:: 6/2010

Aktuelle Entwicklungen in der Kinderbetreuung

In den letzten Jahren ist viel Dynamik in die Kinderbetreuung gekommen. Zum einen haben sich Bund und Länder das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2013 im Bundesdurchschnitt für 35 % der unter 3-Jährigen ein Betreuungsangebot zu schaffen. Zum anderen ist in Baden-Württemberg die Förderung der Betreuung in Kindertageseinrichtungen und bei Tagespflegepersonen über den kommunalen Finanzausgleich seit Beginn des Jahres 2009 neu geregelt worden. Die Verteilung der Mittel erfolgt nun nach der Zahl und Alter der im Vorjahr betreuten Kinder, gewichtet nach Betreuungszeiten. Darüber hinaus wird die Kindertagespflege vom Land zusätzlich durch Zuschüsse an die Jugendämter gefördert. Die Landesmittel bemessen sich zum einen nach der Anzahl der Tagespflegepersonen, die einen abgeschlossenen Qualifizierungskurs für Kindertagespflege aufweisen, zum anderen richten sie sich nach der Zahl der Kinder unter 3 Jahren in dem jeweiligen Stadt- und Landkreis. Bei der Förderung sowohl der Kindertageseinrichtungen als auch der Kindertagespflege wird also auf Daten der Statistiken zur Kindertagesbetreuung zurückgegriffen. Aktuelle Ergebnisse dieser Statistiken zeigen, dass die Zahl der betreuten Kinder unter 3 Jahren trotz gegenläufiger demografischer Entwicklung in den letzten Jahren laufend zugenommen hat. Die Betreuungsquoten weisen allerdings nach wie vor große regionale Unterschiede auf.

Neue Rahmenbedingungen für die Kinderbetreuung

Seit dem 1. Januar 1999 hat jedes Kind in Deutschland ab dem dritten Geburtstag einen unbeschränkt geltenden Rechtsanspruch auf Kindertagesbetreuung.1 In einem nächsten Schritt hat der Deutsche Bundestag im Jahr 2004 ein Gesetz zum bedarfsgerechten Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder beschlossen (TAG), mit dem nun auch die Betreuung von Kindern unter 3 Jahren eine stärkere Beachtung fand. Erheblich intensiviert wurde diese Entwicklung noch einmal durch die Einführung des Gesetzes zur Förderung von Kindern unter 3 Jahren in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege (KiföG), das ab dem Jahr 2013 einen Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Kindertageseinrichtung oder bei Kindertageseltern für alle Kinder ab Vollendung des ersten Lebensjahres vorsieht. Darüber hinaus sollen Kinder im ersten Lebensjahr einen Anspruch auf einen Platz in einer Einrichtung oder in Tagespflege haben, wenn dies für ihre Entwicklung geboten ist oder die Erziehungsberechtigten erwerbstätig sind. 2

Um dies umsetzen zu können, wurde das Ziel vorgegeben, bis zum Jahr 2013 bundesweit für 35 % der Kinder unter 3 Jahren ein Betreuungsangebot zu gewährleisten. Dabei sollen 30 % der neu zu schaffenden Betreuungsplätze für Kinder unter 3 Jahren bei einer Kindertagesmutter oder einem Tagesvater entstehen. Damit soll neben den Kindertageseinrichtungen der zweite Baustein der Kindertagesbetreuung, nämlich die Kindertagespflege, weiter gestärkt werden.

Durch das Investitionsprogramm des Bundes »Kinderbetreuungsfinanzierung« 2008 – 2013 wird der bedarfsgerechte Ausbau der Betreuungsangebote für Kinder unter 3 Jahren unter anderem in Kindertageseinrichtungen unterstützt. In Baden-Württemberg sind mit der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familien und Senioren zur Umsetzung des Investitionsprogramms des Bundes (VwV Investitionen Kleinkindbetreuung) die Fördergrundsätze festgelegt worden. Mit dem Gesetz zur Änderung des Kindertagesbetreuungsgesetzes und des Finanzausgleichsgesetzes wurde in Baden-Württemberg darüber hinaus die bisherige Landesförderung der Kleinkindbetreuung wesentlich erhöht und umgestellt. Seit 2009 leitet das Land Mittel für die Betriebskostenförderung in der Kleinkindbetreuung nach der Zahl der betreuten Kinder unter 3 Jahren in Kindertageseinrichtungen an die Gemeinden sowie in der Kindertagespflege an die Stadt- und Landkreise weiter. 3

Immer mehr Kindertageseinrichtungen für Kinder unter 14 Jahren

Die Zahl der Kindertageseinrichtungen hat sich seit dem Jahr 2006, in dem die Statistiken zur Kinderbetreuung nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz zum ersten Mal in der aktuellen Form durchgeführt wurden, stetig von 7 661 auf 8 004 (+ 4,5 %) erhöht. Dabei wurden mehr neue Einrichtungen von freien Trägern als von öffentlichen Trägern, also von Städten und Gemeinden, geschaffen. Im März 2009 hatten 58 % der Einrichtungen freie Träger, bei denen vor allem kirchliche Institutionen dominieren. Insgesamt standen in den Einrichtungen rund 436 000 genehmigte Plätze zur Verfügung. Da die vorhandenen Betreuungsmöglichkeiten nicht immer altersspezifisch, zeitlich und räumlich dem tatsächlichen Bedarf entsprechen, liegt die Zahl der betreuten Kinder allerdings immer unter der Zahl der genehmigten Plätze.

Rund 382 000 Kinder wurden in Baden-Württemberg im Jahr 2009 in Tageseinrichtungen betreut. Davon waren knapp 276 000 Kinder (72 %) im Alter von 3 bis unter 6 Jahren. Rund 70 000 Kinder (18 %) im Alter von 6 bis unter 14 Jahren besuchten eine Kindertageseinrichtung, hier häufig in Form eines Hortes oder einer altersgemischten Einrichtung. Außerdem wurden knapp 38 000 Kinder im Alter von unter 3 Jahren in Kindertageseinrichtungen betreut (10 %).

Viele betreute Kinder weisen einen Migrationshintergrund auf. Etwa jedes dritte Kind, das in einer Kindertageseinrichtung betreut wird, hatte zumindest einen Elternteil, der nicht in Deutschland geboren wurde. In der Familie jedes fünften dort betreuten Kindes wird zu Hause überwiegend nicht deutsch gesprochen.

Deutlicher Zuwachs in der Tagesbetreuung unter 3-Jähriger

Die Zahl der in Kindertageseinrichtungen betreuten Kinder im Alter von 3 bis unter 6 Jahren hat sich in den letzten Jahren kontinuierlich verringert (seit 2006 um 5 %). Dies spiegelt die demografische Entwicklung in diesem Zeitraum wider, denn die Zahl der 3- bis unter 6-Jährigen insgesamt ist in Baden-Württemberg sogar um knapp 7 % gesunken4. Bei den 6- bis unter 14-Jährigen ist die Zahl der Kinder in Tageseinrichtungen seit 2006 sogar um 9 % gesunken. Dies ist aber nur teilweise demografisch begründet, denn in dieser Altersgruppe ging die Bevölkerungszahl im vergleichbaren Zeitraum nur um 5 % zurück. Der stärkere Rückgang bei der Zahl der betreuten Kinder dieser Altersgruppe ist auch auf den Ausbau der Ganztagesschulen zurückzuführen. Dadurch ist bei einer steigenden Zahl an Kindern die Betreuung in Schülerhorten nicht mehr notwendig. Außerdem ist in Baden-Württemberg der Stichtag für die Einschulung in den Jahren 2005 bis 2007 schrittweise vom 30. Juni auf den 30. September verlegt worden, so dass die Kinder tendenziell etwas früher in die Schule gehen.

Dieser Rückgang bei der Betreuung der älteren Kinder hat zusammen mit der gestiegenen Zahl der Kindertageseinrichtungen erhebliche Kapazitäten für die Kleinkindbetreuung geschaffen. Wurden 2006 lediglich rund 21 000 Kinder unter 3 Jahren in Tageseinrichtungen betreut, so wurde das Betreuungsangebot der Tageseinrichtungen 2009 für knapp 38 000 Kinder unter 3 Jahren in Anspruch genommen (+ 77 %). Dieser Zuwachs ist umso bemerkenswerter als in Baden-Württemberg die Zahl der unter 3-Jährigen insgesamt im vergleichbaren Zeitraum um 4 % gesunken ist.

Auch bei den Betreuungszeiten zeichnet sich in den letzten Jahren ein Wandel ab. Immer mehr Einrichtungen reagieren auf die sich ändernden Bedürfnisse der Eltern. Die sogenannten Regelplätze, die vormittags und nachmittags geöffnet, aber über Mittag geschlossen sind, nehmen ab. Inzwischen werden für fast die Hälfte der Kinder Betreuungsangebote mit verlängerten Öffnungszeiten zwischen 5 und 7 Stunden in Anspruch genommen. Auch der Anteil der ganztags betreuten Kinder hat sich seit 2006 von 8 % auf 13 % im Jahr 2009 merklich erhöht.

Landesweit waren im März 2009 rund 59 800 Personen in Kindertageseinrichtungen beschäftigt. Davon waren rund 51 000 im pädagogischen und 1 200 im Verwaltungsbereich tätig sowie 7 600 für hauswirtschaftliche und technische Aufgaben zuständig. Mehr als die Hälfte der Beschäftigten ist in Teilzeit tätig. Der Frauenanteil liegt mit 95 % nach wie vor sehr hoch.

Rund 15 400 Kinder in Baden-Württemberg werden durch Tagesmütter oder -väter betreut

Der zweite Baustein der Kinderbetreuung ist die öffentlich geförderte Kindertagespflege. Am 1. März 2009 wurden in Baden-Württemberg rund 15 400 Kinder von Tagesmüttern oder -vätern betreut. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet das eine Erhöhung um fast 7 %. Dabei bildet die Betreuung von Kleinkindern einen Schwerpunkt der Kindertagespflege und ist für die Eltern eine wichtige Alternative zu den Kindertageseinrichtungen. Rund 6 900 Kinder (45 %) waren dabei jünger als 3 Jahre. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutete dies einen Zuwachs bei den unter 3-Jährigen von 10 %. Neben den Kleinkindern wurden in der öffentlich geförderten Kindertagespflege knapp 3 700 3- bis unter 6-Jährige sowie rund 4 800 Kinder zwischen 6 und 14 Jahren betreut.

Für 4 540 Kinder (rund 30 %) wurde die Betreuung an insgesamt 5 Wochentagen in Anspruch genommen. Bei knapp einem Viertel der Kinder erfolgte die Betreuung an 2 Wochentagen und bei etwa einem Fünftel der Kinder an 3 Wochentagen. Die Betreuungszeit pro Tag lag für 9 200 Kinder (60 %) unter 5 Stunden. Eine Ganztagsbetreuung über 7 Stunden gab es bei 2 400 Kindern und betraf vor allem Kleinkinder, offensichtlich als Ersatz für eine Betreuung in einer Kindertageseinrichtung wie zum Beispiel Krippe oder Kindergarten.

Betreut wurden die Kinder von rund 6 500 Tagesmüttern und knapp 100 Tagesvätern. Fast alle Tagespflegepersonen (91 %) hatten einen Qualifizierungskurs für Kindertagespflege erfolgreich absolviert. Knapp ein Drittel der Tagespflegepersonen wies einen fachpädagogischen Berufsausbildungsabschluss auf, die meisten davon als Erzieher/-in. Bei allen Betreuungsverhältnissen fand zumindest eine Vermittlung oder Beratung von Seiten der Jugendämter oder Tageselternvereine statt. Rein private Betreuungsarrangements werden von der Statistik nicht erfasst. Zu etwa einem Drittel wurden die Betreuungsverhältnisse mit einer Geldleistung durch das Jugendamt, den Kreis oder die Gemeinde gefördert.

Kinderbetreuungsquoten in Baden-Württemberg

Bezieht man die Zahl der Kinder, die in Kindertageseinrichtungen oder Kindertagespflege betreut werden, rechnerisch auf die Gesamtzahl der Kinder in der Bevölkerung, erhält man die sogenannte Kinderbetreuungsquote. Um Doppelzählungen zu vermeiden, werden dabei Kinder in der Kindertagespflege, die zusätzlich eine Kindertageseinrichtung besuchen, nur einmal gezählt.

Die Betreuungssituation der 3- bis unter 6-Jährigen hat sich ausgehend von einem bereits hohen Niveau noch etwas verbessert. Die Betreuungsquote für diese Altersgruppe lag im März 2009 mit 95 % geringfügig höher als in den Vorjahren. Die Betreuungsquote der 6- bis unter 11-Jährigen, die hauptsächlich ergänzend zum Schulbesuch betreut werden, betrug 2009 rund 13 % und hat sich in den letzten Jahren kaum verändert. Dagegen stieg der Anteil der betreuten Kinder unter 3 Jahren an der Gesamtzahl der Kinder dieser Altersgruppe kontinuierlich an und erreichte 15,8 % im Jahr 2009. Damit lag er fast doppelt so hoch wie im Jahr 2006 mit 8,8 %.

Während bei den Kindern im klassischen Kindergartenalter von 3 bis unter 6 Jahren am 1. März 2009 in allen Kreisen Baden-Württembergs ähnliche Betreuungsquoten zwischen 91,3 (Sigmaringen) und 98,4 % (Heidelberg) zu verzeichnen waren, zeigen die Betreuungsquoten in den einzelnen Stadt- und Landkreisen bei der Altersgruppe der unter 3-Jährigen deutliche regionale Unterschiede. Bei den Landkreisen reichte die Bandbreite der Betreuungsquote von 8,6 % (Landkreis Waldshut) bis 22,9 % (Landkreis Tübingen). Erwartungsgemäß liegt sie in den Stadtkreisen tendenziell höher. Besonders ist der Stadtkreis Heidelberg zu erwähnen, der als einziger Kreis in Baden-Württemberg und darüber hinaus im gesamten westlichen Bundesgebiet mit 35,8 % die eingangs erwähnte politische Zielvorgabe von 35 % schon jetzt erfüllt.

Nach wie vor gibt es in Deutschland große Unterschiede bei der Kleinkindbetreuung zwischen Ost und West. Die Betreuungsquote in Baden-Württemberg lag mit 15,8 % zwar unter der Betreuungsquote im Bundesdurchschnitt (20,2 %), aber über dem Durchschnitt der westlichen Bundesländer (ohne Berlin) von 14,4 %. In den neuen Bundesländern (ohne Berlin) war die Betreuungsquote der unter 3-Jährigen mit 45,9 % mehr als 3-mal so hoch wie in den alten Bundesländern. Alle ostdeutschen Bundesländer wiesen dabei überdurchschnittlich hohe Betreuungsquoten von über 40 % auf. In Sachsen-Anhalt betrug sie sogar 55 %. Dagegen lagen die Quoten der Länder des früheren Bundesgebietes deutlich niedriger. Die höchsten Werte im früheren Bundesgebiet wurden vom Stadtstaat Hamburg (22,2 %) und von Rheinland-Pfalz (17,5 %) erreicht.

1 Zum 1. Januar 1996 wurde ein Rechtsanspruch auf Kindertagesbetreuung für Kinder ab dem vollendeten dritten Lebensjahr geschaffen, der allerdings bis zum 31. Dezember 1998 aufgrund von Schwierigkeiten, ein ausreichendes Angebot an Betreuungsplätzen zur Verfügung zu stellen, in einer modifizierten Stichtagsregelung zur Anwendung kam.

2 Dies gilt auch für Eltern, die eine Erwerbstätigkeit aufnehmen oder Arbeit suchen, sich in Ausbildung (berufliche Bildungsmaßnahme, aber auch Schule oder Studium) befinden oder Leistungen zur Eingliederung in Arbeit erhalten.

3 Vgl. auch Burger, Franz/Wiedmann, Karl-Georg: »Förderung der Kinderbetreuung im kommunalen Finanzausgleich Baden-Württemberg«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 2/2010«

4 Betrachtet wurde die Entwicklung der Bevölkerung vom 31. Dezember 2005 bis zum 31. Dezember 2008.