:: 8/2010

Landwirtschaftliche Studiengänge an baden-württembergischen Hochschulen

Studiengänge, die sich mit Pflanzenbau und Tierhaltung, landwirtschaftlicher Betriebslehre sowie der Weiterverarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse oder mit Forstwirtschaft beschäftigen, werden in Baden-Württemberg an fünf Universitäten und Hochschulen angeboten. Insgesamt belegten im Wintersemester 2009/10 fast 5 000 junge Menschen diese Studiengänge. Die Studierendenzahlen haben sich hier in den vergangenen 10 Jahren verdoppelt und der Frauenanteil ist in diesem Zeitraum von 43 % auf fast 48 % gestiegen.

Die Daten der vergangenen Landwirtschaftszählungen, die seit 1960 auch die Ausbildung der Landwirte erheben, weisen darauf hin, dass der Anteil von landwirtschaftlichen Betrieben, die von einem »studierten Bauern« geleitet werden, steigt. Dennoch ist der Anteil akademisch gebildeter Landwirte fortwährend eher gering. Die meisten Absolventinnen und Absolventen landwirtschaftlicher Studiengänge finden in landwirtschaftlichen Anbauverbänden bzw. Genossenschaften, Erzeugergemeinschaften, Tierzuchtanstalten sowie Versuchs- und Forschungsabteilungen von Unternehmen eine Anstellung.

60 % der ausländischen Studierenden in den landwirtschaftlichen Studiengängen stammen aus Entwicklungsländern. Damit haben die landwirtschaftlichen Hochschulen Baden-Württembergs eine Funktion in der Entwicklungshilfe, die dem Konzept der Hilfe zur Selbsthilfe entspricht.

Geschichte landwirtschaftlicher Hochschulen und Fakultäten

Landwirtschaftliche Studiengänge werden heute an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen, der Hochschule für Wirtschaft und Technik Heilbronn, der Hochschule für Forstwirtschaft in Rottenburg sowie an den beiden Universitäten Freiburg und Hohenheim angeboten. Diese baden-württembergischen Universitäten mit agrarwissenschaftlichen Schwerpunkten haben eine lange Tradition. So gab es an der Technischen Hochschule Karlsruhe im 19. Jahrhundert eine Abteilung für Forstwesen sowie eine Landwirtschaftliche Schule. Sie bestand bis ins Jahr 1920, in welchem sie (gemeinsam mit der seit 1881 an der Universität Tübingen betriebenen Forstausbildung) auf der Grundlage einer Regelung im Staatsvertrag zwischen Baden und Württemberg an die Universität Freiburg verlegt wurde. Dort bestanden zunächst zwei forstwissenschaftliche Universitätsinstitute mit angegliederter Versuchsanstalt, aus denen die heutige Fakultät für Forstwirtschaft hervorging. Die Universität Hohenheim entstand im Jahr 1922 aus einer landwirtschaftlichen Unterrichts-, Versuchs- und Musteranstalt mit angegliederter Gutswirtschaft.

Die Hochschule für Forstwirtschaft in Rottenburg war ursprünglich eine Forst(fach)schule und die Hochschule Nürtingen-Geislingen wurde 1949 als Höhere Landbauschule gegründet. An den Fachhochschulen liegt der Arbeitsschwerpunkt auf der Vermittlung von Lehre. Aber auch sie betreiben in zunehmendem Maße Forschung und kooperieren dabei mit der Wirtschaft und mit Forschungs- oder auch Entwicklungshilfeeinrichtungen.

Von Anfang an waren die landwirtschaftlichen Schulen und Anstalten eng verknüpft mit regionalen landwirtschaftlichen Betrieben und mit der Forstwirtschaft. Sie beschäftigten sich mit der Verbesserung tradierter Produktionsweisen oder mit alternativen Produktionsmethoden und Produkten sowie mit der Ökonomisierung landwirtschaftlicher Produktion bzw. der Vermarktung der Produkte. Aus diesen regionalen Ursprüngen heraus haben sich die landwirtschaftlichen Hochschulen und Fakultäten inzwischen zu international vernetzten akademischen Bildungsanstalten entwickelt, die aber dennoch fortdauernd der regionalen Landwirtschaft verbunden bleiben.

An den landwirtschaftlichen Hochschulen wachsen seit Beginn der statistischen Erfassung sowohl die Studierenden- als auch die Personalzahlen. Damit einhergehend fächern sich die Fachgebiete, die an den landwirtschaftlichen Hochschulen behandelt werden, immer weiter auf. Beispielhaft soll hier nur eine kleine Auswahl aufgelistet werden:

Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften allgemein, Agrarbiologie, Agrartechnik, Brauwesen/Getränketechnik, Gartenbau, Landespflege allgemein, Landschaftsarchitektur, Landschaftsökonomie, Lebensmitteltechnologie/Getränketechnologie, Meliorationswesen, Naturschutz, Milch- und Molkereiwirtschaft, Pflanzenproduktion, Tierproduktion, Umweltwirtschaft/Umweltökonomie, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaus, Weinbau- und Kellerwirtschaft.

Studienangebot

Eine Reihe von Studiengängen an den Hochschulen in Baden-Württemberg lassen sich unzweifelhaft als landwirtschaftliche Studiengänge einordnen. Da ist zunächst der von den meisten Studierenden belegte Studiengang der Agrarwissenschaft/Landwirtschaft, der an der Universität in Hohenheim (1 778 Studierende im Wintersemester 2009/10) und an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen (238 Studierende) angeboten wird. In Nürtingen gibt es darüber hinaus Landespflege/Landschaftsgestaltung (341 Studierende) und Agrarökonomie (39 Studierende) als eigenständige Studiengänge. Lebensmitteltechnologie (394 Studierende) und Agrarbiologie (511 Studierende) sind ebenfalls Universitätsstudiengänge in Hohenheim.

Forstwissenschaft/-wirtschaft wird als Studiengang an der Universität Freiburg (961 Studierende) und an der Hochschule für Forstwirtschaft in Rottenburg (476 Studierende) angeboten. An der Hochschule für Technik und Wirtschaft Heilbronn konnte bis 2006/07 der Diplomstudiengang Weinbau/Kellerwirtschaft gewählt werden. Danach wurde dieser Studiengang in einen Bachelor-Studiengang mit der Bezeichnung Weinbetriebswirtschaft umgewandelt und wird seitdem den wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen zugeordnet. Neue Studiengänge wie Umweltnaturwissenschaften (Universität Tübingen) oder Ressourcenmanagement/Wasser (FH-Rottenburg) befinden sich in der Gründungsphase und werden trotz der thematischen Nähe nicht den landwirtschaftlichen Studiengängen zugerechnet.

Landtechnik ist ebenfalls ein Studienangebot an baden-württembergischen Hochschulen. Dieser ingenieurwissenschaftliche Studiengang gilt nicht als landwirtschaftlicher Studiengang, sondern als Teilgebiet des Maschinenbauwesens bzw. des Studiengangs Mechatronik, der an zahlreichen Hochschulen des Landes angeboten wird. Maschinenbauwesen wurde im Wintersemester 2009/10 mit über 15 000 Studierenden von drei Mal so vielen Studierenden belegt wie alle landwirtschaftlichen Studiengänge zusammen. Die genaue Anzahl der Landtechnik-Studierenden unter diesen Maschinenbaustudierenden lässt sich aus den vorliegenden Daten leider nicht ermitteln.

Die Abgrenzung landwirtschaftlicher Studiengänge beinhaltet also eine gewisse Unschärfe. Bei den nachfolgenden Zahlen handelt es sich um solche, die auf der eingangs beschriebenen Studiengangauswahl beruhen. Dabei fällt auf, dass in Baden-Württemberg keine Ausbildung in Veterinärmedizin stattfindet. Baden-württembergische Tierärztinnen und -ärzte haben in München, Gießen, Hannover, Berlin, Leipzig oder auch im Ausland studiert.

Verdoppelung der Studierendenzahlen in Agrarwissenschaft

In den vergangenen 10 Jahren haben sich die Studierendenzahlen im Studiengang Agrarwissenschaft/Landwirtschaft verdoppelt. Auch im Studiengang Forstwissenschaft kam es zu einem Anstieg der Studierendenzahlen von fast 66 %. Die Studierendenzahlen in Agrarbiologie und Lebensmitteltechnologie wachsen ebenfalls allmählich an. Landespflege/Landschaftsgestaltung wird dagegen von immer weniger Studierenden belegt (Schaubild 1 und 2).

Von den 746 ausländischen Studierenden, die im Wintersemester 2009/10 an einem landwirtschaftlichen Studiengang an den Hochschulen Baden-Württembergs eingeschrieben waren, stammten mehr als die Hälfte (452 oder 60 %) aus einem Land, das vom Entwicklungsausschuss der OECD, dem DAC1, als Entwicklungsland eingestuft wurde. Diese Absolventinnen und Absolventen landwirtschaftlicher Studiengänge kehren in vielen Fällen in ihre Herkunftsländer zurück. Sie tragen dort zur Entwicklung der landwirtschaftlichen Produktion und damit zur besseren Lebensmittelversorgung der Bevölkerung in ihrem Land bei. Die Förderung dieser Studierendengruppe mit Stipendien folgt dem entwicklungspolitischen Konzept der »Hilfe zur Selbsthilfe«.

Der Frauenanteil liegt bei fast 50 %

Anfang des vergangenen Jahrhunderts war der Frauenanteil an der Landwirtschaftlichen Hochschule Hohenheim noch verschwindend gering (vgl. Abbildung). 1926 standen an der Landwirtschaftlichen Hochschule Hohenheim gerade einmal 2 Studentinnen 381 Studenten gegenüber. Sie betrieben Studien, deren Berufsziel »unbekannt« war.2

In den folgenden Jahrzehnten stieg der Frauenanteil in landwirtschaftlichen Studiengängen an. In den vergangenen 10 Jahren ist der Frauenanteil unter diesen Studierenden von 43 % auf zuletzt knapp 48 % angestiegen. Damit erreichen die landwirtschaftlichen Studiengängen beinahe Geschlechterparität (Schaubild 3).

Der Anteil weiblicher Studierender variiert jedoch in den einzelnen Studiengängen und an den verschiedenen Hochschulen zum Teil beträchtlich. Wird deren Beliebtheit an der Frauenquote des jeweiligen Faches abgelesen, ist bei Frauen das Studienfach Agrarökonomie an der Hochschule Nürtingen-Geislingen am beliebtesten. Die Frauenquote beträgt dort 100 % – alle 39 Studierenden dieses Studienganges waren im Wintersemester 2009/10 weiblich. Lebensmitteltechnologie mit einem Studentinnenanteil von drei Vierteln (74 %) wurde, gefolgt von Agrarbiologie (67 %) ebenfalls vor allem von Frauen belegt. Den niedrigsten Frauenanteil hatte der Studiengang Forstwissenschaft/-wirtschaft in Rottenburg, dessen 81 Studentinnen einen Anteil von 17 % an den insgesamt 476 Studierenden ausmachten. Der gleiche Studiengang an der Universität Freiburg wies bei insgesamt 961 Studierenden mit 41 % einen erheblich höheren Frauenanteil auf.

Ausgehend von der absoluten Anzahl weiblicher Studierender kann Agrarwissenschaft als das bei Frauen beliebteste landwirtschaftliche Fach gewertet werden (das gilt aber auch für die Männer). Insgesamt 930 Studentinnen hatten sich für ein Studium dieses Fachs in Nürtingen-Geislingen und Hohenheim entschieden und studierten diese Fachrichtung gemeinsam mit 1 086 Kommilitonen, die Studentinnen bildeten also einen Anteil von 46 %.

Absolventen landwirtschaftlicher Studiengänge

An den beiden bisher am Statistischen Landesamt erstellten Absolventenstudien3 waren die Fachhochschulen in Nürtingen-Geislingen und Rottenburg ebenfalls beteiligt. Demnach fanden in den Abgangsjahrgängen 2003 und 2006 die Absolventinnen und Absolventen agrar-, forst- und ernährungswissenschaftlicher Studiengänge an baden-württembergischen Fachhochschulen (erste Befragung 2008: N=152) in knapp 60 % aller Fälle unmittelbar nach Abschluss ihres Studiums eine Anstellung (47 %) oder machten sich selbstständig (12,5 %). Weitere fast 20 % qualifizierten sich weiter oder absolvierten ein Praktikum. Die Werte für die Abgangsjahrgänge 2004 und 2007 (zweite Befragung 2009: N=116)4 sind leider etwas ungünstiger. Rund 49 % bekamen eine unmittelbare Anstellung oder machten sich selbstständig. Weitere 16 % gingen einer Weiterqualifikation oder einem Praktikum nach. Diese rückläufige Entwicklung kann mit der konjunkturellen Entwicklung der vergangenen Jahre in Zusammenhang gebracht werden.

Überdurchschnittlich viele Absolventinnen und Absolventen der landwirtschaftlichen Fachhochschulen kamen im Jahr 2009 zu der Einschätzung, dass ihre derzeitige berufliche Situation ihrer Ausbildung nicht angemessen ist (Nürtingen/Geislingen: 6 %, Rottenburg: 16 %, Durchschnitt: 3 %).

An der Fachhochschule Nürtingen-Geislingen sehen die Absolventen – ebenso wie der Durchschnitt (61 %) aller Fachhochschulabsolventen, die an der Befragung teilgenommen haben – zu gut 60 % die Notwendigkeit, dass Angebote zur Berufsorientierung und zu Bewerbungsstrategien verbessert werden. Von den Rottenburger Absolventinnen und Absolventen waren über 78 % dieser Auffassung. Demgegenüber waren mit 85,5 % überdurchschnittlich viele (Durchschnitt 65,5 %) Absolventinnen und Absolventen mit dem Praxisbezug und den Lehrinhalten und Übungsaufgaben an der Forsthochschule in Rottenburg (sehr) zufrieden.