:: 6/2010

Externer Schock: Der Außenhandel Baden-Württembergs 2008 und 2009

Fluch und Segen einer starken Außenhandelsverflechtung liegen eng beieinander: Eine wachsende Weltwirtschaft begünstigt diejenigen, die am meisten in die internationale Arbeitsteilung eingebunden sind, globale Krisen jedoch treffen exportstarke Länder mit größerer Wucht als andere. Baden-Württemberg ist ein Paradebeispiel dafür. Der Umschwung kann in beide Richtungen schnell erfolgen. Hierzulande haben sich die Vorzeichen bereits im 2. Halbjahr 2009 wieder gedreht – in Richtung exportgetriebenen Wachstums.

Der massive Einbruch der internationalen Nachfrage in Folge der globalen Wirtschaftskrise hat das stark exportorientierte Baden-Württemberg in historisch beispiellosem Maß getroffen. Die Warenausfuhren hatten 2007 und 2008 noch bei jeweils knapp 150 Mrd. Euro gelegen. Das 2009 realisierte Exportvolumen von 125 Mrd. Euro1 lag 16,3 % darunter und damit in etwa auf dem im Jahr 2005 erzielten Niveau. Importiert wurden 14,6 % weniger Waren als 2008.

Dieser Einbruch ist seit der Erfassung der Außenhandelsdaten in der Bundesrepublik 1950 beispiellos. Die baden-württembergischen Ausfuhren hatten mit zunehmender internationaler Arbeitsteilung ein in den letzten Jahrzehnten fast ungebrochen starkes Wachstum und bei Rezessionen allenfalls moderate Rückgänge vorzuweisen (am stärksten 1993 um 4,5 %, zuletzt 2002 um 1,8 %). In den 10 Jahren zwischen 1997 und 2007 stiegen die nominalen Exportwerte auf fast das Doppelte an (+ 93 %) und damit im jährlichen Mittel um 6,8 %. Insbesondere seit Mitte der 2000er-Jahre verzeichneten die Ausfuhren eines der exportstärksten Bundesländer2 Zuwachsraten im hohen einstelligen und sogar zweistelligen Bereich (2005: + 8,6 %, 2006: + 14,9 % 2007: + 5,8 %, jeweils gegenüber dem Vorjahr) (i-Punkt Seite 4). Der Boom fand ein Ende mit der Eskalation der Finanzkrise im 4. Quartal 2008 und ihrem Übergriff auf die Realwirtschaft. Immerhin wurde für das gesamte Jahr 2008 – trotz eines gegenüber dem Vorjahresquartal um 11,7 % niedrigeren Ergebnisses im 4. Quartal – nochmals in etwa das Rekordexportniveau von 2007 erzielt.

2009 wurde die hiesige Exportwirtschaft am schlimmsten im 1. Halbjahr gebeutelt. Um 23,2 % lagen die Ausfuhren von Januar bis Juni 2009 unter denen des entsprechenden Vorjahreszeitraums. Das 2. Halbjahr sah einen Rückgang der negativen Veränderungsraten im Vorjahresquartalsvergleich und einen Umschwung hin zu wieder positiven Wachstumsraten im Vorquartalsvergleich. Im 4. Quartal 2009 wurde bereits wieder 10,3 % mehr ausgeführt als im 3. Quartal, aber immer noch 1,5 % weniger als im (bereits selbst stark krisengezeichneten) Vorjahresquartal.

Exportgetriebener Ab- und Aufschwung

Der Außenhandel Baden-Württembergs wurde zu Beginn der Krise in etwa gleich stark getroffen wie der deutsche Außenhandel insgesamt – im 1. Halbjahr 2009 lagen die Exporte bundes-weit 22,6 % unter denen des entsprechenden Vorjahreszeitraums. Die höhere Exportorientierung in Baden-Württemberg hat hierzulande allerdings einen größeren Einbruch der Wirtschaftsleistung insgesamt nach sich gezogen. So musste für das 1. Halbjahr 2009 ein Einbruch des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 10,1 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum vermeldet werden.3 Damit bildete Baden-Württemberg (zusammen mit dem ebenfalls stark exportorientierten Saarland) das innerdeutsche Schlusslicht, während Deutschland insgesamt einen Rückgang des BIP um »nur« 6,8 % zu verzeichnen hatte.

Zum Jahresende 2009 zeichnet sich ab, dass sich die Distanz zwischen stärker und weniger stark exportorientierten Bundesländern bereits wieder zu verringern beginnt. Für 2009 verzeichnet Baden-Württemberg ein gegenüber 2008 um 7,4 % geschrumpftes BIP, während bundesweit ein Einbruch um 5,0 % ermittelt wurde. Dem baden-württembergischen Exportrückgang für das gesamte Jahr 2009 gegenüber 2008 um 16,3 % steht ein bundesweit noch größerer Einbruch um 18,4 % gegenüber.4 Der Südwesten verdankt sein relatives Aufholen wiederum seiner Exportorientierung, denn die Nachfrage aus dem Ausland hat sich früher erholt als vielerorts befürchtet. Aufstrebende Schwellenländer haben die Krise besser verkraftet als viele Industrieländer. Letztere haben der Rezession eine entschlossene Konjunkturpolitik entgegengesetzt und meist bereits wieder einen – wenn auch bisweilen zögerlichen – Wachstumspfad eingeschlagen. In diesem Umfeld ist Baden-Württemberg dank seiner Spezialisierung auf technologie- und forschungsintensive Exportgüter und seiner im Verhältnis geringeren Abhängigkeit von inländischer Kaufkraft so positioniert, dass es sich von dem über-durchschnittlichen Schock auch überdurchschnittlich schnell wieder erholen kann.

Kfz-Industrie und Maschinenbau am schlimmsten betroffen …

92 % aller Güter, die baden-württembergische Unternehmen ausführen, sind Güter der gewerblichen Wirtschaft. Von diesen wurden im 1. Halbjahr 2009 nur noch knapp drei Viertel der Werte des Vorjahreszeitraums (– 27,0 %), im ganzen Jahr 2009 vier Fünftel (– 19,8 %) ausgeführt. Bei einzelnen Produktgruppen fielen die Einbußen allerdings noch weit drastischer aus.

So wurden im 1. Quartal 2009 nur noch gut halb so viele Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeugteile ausgeführt wie im Vorjahreszeitraum (– 47,2 %). Im gesamten Jahr 2009 lag der Export von Kraftfahrzeugen und Kfz-Teilen um 28,3 % niedriger als im Vorjahr. Ihr Anteil an den Gesamtausfuhren ist in diesem Zeitraum von 22,4 % auf 19,2 % gesunken. Der wertmäßig größte Anteil an baden-württembergischen Exporten entfällt mit 22,1 % allerdings auf Maschinen. Von ihnen wurden 23,4 % weniger exportiert als 2008.

… aber Pharma holt auf

Eine gegenteilige Entwicklung hat der Export von pharmazeutischen Erzeugnissen zu verzeichnen5: 5,7 % mehr als im Vorjahr wurden hiervon ausgeführt – ein Plus, das sich im Mehrjahresvergleich allerdings bescheiden ausnimmt, sind die baden-württembergischen Pharma-Ausfuhren seit 2004 doch um durchschnittlich etwa 17 % pro Jahr gewachsen.6 Dennoch bescherte diese Entwicklung den pharmazeutischen Erzeugnissen einen Sprung nach vorn auf der baden-württembergischen Ausfuhrliste. Belegten sie hier 2008 mit 6,8 % der Gesamtexporte noch Rang 5, so sind sie im abgelaufenen Jahr mit 8,6 % zum drittgrößten Ausfuhrposten aufgestiegen. Es sind die Rubriken »Elektrische Ausrüstungen« und »Datenverarbeitungsgeräte, elektronische und optische Erzeugnisse«, die dadurch auf die Ränge 4 und 5 (mit 6,8 % bzw. 6,7 % Ausfuhranteilen) verwiesen wurden.

Der Außenhandel mit einigen nahen und fernen Handelspartnern hat der Krise getrotzt

Der weitaus größte Teil baden-württembergischer Exportgüter, nämlich 70,6 %, wird nach wie vor innerhalb Europas ausgeliefert. Von allen Exporten gehen wiederum 57,0 % an EU-27-Länder bzw. 40,5 % an Länder der Eurozone. 9,0 % vom Gesamtexport gehen an unseren weltweit wichtigsten Handelspartner Frankreich, an zweiter Stelle folgen die USA mit 8,1 %. Während die Ausfuhren in die meisten Länder rückläufig waren, haben 3 Handelspartner entgegen dem Trend im abgelaufenen Jahr wertmäßig mehr aus dem »Ländle« bezogen. Das sind zum einen die Schweiz (+ 1,6 %), die damit die Niederlande und Italien hinter sich gelassen hat und nun mit 7,8 % der baden-württembergischen Gesamtexporte Rang 3 unserer Abnehmerländer belegt, und Österreich (+ 2,8 %), mit einem Anteil von 6,8 % auf Rang 5 zu finden. Zum anderen ist das aber auch China, wohin Waren im Wert von knapp 6,5 Mrd. Euro (5,2 % der Gesamtausfuhr) geliefert wurden, was einem Zuwachs gegenüber 2008 um 4,7 % entspricht.

China auf dem Vormarsch

Das Reich der Mitte, das im letzten Jahr Deutschland den Titel des Exportweltmeisters abgelaufen hat, ist inzwischen die achtgrößte Destination baden-württembergischer Ausfuhren. Auch hier ist vor allem baden-württembergische Maschinen- und Kraftfahrzeugtechnologie gefragt. Zu gut zwei Fünfteln (41,5 %) gehörten die Exporte nach China im vergangenen Jahr zur Rubrik »Maschinen«, zu knapp einem Drittel (29,6 %) waren es »Kraftwagen und Kraftwagenteile«.

Bei den Importen aus China rangierten »Datenverarbeitungsgeräte, elektronische und optische Erzeugnisse« ganz vorn. Diese wurden im Wert von 2,2 Mrd. Euro eingeführt, das entspricht 37,1 % der chinesischen Gesamtimporte ins Land. An zweiter Stelle, mit 13,4 % der Einfuhren, folgten Maschinen. Beide Posten haben in der Krise weniger eingebüßt als die Chinaimporte nach Baden-Württemberg insgesamt (letztere sind um 10,6 % zurückgegangen, also weniger als die Gesamteinfuhren Baden-Württembergs). Auch dies ist Indiz dafür, dass der strukturelle Wandel Chinas weg von der Rolle des Exporteurs niedrigpreisiger arbeitsintensiver Güter hin zum Lieferanten hochwertiger und technologieintensiver Produkte durch die Krise allenfalls verzögert worden ist. Baden-Württemberg spielt auch hier eine wichtige Rolle als Partner der aufstrebenden ostasiatischen Wirtschaftsmacht.7

1 Vorläufige Werte; die endgültigen Außenhandelsergebnisse werden im Oktober 2010 vorliegen.

2 Gemessen an der Exportquote, also dem Anteil der Exporte am nominalen Bruttoinlandsprodukt, liegt Baden-Württemberg unter den großen Flächenländern vorn: mit 36,4 % wies es auch 2009 eine sowohl über der bundesweiten (33,6 %) als auch über der Exportquote anderer großer Bundesländer liegende Quote auf. Das gegenüber den Vorjahren deutlich niedrigere Niveau dieser Exportquoten – sie lagen 2008 noch in der Nähe der 40-%-Marke (B.-W.: 40,9 %, BRD: 39,4 %) – spiegelt den Einbruch im Außenhandel auf breiter Front und die entsprechend relativ höhere Bedeutung der Binnenwirtschaft wider.

3 Vgl. Pressemitteilung Nr. 316/2009: Südwestwirtschaft von der Finanz- und Wirtschaftskrise stark betroffen vom 24. September 2009.

4 Siehe Pressemitteilung Destatis Nr. 045: Ausfuhr im Jahr 2009 insgesamt um 18,4% niedriger als 2008 , 9. Februar 2010.

5 Gemäß Güterverzeichnis für Produktionsstatistiken (GP) 2009. Dieses beinhaltet erstmals auf 2-Steller-Ebene die Position »Pharmazeutische u.ä. Erzeugnisse«, die bisher Teil der Rubrik »Chemische Erzeugnisse« war.

6 Baden-Württemberg ist hier Nettoimporteur: Obwohl bundesweit führender Pharmastandort, standen hier 2009 den Exporten von ca. 10,8 Mrd. Euro Importe im Wert von 18,2 Mrd. Euro gegenüber. Damit bildeten Pharmaimporte den größten Importposten des Landes (16,7 % der Einfuhren) – noch vor den Erdöl- und Erdgasimporten, die mit 4,2 Mrd. Euro nur noch 3,9 % der Importe ausmachten (2008 waren es noch 8,4 Mrd. Euro und 6,6 % gewesen).

7 Nicht zuletzt zeigen dies jüngste Kooperationen baden-württembergischer Unternehmen des Maschinen- und Kraftfahrzeugbaus mit chinesischen Komponentenherstellern, mit denen sich letztere (staatlich gefördert) zunehmend auf dem Hochtechnologiesektor positionieren.