:: 8/2010

Zwei Jahrzehnte Deutsche Einheit

Eine Betrachtung aus Sicht der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen der Länder

Mit der Öffnung der Berliner Mauer am 9. November 1989, die schließlich am 3. Oktober 1990 zur Deutschen Einheit führte, wurden zwei gänzlich verschiedene Wirtschaftssysteme zusammengeführt – die nahezu vollständig abgeschottete DDR-Wirtschaft und der marktorientierte Westen. Die zu beobachtenden Verschiedenheiten der Wirtschaftsstruktur im früheren Bundesgebiet und in den neuen Ländern waren dabei geprägt von den historischen, systembedingten Gegebenheiten, aber auch beeinflusst durch regional vorherrschende Standortfaktoren wie beispielsweise Infrastruktur, Fachkräfteangebot und Marktlage. Trotz der fortschreitenden Angleichung der sozioökonomischen und gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen bestehen auch 2 Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung zwischen den alten und neuen Bundesländern zum Teil noch deutliche wirtschaftsstrukturelle Unterschiede.

Wirtschaft im Wandel – Bruttowertschöpfung (BWS) und Bruttoinlandsprodukt (BIP) Messgrößen für Struktur und Wachstum

Wie hat sich die Wirtschaft innerhalb Deutschlands nach dem Mauerfall mit der Öffnung der Märkte und der neuen Mobilität der Arbeitnehmer entwickelt? Wie stark haben sich die nach der Wiedervereinigung zu beobachtenden deutlichen wirtschaftsstrukturellen Unterschiede zwischen Ost und West in den vergangenen 2 Jahrzehnten Deutscher Einheit angeglichen? Welche Länder bzw. Regionen bilden in Deutschland die Wachstumszentren? Brachten dabei eher die Dienstleistungsbereiche (zum Beispiel Handel, Gastgewerbe, Verkehr und Nachrichtenübermittlung sowie das Kredit- und Versicherungsgewerbe) den Entwicklungsprozess voran oder waren eher das Baugewerbe und die Industrie die treibenden Kräfte?

Ablesen lässt sich die Struktur der Wirtschaft und deren Wandel im zeitlichen Verlauf an der Entwicklung der nominalen Bruttowertschöpfung (BWS) der einzelnen Wirtschaftsbereiche (siehe i-Punkt). Die BWS umfasst grundsätzlich alle im Produktionsprozess entgeltlich erzeugten Waren und erbrachten Dienstleistungen und beschreibt dadurch den Beitrag der Wirtschaftsbereiche zum Bruttoinlandsprodukt (BIP), der gesamten Wirtschaftsleistung einer Region. Regionalergebnisse der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) publiziert der Arbeitskreis VGR der Länder – ein gemeinsames Forum aller Statistischen Landesämter. Das BIP ist dabei der wichtigste ökonomische Indikator für die regionale wirtschaftliche Entwicklung bzw. das regionale Wirtschaftswachstum.

3 Bundesländer stellen gut die Hälfte des gesamtdeutschen BIP

Unter den 16 deutschen Bundesländern wiesen die nach der Zahl der Einwohner größten Länder Nordrhein-Westfalen (17,9 Mill. Einwohner), Bayern (12,5 Mill.) und Baden-Württemberg (10,7 Mill.) im Jahr 2009 die höchste Wirtschaftsleistung auf. Der Wert der in diesen 3 Ländern insgesamt erstellten Waren und Dienstleistungen, gemessen am Bruttoinlandsprodukt in jeweiligen Preisen, belief sich in 2009 auf knapp 1 300 Mrd. Euro. Das ist mehr als die Hälfte (54 %) des gesamtdeutschen BIP von insgesamt 2 407 Mrd. Euro. Ein Größenvergleich: Die Wirtschaftsleistung allein des wirtschaftsstärksten Bundeslandes Nordrhein-Westfalen entsprach 2009 mit einem BIP in jeweiligen Preisen von knapp 522 Mrd. Euro gut einem Fünftel des Bundeswertes oder annähernd dem doppelten Wert der Wirtschaftsleistung in Höhe von rund 282 Mrd. Euro aller neuen Länder (ohne Berlin)1 zusammen (Tabelle 1).

Insbesondere bei langfristigen Wirtschaftsbetrachtungen bietet sich als Vergleichsgröße anstatt des nominalen eher das frei von Preiseinflüssen berechnete, sogenannte preisbereinigte BIP an, um die tatsächliche mengenmäßige Wirtschaftsentwicklung bewerten zu können. 2009 lag die Wirtschaftsleistung in Deutschland insgesamt preisbereinigt um knapp ein Viertel höher als 1991. Vor allem in den neuen Ländern zeichnete sich dabei innerhalb der letzen 2 Jahrzehnte ein kräftiger Aufholprozess ab. Mit einem Anstieg des preisbereinigten BIP von 1991 bis 2009 um über 77 % erzielten sie ein deutlich höheres Wachstum als die alten Länder (18 %).

Den stärksten Zuwachs ihrer Wirtschaftsleistung ereichten die neuen Länder – auch wegen des deutlich niedrigeren Ausgangsniveaus – in den ersten 10 Jahren nach der Wiedervereinigung. Bereits bis zum Jahr 2000 war ihr preisbereinigtes BIP im Durchschnitt um gut 64 % angestiegen. Gemessen in jeweiligen Preisen war die Wirtschaftsleistung der neuen Länder im Jahr 2009 mit gut 282 Mrd. Euro mehr als zweieinhalbmal so hoch als in 1991 (107 Mrd. Euro). Der Beitrag der neuen Länder zum gesamtdeutschen BIP erhöhte sich in diesem Zeitraum somit von rund 7 % auf annähernd 12 %. Ein aussagefähigerer Vergleich der wirtschaftlichen Entwicklung und der Wirtschaftskraft der Regionen wird ermöglicht durch Berechnungen auf Pro-Kopf-Basis, das heißt wenn man die Absolutwerte des regionalen BIP auf die jeweilige Bevölkerungszahl beziehungsweise auf die Zahl der Erwerbstätigen der Region bezieht.

Bevölkerung – anhaltende Abwanderung aus den neuen Ländern

Innerhalb der letzten 2 Jahrzehnte seit der Einheit ergab sich bei den Bevölkerungszahlen in den alten Ländern (einschließlich Berlin) und den neuen Ländern eine konträre Entwicklung. Die mit dem Fall der Mauer 1989 neu gewonnene Freiheit der Ostdeutschen führte zu einer bis heute anhaltenden Abwanderung der Bevölkerung in das westliche Bundesgebiet. Bevorzugte Ziele sind unter anderem Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen und Hessen vorwiegend wegen ihres attraktiven Arbeitsmarktes. Im Zeitraum von 1991 bis 2009 mussten die neuen Länder einen Bevölkerungsrückgang von annähernd 1,7 Mill. Personen oder gut 11 % hinnehmen. Ihr Bevölkerungsstand ging von gut 14,6 Mill. auf etwas unter 13 Mill. zurück. Die höchsten Verluste seit 1991 ergaben sich mit fast – 17 % in Sachsen-Anhalt sowie mit jeweils rund – 13 % in Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen. Demgegenüber konnten die alten Länder seit der Wiedervereinigung einen Bevölkerungszuwachs um über 3,5 Mill. Personen oder gut 5 % auf rund 68,9 Mill. im Jahr 2009 verzeichnen.

Die seit der Einheit zu beobachtende gegenläufige Entwicklung bei der Wirtschaftsleistung und der Bevölkerungszahl in den neuen Ländern – der stete Anstieg des Bruttoinlandsprodukts gegenüber der anhaltenden Abwanderung – spiegelt sich deutlich bei der Entwicklung der Wirtschaftskraft, des Verhältnisses von BIP je Einwohner wider.

Regionalgefälle der Wirtschaftskraft je Einwohner

Innerhalb Deutschlands besteht ein ausgeprägtes Regionalgefälle der Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung. Das auf die jeweilige Einwohnerzahl bezogene Bruttoinlandsprodukt 2009 in jeweiligen Preisen bewegt sich zwischen den Bundesländern im Vergleich zum gesamtdeutschen Durchschnitt in einer Spanne von rund 72 % in Mecklenburg-Vorpommern bis 164 % in Hamburg. Insbesondere zwischen neuen und alten Ländern bestehen nach wie vor unübersehbare Unterschiede hinsichtlich ihrer Wirtschaftskraft. Insgesamt 4 der 16 Bundesländer erzielten 2009 eine deutlich höhere Wirtschaftsleistung pro Kopf als der Durchschnitt Deutschlands. Bayern lag knapp 5 000 Euro (17 %) und Hessen gut 6 300 Euro (21,5 %) über dem Bundeswert. Das mit Abstand höchste Bruttoinlandsprodukt je Einwohner erreichten allerdings die Stadtstaaten Hamburg und Bremen. Bremen auf Platz 2 mit über 40 500 Euro pro Kopf, gut 11 100 Euro über dem deutschen Durchschnitt und an der Spitze Hamburg mit einer Wirtschaftsleistung von gut 48 200 Euro je Einwohner (am Wohnort), immerhin 18 800 Euro mehr als im Bundesdurchschnitt.

Zwar hat sich der Abstand der Ostländer, die 1991 lediglich rund ein Drittel des BIP pro Kopf der Westländer aufwiesen, zwischenzeitlich merklich verringert. Mit durchschnittlich knapp 21 800 Euro je Einwohner lagen die neuen Länder im Jahr 2009 jedoch noch rund 30 % unter dem Westniveau (30 800 Euro). Die höchste Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung unter den fünf neuen Ländern erreichte im Jahr 2009 Sachsen mit gut 22 200 Euro, knapp 76 % des gesamtdeutschen Durchschnitts (29 400 Euro). Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, ohne ausgeprägte Industriestandorte, befanden sich mit lediglich rund 21 300 Euro bzw. 21 400 Euro je Einwohner – immerhin bis zu 9 600 Euro Pro-Kopf weniger als der Durchschnitt der alten Bundesländer – am Ende der Rangliste (Tabelle 2).

Strukturelle Unterschiede gleichen sich an – Dienstleister im Plus

Den weitaus größten Beitrag zur Wirtschaftsleistung insgesamt stellen die Dienstleistungsbereiche. In den alten wie in den neuen Ländern erreichten die Dienstleister im Jahr 2009 mit insgesamt rund 1 561 Mrd. Euro einen Anteil von jeweils mehr als 72 % an der gesamten Wertschöpfung aller Wirtschaftsbereiche. Die Bedeutung des tertiären Sektors ist damit so groß wie nie zuvor in Deutschland. In 1991 waren es mit einem Anteil von rund 62 % noch gut 10 Prozentpunkte weniger.

Zwischen den einzelnen Bundesländern bestehen dabei deutliche Unterschiede. Insgesamt variierten die Dienstleistungsanteile an der BWS im Jahr 2009 in einer Spanne von über 80 % in den Stadtstaaten Berlin und Hamburg, die im Hinblick auf ihre überragende zentralörtliche Funktion traditionell einen bedeutenden Dienstleistungssektor aufweisen, bis lediglich rund 65 % in Baden-Württemberg, dem bundesweit industriestärksten Standort. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass besonders von technologieintensiven Industriebranchen, die in Baden-Württemberg stark vertreten sind, zum Teil zahlreiche Dienstleistungsfunktionen wie Forschung und Entwicklung selbst erbracht werden. Unter den Flächenländern sind Mecklenburg-Vorpommern, Hessen und Schleswig-Holstein am stärksten dienstleistungsorientiert. Jeweils knapp vier Fünftel ihrer gesamten Wirtschaftsleistung stammen aus den Dienstleistungsbereichen.

Vor allem der Bereich Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleister2 hatte im früheren Bundesgebiet eine wesentlich größere wirtschaftliche Bedeutung als im Osten. In den alten Ländern (einschließlich Berlin) stellten die Unternehmensdienstleister 1991 allein knapp ein Viertel der gesamten Wertschöpfung. In den neuen Ländern trug dieses Dienstleistungssegment im Durchschnitt der ersten 3 Jahre3 nach der Einheit dagegen nur gut ein Zehntel (13 %) zur BWS insgesamt bei.

Unternehmensdienstleister legen kräftig zu

Gerade die Unternehmensdienstleister konnten in den vergangenen Jahren besonders stark zulegen. In den alten Bundesländern stieg ihr Anteil im Jahr 2009 auf annähernd 32 % der gesamten Wirtschaftsleistung an. Die Unternehmensdienstleister stellen damit den mit Abstand größten Wirtschaftszweig und haben die Industrie von ihrer führenden Position Anfang der 90er-Jahre abgelöst.

In diesem Zusammenhang ist allerdings zu beachten, dass sich in 2009 aufgrund der Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise – mit dem starken Einbruch der Wertschöpfung vor allem im Verarbeitenden Gewerbe – der Dienstleistungsanteil an der Wirtschaftsleistung im Vergleich zum Vorjahr entsprechend erhöht hat. Insbesondere in industriebetonten Ländern wie Baden-Württemberg, Saarland und Rheinland-Pfalz sowie in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen stieg der BWS-Anteil des Dienstleistungsbereichs insgesamt 2009 sprunghaft um etwa 4 bis 6 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr an.

In den neuen Ländern konnten die Unternehmensdienstleister innerhalb der letzten 2 Jahrzehnte einen insgesamt noch höheren Zuwachs verbuchen. Seit 1991 hat sich ihr Anteil an der BWS mit einem Anstieg um knapp 15 Prozentpunkte auf annähernd 26 % bis 2009 mehr als verdoppelt. Nach den Öffentlichen und privaten Dienstleistern mit gut 29 % BWS-Anteil stellen die Unternehmensdienstleister 2009 damit den zweitstärksten Wirtschaftszweig in den neuen Ländern.

Baugewerbe verliert an Bedeutung

Entsprechend der Bedeutungszunahme der Dienstleistungsbereiche verringerten sich innerhalb der letzten Jahre die Wertschöpfungsanteile des primären und vor allem des sekundären Sektors.

Auf das Produzierende Gewerbe (ohne Baugewerbe) entfiel 2009 nur noch ein Anteil von rund 22 % an der gesamten Wirtschaftsleistung in Deutschland, während es im Jahr 1991 mit einem Anteil von knapp 31 % noch der bedeutendste Wirtschaftsbereich gewesen war. Der in 2009 überdurchschnittlich hohe Anteilsrückgang um mehr als 4 Prozentpunkte – 2008 betrug der Anteil des Produzierende Gewerbe (ohne Baugewerbe) noch annähernd 26 % – war vor allem dem krisenbedingten Einbruch im Verarbeitenden Gewerbe geschuldet. Hier ergab sich ein Minus der BWS in jeweiligen Preisen von über 19 % gegenüber dem Vorjahreswert.

Während jedoch in den neuen Ländern im Zeitraum 1991 bis 2009 vor allem die Bauwirtschaft beträchtlich nachgab, verzeichnete in den alten Bundesländern insbesondere das Verarbeitende Gewerbe einen merklichen Anteilsverlust. Obgleich die nach der Wende erheblich gestiegene Bedeutung des Baugewerbes in den Ostländern – Anfang der 90er-Jahre betrug der Anteil in den neuen Ländern gut 14 % gegenüber knapp 6 % in den alten Bundesländern – mittlerweile beträchtlich geschrumpft ist, hatte die Bauwirtschaft mit 6,3 % im Jahr 2009 hier noch einen deutlich höheren Anteil an der Wirtschaftsleistung als in den alten Ländern (4,3 %) (Schaubild 1).

Industrie in den neuen Ländern mit stetigem Wachstum

Beim Verarbeitenden Gewerbe zeichnet sich zwischen den neuen und alten Ländern dagegen eine unterschiedliche Entwicklung ab. Aufgrund des starken Wandels der bestehenden Strukturen im Zuge der Einheit, war die Ostindustrie durch den Zusammenbruch der staatlichen Großbetriebe dramatisch eingebrochen. In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Industrie in den neuen Ländern neu aufgestellt. Ihr Wertschöpfungsanteil ist stetig gestiegen. Mit einem Zuwachs ihres Anteils von lediglich knapp 12 % Anfang der 90er-Jahre auf rund 19 % im Jahr 2008 hat die wirtschaftliche Bedeutung der Industrie in den neuen Ländern – bis vor der Krise – um gut ein Drittel zugenommen.

In den alten Bundesländern war der Beitrag des Verarbeitenden Gewerbes zur Wirtschaftsleistung nach der Wende ungleich größer. Die Industrie stellte 1991 mit annähernd 29 % den größten Wirtschaftsbereich. Bis Mitte der 90er-Jahre ging ihr BWS-Anteil dann um rund 5 Prozentpunkte zurück, stabilisierte sich auf einem Niveau von etwa 24 % und brach zuletzt, in 2009 krisenbedingt auf knapp 20 % ein.

Die Spanne beim Wertschöpfungsanteil der Industrie zwischen den Ländern betrug 2009 rund 16 Prozentpunkte. Unter den Flächenländern weist Mecklenburg-Vorpommern mit rund 11 % den geringsten BWS-Anteil der Industrie auf. Von deutlich größerer wirtschaftlicher Bedeutung ist das Verarbeitende Gewerbe demgegenüber im Saarland und in Thüringen mit gut 23 % bzw. rund 20 % sowie in Baden-Württemberg mit einem Anteil von 27 % an der Wirtschaftsleistung des Landes.

Der Bereich Land- und Forstwirtschaft, Fischerei trug 1991 im Länderdurchschnitt noch etwa 1,4 % zur gesamten Wirtschaftsleistung bei. Bis 2009 ging der Anteil auf rund 0,8 % zurück. Zwischen den Ländern variiert die Bedeutung des Agrarsektors von lediglich 0,1 % bis 0,2 % der BWS in den Stadtstaaten, bis zu 2,4 % in Mecklenburg-Vorpommern.

Erwerbstätigkeit – gegenläufige Entwicklungen

Die Wirtschaftsleistung in Deutschland von rund 2 407 Mrd. Euro im Jahre 2009 wurde von jahresdurchschnittlich insgesamt knapp 40,3 Mill. Erwerbstätigen mit Arbeitsort im Inland erbracht. Davon entfielen gut 34,5 Mill. auf die alten Länder und knapp 5,8 Mill. auf die neuen Länder. Gegenüber dem Jahr zuvor waren dies insgesamt lediglich rund 14 000 Personen weniger. Trotz des deutlichen Einbruchs der Wirtschaftsleistung in 2009 – das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt in Deutschland war um – 5 % gegenüber dem Vorjahr eingebrochen – fiel der Rückgang der Erwerbstätigkeit merklich schwächer aus als befürchtet. Der in 2008 erreichte bisherige Höchststand der Erwerbstätigenzahl seit der Wiedervereinigung konnte somit annähernd gehalten werden. Höhere Beschäftigungsverluste wurden vor allem durch eine drastische Ausweitung der Kurzarbeit sowie den Abbau von Überstunden begrenzt.

Während in 2009 die alten Länder, hier vor allem die Stadtstaaten Berlin und Hamburg, mit einem Plus von gut 38 000 Personen sogar einen leichten Beschäftigungszuwachs verzeichnen konnten, ging dagegen in den neuen Ländern die Erwerbstätigenzahl erneut um rund 25 000 Personen oder – 0,4 % zurück. Seit der Einheit – mit der neuen Mobilität für die ostdeutschen Arbeitnehmer – haben die neuen Länder damit insgesamt über 1 Mill. Arbeitsplätze verloren. Eine gegenläufige Entwicklung zeigt sich in den alten Bundesländern. Hier stieg die Erwerbstätigkeit von 1991 bis 2009 – auch durch eine deutliche Ausweitung der Teilzeitbeschäftigung – um fast 2,7 Mill. Personen an.

Arbeitsproduktivität – Produktivitätsgefälle flacht ab

Während der Beschäftigungsstand in Deutschland 2009 relativ stabil blieb, ging die Zahl der insgesamt geleisteten Arbeitsstunden gegenüber dem Vorjahr deutlich zurück. Im Durchschnitt aller Wirtschaftsbereiche wurde rund 2,8 % weniger gearbeitet. Die deutsche Wirtschaft hat also in erster Linie mit einer Verringerung der Arbeitszeit, insbesondere mit Kurzarbeit, auf die Folgen der Wirtschaftskrise reagiert und weniger mit der Freisetzung von Personal.

Dies zeigt auch die Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Arbeitsproduktivität. Im Zuge der konjunkturellen Abschwächung 2009 ist das preisbereinigte BIP je Erwerbstätigen im abgelaufenen Jahr erstmals seit 1991 kräftig um 4,9 % gesunken. Je Erwerbstätigenstunde war der Produktivitätsrückgang gegenüber dem Vorjahr mit – 2,2 % aber etwas geringer. Die auf die Zahl der Erwerbstätigenstunden bezogene Wirtschaftsleistung ist aufgrund der zunehmenden Teilzeitarbeit und geringfügigen Beschäftigung dabei das aussagekräftigere Produktivitätsmaß.

Nach der Wiedervereinigung betrug die Arbeitsproduktivität in den neuen Ländern 1991 lediglich gut ein Drittel des Westniveaus – im Durchschnitt der Jahre 1991 bis 1993 knapp die Hälfte. Dieser deutliche Abstand bei der Arbeitsproduktivität hat sich innerhalb der letzten 2 Jahrzehnte maßgeblich verringert. Das Produktivitätsgefälle in Deutschland flacht mehr und mehr ab. 2009 bewegte sich das auf die Zahl der Erwerbstätigen bezogene BIP in jeweiligen Preisen in einer Spanne von gut 76 200 Euro in Hamburg bis knapp 47 900 Euro in Sachsen. Die Differenz zwischen dem Land mit dem höchsten und dem niedrigsten Wert der Pro-Kopf-Produktivität ist im Vergleich zu 1991, mit lediglich knapp 14 000 Euro in Thüringen und gut 55 200 Euro je Erwerbstätigen in Hamburg, damit von über 41 200 Euro auf allerdings noch immer relativ hohe rund 28 300 Euro gesunken (Schaubild 2).

Zwar lagen die 5 neuen Länder, gemessen am nominalen Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigen, 2009 mit durchschnittlich rund 49 100 Euro noch gut ein Fünftel unter dem Niveau der alten Länder (61 600 Euro). Damit ist seit 1991 – ausgehend von seinerzeit lediglich rund einem Drittel der »Westproduktivität« – ihr Angleichungsprozess jedoch beträchtlich fortgeschritten. Bezogen auf das preisbereinigte BIP hat sich die Pro-Kopf-Arbeitsproduktivität der neuen Länder seit 1991 mehr als verdoppelt, während die alten Bundesländer nur eine Steigerung von durchschnittlich knapp 9 % erzielten. Insbesondere im Rahmen von regionalen Produktivitätsvergleichen ist zudem zu beachten, dass diese partielle, auf den Faktor Arbeit bezogene Produktivitätskennziffer unter anderem wesentlich von der Ausstattung mit Maschinen und deren Modernitätsgrad bestimmt ist.

Regionale Einkommensdisparitäten – neue Länder holen auf

Das Verfügbare Einkommen der privaten Haushalte in Deutschland erreichte 2008 insgesamt rund 1 558 Mrd. Euro. Je Einwohner entsprach dies gut 18 970 Euro. Regional bestehen allerdings große Unterschiede. So verfügte die Bevölkerung Hamburgs 2008 mit durchschnittlich knapp 23 460 Euro über ein rund 8 500 Euro höheres Pro-Kopf-Einkommen als die Bevölkerung in Mecklenburg-Vorpommern.

Das Verfügbare Einkommen entspricht dabei dem Betrag, der den Haushalten für Konsum- und Sparzwecke zur Verfügung steht und stellt damit einen aussagefähigen Indikator für den (monetären) Wohlstand dar. Es ergibt sich dadurch, dass dem Primäreinkommen, also dem Einkommen aus Erwerbstätigkeit und Vermögen, die laufenden Transfers im Rahmen der staatlichen Umverteilung wie zum Beispiel monetäre Sozialleistungen (Rente, Arbeitslosenhilfe, Kindergeld etc.) hinzugefügt und Sozialbeiträge, Einkommen- und Vermögenssteuern sowie sonstige Transfers, die von den privaten Haushalten zu leisten sind, abgezogen werden (Tabelle 3).

Verglichen mit 1991 hat sich die Einkommenslage in den neuen Ländern insgesamt zwar deutlich verbessert, merkliche Einkommensdisparitäten bestehen aber nach wie vor. Ein spürbarer Ausgleich erfolgt dabei durch die Umverteilungseffekte. So erreichten die neuen Länder 2008 beim Primäreinkommen je Einwohner mit knapp 15 880 Euro gut zwei Drittel des Niveaus in den alten Bundesländern – 1991 waren es mit durchschnittlich rund 6 900 Euro lediglich knapp 42 %. Beim Verfügbaren Einkommen dagegen näherten sich die neuen Länder 2008 mit durchschnittlich etwa 15 480 Euro je Einwohner auf knapp vier Fünftel des Westniveaus an – 1991 waren es mit fast 7 150 Euro noch wenig mehr als die Hälfte des Pro-Kopf-Einkommens der alten Länder.

Im Jahr 2008 hatten die privaten Haushalte in Deutschland durchschnittlich ein verfügbares Einkommen in Höhe von gut 18 970 Euro je Einwohner. Damit verfügten sie nominal über ein rund 2,9 % höheres Einkommen als 1 Jahr zuvor. Inflationsbereinigt, bei im Jahresdurchschnitt 2008 um 2,6 % höheren Verbraucherpreisen, relativiert sich der Zuwachs jedoch. Im Durchschnitt der neuen Länder – mit einem Anstieg des Verfügbaren Einkommens in 2008 um 2,5 % – ergibt sich sogar ein realer Einkommensrückgang. So hatten vor allem die Einwohner in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Thüringen 2008 real durchschnittlich rund 60 bis knapp 80 Euro weniger zur Verfügung als im Jahr zuvor (Schaubild 3).

Fazit

Die gesellschaftlichen Lebensverhältnisse und die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft haben sich in den neuen und alten Ländern innerhalb der vergangenen 2 Jahrzehnte seit der Einheit zwar weitgehend angeglichen. Dazu haben die umfangreichen vor allem staatlichen Investitionen und wirtschaftspolitischen Fördermaßnahmen – erkennbar unter anderem am Aufbau der Infrastruktur, wie Verkehrswegen und Kommunikationsnetzen, des Städte- und Wohnungsbaus sowie des Bildungswesens bis hin zur Errichtung neuer Gewerbegebiete – wesentlich beigetragen. Bei den gesamtwirtschaftlichen Eckwerten bestehen zwischen Ost und West jedoch noch immer teils deutliche Unterschiede.

1 Für die hier betrachteten Ost-West-Vergleiche beziehen sich die Angaben für die alten Länder auf die alten Bundesländer einschließlich Berlin und für die neuen Länder auf die neuen Bundesländer ohne Berlin.

2 Kurz »Unternehmensdienstleister«

3 Da die VGR-Berechnungen in den neuen Bundesländern insbesondere im Startjahr 1991 durch den starken Wandel sowie die teilweise noch vorhandenen Lücken und Unsicherheiten in der Datenbasis im allgemeinen einen etwas größeren relativen Schätzfehler aufweisen dürften, wird hier als Vergleichsgröße der strukturellen Entwicklung seit Anfang der 90er-Jahre das 3-jährige Mittel der Werte von 1991–1993 herangezogen.