen Abfallarten ging im Vergleich zum vorangegangenen Jahr um 0,5 % zurück, lag aber um 40 % über der 2002 registrierten Menge. Die Sonderabfallintensität der baden-württembergischen Wirtschaft hat im Vergleich zu 2005 zwar leicht abgenommen, liegt aber weiter auf hohem Niveau.

Stärkster Anstieg bei verunreinigten Böden und Bauschutt

In Baden-Württemberg sind erneut mehr Abfälle angefallen, die für Mensch und Natur als potenziell gefährlich gelten. Das Aufkommen dieser Sonderabfälle, an deren Entsorgung besondere Anforderungen geknüpft werden, summierte sich im Jahr 2008 auf über 1,8 Mill. Tonnen1 und lag damit um fast 10 % über der Vorjahresmenge. Ihr Anteil am jährlichen Gesamtabfallaufkommen im Land von 40,7 Mill. Tonnen stieg damit auf 4,4 %.

Die Abgrenzung der als gefährlich eingestuften Abfälle unterlag in der Vergangenheit mehreren Änderungen. Zuletzt wurde die Liste der besonders überwachungsbedürftigen Sonderabfälle im Jahr 2002 mit der Einführung des Europäischen Abfallverzeichnisses (EAV) neu gefasst und gegenüber den vorherigen Fassungen deutlich ausgeweitet. Dort sind 405 der insgesamt 839 Abfallarten als potenziell gefährlich deklariert. Es handelt sich dabei um spezielle, vorwiegend in Industrie, Gewerbe oder öffentlichen Einrichtungen anfallende Abfälle, die gesundheits-, Wasser, Boden, oder Luft gefährdend, explosiv oder brennbar sind oder Erreger übertragbarer Krankheiten enthalten oder hervorbringen können. Diese Sonderabfälle unterliegen in Deutschland im Grundsatz einer besonderen Überwachungspflicht. Ausgenommen von der Überwachungspflicht sind Abfallmengen, die ohne öffentlichen Transport, das heißt ohne den Erzeugerbetrieb zu verlassen, in betriebseigenen Anlagen entsorgt werden und generell Betriebe, die jährlich weniger als 2 Tonnen solcher Abfälle erzeugen.2 Diese Überwachung erfolgt über das sogenannte Begleitscheinverfahren. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die dort im Einzelnen registrierten Sonderabfallmengen.

Das im Begleitscheinverfahren registrierte Aufkommen an besonders überwachungsbedürftigen Abfällen im Land summierte sich im Jahr 2008 auf 1,74 Mill. Tonnen. Das ist gegenüber 2002 eine Steigerung um mehr als 17 %. Nachdem in den beiden folgenden Jahren zunächst weniger Sonderabfälle dokumentiert wurden, erreichte das Aufkommen im Jahr 2005 bereits einen neuen Höchststand, der seitdem Jahr für Jahr übertroffen wurde.

Der aktuelle Anstieg von annähernd 11 % im Vergleich zu 2007 ist vorrangig auf die Zunahme von verunreinigten Boden- und Bauschuttmengen zurückzuführen, die grundsätzlich als eigene Kategorie gesondert betrachtet werden. Deren Menge lag 2008 mit 720 000 Tonnen um fast 36 % über dem Vorjahreswert. Die übrigen Sonderabfälle, die sich aus einer Vielzahl sehr unterschiedlicher, durch Produktion und Entsorgungsaktivitäten verursachter, Abfallarten zusammensetzen, haben dagegen leicht abgenommen. Mit 1 026 000 Tonnen wurden 5 100 Tonnen oder 0,5 % weniger übrige Sonderabfälle registriert als im Vorjahr.

Sonderabfallintensität der Wirtschaft leicht rückläufig

Die durchschnittliche Sonderabfallintensität der Wirtschaft im Land, die sich als Quotient aus dem Aufkommen der übrigen Sonderabfälle und der Bruttowertschöpfung (BWS) im selben Zeitraum errechnet, ging im Jahr 2008 auf 3,14 Tonnen je Million Euro BWS zurück. 2002 lag die Sonderabfallintensität der baden-württembergischen Wirtschaft noch bei 2,6 Tonnen Sonderabfall je Million BWS. Im Jahr 2005 stieg sie auf 3,3 Tonnen und stagnierte in den 2 folgenden Jahren bei 3,2 Tonnen je Million BWS. Der leichte Rückgang der Sonderabfallintensität im Jahr 2008 gegenüber dem Jahr zuvor ergab sich rechnerisch aus der um knapp 2 % gestiegenen Bruttowertschöpfung und der gleichzeitigen Abnahme der Menge der übrigen Sonderabfälle.

Aufgrund der Revision der Wirtschaftszweigklassifikation (NACE Rev.2/WZ 2008) ist derzeit keine Betrachtung der Sonderabfallintensität nach Wirtschaftsbereichen im Zeitablauf möglich, da die Bruttowertschöpfung in der neuen Gliederung nach WZ 2008 erst zu einem späteren Zeitpunkt vorliegt.

Mehr produktionsbedingte Sonderabfälle

Infolge des Verbots der Rohmülldeponierung ab dem 1. Juni 2005 wurde die – insbesondere thermische – Behandlung von Siedlungsabfällen immer mehr ausgeweitet. Zudem wurde verstärkt auf die Fremdentsorgung von Deponiesickerwässern zurückgegriffen. Obwohl 2008 gegenüber dem Vorjahr ein leichter Rückgang um 2,6 % zu verzeichnen war, nahmen die besonders überwachungsbedürftigen Abfälle aus Abfallbehandlungsanlagen im längerfristigen Vergleich deutlich zu (um 10 % gegenüber 2005 und um gut drei Viertel im Vergleich zu 2002). Insbesondere die vermehrte Behandlung von Siedlungsabfällen in Müllverbrennungsanlagen verursachte ein höheres Aufkommen an Abfällen, vor allem besonders überwachungsbedürftige Filterstäube aus der Abgasbehandlung, andere feste und flüssige Abfälle sowie Rost- und Kesselaschen und Schlacken. Die Menge dieser Sonderabfälle hatte sich bereits 2005 im Vergleich zu 2002 mehr als verdoppelt und stieg seit 2005 erneut um knapp 30 %. Auch die Menge der fremd entsorgten Sickerwässer aus Deponien im Land hatte sich 2005 annähernd verdoppelt, ging aber seitdem wieder um gut ein Drittel zurück.

Die Menge der direkt bei der Produktion angefallenen Sonderabfälle stieg 2008 im Vergleich zu 2007 zwar relativ schwach um 2,6 % auf rund 651 000 Tonnen an, ihr Aufkommen nahm aber wiederum stärker zu als die Bruttowertschöpfung. Verglichen mit dem Jahr 2002 betrug der Zuwachs sogar mehr als ein Viertel. Die Zunahme der im engeren Sinne produktionsbedingten Sonderabfälle um 16 500 Tonnen gegenüber dem Vorjahr ist in erster Linie zurückzuführen auf den wiederholt deutlichen Anstieg der Emulsionen und Bearbeitungslösungen aus Prozessen der mechanischen Formgebung sowie der Oberflächenbearbeitung von Metallen und Kunststoffen. Hinzu kommen die erhöhten Mengen an Schlacken aus der thermischen Aluminium-Metallurgie. Die Menge an Emulsionen und Bearbeitungslösungen, die rund ein Fünftel des produktionsbedingten Sonderabfallaufkommens ausmacht, stieg seit 2002 kontinuierlich an – insgesamt um die Hälfte. Deutlich angewachsen sind auch die Mengen an Abfällen aus der Herstellung, Zubereitung, Verarbeitung und Anwendung von organischen Farbstoffen und Pigmenten sowie von Klebstoffen und Dichtmassen und aus der chemischen Oberflächenbearbeitung und Beschichtung. Bei allen anderen Sonderabfällen aus Produktionsprozessen sind entweder nur leicht steigende bzw. in der Mehrzahl rückläufige Mengenentwicklungen zu verzeichnen.

Eine weitere Kategorie der Sonderabfälle aus Produktion und Entsorgung stellen die durch ihren Gebrauch mit schädlichen Inhaltsstoffen verunreinigten Materialien und Geräte dar. Die Menge dieser Sonderabfälle ging 2008 gegenüber dem Vorjahr um 8,5 % auf 224 000 Tonnen zurück. Dabei handelt es sich hauptsächlich um verunreinigte Holz-, Kunststoff- und Glasabfälle sowie Elektro- und Elektronikgeräte, Leuchtstoffröhren, Batterien und Geräteteile.

Sonderabfallaufkommen nach Wirtschaftsbereichen

Die Betrachtung der Entwicklung des Sonderabfallaufkommens in den einzelnen Wirtschaftsbereichen wird erschwert durch die zum 1. Januar 2008 wirksame Revision der europäischen Wirtschaftszweigklassifikation NACE Rev.2 (WZ 2008). Mit der Einführung dieser neuen Klassifikation sind erhebliche strukturelle Änderungen gegenüber der bisher gültigen WZ 2003 verbunden. So wurden neue Aufgliederungen geschaffen bzw. stärker differenziert, um wichtige neue Wirtschaftszweige oder alte Wirtschaftszweige, deren Bedeutung zugenommen hat, besser zu berücksichtigen. Relevant für den Bereich der Sonderabfälle sind insbesondere die veränderte Struktur der Wirtschaftsabschnitte C (Verarbeitendes Gewerbe), D (Energieversorgung) und E (Wasserversorgung, Wasser- und Abfallentsorgung und Beseitigung von Umweltverschmutzungen). Daher beschränkt sich die Darstellung an dieser Stelle auf das aktuelle Jahr 2008.

Mit 40 % stammte 2008 der größte Teil des Sonderabfallaufkommens (413 500 Tonnen) aus dem Bereich des Verarbeitenden Gewerbes. Dabei sind die einzelnen Wirtschaftszweige im Bereich des Verarbeitenden Gewerbes in sehr unterschiedlichem Umfang an der Entstehung produktionsbedingter Sonderabfälle beteiligt. An erster Stelle stehen die Metallerzeugung und Bearbeitung, die Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen sowie die Herstellung von chemischen Erzeugnissen. Auch im Maschinenbau und bei der Herstellung von Metallerzeugnissen werden erhebliche Mengen an gefährlichen Abfällen erzeugt.

An zweiter Stelle stehen mit 36 % besonders überwachungsbedürftige Behandlungsrückstände aus der Wasserversorgung, der Abwasser- und Abfallentsorgung sowie der Beseitigung von Umweltverschmutzungen. Knapp 10 % des Sonderabfallaufkommens werden im Bereich der Energieversorgung infolge der verstärkten thermischen Behandlung von Abfällen erzeugt. Sonderabfallmengen, die über Sammelentsorgungsnachweise registriert sind, lassen sich den einzelnen Branchen nicht zuordnen und auch nicht regionalisieren und werden daher gesondert ausgewiesen. Die auf diese Weise entsorgten Sonderabfälle haben in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugenommen und machen inzwischen einen Anteil von annähernd 29 % aus.

Regionale Verteilung des Aufkommens an Sonderabfällen

Die regionale Verteilung der Entstehung der Sonderabfälle ist maßgeblich abhängig sowohl vom wirtschaftlichen Strukturanteil der Kreise als auch von der Konzentration einzelner Produktionszweige oder Entsorgungseinrichtungen, an die große Mengen bestimmter besonders überwachungsbedürftiger Abfälle geknüpft sind. Sie ist daher sehr uneinheitlich. Das Aufkommen an verunreinigten Böden und Bauabfällen ist stark an große Bau- und Sanierungsmaßnahmen gebunden – beispielsweise zur Beseitigung von Altlasten.

Ausgeprägte Schwerpunkte des Aufkommens sowohl an verunreinigten Böden und Bauabfällen als auch an übrigen Sonderabfällen liegen in den Verdichtungsgebieten Stuttgart und benachbarten Kreisen, Mannheim mit Rhein-Neckar-Kreis, im Ortenaukreis sowie in der Region Hochrhein-Bodensee. Ein geeigneter Maßstab zur Verdeutlichung regionaler Besonderheiten beim Sonderabfallaufkommen besteht in den Bezugsgrößen der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten oder der wirtschaftlichen Leistung, ausgedrückt durch die Bruttowertschöpfung. Bezogen auf beide Größen zeigen sich sehr deutlich die Abhängigkeit des Sonderabfallaufkommens von der regionalen Produktions- und Wirtschaftskraft sowie der Einfluss besonders aufkommensintensiver einzelner Produktionszweige und Einrichtungen wie zum Beispiel von Unternehmen der chemischen und Metall verarbeitenden Industrie am Oberrhein oder thermischer Abfallbehandlungsanlagen. So errechnen sich regional sehr unterschiedliche Sonderabfallintensitäten, deren Streubreite aber wesentlich geringer ausfällt als die der absoluten Aufkommensmengen.

Mehr Sonderabfälle werden außerhalb des Landes entsorgt

Die Entsorgungsstrukturen für Sonderabfälle, die stark überregional geprägt sind, blieben gegenüber den Vorjahren relativ stabil. Von den im Jahr 2008 landesweit insgesamt 1,8 Mill. Tonnen primär angefallenen (Abfälle vor einer Behandlung = erste Entsorgungsstufe) und zu entsorgenden Sonderabfällen gelangten 62 % in Anlagen mit Standort in Baden-Württemberg. Die übrigen 38 % wurden direkt an Entsorgungsanlagen außerhalb des Landes – in anderen Bundesländern oder im Ausland – abgegeben.

In den verschiedenen Sonderabfallkategorien bestehen teils große Abweichungen von dieser durchschnittlichen Aufteilung nach Entsorgungswegen. Die festen anorganischen Abfälle, verunreinigte Böden und Bauschutt sowie Altfahrzeuge, Elektrogeräte und deren Bestandteile (wie beispielsweise Batterien) wurden zu einem überdurchschnittlich großen Teil direkt außerhalb des Landes entsorgt. Dagegen werden organische Abfälle sowie Altöle zu 75 bis 83 % zunächst an Entsorgungsanlagen in Baden-Württemberg abgegeben.

Auf nachgeordneten Entsorgungsstufen – das heißt als Output der Entsorgungsanlagen im Land – entstanden 2008 rund 667 000 Tonnen sogenannte sekundäre Sonderabfälle. Das waren knapp 5 % mehr als im Vorjahr. Von diesen sekundären Sonderabfällen, die zu mehr als drei Viertel aus organischen Abfällen bestanden, wurde mehr als die Hälfte (56 %) im Land, die übrige Menge (44 %) außerhalb des Landes entsorgt.

1 Einschließlich Sonderabfälle, die ohne Begleitschein in betriebseigenen Anlagen entsorgt wurden.

2 Die Beseitigung dieser Mengen erfolgt meist durch sogenannte Sammelentsorger über Sammelentsorgungsnachweise.